Читать книгу Der letzte Schnappschuss - Thomas Riedel - Страница 9

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Doch die Erstarrung wich nach einem kurzen Augenblick. Dann wirbelte der Mann im grauen Anzug wie von der Tarantel gestochen herum. Sein Gesicht hatte einen bösartigen Ausdruck. Er machte die typische Handbewegung zum Schulterholster.

Bradley ließ ihn die Waffe gar nicht erst ziehen. Ohne Vorwarnung schlug er sofort zu und der Mann bekam seine harte Faust ans Kinn. Sein Kopf flog hoch und schnellte zurück. Um die Balance nicht zu verlieren, machte der Mann ein paar schnelle Schritte zurück. Bradley folgte ihm, hämmerte auf den Solarplexus des Fremden und zertrümmerte ihm mit vier wuchtigen Schlägen mindestens drei Rippen.

Der Mann stöhnte fürchterlich, führte eine schlechte Deckung aus und kassierte Treffer um Treffer. Nur ab und zu schlug er zurück, aber ohne Erfolg, denn Bradley wich den Hieben des Gegners geschickt aus oder blockte sie ab. Als der Mann erneut zuschlug, war er völlig ungedeckt und Bradley nutzte die sich ihm bietende Chance gnadenlos aus. Mit zwei schnellen Schlagdubletten schickte er den Kerl in den Straßenstaub.

Der graue Anzug wurde beschmutzt. Doch die Flecken störten kaum. Es kamen noch weitere Flecken hinzu: Blutflecken – denn der Mann begann, stark aus der Nase zu bluten. Noch einmal kam er auf die Beine, und noch einmal warf er sich, jegliche Vorsicht außer Acht lassend, dem kampferprobten Detektiv entgegen. Er stürzte sich mitten in einen vorbildlich geschlagenen Aufwärtshaken. Die Folgen waren vorhersehbar. Er kippte nach hinten weg und fiel aufs Kreuz.

Bradley war sofort über ihm. Er riss ihm die Beretta aus der Schulterhalfter und holte das Magazin aus der Kammer.

Inzwischen rappelte sich der Fremde auf. Er hatte sein Pulver verschossen.

Bradley drückte die Patronen aus dem Magazin und streute sie wie Saatkörner ins Unterholz. Dann schob er den leeren Munitionsrahmen in den Pistolengriff zurück. Er gab dem Fremden die nunmehr ungefährliche Waffe zurück. »Damit du mir keine Löcher in meinen Käse schießt«, bemerkte er grinsend.

Der Mann tupfte sich mit einem zerknitterten Taschentuch das Blut von der Nase. Sein Gesicht war fahl. Schweiß klebte an seinen Wangen. Schweiß und Staub.

»Jetzt mal raus mit der Sprache! Wie heißt du?«, fragte Bradley mit einem gefährlichen Knurren. Er deutete an, dass er bereit war, gleich in die zweite Runde zu gehen.

Der Fremde schwieg und schenkte ihm einen Blick unverhohlener Feindseligkeit.

Bradley fletschte ärgerlich die Zähne. »Ich frage in der Regel nur einmal«, drohte er. »Dann setzt es was auf die Vorderzähne, Kleiner. Also!«

»Ich bin Timothy Saunders«, sagte der Mann schnell. Seine Stimme wurde durch das Taschentuch gedämpft. Es war eine unangenehme Stimme.

»Und weswegen fährt der gute Timothy Saunders hinter mir her?«, wollte Bradley wissen. »Autogrammwünsche werden von meinem Sekretariat per Post erledigt … Wussten Sie das etwa nicht?«

Der Mann funkelte ihn feindselig an. »Ich will kein Autogramm von Ihnen!«

Bradley war nicht erstaunt, dass der Kerl seinen Namen kannte. »Was darf es sonst sein? Ein blaues Auge vielleicht? Kannst du gern haben.«

Timothy Saunders wendete immer wieder sein blutverschmiertes Taschentuch. Er fand bald keine Stelle mehr, die er noch nicht besudelt hatte. Und das Nasenbluten hörte immer noch nicht auf.

