Читать книгу Nick 6 (zweite Serie): Baltimore Lees Diamanten - Thomas Newton - Страница 8

VIER

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Das Sternenschiff schien sich in Nichts aufzulösen und ließ nur den leeren Weltraum zurück – nur um im Bruchteil von einer Sekunde an der vorausberechneten Stelle in der Nähe des Dimensionswirbels wieder zu materialisieren.

Das Gebilde wirkte wie ein kleines Abbild der Milchstraße. Die Spiralarme waren durchzogen von Abertausenden glitzernder Bestandteile, die wie weit entfernte Sterne wirkten.

Nick ließ sich einen Augenblick lang von dem Bild gefangen nehmen, dann wandte er sich Johnson an der Ortung zu. »Stellen Sie fest, ob in diesem Sektor Raumschiffe den Wirbel anfliegen.«

Nach wenigen Sekunden kam die Rückmeldung. »Drei Schiffe halten Kurs darauf. Ich kann ihre Zeichen im Teleskop erkennen. Sie gehören der Interstellar-Gesellschaft. Ein weiteres Schiff kann ich mit keinem unserer Instrumente entdecken.«

»Dann ist Andersons Schiff schon durch die Dimensionsspirale geflogen«, meinte Nick mit leiser Stimme zu Xutl im Kopilotensitz. »Na, wir wollen auf der Hut sein.«

Gerade als er das Sternenschiff in das Zentrum des Wirbels steuern wollte, eilte Tom Brucks in die Zentrale und hielt auf ihn zu.

»Nick, komm sofort mit zu Jane Lee!«, bat er ihn eindringlich. »Sie … scheint ohnmächtig zu sein.«

»Was?«, stieß der Weltraumfahrer aus und erhob sich. »Übernimm du das Kommando, Xutl.«

Der Marsianer bestätigte, und Nick folgte dem Biologen. Sie hasteten die Gänge entlang, bis sie Jane Lees Kabine erreichten. Nick öffnete die Tür und zuckte im ersten Moment zusammen.

Wie leblos lag die junge Frau auf ihrem Bett. Der Kopf hing über der Kante.

»Miss Lee!«, rief er, doch sie reagierte nicht.

»Sie rührt sich nicht. Ich habe vergeblich versucht, sie zu sich zu bringen!« In Toms Stimme schwang Besorgnis mit.

Nick griff sie bei den Schultern und drehte sie herum, sodass sie vollständig auf dem Bett lag.

Er legte seine Finger auf ihr Handgelenk und atmete auf.

»Gott sei Dank! Ihr Puls ist regelmäßig.«

Nun konnte er auch sehen, wie sich ihre Brust schwach hob und senkte. Er schaltete das Licht an und sah sich aufmerksam um. Sein Blick fiel auf ein Glas, das halb unter das Bett gerollt war. Es war bis auf einen letzten Rest fast völlig geleert.

Nick betrachtete die orangefarbene Flüssigkeit im Licht und hob das Glas an seine Nase. Er roch nur kurz daran und verzog den Mund. »Hm … dieses Fruchtgetränk hat einen merkwürdigen Geruch«, stellte er fest. »Hol den Bordarzt, Tom!«

Sein Freund nickte und verließ mit schnellen Schritten die Kabine. Nick warf der jungen Tierfängerin einen besorgten Blick zu und sprach zu ihr. Doch sie zeigte weiterhin keine Reaktion.

Wenige Minuten später war Tom Brucks mit Brian Ferris, dem Bordarzt, zurück. Der Mediziner bat die beiden Männer, die Kabine zu verlassen, um Jane Lee gründlich zu untersuchen.

Nick und Tom standen auf dem Gang und hingen ihren Gedanken nach. Nach unendlich scheinenden Minuten öffnete sich die Tür, und Ferris erschien im Türrahmen.

»Was ist mit Miss Lee, Doktor?«, fragte Nick voller Unruhe.

