Читать книгу Pfui Herr Präsident! - Thomas Herrmann - Страница 8
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ОглавлениеKleopatra wurde in ihrem Sessel von einem ersten Sonnenstrahl geweckt, der genau auf ihre bedeutende Nase zielte. Sie musste niesen und spürte gleichzeitig einen stechenden Schmerz im Nacken. Etwas benommen fand sie sich nicht gleich zurecht. Wankend steuerte sie auf ihre seidene Liegewiese zu, um dort weiterzuschlafen. Kurze Zeit später erwachte sie erneut und klingelte nach dem treuen Eunuchen Jademon, der ihr sofort zwei Aspirin bringen sollte. Stattdessen betrat der milchhäutige Maikel ihr Gemach, um den Auftrag entgegenzunehmen. „Wo ist mein treuer Diener?“, herrschte sie den sensiblen und feingliedrigen Jüngling an. Noch während sie sprach fiel ihr ein, dass sie den braven Eunuchen gestern vierteilen ließ. Vielleicht war sie doch etwas zu streng mit ihm gewesen. Sei´s drum. Sie musterte das schüchterne Bürschchen mit der hohen Stimme und dem stets gesenkten Haupt. Der würde ihr gewiss nicht zu nahe treten und diese Zurückhaltung verhieß ihm möglicherweise ein längeres Leben. „Bring mir zwei Aspirin in Bitter Lemon“, unterbrach sie Maikel, der gerade auf ihre unheilvolle Frage antworten wollte. Sekunden später brachte er ihr das angereicherte Getränk. Als Jademons (ehemalige) rechte Hand wusste er, was man von ihm erwartete. Die Gottgleiche trank ihre Morgenmedizin, hoffte auf Besserung und ließ sich einen Spiegel bringen. Bestürzt trommelte sie auf der Stelle den gesamten Hofstaat zusammen. Die Dienerschaft hatte nun Schwerstarbeit zu leisten, um sie in eine vollkommene und begehrenswerte Regentin zu verwandeln. Nach Stunden war die Metamorphose abgeschlossen und fernerhin keine weiteren Todesopfer zu beklagen. Sie konnte Cäsar nun auf Augenhöhe begegnen und es wäre doch gelacht, wenn sie dem Imperator nicht seinen hübschen Kopf verdrehen und ihm die Tunika ausziehen würde.
Jener hatte die Einladung nur angenommen, um sich ein aktuelles Bild von der Dame und ihrem desolaten Wüstenstaat zu machen. Es war beschlossen und nur noch eine Frage des richtigen Zeitpunktes, bis er Ägypten annektieren und in sein römisches Imperium eingliedern würde. Und nebenbei entzückte ihn die Aussicht auf eine Kopfmassage Udos, dessen wunderbare Hände er während seines letzten Besuches kennen und schätzen gelernt hatte.
Kleopatra strotzte geradezu vor Selbstbewusstsein und Siegesgewissheit. Sie war von einer Aura feinster Aromen umhüllt und duftete unwiderstehlich nach sämtlichen Geheimnissen des Orients. Der purpurne Teppich war ausgerollt, das Unterhaltungsprogramm und das Festmahl waren vorbereitet, der Hofstaat und die Elitetruppe der Wüstenkämpfer samt Posaunenchor standen bei Fuß, um den Gast mit allen zivilen und militärischen Ehren zu empfangen. Es konnte losgehen. Vorher genehmigte sie sich noch rasch eine kräftige Prise ihres Nasenpuders.
Der Römer kam zur Überraschung aller in einem verbeulten Taxi im Tal der Könige an und wurde zuerst für einen Touristen gehalten. Er bezahlte den Fahrer, stieg freimütig aus und ging ohne zu zögern auf die Regentin zu, die ihm erwartungsfroh auf dem roten Läufer feierlich entgegenschritt. Er hatte die Haare gegelt, seine unrasierten Beine steckten in halblangen gelben Shorts, er trug eine verspiegelte Sonnenbrille und zu seinem schrillen Hawaiihemd weiße Frotteesocken und grasgrüne Mokassins. Diese eigenwillige Garderobe brachte Kleopatra völlig aus dem Konzept. Der Besucher bemerkte sogleich ihre Nervosität und freute sich, dass sein Plan, die eitle Dame ein wenig zu verunsichern, aufzugehen schien. Unter dem Beifall ihrer Wasserträger und der dissonanten musikalischen Begleitung einer Handvoll ausgedörrter Pyramidenwächter, begrüßte er sie mit einem warmen Händedruck, ohne die Brille abzunehmen.
Er bedankte sich für die Einladung. Sie brachte ihre Freude über seinen Besuch zum Ausdruck, und dann tauschte man höfliche Belanglosigkeiten aus, bis Cäsar ihr ein unvergessliches Kompliment machte. Trotz ihres Alters sei sie immer noch recht attraktiv, und mit welchen geheimen Mächten sie wohl im Bunde wäre? Das hatte gesessen! Sie errötete wie ein junges Ding, das einen schlüpfrigen Witz erzählt bekommt, und ihr gewinnendes Lächeln, das sie bei besonderen Anlässen zu tragen pflegte, fror augenblicklich zur Fratze ein und wich nicht mehr aus ihrem Gesicht. Das erste Mal in ihrem Leben war sie sprachlos. Als sie sich wieder gefasst und diesen schlecht gekleideten Bastard gedanklich aufs Schafott und zur Hölle gewünscht hatte, fragte sie ihn, ob er denn nicht auch ein wenig mehr aus sich machen wolle. Der Imperator reagierte souverän. Er meide prinzipiell jede Art von Sport oder Körperertüchtigung, im Übrigen gebe er sein Geld lieber für erstklassige Gladiatorenkämpfe und gutes Essen aus. Auch jetzt verspüre er Hunger und würde sehr gerne eine Kleinigkeit zu sich nehmen. „Dieser unverschämte Schuft bringt das ganze Protokoll durcheinander“, dachte sie bei sich.
