Читать книгу Game Over - Thomas GAST - Страница 9

KRIEGSTROMMELN AM KONGOFLUSS

Оглавление

Die Republik Zaire war nahe dran, ein Wunder zu erleben. Ein menschliches ökonomisches und wirtschaftliches Wunder. Die Männer und Frauen der Republik verfügten über eine positive Energie, über ein kreatives Genie, das Land unter ihren Füßen war gesät mit unermesslichen Bodenschätzen. Das war immer so. Ein Mann hat das alles erkannt, doch man ließ ihm nicht die Zeit, aus dieser Erkenntnis – und für sein Volk – Kapital zu schlagen. Er war der Mann, in dem die westliche Welt einen Wall gegen die Ausbreitung des Kommunismus in Afrika sah. Deshalb unterstützen sie ihn. Er zahlte es dem Westen zurück indem er sich gebärdete wie ein verrückter Despot. Er raubte sein Volk aus, machte das Krebsübel Korruption zu einem Kavaliersdelikt, eliminierte systematisch alle Gegner und wadete dann in ihrem Blut. Die Rede ist von Maréchal Mobutu. Der Mobutu, der sich mit Blick auf seine prachtvolle Residenz im Osten Kinshasas l’aigle de Kawele (Adler von Kawele) nannte. Oder war es gar eine neidische Szenerie Mobutus auf Adolf Hitlers Adlernest in Berchtesgaden? Der Mobutu, der den Mythos des Leoparden bei seiner Selbstdarstellung nutzte, damit ohne Zweifel den Geheimbund der Leopardenmenschen (Anioto) im Sinn hatte: Ein Leopard, der, wenn man den Afrikanern glaubt, verräterische, hinterhältige Züge besitzt; ein Leopard, der funktioniert und denkt wie ein Mensch, der aber keiner ist. Der Leopardenmensch Mobutu ist tot. Was der Erste Kongokrieg begonnen hatte, führte ein Krebsleiden zu Ende. Der Erste Kongokrieg war ein vom Herbst 1996 bis Mai 1997 auf dem Territorium der Demokratischen Republik Kongo ausgetragener Bürgerkrieg. Dabei wurde Langzeitdiktator Mobutu von der von mehreren Ländern unterstützten Rebellenkoalition der Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung Kongos (AFDL) gestürzt. Mobutu war ein Produkt belgischer Kolonisation. Nach seinem Großonkel nannte man ihn Sese Seko Kuku Ngbendu wa za Banga, den Krieger, der von einem Triumph zum Nächsten eilte. Und genau das tat er auch. Der vom Geltungsbedürfnis und später ohne jeden Zweifel vom Größenwahn motivierte Leopardenmann war nicht etwa zu vergleichen mit einem Idi Amin Dada, dem man nachsagte, dass er seine Feinde gerne mal verspeiste, nein! Mobutu war schlimmer. Unteroffizier, Journalist und schließlich Generalstabschef der Force Publique Zaires, das alles waren nur Zwischenstationen des vom Ehrgeiz zerfressenen Ngbandi. 1965 putschte er sich selbst an die Macht. Seit diesem Zeitpunkt führte er als Diktator ein dreißigjähriges, irrsinniges Regime, das von Korruption und von Ausbeutung geprägt war. Dieses Regime war 1997 wie eine überreife Frucht; es fehlte nur jemand, der dem Baum, der sie trug, einen kräftigen Tritt verpasste, damit sie zu Boden fiel und zerbarst. Ging es beim Völkermord in Ruanda in erster Linie um Hass und um Macht, so kamen in den Kongokriegen zwei Komponenten hinzu: Rohstoffe und deren potenzielle Abnehmer! Abnehmer, die nicht in Afrika, sondern mitten