»Warum bist du mir gefolgt?«, bellte Bradley ihn an.

»Ich habe den Auftrag, Sie zu beschatten.«

»Jetzt mach aber einen Punkt, Freundchen.«

»Es ist aber so.«

»Du willst doch damit nicht etwa andeuten, dass wir Kollegen sind?«

Timothy Saunders nickte trotzdem. »Doch, Mr. Bradley. Ich bin Privatdetektiv wie Sie.«

Bradley zog die Mundwinkel verächtlich nach unten. Er streifte den Mann mit einem kritischen Blick. »Jetzt verstehe ich, warum viele die Nase rümpfen, wenn man sagt, dass man Privatdetektiv ist. Solange es solche Versager gibt wie dich, ist das Naserümpfen völlig berechtigt. Kannst du dich ausweisen, Kollege?«

Der Mann hatte die Blutung wider Erwarten doch stillen können. Er schob das rote Taschentuch in die Hosentasche. Dann leckte er sich über die angeschwollenen Lippen und zuckte verlegen die Achseln. »Tut mir leid, Mr. Bradley. Ich habe nicht gewusst, dass ich meine Lizenz heute brauchen werde.«

Bradley nickte grimmig. »Wie lautet dein Auftrag Kollege?«

»Ich soll Sie beschatten.«

Bradley zeigte die Zähne. »Du solltest mal einen Blick ins Handbuch für Detektive werfen. Du stellst dich beim Beschatten nämlich verdammt dämlich an. Dich würde sogar ein Blinder bemerken.«

Der Mann erholte sich merklich von den Hieben, die er bezogen hatte. Seine Haltung wurde wieder ein wenig straffer. Sein Blick bekam einen trotzigen Ausdruck.

»Wer ist dein Auftraggeber, Saunders?«, wollte Bradley wissen.

Der Mann verzog seine geschwollenen Lippen zu einem Grinsen. »Nicht doch, Mr. Bradley. Das können Sie von mir nicht verlangen.«

»Ich kann!«, sagte Bradley ernst.

»Ich bin zwar um einige Nummern kleiner als Sie, aber ich weiß trotzdem, was sich gehört«, sagte Saunders.

»Du wirst gleich noch ein paar Nummern schrumpfen, wenn du nicht sagst, was ich wissen will!«, fauchte Bradley. »Hast du schon mal einen kollegialen Hammer auf die Ohren gekriegt, Freundchen?«

Timothy Saunders riss erschrocken die Augen auf. Er trat einen Schritt zurück und hob abwehrend die zitternden Hände. »Du meine Güte!«, presste er ängstlich hervor. »Sie werden doch nicht noch mal über mich herfallen, Mr. Bradley!«

»Das hängt ganz von dir ab«, sagte Bradley kalt.

»Wieso von mir?«

Bradley packte die Aufschläge des grauen Jacketts. Er schüttelte den Mann mehrmals kräftig, um ihn zur Vernunft zu bringen und ihm die nötige Angst einzujagen. »Ich habe dich nach dem Namen deines Auftraggebers gefragt!« Der Mann zitterte schneller, als Bradley ihn schütteln konnte. »Ich höre nichts!«, fauchte Bradley.

»Ich sehe nicht ein, weshalb ich mich seinetwegen von ihnen verprügeln lassen sollte«, stöhnte Saunders.

Bradley ließ den Kerl los. »Na also.«

»So gut zahlt er auch wieder nicht«, sagte Timothy Saunders, als wollte er begründen, weshalb er nun reden wollte. Er wollte sich wohl auch gleichzeitig vor sich selbst rechtfertigen.

»Bist ein kluger Junge, Timothy!« sagte Bradley. »Vielleicht wird doch noch mal etwas aus dir.«

Saunders scharrte mit dem Schuh nervös im Staub. Sein rechtes Augenlid flackerte. Es war ihm anzusehen, dass ihm diese Unterhaltung äußerst unangenehm war. Er wünschte sich weit weg von hier. Weit weg von Bradleys harten Fäusten.

