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Von Carter bis Cotton – Sieben Jahrzehnte deutschsprachiger Heftroman
Оглавление1. Ein Wort in Sachen „Schmutz und Schund“
Wenn ein im Lichte der Öffentlichkeit stehendes Einzelwesen oder eine Institution unmittelbar vor dem 75. Geburtstag steht, kann man gewiss sein, dass über Ehrungen jedweder Art nachgedacht wird. Der deutsche Heftroman, volkstümlich noch immer Groschen oder Dreigroschenroman genannt, braucht auf ein derartiges Ballyhoo gewiss nicht zu spekulieren, obwohl auch er rieh nun der imaginären Jubelzahl nähert. Aber wenn schon dem Mimen angeblich die Nachwelt keine Kränze winden mag, uni wieviel weniger wird das einem Geburtstagskind geschehen können, das wie kaum ein zweites seit der Geburt geschmäht, verleugnet und in seiner Existenz bedroht worden ist. In der Tat sind die Anwürfe, denen sich der Heftroman in Deutschland seit Anbeginn ausgesetzt sah, fast Legion. Und wie ein imaginärer Stafettenstab wurde die Behauptung vom Stigma des „Schmutzig-Schundigen“ durch die Generationen der akademischen Übelnehmer gereicht.
Die Blende pauschaler Voreingenommenheit stand schon bald so fest aus sich heraus, dass sie kaum noch der Stützung bedurfte. Es soll hier nun keineswegs einem Schrifttum eine Lanze gebrochen werden, dessen Produkte fast durchweg oberflächlich, in literarischer Wertung belanglos – wobei es Ausnahmen durchaus gibt im Ästhetisch-Geschmacklichen meist hilflos waren. Es ist aber auch nicht einzusehen, dass es nun unbedingt nötig wäre, eine Publikationsform – den Heftroman – ständig an der Elle einer anderen – der Hochliteratur – zu messen. Das muss einfach ein schiefes Bild ergeben, ohne dass ein Aussagewert entstünde.
Dass der Heftroman trotz allem in ein nunmehr bereits patriarchalisches Alter strebt, kann eigentlich die Ursache nur in einem permanent erfolgreichen Umsetzen seines Wollens haben: Unterhaltung und Entspannung zu gewähren. Dass dies in einer Form geschah, die kaum Räume für unterschwellig injizierte Wissens- oder Bildungskomponenten ließ, wurde von den Verdammungstheoretikern seit Schimmelpfennig und Brunner über die Reichsschrifttumskammer bis hin zu den neuformierten Schützen der frühen fünfziger Jahre mit äußerstem Misstrauen gesehen. Unterhaltung nur um der Unterhaltung willen war wohl bereits suspekt, ohne dass man sich die Mühe zu machen brauchte, allzu sehr ins Detail zu gehen. Wenn heutzutage in Sicht der milieuidentischen Unterhaltungs-Fernseh-Serien hier und dort die gleichen Vorwürfe zu hören sind, die schon immer dem Heftroman galten, nämlich lediglich oberflächliches Amüsement, anspruchslose Entspannung zu gewähren, dann sollte man eigentlich aufhorchen. Noch immer versuchen selbsternannte Bildungsapostel im Hintergrund ihre Fäden zu ziehen, legitime Publikumswünsche ignorierend.
Den Heftroman – diese Fabrik der Träume – konnte indes nichts umwerfen. Gewiss, er wankte zu Zeiten bedenklich; so zum Beispiel im Jahre 1916, als 135 Serien als „Schundliteratur“ verboten wurden; auch 1935, als die Reichsschrifttumskammer unter Aktenzeichen L.30 anordnete, jedes Manuskript müsse vor der Veröffentlichung von ihr geprüft und freigegeben werden. Das Verbot der meisten Reihen im September 1939, der endgültige Exitus von Periodika gemeiner Art im Jahre 1941, waren dann ein zwischenzeitlicher Schlusspunkt. Abermalige Quertreibereien in den fünfziger Jahren mit dem Ziel, den Herstellern die Existenzgrundlage zu entziehen, führte 1964 zur Bildung der „Selbstkontrolle Deutscher Romanheftverlage“. Damit war erstmals ein Instrument zur Hand, unqualifizierte Angriffe abzuschlagen.
Dass der Heftroman also trotz allem nicht fiel, hatte er natürlich über eigene Bemühungen hinaus in nicht geringem Maße seiner Leserschaft zu verdanken, die kaum einmal eingeredeten Bedenken folgte und immer wieder zum „Schmöker“ griff. Betrachtet man den Bogen der Publikationen, den der Heftroman durch die Jahrzehnte spannte, begegnet man einer farbigen Vielfalt, die anzuschauen Vergnügen bereitet. Immer wieder wurden Form, Aussehen und Titelgestalten geändert, ständig glaubte man, es besser, zumindest anders machen zu müssen. Dieses spektrale Band imaginären Erlebens hielt es in bestimmtem Alter nicht die meisten von uns in Faszination? Die edlen Helfer ohne Furcht und von nur geringem Tadel, die Detektive und Reiter, die Pfadfinder, Fremdenlegionäre und Indianer, die Selbstlosen und auch jene mitunter außerhalb der Legalität Stehenden, sie kamen und gingen. Was blieb, war ihre Spur im Wesenlosen; eine jener Marken, die nicht auszulöschen sind.
