Читать книгу Eine Faust voll Liebe - Thomas Neukum - Страница 7
3. Kapitel
ОглавлениеDie gewaltige Bohrmaschine fraß sich durch den anzulegenden U-Bahn-Tunnel, Schotterbänder ratterten und das Gewölbe wurde abschnittsweise durch Spritzbeton beziehungsweise Stahlbögen gesichert. Wo das Gestein es erforderte, kam genau platzierter Sprengstoff zum Einsatz, und Ronak bediente den 280 PS starken Lader wie einen Panzer mit Schaufel. Nicht anders als er waren viele Arbeiter keineswegs rein deutsch.
In einer Kaverne hatten sie eine Behausung oder vielmehr einen Container errichtet, wohin sich die Männer für die Pausen zurückzogen. Alles Arschlöcher.
Mit aufgestemmten Ellenbogen biss Ronak in sein buntes Sandwich, als ein Rumäniendeutscher honorierte: „Tolles, saftiges Ding. Selber gemacht?“
„Ja.“
„So etwas“, mampfte ein südamerikanischer Kollege zu einer Thermoskanne Kaffee, „meine deutsche Frau nie im Leben würde hinkriegen. Von Avocado für Salat bis Hackfleisch jedes Gericht schmecken nach Kartoffel.“
Alle grölten vor Lachen. Einzig und allein Ronak nicht.
„Vielleicht sollte sie mal Hackfresse in die Pfanne hauen.“
Jetzt trocknete allen die Mimik ein. „Was soll das heißen?“, fragte der Südamerikaner.
„Wir sind ein Team“, ermahnte der deutsche Arbeitsleiter. „Niemand braucht hier Streit, schon gar nicht, wenn er sich noch in der Probezeit befindet.“
Ronaks Kiefer arbeiteten still.
„Sicher“, pflichtete der langjährige Mitarbeiter aus Rumänien bei. Nach der Auswanderung seiner deutschen Urgroßeltern war er mit einem Schuss östlichen Bluts in seinen Adern wieder eingewandert. „Wenn man etwas Großes wie einen Tunnel schaffen will, dann muss man zusammenhalten. Wer Streit sucht, der kann ja am Feierabend in diese populistische Kneipe gehen, die Gilde.“
„Populistisch?“, fragte ihn der Deutschkurde.
„Ja, andere verstehen darunter vielleicht heimatverbunden, aber für mich klingt es nach ausländerfeindlich, autoritär, rechtsradikal, so 'ne Scheiße eben.“
Gib acht, Ronak, du willst nicht schon wieder Ärger mit der Polizei. Allerdings schreien solche rechtsradikalen Hornochse auch nicht gerade nach den Behörden, dachte er. „Ihr glaubt, dass ich mich da nicht reintraue?“
„Natürlich nicht.“
„Dann lade ich euch ganz privat ein, mit anzusehen, wie ich noch heute Abend in diese Kaschemme marschiere.“
Selbst der deutsche Chef schluckte.
„Ich habe dafür keine Zeit“, wehrte einer ab.
„Ich muss heute Abend für meine kleine Tochter noch kaufen Schuhe, ehrlich“, so ein anderer, der Südamerikaner.
Feiglinge! „Dann morgen. Ihr müsst euch nur auf den Bürgersteig stellen, nur dabei sein und zusehen. Sonst kann ich ja gleich Märchen erzählen.“ Ronak streckte seine offene Hand über den Tisch. „Abgemacht?“
Nach einem wechselseitigen Blick schlugen der Lateinamerikaner und der Rumänienrücksiedler ein. „Abgemacht!“
Kaum hatten sie die Kaverne wieder verlassen, um weiterzuarbeiten, kam Ronak seine Achtsamkeitstrainerin in den Sinn. Er müsste ihr noch heute sagen, dass er morgen Frühschicht hatte und leider nicht mehr am Kurs teilnehmen könnte.
Gleich nach der Arbeit, als ihn die milde Abendsonne auf dem Weg zur S-Bahn-Linie grüßte, rief er Tiara an. Dabei klopfte er Staub von seinem Overall ab.
„Oh, ich verstehe“, stockte sie. „Vielleicht könnten wir uns dafür Mittwochabend sehen?“
„Ich dachte, man darf die Kursgruppen nicht wechseln.“
„Ja … ich meinte privat. Wir könnten essen gehen.“
Der menschengefüllte Bahnsteig begann zu kribbeln und zu rauschen. „Gerne. Italienisch? Asiatisch? Worauf hast du Lust?“