Seine bescheidene Bitte würde sie ihm nicht abschlagen können, geplant war allerdings, das feudale Mahl erst nach den orientalischen Darbietungen einzunehmen. Aber wenn dem Herrn das Essen wichtiger war als eine seltene kulturelle Erfahrung, dann musste das Festbankett eben vorgezogen werden. „Ja, mein Lieber, ich höre Ihren römischen Magen knurren. Geben wir ihm etwas, bevor er zu brüllen anfängt.“ Cäsar musste grinsen, er gab die Richtung vor und das gereizte Weibsbild gehorchte ihm artig. Sie schritten nebeneinander zum Palast, um sich im großen Salon an einen prunkvoll gedeckten Tisch zu setzen. Er nahm nun seine Brille ab. Sie schaute in jene stahlblauen Augen, die ihr schon bei seinen früheren Besuchen beinahe den Verstand geraubt hatten und die den Halunken so unwiderstehlich machten.
Der zerbrechliche Maikel servierte den Aperitif und die Blicke der Männer begegneten sich nur für den Bruchteil einer Sekunde. Das genügte. Beide wurden jäh, aus heiterem Himmel, von Amors Pfeilen durchlöchert, waren betäubt und elektrisiert zugleich. Die Augen des Regenten strahlten plötzlich noch leuchtender und dem Pagen fiel beinahe das gläserne Tablett aus den zarten Händen. Die Zeit schien still zu stehen und eine magische Euphorie erfüllte den Raum. Die Gastgeberin fühlte sich wie eine ertappte Voyeurin und wünschte an einem anderen Ort zu sein. Gleichzeitig genoss sie es, sozusagen als Zeugin einer derart zauberhaften Begegnung, jenem einzigartigen Mysterium beiwohnen zu dürfen und beneidete diese Schwuchteln um ihre großen Gefühle. Das musste die viel beschworene Liebe auf den ersten Blick sein. Doch jetzt würde es verdammt schwierig werden, diesen verliebten Gockel zu verführen, um ihm einen Nachkommen abzutrotzen. Damit hätte sie Cäsar an sich gebunden und es wäre gewiss nicht zu ihrem Nachteil. Falls er das gemeinsame Kind ablehnte, wäre er immerhin erpressbar. In jedem Fall war ein erfolgreicher Samenraub Millionen wert, denn eine Story mit dieser Brisanz ließe sich auch jederzeit meistbietend an ein Klatschblatt verkaufen. In dicken Lettern sah sie schon die Schlagzeile vor sich;
CLEO SCHWANGER - VON CÄSAR?
Und ausgerechnet jetzt kam ihr der blasse Bengel in die Quere. Warum nur hatte sie nicht dieses Früchtchen an Stelle des treuen Jademon hinrichten lassen? Es war zum Haareraufen. „Maikel“, sprach sie ihn streng an, „hast Du heute schon deine HIV-Pillen von Dr. Sommerbrink eingenommen?“ Mit diesem schlichten Satz holte sie die beiden in die Wirklichkeit zurück. Der Jüngling, tief verletzt von dieser bösartigen Irreführung, begriff sofort wie seine Antwort lauten musste: „Ja Gebieterin, heute Morgen.“
Cäsar indes versuchte seine Gedanken zu ordnen. Es schien als habe er diese Bemerkung gar nicht wahrgenommen und mit gleichgültiger Miene nippte er an seinem Campari. Nie würde er sich in einer derartigen Situation etwas anmerken lassen. Die Gastgeberin musterte ihn eingehend, konnte aber nicht die geringste Regung entdecken. Sie änderte nun ihre Tonlage und fragte ihn mit warmer Stimme, ob er eine landestypische Spezialität oder lieber ein anderes Gericht zu sich nehmen wolle. Ihr Koch verstehe sich auf die internationale Küche. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Wenn man wählen dürfe und es keine Umstände mache, bevorzuge er seine Leibspeise, eine herzhafte Portion Spaghetti Monapoli mit viel Knoblauch. Kaum hatte er zu Ende gesprochen, eilte Maikel zum Küchenchef, um den Auftrag zu überbringen. „Dieser römische Bauer, ob er wohl im Bett auch so experimentierfreudig ist?“, fragte sich Kleopatra.
Von außen betrachtet verlief das gemeinsame Mahl harmonisch, immer wieder bediente sie sich der Waffen einer Frau und rückte ihre femininen Reize ins rechte Licht. Sie war darin geübt, sich in Gesellschaft von Männern entsprechende Aufmerksamkeit zu verschaffen. Er jedoch konnte den unverhohlenen Annäherungsversuchen vernachlässigter Edeldamen und der aufdringlichen Präsentation halbwelker Brüste nur wenig abgewinnen. Mit kleinen Wünschen lockte er stattdessen den Pagen mehrmals an den Tisch, um ihm nahe zu sein und seinen unwiderstehlichen Duft zu atmen. Nach dem Dessert bat er um eine handgedrehte Havanna, auf die er seit seinen Besuchen beim alten Casstro, der ihm ein zuverlässiger Verbündeter war im Kampf gegen seine Erzfeinde Aboma und Berlisconu, nicht mehr verzichten wollte.