2. Die Zeit bis zum Ersten Weltkrieg
Das Geburtsdatum des Heftromans in Deutschland genau zu fixieren, erscheint etwas schwierig angesichts der Frage, ob man nun die diversen Ritter-, Räuber- und Liebesleid-Serien des 19. Jahrhunderts im Lieferungsromancharakter mitzuzählen hat oder nicht. Auch die Reihen des Bartholomäus-Verlages, Erfurt, „Collection Transvaal“, „Collection Buffalo Bill“ und „Collection Fahrten und Abenteuer“ scheinen mir zeitlich vor den Serien zu liegen, die um 1905/1906 im deutschen Sprachraum die am englischamerikanischen Vorbild orientierten Helferfiguren einführten. „Buffalo Bill“ und „Nick Carter“ waren die ersten selbstlosen Samariter wider Ungerechtigkeit und Verbrechen. Ihnen folgten schon bald „Sherlock Holmes – Aus den Geheimakten des Weltdetektivs“ (1907) und „Lord Lister – genannt Raffles, der große Unbekannte“ (1908). Mit der „Lister“-Figur wurde also bereits frühzeitig jener elegante Außenseiter im Frack in den Heftroman gebracht, der es mit der Beachtung bestehender Gesetze nicht so ernst nahm und sie auf seine Weise auslegte. Über seinen Epigonen „John Kling“ wird noch zu berichten sein. Diese frühen Reihen erschienen im großen Format von etwa 28 x 22 cm, in dem dann auch einige weniger bekannt gebliebene Seriennamen herausgebracht wurden: „John Wilson“, „Bill Cannon – Amerikas berühmtester Kriminalkommissar“, „Jesse James“, „Rund um die Welt – Erlebnisse und Schicksale merkwürdiger Menschen“. Während die großformatigen Reihen zumeist 20 Pfennige kosteten, waren die etwas kleiner, ca. 21 x 14 cm, gehaltenen Serien schon um den halben Preis zu haben. Es begann da 1906 mit „Texas Jack – Der berühmteste Indianerkämpfer' und „Berühmte Indianerhäuptlinge“ und setzte sich fort mit „Nat Pinkerton – Der König der Detectivs“, „Ethel King – Ein weiblicher Sherlock Holmes“, „Der Luftpirat und sein lenkbares Luftschiff'. Weitere Serien der Zeit, die den Spielraum der Titelgestalten etwas erweiterten, waren „Heinz Brandt – Der Fremdenlegionär“, „Horst Kraft – Der Pfadfinder“, „Klaus Störtebecker – Der gefürchtete Herrscher der Meere“, „Jürgen Peters – Der Schiffsjunge“ und „Konrad Götz – Der Wandervogel“. Diese Folgen liefen zum Teil bis in die ersten Kriegsjahre hinein, ehe sie 1916 dem erwähnten Pauschalverbot zum Opfer fielen. Zu nennen wären in diesem Komplex noch: „Florian Geier – Kämpfe mit den Raubrittern“, „Detektiv John Spurlock – Der Mann mit den 1000 Gesichtern“, „Lord Percy vom Excentric Club“ (später als „Percy Stuart vom Excentric Club“) und speziell für Mädchenaugen gedacht „Prinzessin Übermut“ sowie „Backfischstreiche“.
Von der äußeren Aufmachung her zeigten die Serien der Frühzeit des deutschsprachigen Heftromans eine starke Verbundenheit zum zeitgenössischen Geschmack, die Titelbilder spiegelten in der Akribie der dargestellten Szenen einstmalige Wertvorstellungen. Beigefügtes Rankenwerk deutete zuweilen Jugendstilnähe an. Oft zierte die Titelliste ein mehr oder weniger markantes Konterfei des Helden, Orientierungsmarke und Warenzeichen zugleich. Der meist dramatischen Titelbildskizze beigegeben wurde ein die Skizze kommentierender Fußsatz, der überwiegend dem Text entnommen war. Außerdem trug jedes Heft den hinweisenden Vermerk, dass es sich um eine abgeschlossene Erzählung handele; die noch nicht überwundene Nachbarschaft der Lieferungsromanwerke blieb spürbar. Diese Art der Aufmachung sollte typisch werden für die Heftperiodika vor dem 1. Weltkrieg. Im Text war oft noch die brutal zynische Ausdrucksweise vergleichbarer Publikationen des 19. Jahrhunderts zu finden. Bemühungen um Sprachniveau blieben selten, die Knüpfung des anstehenden Falles schwach. Auch wenn logischer Geist vermeintlich die Klärung brachte, war letzte Instanz doch die Faust.
Der Heftroman hatte die Aktion für sich okkupiert.