»Wie heißt der Mann, der dich bezahlt?«, fragte Bradley bohrend.

Timothy Saunders holte tief Luft, als wollte er nun laut zu schreien anfangen. Dann sagte er ganz leise: »Antonio Bonaventura. Ich soll ihn über jeden Ihrer Schritte unterrichten.«

Bradley horchte erstaunt auf. Diese Überraschung war Timothy Saunders hervorragend gelungen. Antonio Bonaventura war ein alter Bekannter von ihm. Ein Heiratsschwindler, dem er zu einigen Jahren im Zuchthaus verholfen hatte. Er konnte sich noch gut an den Fall erinnern. Bonaventura hatte eine Menge Mädchen und Frauen unglücklich gemacht. Er hatte ihnen hoch und heilig die Ehe versprochen, hatte ihnen unter den dreistesten Vorwänden Geld herausgelockt und war damit auf Nimmerwiedersehen von der Bildfläche verschwunden, um sich an das nächste Opfer heranzumachen. Eines Tages war Bradley von einer der Geschädigten engagiert worden. Die Jagd hatte nicht sehr lange gedauert, dann hatte er den Hasen erlegt. Der Mann wurde abgeurteilt und wanderte in den Knast – der gutaussehende Antonio Bonaventura. Nun war er wieder auf freien Füßen und hatte nichts Besseres zu tun, als einen zweitklassigen Privatdetektiv hinter ihm herzuschicken. Es hatte ganz den Anschein, als wollte sich Bonaventura für den Gefängnisaufenthalt bei ihm revanchieren. »Wo wohnt Bonaventura?«, bellte Bradley seinen Berufskollegen an.

Saunders erschrak. Er zuckte heftig die Schultern. »Das weiß ich nicht, Mr. Bradley. Wirklich nicht.«

»Wieso nicht?«

»Ich bekam den Auftrag per Telefon und das Geld per Post.«

»Das nehme ich dir nicht ab, Freundchen!«

»Es ist aber die Wahrheit. Sie müssen mir glauben. Ich habe diesen Bonaventura nie zu Gesicht bekommen. Ich weiß nicht einmal, wie er aussieht. Ich möchte tot umfallen, wenn es nicht stimmt.«

»Da siehst du wieder, was man von solchen Sprüchen halten kann«, knurrte Bradley. »Du stehst immer noch.«

»Weil ich die Wahrheit sage.«

»Nimmst du einen weisen Rat von einem weisen Mann an, Saunders?«

»Was für einen Rat?«

»Lauf mir ja nicht mehr über den Weg, verstanden? Sonst schlage ich dich grün und blau, Kollege! Und Deinem Auftraggeber kannst du bestellen, er täte gut daran, sich nicht mit mir anzulegen. Sonst ist er nämlich schneller wieder im Knast, als er seinen Namen buchstabieren kann.«

»In Ordnung, Mr. Bradley«, erwiderte Saunders unterwürfig. »In Ordnung, ich sag's ihm.«

»Das möchte ich dir auch geraten haben«, knurrte Bradley. Er ließ den Mann stehen, der ihm so unsympathisch war wie des Teufels Großvater, wandte sich um und ging zu seinem ›Cunningham‹ zurück. Der Motor heulte kurz auf. Dann machte sein Sportwagen einen Satz nach vorn. Direkt auf Timothy Saunders zu, der sich mit einem Sprung zur Seite in Sicherheit brachte. Bradley sah den Mann im Rückspiegel rasch kleiner werden.

Saunders blieb auf der Straße stehen und blickte ihm nach. Er ging nicht zu seinem ›Ford Modell T‹ zurück. Er hatte keine Lust, Bradley weiter zu beschatten und sich mit ihm anzulegen.


Der letzte Schnappschuss

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