Читать книгу Die blaue Blume - Thomas Riedel - Страница 4

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»Er sah nichts als die blaue Blume,

und betrachtete sie lange

mit unnennbarer Zärtlichkeit.«

Novalis (1772 - 1801)


Kapitel 1

D

ie Dunkelheit der eingebrochenen Nacht hatte sich über dem parkähnlichen Garten wie ein alles bedeckendes Betttuch ausgebreitet. Die offensichtlich schon seit ewigen Zeiten ungeschnittenen Rasenkanten und die Abgrenzungen der zahlreichen Beete waren nur noch schwer zu erkennen. Der zarte Duft einiger Chrysanthemen, Dahlien, Hortensien und Rosen hing in der Luft. Trotz der inzwischen weit fortgeschrittenen Jahreszeit, standen sie noch in voller Blüte. Hinter weichen Schattenlinien vereinzelter Sträucher, wippten ganz leicht und in leiser Bewegung die langen rutenförmigen Äste einiger Trauerweiden, die sich weit über den schwarz glänzenden Wasserspiegel des großen flachen Beckens neigten. Inmitten dieser Anlage stiegen im Halbdunkel die unsichtbaren Fontänen eines Springbrunnens in die Höhe, den man nur an seinem leisen Plätschern, das die Eintönigkeit dieser beschaulichen Stille unterbrach, dort vermutete.

Doch da war etwas!

Etwas, das diese nahezu märchenhafte nächtliche Beschaulichkeit störte!

Denn das, was im Wasser des Beckens schwamm, wollte so gar nicht in den Park einer alten Villa, im Londoner Stadtteil Westend, passen!

Es war die menschliche Gestalt eines Erwachsenen, bei der auf den ersten Blick nicht eindeutig zu erkennen war, ob es sich bei ihr um eine weibliche oder männliche Person handelte.

Und noch etwas störte die idyllische Ruhe!

Denn plötzlich waren schlurfende Schritte vom Kiesweg her zu hören. Keine Minute später tauchte ein Mann von kleiner Statur zwischen den tiefhängenden Weidenästen auf. Trotz der Dunkelheit musste er die reglose Gestalt auf der Wasseroberfläche ausgemacht haben. Er hielt inne. Mit starrem Blick sah er zu dem Körper hinüber. Dabei verzog sich sein Gesicht zu einer ungläubigen Grimasse. Kaum hatte er den ersten Schrecken verdaut, fasste er sich mit seiner Rechten in den Nacken und begann sich nachdenklich am Hinterkopf zu kratzen.

Der kleine Mann war selbst für Londoner Verhältnisse äußerst seltsam gekleidet. Er trug einen mit reichlich goldenem Brokat verzierten Schlafrock. Seine Füße zierten arabische Schnabelschuhe und auf seinem Kopf trug er eine orientalische Kopfbedeckung – einen orangefarbenen Dastar, den Turban der indischen Religionsgruppe der Sikhs. In seinem Aufzug sah der Mann wie ein orientalischer Adeliger aus, eben so, wie man sich eine Figur aus den morgenländischen Erzählungen ›Tausendundeine Nacht‹ vorstellte. Sein schwarzbraunes Gesicht, ein Anzeichen dafür, dass er aus dem südlichen Teil Indiens stammte, zierten zwei große mandelförmige Augen. Sie waren dunkel und glänzten wie ›Carbonados‹, wie oft auch die ›Schwarze Diamanten‹ genannt wurden.

»Es ist kaum zu glauben, wie sie da schwimmt«, murmelte er mit einem befremdlich anmutenden Lächeln. Der Umstand schien ihn ganz offensichtlich mehr zu amüsieren als zu erschrecken. Aber vielleicht war es auch nur seine sehr spezielle Art mit dieser bizarren Situation umzugehen. »Es ist keine vier Stunden her, da war sie noch das blühende Leben, hat gestrahlt, gelacht und vom köstlichen Wein seiner Lordschaft getrunken. Es ist einfach nicht zu fassen, wie schnell sich doch alles verändern kann. So rasch kann es gehen, eben bist du noch mitten im Leben und schon kurz darauf tot.«

Plötzlich neigte er leicht seinen Kopf. Er vernahm sich ihm nähernde Schritte und drehte sich herum. Gleich darauf schälte sich seine Lordschaft aus dem Dunkel.