Der Arzt wiegte den Kopf. »Sie muss eine Überdosis Schlafmittel genommen haben. Ihr Zustand ist nicht gefährlich. Am besten, wir lassen sie ausschlafen. Ich sehe nachher noch einmal nach ihr.«

Tom Brucks gab einen unbestimmten Laut von sich. »Das verstehe ich nicht. Vor ein paar Tagen habe ich Miss Lee gegenüber über meine Schlaflosigkeit geklagt und sie nach ihrem Schlaf gefragt. Sie sagte, dass sie wie ein Kind auf der Stelle einschliefe, sobald sie sich zur Ruhe lege. Und nun soll sie plötzlich ein Schlafmittel benutzen? Da stimmt was nicht!«

Nick sah seinen Freund ernst an. »Du hast recht. Außerdem wäre es seltsam, wenn Miss Lee angekleidet zu Bett ginge.« Er hielt inne. »Sollte unser geheimnisvoller Feind …?«

Er wandte sich an den Arzt. »Haben Sie bei Ihrer Untersuchung gesehen, ob Miss Lee ein Medaillon um den Hals trägt?«

Ferris schüttelte den Kopf. »Nein, ein Medaillon wäre mir bestimmt aufgefallen.«

Nick bedankte sich und bat den Arzt, zur Krankenstation zurückzukehren.

Nachdem er mit seinem Freund alleine war, schüttelte er leicht resigniert den Kopf. »Unser geheimnisvoller Feind hat keine Zeit verloren, Tom. In Miss Lees Kabine war alles in Ordnung. Er hat sie also nicht durchsucht.«

»Miss Lee hat das Medaillon bestimmt immer bei sich getragen«, vermutete der Biologe. »Und der Schurke brauchte nur zuzugreifen, als er sie mit dem Schlafmittel betäubt hatte.«

»Bleib bei ihr, bis sie erwacht, und benachrichtige mich dann sofort«, bat Nick seinen Freund. »Ich muss in die Zentrale.«

*

Nick wollte nicht noch mehr Zeit verlieren. Xutl hatte das Sternenschiff bereits in eine perfekte Ausgangsposition vor den Dimensionswirbel navigiert, und so musste der Weltraumfahrer es nur noch hindurchsteuern.

Beim Eintritt in den Wirbel flimmerte wenige Augenblicke lang alles um sie herum in hellen Lichtern, die durch die Luft tanzten, doch das Phänomen verschwand so schnell, wie es gekommen war. Nick betrachtete den dunklen Sternenhimmel, der sich nun vor ihm erstreckte, und fragte sich, welche Geheimnisse dieses neue Universum bergen mochte.

Er riss sich von dem Gedanken los und wandte sich zu Xutl um. »Berechne den Kurs«, bat er ihn. »Wir fliegen sofort den zweiten Planeten an.«

»Ich habe die Daten bereits in die automatische Steuerung eingegeben«, antwortete der Marsianer.

»Gut«, antwortete Nick. Wieder einmal wurde ihm bewusst, wie sehr er sich auf seinen außerirdischen Freund verlassen konnte.

»Der zweite Planet steht in einer sehr günstigen Position«, fügte Xutl an. »Übrigens, meine Berechnungen über Andersons Schiff haben ergeben, dass der Zeitverlust, den wir durch die Sabotage gehabt haben, ihm genügend Vorsprung verschafft hat.«

»Also doch«, brummte Nick.

»Was nützt ihm das aber letzten Endes?«, erwiderte Xutl. »Ich verstehe diesen Anderson nicht. Ohne das Medaillon kann er doch gar nicht an die Diamanten heran.«

Nick legte ihm die Hand auf die Schulter und sah ihn eindringlich an.

»Wenn wir nicht scharf aufpassen, bekommt er das Medaillon wohl …«

»Was?«, stieß der Marsianer entgeistert aus, und mehrere Besatzungsmitglieder drehten sich zu ihm um.

Nick zog ihn in eine stille Ecke der Zentrale. »Unser unbekannter Feind hat wieder zugeschlagen. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ist es ihm gelungen, Miss Lee das Schmuckstück zu entwenden.«

Xutls Miene verfinsterte sich bei diesen Worten.

*

Einige Stunden später erhielt Nick von Jane Lee die Bestätigung seiner Vermutung. Er legte den Arm tröstend um die junge Frau, die ihre Tränen nicht unterdrücken konnte.

»Mein Medaillon«, stieß sie aus. »Es ist verschwunden!«

Nick und Xutl hatten sich auf den Weg zu ihrer Kabine gemacht, nachdem Tom Brucks über Funk mitgeteilt hatte, dass sie erwacht sei.