3. Die Jahre zwischen den Kriegen
Die Erscheinungen des Zeitraumes von etwa 1920 bis 1941 kann man eigentlich in zwei Gruppen teilen: Einmal jene Serien, mit denen versucht wurde, an Erfolge der Vorkriegszeit anzuknüpfen. Dazu gehörte schon 1920 die Neuauflage und Weiterführung der „Percy-Stuart“-Figur, diesmal unter dem Titel „Der neue Excentric Club – Spannende Sport-Erzählungen“. Andere Namen von alten Helden, die ca. 1928/30 wiedererweckt, aber mit neuen Manuskripten bedacht wurden, waren Sherlock Holmes und Nick Carter, jetzt präsentiert als „Der Weltdetektiv“, bzw. „Der neue Nick Carter“. Möglicherweise durch Papierengpässe erzwungen waren die gegenüber den alten Reihen erheblich verkleinerten Formate der Nachkriegsserien, die oft bei 15 x 11 cm lagen. Ausnahmen machten weitere Nachdruckreihen bereits bekannter Namen um 1930: „Nick Carter – Amerikas größter Detektiv“ und „Buffalo Bill“ wurden ebenso im alten Format herausgegeben wie „Texas Jack – Der große Kundschafter“, „Berühmte Indianerhäuptlinge“ und „Klaus Störtebecker – Der gefürchtete Herrscher der Meere“. Auch die schon nahezu legendäre Raffles-Figur, die bereits in der Vor-Weltkriegsreihe auf der gleichnamigen Hornung-Gestalt fußen konnte, erlebte als „Lord Lister“ zu Beginn des dritten Jahrzehnts ihre Wiedergeburt. Hier begann man mit überarbeiteten Alttexten und brachte später neue Manuskripte. Eine Folge ähnlichen Konzepts war kurz zuvor „Max Wing’s tolldreiste Abenteuer“. Sie gehörte aber schon zur anderen Linie der oben erwähnten Einteilung, die neue Titelnamen anbot. Einige davon waren jedoch noch im alten Milieu angesiedelt. „Winoga – Der letzte Mohikaner“ und „Wildtöter – Neue Erzählungen aus dem Wilden Westen“ hatten ihre Schauplätze im noch von Indianern mehr oder minder beherrschten Westen von Nordamerika. Den Übergang zur Welt der Cowboys mit dem Beiwerk Rinderland und Salonseligkeit, mit Revolverbanditen und Spielerfiguren, brachten erst Mitte der dreißiger Jahre die Reihen „Die Abenteuer des Billy Jenkins“ und „Tex Bulwer – Abenteuer im Wilden Westen“. Etwas zwischen diesen Linien standen zur gleichen Zeit die Folgen „Bob Hunter auf Indianerpfaden“ und „Alaska Jim – Ein Held der kanadischen Polizei“ sowie dessen Nachfolgeserie „Sturmvögel“ mit den Untertiteln „Mit Büchse und Toboggan durch die Arktis“, später dann „Abenteuer zwischen Urwald und Prärie“. Beherrscht aber wurde die Szene zwischen den Kriegen wohl doch von vier Namen, die damals erhebliche Leuchtkraft hatten: Harald Harst, Frank Allan, Tom Shark, John Kling. In der zu Beginn der zwanziger Jahre begonnenen Harst-Serie, zunächst unter dem Titel „Der Detektiv“, dann als „Harald Harst – Aus meinem Leben“, schrieb sich wie kaum ein zweiter Autor Walther Kabel in die Herzen seiner Leser. Kabel schüttelte als einer der wenigen, denen das gelang, wirklich zuweilen die Fesseln trivialen Geschehens ab und erfreute – auch in seiner zweiten großen Serie „Olaf K. Abelsen – Abenteuer abseits vom Alltagswege“ – mit lebendiger, anspruchsvoller Sprache. Beide Reihen erloschen 1934, kurz vor Kabels Tod im Mai 1935.
Der ebenfalls um 1921 gestarteten Serie „Frank Allan – Der Rächer der Enterbten“, die über ein Jahrzehnt den deutschen Markt erfolgreich beschickt hatte, blieb es vorbehalten, ihren Untertitel in manch bizarrer Auslegung jenen Stimmen leihen zu müssen, die damit den Heftroman schlechthin verhöhnen wollten. Übrigens war die Allan-Serie mit über 600 Ausgaben die erste bedeutende Reihe, in der auf den Fußsatz unter dem Bild verzichtet wurde. Gegen Ende des Jahres 1928 begann ein Detektiv sein Tun, der in den dreißiger Jahren ganz zur Spitze kommen sollte und erst durch die Kriegsereignisse gestoppt wurde: „Tom Shark – Der König der Detektive“. Autorin war Elisabeth von Aspern, die durch liebenswürdige Naivschilderungen gut zu unterhalten wusste. Als Shark 1939 die Segel streichen musste, nannte man ihn „Wolf Greif*, als der er noch für ca. ein Jahr agieren durfte.