»Hey! Sharukh!«, rief sein Herr verärgert aus. »Ich suche dich schon überall! Nie bist du da, wenn man dich braucht! Was treibst du denn hier?«

Seine Lordschaft war ein Mann Mitte der Fünfziger, mit gebogener Nase und einem rostbraunen Vollbart, wie man ihn bei einem Schotten vermutet hätte. Seiner mehr als deutlich zum Ausdruck gebrachten Verärgerung ließ er noch ein abfälliges Knurren folgen.

»Was machst du hier bloß?«, wiederholte er in befehlendem Kasernenton.

Das Antlitz seiner Lordschaft Sir William Dwerryhouse wurde düster. Mit einem scharfen Blick sah er seinen Diener an, so wie er es immer dann tat, wenn er ihm deutlich zu verstehen geben wollte, wer von ihnen hier das Sagen hatte. Und bislang hatte es bei Sharukh nie seine Wirkung verfehlt. Auch diesmal wand sich der Inder wie ein Wurm. Die Situation war ihm mehr als unangenehm.

»Mylord, ... ich ... ich machte doch nur ... einen Spaziergang«, stotterte er erklärend, mit unterwürfigem Tonfall.

»Einen Spaziergang?«, knurrte Lord Dwerryhouse ihn an und betrachtete Sharukh geringschätzig von oben nach unten. »Bei diesem Wetter? Und dann auch noch im Schlafrock und mit diesen grotesken Schnabelschuhen? Mal ganz abgesehen von dem albernen Turban!« Ein spöttischer Zug lag in seinen Mundwinkeln. »Warum musst du eigentlich immer wie ein Clown herumlaufen?« Es war eine rhetorische Frage, auf die seine Lordschaft keine Antwort erwartete. Dwerryhouse wurde wieder sachlich: »Und jetzt sofort zurück ins Haus!«

Trotz des scharfen Kommandotons bewegte sich sein indischer Diener nicht vom Fleck und wies stattdessen mit leicht zittriger Hand auf das Wasserbecken.

»Mylord, da ... da ...«, begann er stammelnd, »schwimmt jemand ... im Bassin! Wenn ich das richtig gesehen habe, dann ... das muss Miss Sandford sein!« Mit ängstlichen Augen sah er seine Lordschaft an. »Sie scheint allem Anschein nach ...« Er verschluckte den Rest.

Lord William Dwerryhouse wurde steif. »Du verschwindest jetzt sofort im Haus, Sharukh!«, wiederholte er seine Anweisung.

»Wie Sie wünschen, Mylord«, dienerte der Hausangestellte und machte sich davon.

Seine Lordschaft trat näher an das Becken heran. Sein Diener hatte recht, es war tatsächlich Meagan Sandford, die langsam über die Wasseroberfläche dahintrieb. Er konnte zwar ihr Gesicht nicht erkennen, weil sie auf dem Bauch lag, aber ihre langen blonden Haare und das knallrote Abendkleid erkannte er auf Anhieb wieder. In ihrem Rücken steckte ein Messer. Und er registrierte den sehr auffälligen ›Pakka‹-Holzgriff! Es war eines seiner Jagdmesser! Sein ›Cudeman Hirschfänger‹!

»Um Gottes willen!«, stieß er entsetzt aus. »Auch das noch. Nicht schon wieder!« Sein rechter Mundwinkel hing leicht nach unten und sein rechter Arm pendelte ziemlich gefühllos leicht hin und her. Dabei war seine Hand verkrampft und nicht nur sie zitterte. Es war das typische Zittern eines Mannes, der einen Schlaganfall hinter sich hatte. Mit ängstlichen Augen starrte er auf den Körper im Wasser. Dwerryhouse wirkte deprimiert – eine große Mutlosigkeit, gepaart mit Resignation und Zweifel, hatte ihn ergriffen.


Der Lord fühlte wie ihm der Schweiß ausbrach.

Es war also tatsächlich passiert! Und was jetzt? Sie war tot und augenscheinlich ermordet worden. Scotland Yard, die Mordkommission, würde sich einschalten. Er sah jetzt schon die Regenbogenpresse mit ihren überdimensionalen, plakativen Schlagzeilen vor sich. Nur soweit wollte er es gar nicht erst kommen lassen. Die Frau musste schnellstens aus dem Wasserbecken gefischt und bestmöglich an irgendeiner geeigneten Stelle im Park vergraben werden. Inständig hoffte er darauf, dass später niemand auf die Idee kam in seiner großzügigen Gartenanlage nach ihr zu suchen. Aber warum sollte es dazu kommen? Schließlich wusste außer seinem Diener ja niemand, dass Meagan Sandford bei ihm zu Gast gewesen war.