»Beruhigen Sie sich, Miss Lee«, versuchte Nick sie zu trösten. »Ich treffe alle Vorkehrungen, um es dem Verräter unmöglich zu machen, nach unserer Landung mit dem Medaillon von Bord zu kommen.«

Die Worte konnten sie nicht wirklich beruhigen, und so blieb den drei Freunden nichts anderes übrig, als zu hoffen, den Verräter und Saboteur bei der Landung zu stellen.

*

Nach zwei Tagen Raumfahrt durch das fremde Sonnensystem ging das Sternenschiff um den zweiten Planeten in eine Kreisbahn. Bisher war er oberflächlich abgescannt worden und trug nur eine nüchterne Bezeichnung, und so lagen ihnen über die Beschaffenheit keinerlei Daten vor. Daher untersuchten sie vor der Landung die Oberfläche, was mehrere Stunden in Anspruch nahm.

»Von Andersons Schiff ist keine Spur zu entdecken«, meldete Dennis Gerald vom Ortungspult. Nick hatte die Besatzung inzwischen soweit eingeweiht und ihnen von Andersons waghalsigem Aufbruch erzählt. Die Geschichte über Baltimore Lee und die Diamanten behielt er bis auf Weiteres wohlweislich für sich. Er wollte, dass sich die Männer auf ihre Aufgabe konzentrierten.

»Kreisen andere Schiffe um den Planeten?«, fragte der Weltraumfahrer nach.

»Nein. Die großen Gesellschaften konzentrieren sich auf den dritten und vierten, die schon zum Teil erforscht sind.«

»Dann ist Anderson schon gelandet«, überlegte Nick. »Richten Sie die Instrumente auf die Umgebung unseres vorgesehenen Landeplatzes.«

Gerald bestätigte.

Nick ging zum Tisch der Kartografie, an dem Jane Lee ungeduldig auf ihn wartete. Ihr war anzumerken, wie schwer es ihr bei ihrem aufbrausenden Naturell fiel, untätig abwarten zu müssen.

Nick griff nach dem Tagebuch und schlug es auf. Er breitete eine ineinander gefaltete reißfeste Plastikfolie auf und betrachtete die einzelnen Markierungen darauf. »Gut, dass Ihr Vater eine recht detaillierte Karte beigefügt hat«, meinte er zu der jungen Frau. »Damit sollten wir nahe des Eingeborenendorfs landen können.«

Er ging zurück zum Pilotenpult und bat die Besatzung darum, ihre Ergebnisse durchzugeben.

»Die Instrumente sprechen an«, teilte Gerald mit.

»Gut, dann ist Anderson erledigt«, antwortete der Weltraumfahrer und nickte zufrieden.

Doch es verging keine Minute, bevor Nicks Zuversicht stark gedämpft wurde.

»Fehlanzeige« musste Gerald eingestehen. »Es war ein Berg, der sich aus dem Sumpf erhebt. Er ist stark eisenhaltig, und unsere Instrumente haben darauf angesprochen.«

Nick unterdrückte einen Fluch.

»Wir landen«, beschloss er und wartete, bis alle Platz genommen und sich angeschnallt hatten.

Das Sternenschiff senkte sich durch den Antigravitationsantrieb langsam herab und durchbrach die oberste Wolkendecke, die den Planeten einhüllte. Es vergingen Minuten, bis die weißen Schlieren endlich aufrissen und einen Blick auf die Landschaft freigaben. Die ersten Messungen ergaben, dass der zweite Planet durch seine Nähe zur Sonne deutlich wärmer war, und durch die Wolken herrschte ein tropisch-feuchtes Klima auf der Oberfläche. Unter ihnen breiteten sich weite, dicht bewachsene Dschungelwälder in einem grün-gelblich schimmernden Ton aus. Immer wieder wurden sie von bräunlichen, frei liegenden Sumpfflächen durchbrochen.

Nick steuerte einen Sumpf inmitten einer Hügellandschaft an und ließ das Sternenschiff darin versinken, bis nur noch eine flache Kuppe erkennen ließ, wo das kugelförmige Schiff verborgen lag. Er aktivierte die Kamera auf der Oberseite und schwenkte sie einmal um ihre Achse, bis er das gewünschte Ziel ausgemacht hatte.