Eine der Trumpfkarten des Heftromans im dritten Jahrzehnt aber war zweifellos „John Kling“. Der Werner Dietsch Verlag, Leipzig, der zu Beginn der zwanziger Jahre viel mit von der Stummfilmleinwand geholten Helden wie „Harry Piel“, „Jack Mylong“ und „Harry Hill“ gearbeitet hatte, kreierte 1926 innerhalb der Serie „Welt-Kriminal-Bücherei“ den abseits der Gesetze operierenden, auf eigene Faust für soziale Gerechtigkeit kämpfenden Außenseiter Kling. Auch als nach 1933 derartige Maximen nicht mehr opportun blieben, war das Gewicht des Namens „John Kling“ bereits so stark, dass er und sein ihm beigestellter Freund „John Burthe“ den Weg zu detektivischer Tätigkeit finden durften, auch wenn das unter Schwierigkeiten geschah. Ebenso wie Shark wurden auch die beiden Reihen „John Kling’s Abenteuer“ und „John Kling’s Erinnerungen“ im September 1939 per Federstrich angehalten. Dass es für beide noch ein „Nachspiel“ geben sollte, darüber später.
Zwei recht jugendorientierte Serien der dreißiger Jahre sollten nicht vergessen werden, die in Text und Aufmachung erfolgreich waren: „Rolf Torrings Abenteuer“ und „Jörn Farrow’s U-Boot-Abenteuer“ (später „Jörn Farrow’s Abenteuer“) Man konnte sie unbedenklich in Jungenhände geben, wenn es auch da an Kassandrarufen nicht gefehlt haben mag. Schließlich seien aus den dreißiger Jahren noch genannt: „Hein Class – Fahrten und Abenteuer“, eine Reihe, die neben „Wolf Greif“ und „Frank Fabers Abenteuer“ (später „Fred Faber’s Abenteuer) bis 1941 laufen durfte, sowie die einzige echte Zirkus Serie des deutschen Heftromans „Salto Mortale – Elefantenkarls Erlebnisse“. Die Reihe „Hans Stosch-Sarrasani – Fahrten und Abenteuer“, 1923 begonnen, die man ebenfalls im Zirkusmilieu vermuten könnte, war mehr abenteuerlich orientiert, wenn es auch in ihr Zirkuserlebnisse gab. Technisch-phantastisch ausgerichtet waren die Reihen „Sun Koh – Der Erbe von Atlantis“ und „Jan Mayen“, die gleichfalls in den dreißiger Jahren eine Rolle spielten. Aus dem weiten Feld der Publikationen des Heftromans zwischen 1920 und 1941, die unmöglich alle erwähnt werden können, seien wenigstens noch einige namentlich genannt, ungefähr in der Reihenfolge ihres Erscheinens: „Rolf Brand – Der deutsche Sherlok Holmes“ (ohne c), „Daniel Boon – Der Held von Wildwest“, „Sir Ralf Clifford – Der unsichtbare Mensch oder Das geheimnisvolle Vermächtnis des Fakirs“, „Nic Pratt – Amerikas Meisterdetektiv“, „Der neue Lederstrumpf“, „James Robertson – Der Weltdetektiv“, „Fred Pinkerton – Amerikas Meisterdetektiv“, „Fred Parker – Die Erlebnisse des großen Unbekannten“, „Abenteuer des Detektivs Will Morton“, „Timm Fox – Der König der Detektive“ (später .König der Abenteurer“), „Vagabunden des Schienenwegs“, „Die Erlebnisse und Abenteuer des Detektivs Ralph Garby“, „Norbert Falk in der Fremdenlegion“, „John Baxter – Der Detektiv“, „Robby Ix“ (später „Robby King“), ,Black Bird – Der schwarze Vogel von Scotland Yard“ sowie die Wilhelm Busch nachempfundene Versreihe „Männe und Max“.
Im zweiten Kriegsjahr begonnen und bis fast zum bitteren Ende laufend, erschienen im Auftrag der Reichsjugendführung drei Heftserien, mit denen man die abgewürgten Reihen herkömmlicher Art ersetzen zu können glaubte: „Kolonialbücherei“, „Erlebnisbücherei“ und „Kriegsbücherei der deutschen Jugend“, alle von den Steiniger-Verlagen herausgebracht. Hier nahm zum ersten Mal eine parteinahe Institution des Dritten Reiches die Produktion von Jugendlektüre auf breitester Ebene selbst in die Hand, nachdem man im Jahre 1934 die Serie „Ein Hitlerjunge erlebt“ des Romanheftverlages Freyer, Heidenau, keineswegs gefördert hatte, um es zurückhaltend auszudrücken.