Während er auf die Leiche der jungen Frau starrte und seinen defätistischen Gedanken nachhing, vernahm er plötzlich ein knackendes Geräusch. Er erschrak und wirbelte auf der Stelle herum.

Im Schatten seiner Teufelssträucher war wie aus dem Nichts eine Person erschienen.

»Wer sind Sie?«, rief Lord Dwerryhouse geistesgegenwärtig. Er hatte nicht damit gerechnet, in dieser ihn sehr belastenden Situation von jemandem überrascht zu werden. Er riss sich zusammen und schaffte es ruhig zu bleiben.

Ein schauriges Lachen ertönte.

»Wer ich bin, Sir William?«, echote die weibliche Stimme. Sie klang erstaunt und amüsiert zugleich, gerade so, als wundere sie sich darüber, dass seine Lordschaft diese Frage überhaupt an sie richtete, so als müsse er doch genau wissen, wen er da vor sich hatte. Noch einmal lachte sie. »Wer ich bin? Ich bin Diejenige, die sich um die Seelen der von dir ermordeten Frauen kümmert! Schwimmt nicht gerade wieder eines dieser armen Geschöpfe in dem Becken?« Sie deutete in die Richtung und wieder hallte das teuflische Lachen in Dwerryhouses Ohren. »Du willst mir doch nicht allen Ernstes weismachen, sie sei freiwillig ins Wasser gegangen! Das Messer in ihrem Rücken, ist das nicht dein Jagdmesser?«

Unwillkürlich begann Lord Dwerryhouse zu zittern. Er bemühte sich, sich nichts anmerken zu lassen und es gelang ihm sogar Entschlossenheit zu zeigen.

»Ich habe gefragt, wer Sie sind!«, forderte er die Person noch einmal mit kräftiger Stimme auf. »Und kommen Sie mir nicht mit diesem Quatsch, Sie seien Diejenige, die sich um irgendwelche Seelen kümmert! Ich bin schon lange kein kleines Kind mehr und Geister gibt es nicht!« Er geriet in Rage. »Als Geist wissen Sie sicher, wie das Mädchen heißt und auch wie sie in das Wasserbecken gekommen ist. Mich interessiert vielmehr, wie Sie hier hereingekommen sind. Das Gelände ist von hohen Mauern umgeben und das Zufahrtstor ist fest verschlossen!« Erneut hörte er ihr schauriges Lachen. Aber diesmal hatte er bereits damit gerechnet und es erschreckte ihn nicht mehr.

»Mauern und eiserne Tore ... ja, glaubst denn wirklich, die würden mich aufhalten?«, erwiderte die Stimme. »Du hast diese junge Frau ermordet, Sir William. Gerade einmal zweiundzwanzig Jahre alt ist sie geworden. Du hast sie getötet! Meinst du nicht, dass Meagan Sandford noch gern gelebt hätte? Aber machen wir uns nichts vor! Ein junges Ding, welches sich mit seiner Lordschaft einlässt, hatte ja noch nie eine hohe Lebenserwartung!« Die Stimme hatte an Schärfe zugenommen und wurde anklagend. »Zu oft schon geschah es in der Vergangenheit und es wird wohl auch in Zukunft wieder geschehen. Ich weiß es! Ich muss es wissen! Denn ich kümmere mich um ihre armen Seelen!«

Dwerryhouse wollte etwas erwidern, es lag ihm auch bereits auf der Zunge, aber er brachte keinen Ton über die Lippen – ihm versagte die Stimme. Mit Unbehagen stellte er fest, dass er diesem ungerufenen Geist der Vergangenheit ausgeliefert war. Immer wieder holte ihn seine Vergangenheit ein, kaum, dass er glaubte ihr entkommen zu sein. Er konnte ihr einfach nicht entrinnen. Das alles konnte doch gar nicht real sein, dachte er. Wollte ihn dieses Wesen auf besonders perfide, makabre Art erpressen? Ein Geist, wie lächerlich! Den würde er sich jetzt mal genauer ansehen. Kaum hatte diesen Gedankengang zu Ende gebracht, wagte er sich auch schon einen Schritt weiter vor, um die unheimliche Stimme näher in Augenschein zu nehmen.

Dann sah er sie!