Mit dem Finger deutete er auf eine im ersten Moment kaum erkennbare Schlucht, die zwischen zwei gewaltigen Felsen verlief. Jane Lee stellte sich neben ihn, und Tom Brucks und Xutl schlossen sich ihr an.

»Nach den Tagebuchaufzeichnungen befindet sich das bewohnbare Gebiet des Planeten hinter dieser Schlucht. Um die Eingeborenen nicht zu erschrecken, schlage ich vor, eine kleine Expedition zu bilden, die sie zu Fuß aufsucht.«

»Aber … die Wilden werden uns umbringen, wenn wir ohne das Medaillon zu ihnen kommen!«, warf Jane Lee ein.

»Keine Sorge«, entgegnete Nick. »Die Expedition wird aus Freiwilligen bestehen. Und einer von ihnen ist der Bursche, der Ihnen das Medaillon gestohlen hat.« Er zuckte mit den Schultern. »Eine andere Möglichkeit, aus dem Schiff zu kommen und es Anderson zu übergeben, gibt es für ihn nicht, weil außer der Expedition niemand das Schiff verlassen darf.«

»Sie sind mit allen Wassern gewaschen«, musst Jane Lee zugeben. »Ich möchte Sie nicht zum Feind haben!«

*

Nick gab sein Vorhaben an die Besatzung weiter und wies jeden, der an der Expedition teilnehmen wollte, an, sich innerhalb einer Stunde in der Messe einzufinden. Als Nick den Raum betrat, sah er sich gut einem Dutzend Männer gegenüber, die ihn erwartungsvoll ansahen. Er musterte die Freiwilligen, die sich für das Unternehmen gemeldet hatten, und stutzte, als er drei junge Gesichter erblickte.

»Eric, Richard und Peter?«, fragte er und schüttelte den Kopf. »Das Unternehmen ist zu gefährlich für Sie. Sie verfügen noch über zu wenig Erfahrung.«

»Einmal muss man beginnen, Erfahrungen zu sammeln«, antwortete Eric Marsh und schob keck das Kinn vor. »Warum nicht jetzt?«

»Das ist Ihre erste Raumfahrt. Ich trage die Verantwortung für Sie«, erklärte ihm Nick mit ernster Miene.

Erics Augen funkelten. »Ich bestehe darauf, an der Expedition teilzunehmen! Ich will nicht, dass man mich in Watte packt, nur weil ich der Sohn des Chefs der Weltsicherheitsbehörde bin.« Er machte einen Schritt auf Nick zu. »Ich werde mich bei meinem Vater über Sie beschweren!«

Der Weltraumfahrer schmunzelte. Er war in dem Alter nicht viel anders gewesen, musste er zugeben. »Immer mit der Ruhe, Eric. Vielleicht haben Sie recht.« Er sah die drei Kadetten an. »Wenn Sie und Ihre Freunde darauf bestehen, mitzukommen, dann machen Sie sich klar.«

Er wandte sich an alle Anwesenden. »Wir brechen in zehn Minuten auf. Stellen Sie Ihre nötige Ausrüstung zusammen!«

*

Der Aufbruch der kleinen Expedition blieb nicht unbeobachtet. Unentdeckt von den Sensoren konnten sich im Schutz der dichten Vegetation drei Männer nahe an das Sternenschiff heranschleichen, dessen Landung ihnen alles andere als verborgen geblieben war.

Butch Saunders reckte vorsichtig den Kopf hoch und spähte über die fleischigen Blätter einer Pflanze hinweg.

»Sie gehen zur Schlucht«, teilte er seinen Begleitern mit gesenkter Stimme mit.

»Kurz davor bleibt unser Mann wie verabredet etwas zurück«, antwortete Ringo Olsen. »Wir müssen uns bereithalten, das Medaillon entgegenzunehmen.«

Anderson hatte die Karten aus Baltimore Lees Tagebuch kopiert und eingehend studiert. Für das Sternenschiff gab es inmitten der hügeligen Landschaft nur eine Möglichkeit zu landen – und damit auch nur einen Weg zu den Eingeborenen, der durch diese Schlucht führte. Ihm war bewusst, dass er damit alles auf eine Karte setzte. Aber nur so hatte er seinen Spitzel schon vor dem Abflug mit Informationen versorgen können.