Das äußere Erscheinungsbild der Reihen zwischen den Kriegen war am augenscheinlichsten durch das gegenüber der Vor-Weltkriegszeit erheblich verkleinerte Format geprägt. Überdies waren die Hefte, jedenfalls in den zwanziger Jahren, meist dünner als zuvor und von einer zuweilen erschreckend lieblosen, ja oft primitiven Bildgestaltung. Das änderte sich grundlegend erst mit dem forcierten Erscheinen der Verlage Werner Dietsch, Leipzig, und Freya, Heidenau, auf dem Markt. Beide Hersteller machten sich damals mit modern konzipierten Serien verdient um den Heftroman, wobei das Leipziger Verlagsprogramm vornehmlich aus „Kling/Jenkins/Class“ bestand, dasjenige von Freya aus „Shark/Ix/Hunter/Alaska Jim/Frauen von heute“. In positiver Ausstattungssicht sind in diesem Zusammenhang auch noch die Verlage A. Bergmann, Leipzig, mit den Reihen „Der neue Nick Carter“ und „Sun Koh“ sowie Ostra, Leipzig, mit „Frank Allan“ und Neues Verlagshaus für Volksliteratur, Berlin, mit „Torring/Farrow/Bulwer“ zu nennen. Die Preise der Hefte des genannten Zeitraumes lagen zumeist bei 20 Pfennigen.
In Bezug auf die Textniveaufrage ist der Name „Walther Kabel“ schon hinreichend erwähnt worden. Im Übrigen stehen auch auf dieser Skala jene Verlage an der Spitze, die auf Grund ihrer Aufmachungsbemühungen oben erwähnt worden sind. Da das Heftromanmetier grundsätzlich wohl die Gefahr von Vielschreiberei fördert, sollten alle Wertungen in textlicher Sicht unter gewissen Vorbehalten geschehen. Zeitdruck kann sprachlicher Entwicklung nie förderlich sein; allzu schnell versanden Talente im Mahlstrom der Terminnot. Es seien deswegen nur einige Namen hervorgehoben, die mir in Sicht von Fabulierbegabung (Paul Pitt, di. Paul Erttmann, bei Dietsch; Wilhelm Reinhard, bei Neues Verlagshaus für Volksliteratur) und sprachlichem Engagement (Franz Anton und Hermann Falk, bei Dietsch) erwähnenswert erscheinen.
4. Vom Neubeginn bis in unsere Tage
Wenn man es recht betrachtet, begann der Heftroman in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg zum dritten Mal bei Stunde null. Was aber nach der die Wirtschaft stabilisierenden Währungsreform ungefähr im Sommer 1949 als Romanhefte an die Kioske kam, war ebenso deprimierend wie die Erzeugnisse kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Die neu formierten Titelgestalten der ersten Stunde waren in Text und Bild von erdrückender Dürftigkeit, ob sie sich nun „Jack Morlan – Der Meisterdetektiv“, „Jonny Reck – Amerikas größter Revolvermann“, „Hans Warren’s Abenteuer“ oder „Der Texaner“ nannten. Ausnahmen bildeten Regenerationsversuche mittels derer man – wie nach dem Ersten Weltkrieg – einst erfolgreiche Namen neu beleben wollte. So erstand für einen begrenzten Zeitraum nochmals fast das gesamte Vokabular der dreißiger Jahre mit „John Kling“ und „Billy Jenkins“, mit „Rolf Torring“» Jörn Farrow“, „Bob Hunter“ und „Hein Class“, mit „Tom Shark“, „Fred Parker“ und „Frank Allan“. Aber alle euphorischen Versuche konnten eine Epoche nicht neu beleben, deren Wirkungszeit abgelaufen war. Wirkte das technische Fundament des „Sun Koh“ jetzt, fünfzehn Jahre nach seinem Erstauftreten, zu simpel? Hatte der langmähnige „Buffalo Bill“, den man mit dem nunmehrigen Untertitel „Der Mephisto der Prärie“ nun zum dritten Mal bemühte, in einer Ära des Stoppelhaarschnitts seine Faszinationskraft vollends eingebüßt? Wie das nun auch gewesen sein mag, Tatsache blieb, dass die „alten“ Helden müde wirkten und über kurz oder länger endgültig abtraten. Das geschah bei den meisten Mitte der fünfziger Jahre, einige gelangten unter Mühen (und neuem Verlag) bis ans sechste Jahrzehnt. Noch aber existieren kaum Alternativfiguren. Die im Kleinformat der zwanziger Jahre aufgemachten, recht ansprechenden Serien „Meisterdetektiv Bob Hill“ (später „Bob Hill im Wilden Westen“) und „John Hill – Der Meisterdetektiv“, 1950 bzw. 1948 begonnen, schafften nicht die Profilierung. Jene Reihen, denen das vom Äußeren her zuzutrauen gewesen wäre: „Schwarzer Pirat“, „Rote Schlange“, „Coyote“, scheiterten wahrscheinlich an ihrem Verkaufspreis von 1, DM, der seinerzeit, als der Heftpreis bei 30 bis 40 Pfg. lag, astronomisch wirkte. Warum andere Titelfiguren der Jahre 1949 bis 1952 kurzlebig blieben, lässt sich heute kaum noch feststellen; registrieren wir sie immerhin: „Flying Jack“, „Hanns Hart – Tollkühne Abenteuer eines deutschen Seemannes in aller Welt“, „Frank Kenney – Kriminalabenteuer aus unserer Zeit“, „Zorro“, „Kansas Jack – Der Held der Prärie und Cowboykönig“.
