Читать книгу Kurzgeschichtchen - Thomas Häring - Страница 6
Die Bewerbung
ОглавлениеSehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte mich hiermit bei Ihnen um die Stelle als Chef bewerben. Ich kann überhaupt nichts, rede immer nur Blödsinn und baue andauernd Mist. Letztens habe ich meine vorherige Firma in den Ruin getrieben und 500 Arbeitsplätze vernichtet. Ich habe ein gefälschtes Diplom, habe meine Doktorarbeit aus dem Internet gezogen und bin immun gegen Kritik, Vernunft und Intelligenz. Ich habe vor, Ihr Unternehmen zu ruinieren und mir jahrelang einen faulen Lenz zu machen. Ich bin ein inkompetenter Dilettant, ein Charakterschwein und ein Macho. Ich bin nachtragend, launisch und kann ein richtiges Arschloch sein. Meine Eltern habe ich so zur Verzweiflung getrieben, daß sie mich zur Adoption freigegeben haben und meine Geschwister habe ich per Ellenbogen bekämpft. Ich bin ein arroganter Fatzke, der wahnsinnig gut im Ignorieren, Verheimlichen und Vertuschen ist. Ich werde den ganzen faulen Säcken Beine machen, notfalls aus Holz, denn ich bin selbst eine stinkfaule Socke und kann es überhaupt nicht abhaben, wenn außer mir jemand nicht arbeitet. Außerdem kann ich keine Fremdsprache, bevorzuge einen diktatorischen Führungsstil und belästige meine Mitarbeiterinnen. Da ich so ein widerwärtiges Ekel bin, finde ich, daß ich mich für den Chefposten außerordentlich gut eigne.
Verachtungsvoll
The Boß
Sehr geehrter Bewerber,
mit großer Freude haben wir Ihre Bewerbung zur Kenntnis genommen und sind zu der Ansicht gekommen, daß Sie der perfekte Mann für uns sind. Wir brauchen knallharte, dynamische Rationalisierer und Modernisierer, Weicheier und Menschlichkeitsfuzzis sind bei uns fehl am Platz. Die Angestellten müssen spuren und sollen bluten. Wir sind eine großartige Firma, die weltweit einen exzellenten Ruf genießt und unser Image ist uns sehr wichtig. Wir suchen knallharte Typen wie Sie, die Köpfe rollen lassen. Ziehen Sie Ihr Ding knallhart durch und lassen Sie sich nicht von Betriebsräten und Gewerkschaften beeinflussen! Gewinn war gestern, Profitmaximierung lautet das Gebot der Stunde. Wir finden, daß Sie sehr gut zu uns passen würden. Zeigen Sie keinerlei Beißhemmungen, Mitleid ist fehl am Platz. Nicht umsonst leben wir im Raubtierkapitalismus und haben uns darin außerordentlich gut behauptet. Wir wünschen uns von Ihnen eine starke Führung, hartes Durchgreifen und jede Menge Skrupel- und Rücksichtslosigkeit. Zeigen Sie Ihren Untergebenen ruhig, wie gemein Sie sein können und viel Sie mehr verdienen! Provozieren Sie diese Luschen und machen Sie ihnen Feuer unterm Arsch! Kämpfen Sie für weniger Arbeitnehmerrechte! Verprügeln Sie unzuverlässige Mitarbeiter und zeigen Sie Ihre Zähne! Wir stehen immer hinter Ihnen und unterstützen Sie. Keine Gnade mit dem Pöbel, diesem Abschaum! „Feuern statt feiern“, lautet die Devise.
Wir freuen uns auf Sie
Ihre Deutsche Keletom