Die Männer folgten der Gruppe mit gebührendem Abstand und hielten sich so gut sie konnten im Dickicht verborgen.

*

Schon bald lief Nick der Schweiß über die Stirn. Zu der feuchten Hitze kam der beschwerliche Weg durch die dicht stehenden Farngewächse, die ihnen bis zu den Hüften wuchsen.

Die Luft war erfüllt von Myriaden kleiner Insekten, die sie umschwirrten, sich von den fremden Ankömmlingen aber doch fernhielten.

Nick stieß den Atem aus und blieb für einen Moment stehen. Er blickte nach vorne, und sowohl Tom Brucks wie auch Jane Lee schlossen zu ihm auf. Xutl war an Bord zurückgeblieben. Im Notfall konnte der Marsianer das Sternenschiff auch alleine starten, und Nick wollte für alle Eventualitäten vorbereitet sein.

»Auf der Lichtung da drüben werden wir erfahren, wer der Verräter ist«, sagte er zu seinem Freund.

»Du hättest die Untersuchung noch auf dem Sternenschiff vornehmen sollen«, brummte der Biologe.

Nick sah ihn nachdenklich an. »Ich wollte es zuerst. Aber wir wissen nicht, was den Verräter dazu getrieben hat, sich mit Anderson zu verbünden. Vielleicht hat er aus einer Zwangslage heraus gehandelt. Diese Entlarvung in einer kleinen Gruppe ist nicht so schwerwiegend für ihn, als sich vor der gesamten Besatzung zu verantworten. Es kann sein, dass wir ihn auf den rechten Weg zurückführen können.«

Tom Brucks warf ihm wie auch Jane Lee einen zweifelnden Blick zu, doch sie erwiderten nichts.

Nick gab der Gruppe mit einem Handzeichen zu verstehen, ihm auf die Lichtung zu folgen. Er sah sich um. Als er sicher war, dass keiner der Männer im Schutz des Dickichts zurückgeblieben war, löste er die Strahlenpistole aus dem Holster.

»Einen Augenblick, bitte!«, forderte er die Umstehenden auf.

»W… warum richten Sie Ihre Pistole auf uns?«, stammelte Erics Freund Richard Dickson.

»Was hat das zu bedeuten?«, rief Dennis Gerald von der Ortung.

Nick gab den Männern mit der Waffe ein Zeichen, sich enger zusammenzustellen und positionierte sich direkt vor ihnen. Sein Blick ging von einem zum anderen, und er sah in sowohl erstaunte wie auch verärgerte Gesichter.

»Bis auf Miss Lee und Tom Brucks lassen alle ihre Waffen auf den Boden fallen«, forderte er sie auf. »Wer sich weigert oder eine verdächtige Bewegung macht, wird erschossen!«

Ein Raunen ging durch die Gruppe.

»Das ist ja unerhört!«, begehrte Eric Marsh auf. »Sie sind wahnsinnig geworden!«

Bevor Nick ihm antworten konnte, gellte in seinem Rücken ein Hilfeschrei auf.

»Allmächtiger!«, stieß er aus, als er mit ansehen musste, wie Jane Lee von einem meterlangen schlangenähnlichen Pflanzenarm aus dem Dickicht umklammert und in die Höhe gerissen wurde.

Das wurzelartige Gebilde rollte sich zusammen und zog die Tierfängerin ins Dickicht, die sich in der Schlinge um ihre Hüfte wand und um sich schlug.

»Miss Lee!«, schrie Tom Brucks auf und wollte ihr nacheilen.

»Vorsicht!«, rief Nick und hielt seinen Freund zurück. Er wollte vorspringen, um ungehindert auf die Pflanze schießen zu können, ohne Jane Lees Leben zu gefährden.

Gerade als er anlegte, fiel jedoch ein Schatten auf die Lichtung, und das Rauschen großer Flügel ließ die Männer herumfahren.

»Was … ist das?«, entfuhr es Tom Brucks.

Nick wünschte, er hätte ihm eine Antwort darauf geben können. Die fliegenden Tiere erinnerten an große, vierbeinige Saurier mit gewaltigen Schwingen. Doch es waren keine Wildtiere. Auf ihren Rücken saßen fremdartig aussehende Reiter mit blau schimmernder Haut. Ihre Umhänge flatterten im Flugwind, als sie auf die Gruppe herabstießen.