Einige Verlage versuchten, der Serienfigur Valet zu sagen, starteten Reihen, die Einzelwerke vieler Autoren brachten, so wie das auf dem Gebiet des Frauenromans seit eh und je der Fall war. Es entstanden so: „Kriminal Erdball Romane“ und „Westmann Erdball Romane“, beide im Marken Verlag, und der „Moewig-Kriminalroman“ sowie „Bastei-Kriminal-Roman“.
Zum großen Teil wurden Arbeiten der Vorkriegszeit nochmals verwandt, Arbeiten, die einst in Buchform publiziert worden waren, jetzt für die Heftreihen entsprechend bearbeitet, sprich gekürzt, wurden. Eine der wenigen Reihen mit Serienfiguren neuen Namens, die sich Mitte der fünfziger Jahre im Schlepptau der „Jenkins „Hefte halten konnte und auch das gleiche Aussehen hatte, war „Tom Prox“.
In diese Situation wurden zwei Kriminalsäuglinge hineingeboren, die sich schon rasch zu wahren Supermännern auswachsen sollten: „G-man Jerry Cotton“ und „Kommissar X“! Cotton im Jahre 1955 und Kommissar X wenig später trafen wahrscheinlich eine Szenerie an, die zum Umkrempeln wie geeignet, zum völligen Neubeginn prädestiniert war. Der schlag und mundgewaltige Held amerikanischer Prägung, dem guten Tropfen aufgeschlossen und auch sonst kein Kind von Traurigkeit, er schickte sich an, das zunächst letzte Kapitel des deutschsprachigen Heftromans zu schreiben. Dass er Verlage für seine Kinderstube fand, die finanzkräftig und weitsichtig genug waren, mögliche Durststrecken einzuplanen und durchzustehen, war sein persönliches Glück. Bestimmender aber war wohl doch die Tatsache, dass der deutsche Leser in jenen Jahren willens war, diesen „Neuling“ anzunehmen. Dieses Raubein mit durchaus edler Gangart, das so gänzlich anders war als alles, was bis dahin vom deutschen Kiosk geholt werden konnte. Gewiss spielte es eine wichtige Rolle, dass sowohl Bastei- wie auch Pabel-Verlag, die glücklichen „Väter“ der neuen Melden, in Sicht von Text und Aufmachung alles taten, um einen neuen Höhenflug, den ersten nach dem letzten Kriege, vorzubereiten. Entscheidender aber noch als das scheint mir die Gesamtkonstellation auf dem Heftmarkt damals gewesen zu sein. Eine Lage, die einen Schnittpunkt anbot zwischen Vergangenem und erst zu Erwartendem, zwischen Gestern und der Zukunft. Diese Situationen wird es in bestimmten Intervallen wohl immer geben, sie zu erfühlen und auszunützen wird es mehr als unternehmerisches Gespür, als sachkundige Marktanalyse brauchen. Ich glaube, man muss einfach einmal Glück haben.
Natürlich versuchte man es, sich an den abgefahrenen Zug des Erfolges zu hängen – was Wunder? Es erschienen im Cotton-Schatten Serien wie „McCormick“ und „Jeff Conter“, wie „Cliff Morris“ oder „John Drake“. Aber wie einfach war doch die Rechnung: Das Publikum hatte ja Cotton, hatte Kommissar X – wozu brauchte es die anderen? Die Leserschaft von einem angenommenen Köder fortzubringen, wird es intensiverer Anstrengungen bedürfen als simpler Nachahmung; am besten natürlich der Zeit. Aber wenn man die nicht hat oder nicht abwarten kann, geht man zweckmäßigerweise andere Wege – was zu beweisen war: Der Erfolg von „Perry Rhodan“ zu einer Zeit, als die Menschheit buchstäblich ins Weltall hinausschaute, lag ja sozusagen „in der Luft“, wenn es in Rhodans sowie dessen Zunftgenossen „Rex Corda“, „Atlan“, „Dragon“ Existenzbereichen auch nichts dergleichen geben mag. Aber selbst auf anderen Gebieten waren Erfolge noch durchaus möglich – sie müssen ja nicht cottonscher Größenordnung sein. Die mit wunderbarer Bildgestaltung präsentierten Reihen „Gaslicht“, „Rodeo Western“ und „Silber Wildwest“, die ohne Titelfigur arbeiten, bewiesen es. Seriengestalten neueren Datums wie „Ronco – Der Geächtete“ und „Lassiter – Der härteste Mann seiner Zeit“ behaupteten sich genauso, wie die schon über zehn Jahre laufende Reihe „Fledermaus“ sowie „Butler Parker“. Dass das Wildwestheft lange Jahre hindurch nahezu ohne durchlaufende Heldenfigur auskommen musste, nachdem um 1962/63 mit „Jonny Weston“, „Jim Hatfield“, „Rocky Steel“ die Vertreter der zweiten Nachkriegsgeneration abgedankt hatten, war so übel gar nicht, weil einige Autoren wie z.B. Stammel und Unger, auch ohne diese Leitgestalt gut zu unterhalten verstanden und unter Benutzung diverser Pseudonyme viel für die Hebung des Textniveaus im Western taten. Auf diesem Sektor des Heftromans begann zu dieser Zeit die Einbeziehung historischen bzw. pseudohistorischen Geschehens nordamerikanischer Geschichte in die Storys, was der Farbigkeit der Reihen durchaus zugutekam.