unter uns und in unserer „zivilisierten“ Welt zu finden waren. Das einfache Volk, welcher Ethnie auch immer es angehörte, wurde dabei in eine Statistenrolle verdammt. Für Kriege und üble Machenschaften wie den Raubbau an der Erde und für den „Run“ auf Afrikas Bodenschätze brauchte man Gewinner, vor allem aber benötigte man Statisten und Verlierer. Nach dem Völkermord in Ruanda flohen die mörderischen Hutu über die Grenze nach Zaire, wo sie in immensen Flüchtlingscamps Unterschlupf fanden. Dort, in der Kivuregion, hauptsächlich in Goma und Bukavu, organisierten sie sich erneut. Sie bauten die Flüchtlingscamps zu Basen für eine baldige Wiedereroberung Ruandas aus. Während die UN erhaben wegsahen, entstanden dort richtige Armee-Trainingslager und Ausbildungszentren: Brutstätten der Wut und des Hasses! Die „Tutsi von Zaire“, die Banyamulenges, mit den Tutsi von Ruanda eng verwandt, hatten sich seit langer Zeit schon in der Region niedergelassen. Doch nun wurden sie von den Hutus verfolgt und vertrieben, und die Machthaber in Kinshasa halfen ihnen dabei. Während Mobutu bei den USA immer mehr in Ungnade fiel, zeichnete sich aus der oben genannten Rebellion heraus ein neuer Mann am Kongo-Horizont ab: Laurent-Désiré Kabila. Mobutu besaß Macht, und der von den USA in allen Belangen unterstützte Gold- und Elfenbeinhändler von Hewa Bora, der so nebenbei noch dem Waffen-, Diamanten-, dem Drogenschmuggel und der Prostitution frönte, wollte sich diese Macht aneignen. Kabila hatte bei weitem nicht das Format eines Spitzenpolitikers. Das wussten die Amerikaner. Was also erwarteten sie sich von diesem Mann, der eher aussah wie ein grausamer, blauschwarzhäutiger Blutsäufer als ein feiner Diplomat? Die Frage war einfach zu beantworten. Im Kongo lagen unermessliche Bodenschätze. Gold, Diamanten, Kupfer und vor allem Coltan. Coltan oder Tantal war ein wichtiger Bestandteil für die Handyproduktion. Bereits damals war abzusehen, dass sich auch die Computerindustrie auf dieses Erz stürzen würde. Kabila vergab Lizenzen von Diamant-, Gold- und sonstigen Erz Minen, und er erhielt dafür Cash, Waffen und Carte Blanche (grünes Licht) für sein weiteres Vorgehen. Was die Amerikaner nicht wissen konnten, war, dass Kabila, was Kongos immense Bodenschätze anbelangte, damals schon mit China und Nord-Korea liebäugelte. Außerdem bot er 1998 einem Geschäftsmann aus Zimbabwe, einem gewissen Billy Rautenbach, die Obhut über GECAMINES in der Katanga-Provinz an, die dieser natürlich nicht verschmähte. Möglicherweise, ich möchte sagen höchstwahrscheinlich, waren es all diese „Liebschaften“, die Kabila später ins Fadenkreuz der USA und letztendlich ins kühle Grab brachten. Auf der Gegenseite unterstützten die Franzosen Mobutu (Françafrique, dem nachkolonialen französisch-afrikanischen Netzwerk, verpflichtet) nach wie vor mit aller Macht. Schließlich ging es um nichts weniger als um Vorherrschaft und um Einfluss in der Region. Der Ausspruch „Afrika ohne Frankreich ist wie ein Auto ohne Fahrer. Frankreich ohne Afrika ist wie ein Auto ohne Benzin“ traf genau ins Schwarze.