Mehrere schlanke Objekte blitzten im fahlen Sonnenlicht auf, und Nick sah die Dreizacke, die auf die Gruppe herniedergingen.

»Vorsicht!«, rief er. »Die Burschen werfen mit ihren Forken nach uns!«

»In Deckung!«, schrie Tom und brachte sich mit einem Sprung ins Unterholz in Sicherheit.

Die Dreizacke verfehlten sie jedoch allesamt und trafen stattdessen die dicken Wurzeln der Pflanze, die Jane Lee gefangen hielt.

Nick hatte nicht vor, die schlechte Treffsicherheit der Wilden ungenutzt verstreichen zu lassen. Er riss seine Strahlenpistole hoch und zielte auf den ihm am nächsten fliegenden Reiter.

»Schießt nur mit Lähmungsstrahlen!«, ordnete er an. »Tötet sie nicht!«

Er wollte seinen ersten Besuch auf diesem Planeten nicht damit beginnen, sich die Eingeborenen zu Todfeinden zu machen.

Als die seltsamen berittenen Krieger die Waffen der Männer in der Sonne aufleuchten sahen, rissen sie ihre Flugechsen herum und ergriffen die Flucht, noch bevor ein Schuss abgegeben werden konnte.

Verwundert sah Nick ihnen nach. »Es scheint, sie haben schon einmal Bekanntschaft mit Strahlwaffen gemacht«, vermutete er. »Sie fürchten sich vor ihnen.«

Er wandte sich zu Tom um. »Behalte unsere Männer im Auge«, wies er ihn an. »Ich kümmere mich um Jane Lee.«

Beschwörend hob sein Freund die Hand. »Geh nicht allein ins Dickicht! Das ist zu gefährlich.« Doch er musste zusehen, wie der Weltraumfahrer mit gezogener Waffe zwischen den Baumriesen verschwand. Tom blickte ihm nach und presste die Lippen aufeinander, dann wandte er sich zu den Männern um, von denen immer noch viele besorgt zum Himmel blickten. Er hatte nicht vor, Nick alleine zu lassen und beschloss, ihm zu folgen.

»Vorwärts!«, ordnete er an und nutzte seinen Karabiner wie einen Offiziersstock. »Wir müssen zusammenbleiben!«

»Ich … ich kann nicht«, stöhnte Dennis Gerald und hob den Arm. »Ich bin am Bein verwundet.«

Tom trat auf den Mann zu und verzog beim Anblick der blutenden Wunde die Lippen. Gerald würde ihnen unmöglich folgen können. Der Biologe sah sich um, bis sein Blick auf Eric Marsh fiel, der zögernd näher gekommen war und die Augen nicht von der Verwundung lassen konnte.

»Sie bleiben bei ihm!«, befahl Tom. »Sie wollten Verantwortung übernehmen. Jetzt haben Sie Gelegenheit dazu. Und versorgen Sie die Wunde!«

Er richtete sich an Gerald. »Keine Sorge, wir sind bald zurück«, murmelte er. Der Navigator nickte nur und lehnte sich schweißüberströmt gegen eine Wurzel.

*

Inzwischen war Nick durch das Dickicht auf der Suche nach Jane Lee gehetzt. Immer wieder rief er ihren Namen, doch sie antwortete ihm nicht. Durch das Auftauchen der Reiter hatte sich die Pflanze mit ihrer Beute tief in den Dschungel zurückziehen können. Dennoch brauchte er nicht lange, um das wurzelartige Gewächs zu finden. Es lag regungslos auf einer kleinen Lichtung.

Die Schlangenarme bewegen sich nicht mehr, stellte er erstaunt fest. Aber wo war Jane Lee? Er stieg über die armdicken Wurzeln, als er plötzlich den Dreizack entdeckte, der mitten in einem Gebilde steckte, das aussah wie ein Blütenkelch. Das musste das Zentrum der Pflanze sein, vermutete er.

Warum hatten die Eingeborenen sie getötet?