In allerjüngster Stunde entdeckte man das Feld des Horror-, Vampir-, Grusel-Romans für den Heftbereich ein im Grunde altes Thema, das aber für den Seriensektor neu war. Die eigentlich mit „Butler Parker“ begonnene Aufweichung der Grundkonzeption, die Beschichtung der Kriminalerzählung durch humoreske Attribute und Klamaukszenen, sie wird hier in anderer Richtung verfolgt. Dabei ist zu bemerken, dass auch die Parkersche Variante nichts absolut Neues darstellte, denn bereits in den Jahren 1933/35 erschienen in der „Kling“-Reihe sogenannte Burlesken, die von Situationskomik und Clownerie lebten. Als „Halleluja – Fun Western“ scheint diese Thematik jetzt auch im ehrwürdigen Wilden Westen für Spaß sorgen zu wollen.
Der Qualitätsbogen in puncto Ausstattung stieg beim deutschen Heftroman nach dem letzten Kriege stetig. Betrachtet man einmal Hefte der 1950 laufenden Serien „Tom Brack – Der Grenzreiter“ oder „Jack Morlan – Der Meisterdetektiv“ neben heutigen Exemplaren von „Lassiter“ und „Kommissar X“, dann ist da ein Unterschied zu registrieren, wie er gravierender kaum sein könnte. Dort die plumpe, einfältige Titelskizze, die unpassenden Farben, der matte Druck; hier die ausgewogene Farbgebung, die gekonnte Linienführung der Zeichnung, der Kunstdruckumschlag. Für die „Cotton“-Gestalt blieb man allerdings bis auf den heutigen Tag bei der Verwendung von Filmbildmaterial auf den Umschlägen; einer Methode, die kurzfristig schon in den zwanziger Jahren bei den Dietsch’schen Filmserien und 1934 in der späteren „Harald Harst“-Reihe des Verlages moderner Lektüre praktiziert worden war. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg sollte sie sich entscheidender behaupten können.
Das Format der Nachkriegsserien lag im Wesentlichen bei ca. 22 x 15 cm; einige Folgen der ersten Stunde erschienen noch in der aus den dreißiger Jahren gewohnten Größe. Im Textlichen liegen die Wertunterschiede ähnlich denen der Aufmachung: Von der unqualifizierten Primitiverzählung erster Nachkriegsreihen erfolgte eine Entwicklung zu durchaus lesenswerten, sauber konzipierten Storys. Inwieweit allerdings heutzutage Lektorate beratend und schleifend tätig sind, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Preiskurve stieg analog der allgemeinen Entwicklung ebenfalls stetig. Hier wurde von den 30 Pfennigen „Startgeld“ inzwischen die 1-DM-Grenze erreicht, die mir fast eine Barriere zu sein scheint. Denn wie man hört, sollen Planungen dahin zielen, das Heft zugunsten des Taschenbuches gleicher Provenienz zurückzustellen. Das wäre dann auch in Deutschland eine Entwicklung, wie sie in den USA bereits stattgefunden hat. Wenn einige der bekanntesten Titelfiguren augenblicklicher Heftreihen wie „Kommissar X“, „Lassiter“ und auch „Jerry Cotton“ schon eine gute Weile im Taschenbuchformat zu finden sind – sollte das ein Omen sein?