Der Geist war eine schlanke Frau mit langem weißen Engelshaar, das ihr zu allen Seiten weit über die Schultern fiel. Ihr Gesicht wirkte ein wenig verbraucht, schon älter und auch der Halsansatz war nicht mehr ganz so straff. Spuren des Alters zeigten auch ihre Hände, die aus den weiten Ärmeln ihres weißen Kleides schauten.

Diese Frau sollte er fürchten?

Dwerryhouse wollte schon ein selbstgefälliges Grinsen aufsetzen, als ihm auffiel, dass ihre Füße gar nicht den Boden berührten.

Die Frau, ... sie schwebte gut einen halben Yard über dem Beet.

Erschrocken wich er einige Schritte zurück und stieß dabei gegen die Kante des Beckens. Er taumelte und fast wäre er rücklings ins Wasser gestürzt, aber er schaffte es gerade noch rechtzeitig sein Gleichgewicht zurückzugewinnen.

»Wie heißen Sie?«, stöhnte er gequält.

Die gespenstische Frau stieß ein spöttisches Lachen aus.

»Was bedeutet schon ein Name? Namen sind wie Schall und Rauch!«, erwiderte sie abfällig. »Aber, wenn du es unbedingt wissen willst: Man nennt mich Rasriria!« Die Frau mit dem Engelshaar machte eine kleine Pause. »Geh ins Haus zurück, Sir William! Für dich gibt es hier nichts zu tun. Ich werde mich um das tote Mädchen kümmern und es mit mir fortnehmen.«

Der Widerstand seiner Lordschaft schien gebrochen, denn Dwerryhouse wandte sich um und ging, scheinbar gehorsam, auf das große Herrenhaus zu. Doch kaum glaubte er sich außerhalb von Rasririas Blickfeld, machte er einen für ihn erstaunlichen Satz zur Seite und verschwand in einem Gebüsch. Er war bestenfalls achtzig Yards vom Wasserbecken entfernt. In der herrschenden Dunkelheit konnte er von seiner Position aus nichts sehen, aber der Lord setzte auf sein Gehör.

Aber so sehr er auch lauschte, es tat sich nichts. Nicht das geringste Geräusch war zu vernehmen. In der Hoffnung, dass sich doch noch etwas tat verharrte er in seinem Versteck. Als nach gefühlten zehn Minuten immer noch nichts zu hören war, verließ er seinen Platz und schlich auf leisen Sohlen zum Becken zurück.

Verwundert sah er sich um. Die seltsame weibliche Geistererscheinung war weg! Aber die tote junge Frau trieb nach wie vor auf der Wasseroberfläche vor sich hin. Hatte Rasriria nicht gesagt, sie wolle Meagan Sandford mitnehmen? Warum war sie dann immer noch da?

Noch einmal lauschte seine Lordschaft angestrengt. Aus einer Ecke des weiträumigen Parks kamen seltsame Laute, wie er sie seinerzeit oft in Indien vernommen hatte, wenn er des Nachts durch die Grünanlagen Bombays und Kalkuttas gegangen war. Es waren Geräusche, die sich nicht genau definieren ließen.

»Verdammt! Da ist doch jemand!«, rief er laut in die entsprechende Richtung.

Ein höhnisches Gekicher drang an sein Ohr. Es war ganz nah. Panisch drehte er sich im Kreis.

»Ich bin es, Rasriria! Ich bin immer noch hier, Sir William«, raunte sie. » ... immer noch ...«

So sehr Dwerryhouse sich auch anstrengte, es gelang ihm nicht die Frau auszumachen. Sie konnte keinen Yard entfernt sein, dessen war er sich sicher und dennoch konnte er sie nicht sehen. Nirgends konnte er die Umrisse ihres Körpers erkennen. Es schien, als habe sie sich aufgelöst.

Alles in ihm drängte danach laut zu schreien, aber ihm war bewusst, dass all sein Rufen sinnlos war. Es waren die Schatten seiner Vergangenheit. Sie kamen zurück und waren nicht aufzuhalten. Mit geschlossenen Augen versuchte er innezuhalten und sein Selbstbewusstsein zurückzugewinnen. Alles wurde irgendwie traumhaft. Ganz langsam zerfloss all das Unwirkliche und verlor seinen schweren, gefährlichen Sinn. Und trotz aller Kontrolle, die er über sich zu gewinnen hoffte, spürte der Lord deutlich das Hochschnellen seines Pulses.

Dwerryhouse erschrak erneut. Es war wieder soweit. Und es gab nichts, aber auch rein gar nichts, was er dagegen tun konnte.