Erneut rief er Jane Lees Namen. Ohne Erfolg. Nick beschloss, über die Schlangenarme zu klettern, um nach der jungen Frau zu suchen. Vielleicht war sie zwischen den Schlingen hindurchgerutscht und lag besinnungslos unter ihnen im Dickicht verborgen.

Er sah aus dem Augenwinkel, wie Tom mit den restlichen Männern zu ihm aufgeschlossen hatte. Doch er nahm auch eine andere Bewegung wahr. Ein Schatten, der sich blitzschnell aus den Ästen über ihm löste …

Das Raubtier erinnerte an eine Kreuzung aus Löwe und Jaguar, und es stand seinen irdischen Vettern an Gefährlichkeit ins nichts nach! Es begrub Nick mit seinem Gewicht unter sich und wollte mit einer Pranke zum tödlichen Hieb ausholen, als Tom Brucks das gesprenkelte Raubtier geistesgegenwärtig am Schweif packte und zurückriss.

Umgehend ließ es von seiner Beute ab und brülle den Biologen wütend an. Tom war einen Moment lang wie versteinert und schien unfähig, sich zu bewegen. Noch bevor sich die Raubkatze auf ihn stürzen konnte, riss ihn der junge Peter Bruce zu Boden, während Richard Dickson seine Waffe in Anschlag brachte.


»Da, Bestie!«, rief er und drückte ab. Mitten im Sprung verging das Raubtier in einer gleißenden Feuerlohe, bis nichts zurückblieb als ein schwarzer Fleck auf dem verbrannten Boden.

Tom rappelte sich auf und stieß den Atem hörbar aus. Er ging auf die beiden Kadetten zu und legte Peter die Hand auf die Schulter, während er Richard zunickte.

»Ich danke Ihnen. Sie haben mir das Leben gerettet!«

Peter Bruce wirkte bei dem Respekt, den ihm die umstehenden Männer zollten, sichtlich verlegen und lachte unterdrückt auf. »Es war also doch kein Fehler, uns auf diese Expedition mitzunehmen?«

Noch bevor der Biologe antworten konnte, meldete sich Nick zu Wort.

»Das war es nicht!«, rief er und winkte mit dem Arm. »Aber kommt hierher!«

Er wartete, bis sich die Gruppe um ihn geschart hatte, und zeigte auf das ›Herz‹ der gewaltigen Schlingpflanze.

»Seht euch das an.« Er wies auf den Dreizack, der tief in der weichen Pflanzenfaser steckte.

»Die fliegenden Krieger haben die Pflanze getötet«, raunte Tom und konnte seine Verwunderung nicht verbergen. »Aber wo ist Jane Lee?«

»Sie ist verschwunden«, antwortete Nick mit versteinerte Miene. Er machte eine ausladende Handbewegung. »Ich habe das Dickicht in der Umgebung der Pflanze durchsucht, aber ich konnte keine Spur von ihr entdecken. Auch andere Fährten sind nicht auszumachen. Es bleibt nur der Schluss, dass einer der Eingeborenen Jane Lee auf seinem Flugsaurier mitgenommen hat, nachdem er die Pflanze getötet hatte.«

Tom Brucks besah sich die Stelle gründlich, und das auch, weil er als Biologe von dieser neuartigen Lebensform fasziniert war.

Ein Hilfeschrei gellte durch den Dschungel.

»Was ist denn das nun wieder?«, rief Nick aus. »Wir sind doch vollständig?«

»Eric ist mit Dennis auf der Lichtung zurückgeblieben. Unser Navigator hat eine Verwundung am Bein«, kam die Antwort von einem der Männer.

Nick sah in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war. »Schnell!«, entschied er und hastete los. Die übrigen Männer schlossen sich ihm an und hetzten durch das Dickicht. Schon bevor sie die Lichtung erreichten, spürte Nick, wie der Boden unter seinen Füßen wieder und wieder vibrierte. Ein trompetenartiger Lärm erfüllte die Luft, und das Knirschen und Krachen von Bäumen war zu hören.

Nick entfuhr beim Anblick der grauen Giganten ein Stöhnen, als er die Lichtung erreichte und einen freien Blick hatte. Waren irdische Elefanten bereits beeindruckende Geschöpfe, so übertrafen sie diese Tiere um ein Vielfaches. Sie mochten gut fünfzehn Meter in die Höhe ragen, und neben den Stoßzähnen, die matt gelblich schimmerten, besaßen sie zwei weitere Hörner, die ihnen aus der Stirn wuchsen.