More than 40 years of African Independence have offered to the world a sad spectacle of a continent looted and humiliated with the complicity of its own sons and daughters- Mehr als 40 Jahre Unabhängigkeit in Afrika bot der Welt ein trauriges Schauspiel eines geplünderten Kontinents, gedemütigt durch die Komplizenschaft seiner eigenen Söhne und Töchter. Laurent-Désiré Kabila. In einer Art Blitzkrieg führte Kabila den ersten Kongo-Krieg. Mit der Ansage, „Mobutu in den Mülleimer der Geschichte zu werfen“, fegte seine Armee wie ein Orkan in Richtung Kinshasa. Tutsi-Soldaten der Ruandisch Patriotischen Front und tausende von Tutsi-Flüchtlingen füllten seine Reihen. Sein Heer bestand aber auch aus Kindersoldaten. Unter Aufsicht und angestachelt von erwachsenen Kämpfern rückten die „Kids“ auf roten Lehmpisten, durch dichten Dschungel, durch Regen und durch Sümpfe und über die mit Elefantengras bewachsene Savanne vor. Hutus wurden massakriert, wo man sie antraf. Nacheinander fielen Bukavu am 30. Oktober 1996 und Goma vier Tage später. Bereits Ende Dezember 1996 hatte die AFDL das gesamte Grenzgebiet nach Uganda, Ruanda und Burundi unter ihrer Kontrolle. In Windeseile marschierten sie unbeirrbar weiter nach Westen. Mobutu derweil tobte. Erbost über das Unvermögen seiner eigenen Truppe ernannte er General Mahele zum Stabschef der Armee von Zaire. Mahele hatte nur einen einzigen Auftrag: Kabila aufzuhalten! Doch auch er konnte nicht verhindern, dass die bedeutendste Bastion auf dem Weg in die Hauptstadt in die Hände der Rebellen fiel: Kisangani! Wie ein Schwarm ausgehungerter Heuschrecken fielen Kabilas Männer über die Stadt her. Sie zerstörten den dortigen Flughafen und die wenigen Hubschrauber in den Hangars, und sie töteten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte. Die Einnahme Kisanganis war ein schrecklicher Schlag für Mobutu. Kisangani war immerhin das solideste Bollwerk gegen Kabila gewesen. Niemand hatte ernsthaft daran geglaubt, dass es fallen könnte. Niemand jedenfalls außer Mahele selbst. Der drahtige General war sich des Ernstes der Lage nur allzu sehr bewusst, aber er konnte nichts tun. Seine Einheiten suchten ihr Heil in der Flucht. Die meisten Berichte, die mit ihnen von der Front kamen, waren falsch. Sie erzählten von einem heroischen Widerstand, der nie stattgefunden hat. Mahele war somit Herr über eine Gespensterarmee! Die Regierung vertraute ihren eigenen Generälen nicht mehr und forderte die Unterstützung diverser Söldnerfirmen an. In Belgrad wurde in aller Eile eine serbische Söldnereinheit von 180 Mann aufgestellt. Serben, teilweise brutale Kriegsverbrecher des Bosnienkrieges aus den Jahren 1992 bis 1995, zu denen auch Kroaten, Russen und Polen stießen, erhielten vermutlich via Botschaft Zaires in Paris ihre Visa und flogen dann direkt nach Kinshasa. Das geschah um die Jahreswende 1996/1997. Ein anderes Söldnerkontingent, hauptsächlich waren es Franzosen, stand unter dem Befehl eines Belgiers. Die beiden Söldnerfraktionen, Serben und Franzosen, verschmolzen, bildeten bald schon eine einzige Légion blanche. Als solche tauchten sie am 03. Januar 1997 in Kisangani auf. Wenn man den Erzählungen der Einwohner Kisanganis Glauben schenken darf, dann haben sie sich sehr disziplinlos verhalten. Naiverweise erwarteten die Söldner der Légion blanche, dass Kabilas Männer den klassischen Buschkrieg von anno 1961 (Zeit der Kongo-Wirren) führten. Damit begingen sie einen unverzeihlichen Fehler. Keine einzige Minute gelang es diesen schwerbewaffneten War-Dogs, Laurent-Désiré Kabila und den AFDL-Rebellen den Schneid abzukaufen, im Gegenteil: Meist waren sie auf der Flucht! Stellten sie sich doch mal zum Kampf, dann bekamen sie anständig den Hintern versohlt. Die einzige Befürchtung die Kabila in jenen Tagen haben musste, war diese, dass Frankreich sich auch politisch und offiziell weiterhin hinter Mobutu stellen und die Paras der Fremdenlegion nach Zaire schicken würde. Nur das hätte das Blatt noch definitiv zu Gunsten des Leopardenmannes Mobutu gewendet. Die Männer der Légion blanche erhielten ihre Befehle teilweise direkt von Armeechef Mahele. Aber Befehle von einem Schwarzen entgegenzunehmen oder gar umzusetzen, das ließ ihre Selbstverliebtheit gar nicht zu. Gemein hatten all diese Söldner nur eines. Sie waren unmenschlich und brutal. Ihnen fehlte jegliche Disziplin, die letztendlich einen guten Kämpfer ausmacht. Auch Mobutus Deal mit Executive Outcomes kam nie zustande. Die Männer standen zwar bereit, Mobutus zuständiges Amt hatte aber „vergessen“, den Sold zu überweisen. Kabila war das alles egal. Unaufhaltsam stürmte er weiter nach Westen. Am 10. April erobert er Lubumbashi. Am 4. Mai fiel Kenge. Mit der Eroberung Kenges war den Rebellen ein Coup von beachtlichem Ausmaß gelungen, denn von diesem Hauptverkehrsknotenpunkt bis nach Kinshasa waren es nur noch 250 Kilometer. Mobutus beste Einheit, die Division spéciale présidentielle (DSP), wollte Kinshasa um jeden Preis verteidigen, doch eine märchenhaftere Idee hatte es dieser Tage wohl nicht gegeben. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf.

Game Over

Подняться наверх