5. Resümee
Was bleibt über das Aufzeigen einer geschichtskontinuierlichen Entwicklung des deutschsprachigen Heftromans in den ersten sieben Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sowie eine bescheidene Wertanalyse hinaus zu sagen? Zunächst einmal, dass keineswegs alles Erwähnung finden konnte, was in dieser Zeit dem Leser angeboten wurde. Lediglich ein allgemeiner Überblick sollte aufgezeigt werden, der subjektive Fragen durchaus offenlassen kann. Wollte man Vollständigkeit erreichen, wären noch viele andere Namen zu nennen. Außerdem wird die Erinnerung dem einzelnen stets das bringen, was er in einem bestimmten Jugendabschnitt selbst kennengelernt hat. Die Generationsgebundenheit ist gerade auf dem Gebiet des Heftromans mit seinen sich ablösenden Titelgestalten sehr klar erkennbar. Ganz sicher gibt es Untersuchungsziele, die hier nicht einmal angedeutet werden konnten – sie mögen späteren, intensiveren Lotungen vorbehalten bleiben. Die Kontaktversuche von Heftverlagen zur Leserschaft, die in den dreißiger Jahren zum Beispiel zur Auslobung einer ‚Pongo-Anstecknadel‘ für treue Torring-Leser führten, gehören ebenso dazu wie das Angebot von „John Kling – Jones Burthe“-Bildern um 1930. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es weitere Versuche, mittels Preisausschreiben und durch Ansteckplaketten mit dem Heldenkonterfei engeren Kontakt zum meist jugendlichen Publikum zu finden. Diese Zeiten sind vorüber; auch die Heftverlage konnten eine Entwicklung nicht negieren, die straffe Betriebsführung mit Management und Marketing brachte. Anstelle dilettantisch wirkender Verbundenheitsgesten per Knopflochzeichen werden uns heute seitenweise artferne Reklameangebote in den Heften mitgeliefert. Jedoch auch das – es soll ja alles schon einmal dagewesen sein – konnte bereits der Leser von großformatigen Serien vor dem Ersten Weltkrieg in Teilen seiner Periodika finden. Wenn heutzutage noch ein gewisses Frage-Antwort-Spiel zwischen Lesern und Herausgebern in Heften des utopischen Sektors stattfindet, dann scheint mir das ein Relikt jener Verlegervorstellungen zu sein, die einen direkten Dialog mit dem Käufer für nützlich ansahen. Auf diese Weise sind in der Serie „Berühmte Indianerhäuptlinge“ schon im Jahre 1909 Fragen des Indianerkomplexes coram publico diskutiert worden. Um zum Abschluss noch einmal den Bogen zwischen den beiden Begrenzungsfiguren dieses Berichtes – Nicholas Carter und Jeremias Cotton – zu schlagen, seien die eigentümlichen Übereinstimmungen erwähnt, denen beide unterliegen: Carter wie Cotton kamen mit den Berichten ihrer fiktiven Erlebnisse aus den USA zu uns; dieser wie jener stellte sich dem deutschen Lesepublikum per Faksimileunterschrift vor; hier wie dort verzichteten die Verlage Eichler, Dresden, und Bastei, Bergisch-Gladbach, auf die Nennung von Autoren oder Pseudonymen. Die Veröffentlichung der interessantesten Fälle aus dem Tagebuch des Meisterdetektivs Carter sollte ebenso auf ihn selbst fixiert bleiben wie die Vision eines persönlich berichtenden FBI-Mannes und Gangsterjägers Cotton.
Nehmen wir dieses gewiss zufällige Zusammentreffen von Vorstellungen als symbolisches Synonym, als streiflichtartige Erkenntnis, dass trotz mannigfacher Veränderungen in den Jahrzehnten seines Bestehens der Heftroman die Grundkonzeption seines Wollens nie verließ: Entspannung durch Spannung! Mögen sich Wertvorstellungen und allgemeines Lebensgefühl gewandelt, mögen technische Errungenschaften oder humanitäre Erkenntnisse die Basissituationen der Serien beeinflusst, sie sogar verändert haben – im Grunde ist der Heftroman noch immer der nuancenreiche Unterhalter, als der er um die Jahrhundertwende zu seinen Lesern kam. Dass er inzwischen, nachdem in den
zwanziger Jahren der Rundfunk und nach dem Zweiten Weltkrieg das Fernsehen nicht mehr „Alleinunterhalter“ sein konnte, wollten manche Stimmen schon zu seinem Todesurteil ummünzen. Nun, noch lebt der Heftroman, auch wenn er möglicherweise in näherer oder fernerer Zukunft unter die Fittiche seines zwar jüngeren, dennoch größeren Bruders, des milieuidentischen Taschenbuches schlüpfen muss. Doch das ist zu nicht geringem Teil eine Frage der Kostenentwicklung, deren Beantwortung nicht allein bei den Herstellern von Heftlektüre liegen kann, da sie allgemeinen Charakters ist.
Wer also einem Lesestoff nicht gram sein kann, der oft in schlimmen Niederungen von Sprache und Habitus weilte und dennoch stets das Hohelied des Sieges der Vernunft, der Wohlanständigkeit sang, der nie müde wurde, einer Fata Morgana ewiger Gerechtigkeit nachzujagen in einer Welt, die in Wirklichkeit so weit von der Erfüllung dieses Ideals entfernt ist, der drücke dem Heftroman die Daumen. Vielleicht kann er tatsächlich, wenn man ihm etwas hinter die bizarre Fassade sieht, auch unter veränderten Vorzeichen ein Produzent von Träumen sein. Denn wird nicht auch in ihm, der endlich jedes Rätsel transparent werden ließ, der die schwingende Waage menschlichen Erlebens jedes Mal für eine kurze Weile auspendelte – bevor mit dem nächsten Heft das neue Geheimnis entstand – wird also nicht auch in ihm ein Zipfel jenes imaginären Zielglaubens sichtbar, der trotz allem hoffen lässt? Wenn diese Frage für einen Wimpernschlag den langen Weg erhellen kann, von Carter bis Cotton und damit vom Großvater zum Enkel, die sie als Hefte in Händen hielten, wenn für den Moment des Augenblickes die Fäden sichtbar würden, die Vordergründiges verstellt hält, bin ich guter Dinge…