Wer auch immer so unbesonnen sein mochte, sich diesen Kolossen in den Weg zu stellen, hätte in einem direkten Zweikampf nicht den Hauch einer Chance …

»Helfen Sie mir!«, schrie Eric Marsh und wedelte mit den Armen. »Die Untiere kommen direkt auf die Lichtung zu, und ich kann Dennis nicht alleine tragen.«

Schnell eilten die Männer herbei und hoben den Verwundeten an, der unterdrückt aufschrie. Sie trugen ihn ins Dickicht und hofften, dass die Dickhäuter sie nicht wahrgenommen hatten. Keiner von ihnen wusste zu sagen, ob sie friedlich waren.

»Langsam wundert es mich nicht mehr, warum die großen Gesellschaften keinen Wert darauf legen, auf diesem Planeten Handel zu treiben …«, murmelte Nick und verfolgte aufmerksam jede Bewegung der Tiere, deren Schritte das Erdreich erbeben ließen.

Nick gab Anweisung, sich noch tiefer ins Unterholz zurückzuziehen, und das erwies sich als umsichtige Entscheidung, denn die Kolosse nahmen auch auf die Natur keine Rücksicht und walzten alles nieder, als sie die Lichtung überquerten. Bäume knirschten in ihren Wurzeln, wenn einer der schweren Körper sie zur Seite drückte. Große Äste brachen wie Streichhölzer und flogen durch die Luft.

So faszinierend der Anblick der Tiere war, so froh war der Weltraumfahrer, als sie an ihnen vorbeigezogen waren.

»Gott sei Dank sind sie nicht in unsere Richtung weitergegangen, sonst …«, er mochte sich gar nicht vorstellen, wie sie sich vor diesen Ungetümen hätten in Sicherheit bringen sollen.

»Ah, mein Bein! Diese Schmerzen …«, stöhnte Dennis Gerald auf.

Nick sah, unter welchen Qualen der Mann litt. Seine Augen glänzten, und die Schutzhaube seiner Kombination war schweißgetränkt.

»Ruhig, Dennis«, redete Nick auf ihn ein. Er betrachtete sich die Wunde, die sich erneut geöffnet hatte. »Verbinde ihm das Bein mit seinem Verbandspäckchen, dann ziehen wir uns zurück«, bat er Tom Brucks.

»Aber … Miss Lee?«, antwortete sein Freund mit einem entgeisterten Ausdruck im Gesicht.

Nick sah ihn unverwandt an. »Ich glaube nicht, dass sie in unmittelbarer Lebensgefahr schwebt. Sonst hätten sich die Wilden nicht die Mühe gemacht, sie aus der tödlichen Umklammerung der Pflanze zu befreien.«

»Ob die Wilden zu dem Stamm gehören, deren Häuptling Jane Lees Vater war?«, überlegte einer der Männer.

Nick schüttelte den Kopf. »Kaum. Die Wilden, deren Häuptling er war, erwarten den Besuch von Menschen. Sie hätten uns erst nach Miss Lees Medaillon gefragt, bevor sie …« Er stockte und sah die Männer schweigend an.

»Ich will Ihnen reinen Wein einschenken«, fuhr er fort. »Einer von uns ist ein Verräter, und vorhin wollte ich feststellen, wer von Ihnen das Medaillon in seinem Besitz hat.«

Unruhe brach unter den Männern aus, und sie diskutierten wild miteinander. Nick brachte sie mit einer Geste zum Schweigen.

»Bevor wir ins Schiff zurückkehren, will ich den Fall klären«, sagte er mit einem Klang in der Stimme, der keinen Widerspruch akzeptierte. »Entweder gibt der Bursche das Medaillon freiwillig heraus, oder ich muss jeden Einzelnen von Ihnen durchsuchen!«

»Sie … Sie beleidigen uns!«, stieß Richard Dickson aus und schnaufte.

»Unsinn«, antwortete einer der Männer. »Ziehen wir uns aus. Wir wollen keine Zeit verlieren. Vor allem ist Dennis’ Zustand besorgniserregend!«

Nick 6 (zweite Serie): Baltimore Lees Diamanten

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