Wieder einmal fühlte er dieses verdammte blaue Gift; fühlte, wie es von ihm Besitz ergriff und wild in seinen Adern zu pochen und zu brennen begann.

Er musste hier weg!

Schnellstens!

Also sah er zu, dass er fortkam. Mit weit ausholenden Schritten ging seine Lordschaft zur Villa zurück. Als er die große Halle des Hauses betrat, wartete sein Diener Sharukh bereits erwartungsvoll auf ihn.

Auf einem silbernen Tablett reichte er seinem Herrn ein Glas Wasser und ein Röhrchen eines Medikaments. Hastig nahm sich Sir William Dwerryhouse zwei der hellgelben Tabletten und spülte sie hastig, mit einem Schluck aus dem Glas, herunter.

Kaum hatte er das Glas zurückgestellt, warf er seinem tadellos gekleideten Diener einen prüfenden Blick zu.

»Warst du nicht gerade im Park?«, erkundigte er sich.

»Aber das wissen Sie doch, Eure Lordschaft. Ich war etwas spazieren, wie ich es immer des Abends mache«, antwortete der Angestellte erstaunt. »Sie wünschten mich zurück ins Haus. Ich habe Sie so verstanden, dass Sie mich in anderer Kleidung zu sehen wünschten.«

Lord Dwerryhouse nickte, lächelte verkniffen und winkte wohlgefällig ab. »Schon gut, Sharukh, schon gut«, erwiderte er besänftigend. »Dann hast du das Mädchen, in seinem roten Kleid, ja auch gesehen. Sie schwamm im Becken schwamm und scheint tot zu sein. Erstochen!«

»Ich vermutete es, Sir!«, antwortete der Inder, sachlich kurz.

»Hast du draußen etwas gehört?«, wollte Dwerryhouse von ihm wissen. »Ein seltsames Lachen oder etwas Anderes?«

»Nein, Sir!« Die Mandelaugen seines Dieners sahen ihn verwundert an. »Absolut nichts!«

Sir William Dwerryhouse starrte sinnierend vor sich hin. Da war etwas, das gewaltig an dem Fundament seines Daseins rüttelte. Er spürte, wie eine unerbittliche Hand aus dem Dunkel eisig kalt nach ihm griff und fühlte sich unsicher wie schon lange nicht mehr.

»Hast du schon einmal von einer Rasriria gehört?«, setzte er nach.

Sharukh lächelte.

»Ja, Sir!«, erklärte er. »Aber was man sich über sie erzählt sind reine Märchen. Sie soll eine Frau sein, die sich um die Seelen Verstorbener kümmert. Aber Rasriria ist eben fiktiv - eben eine Legende.«

Seine Lordschaft nickte.

»Das habe ich mir gedacht«, stimmte er seinem Diener zu. »Ich wusste, sie ist nicht real. Sie kann es nicht sein.«

»Was meinen Sie damit, Sir?«, Sharukh sah seine Lordschaft irritiert an.

Er bekam auf seine Frage keine Antwort mehr, denn kaum hatte er sie ausgesprochen, wurde das Gespräch von der laut tönenden Glocke der Haustür unterbrochen. Lord Dwerryhouse zuckte merklich zusammen.

»Um diese Zeit?« Er warf einen Blick auf die Standuhr. »Wer kommt jetzt noch? Und überhaupt, Sharukh!« Er sah seinen Diener verärgert an. »Wie oft habe ich dir schon aufgetragen, die Glocke leiser zu stellen?«

»Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Eure Lordschaft«, reagierte Sharukh betreten und senkte dabei devot sein Haupt. »Ich habe es vergessen.«

Dann eilte er fort.

Sir William Dwerryhouse ließ sich in einen der Ledersessel fallen, die vereinzelt in der Halle standen. Die Situation war dabei ihm den Verstand rauben. Eine Leiche in seinem Garten, im Wasserbecken, ermordet mit einem seiner Jagdmesser, eine gespenstische Gestalt, die es nicht geben konnte und aufgewühlte alte Erinnerungen, die er längst begraben zu haben glaubte. Eine große Mutlosigkeit nahm von ihm Besitz.

»Ich habe es wieder in den Adern«, murmelte er kaum hörbar vor sich hin. »Ich fühle es ganz deutlich. Das Gift, es arbeitet wieder. Dieses mörderische blaue Gift, es will mich einfach nicht loslassen.«


Die blaue Blume

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