Читать книгу WENN DER HIMMEL SICH VERFÄRBT... - Thomas Saile - Страница 44
Kapitel 39 Angekommen - München
ОглавлениеSonnenstrahlen fielen durch die Wohnzimmerfenster und erhellten den Flur als Florian die Wohnung betrat.
Sofort bemerkte er den Briefumschlag auf dem Schlüsselschränkchen neben der Garderobe und erkannte Jenny´s Handschrift.
„Für Florian“.
Er fühlte den Stich und fasste sich an die Brust.
Seine Gedanken rasten und er konnte keinen Einzigen davon fassen. Es waren Fragmente, Bildfetzen ihrer gemeinsamen Vergangenheit.
Jenny, wie sie in der Küche stand und ihn lächelnd ansah, als er von der Arbeit nach Hause kam und sie begrüßte.
Jenny, die ihm verzieh und ihn in den Arm nahm.
Jenny, mit einer Platzwunde am Kopf, nachdem er sie geschlagen hatte und sie gegen den Türstock gefallen war.
Und er sah sich selbst, wie er ziellos durch die dunklen Gassen rannte.
Erneut trat ihm der Schweiß auf die Stirn. Am liebsten hätte er laut geschrien, auf dem Absatz kehrt gemacht und wäre davongelaufen. Aber wie hätte er vor seiner eigenen Vergangenheit davonlaufen können?
Nein, dachte er sich, während er neuen Mut fasste. Ich muss mich den Tatsachen stellen, sonst kann ich gleich zurück in die Klinik.
Langsam ging er zu dem Schlüsselschränkchen und nahm den Brief. Er öffnete ihn jedoch nicht sofort, sondern steckte ihn in seine Brusttasche. Sein Blick fiel in die Küche. Alles war feinst säuberlich aufgeräumt. Er durchschritt den Flur und kam in den geräumigen Wohn-Essbereich. Die Möbel standen alle noch da, wie er sie in Erinnerung hatte. Da war der lange, rechteckige Massivholztisch mit acht Stühlen, daneben das Sideboard. Im Wohnbereich stand die helle Ledergarnitur mit dem flachen, Glastisch. Den Boden dekorierte ein weißer, hochfloriger Teppich, den sie damals fast nicht das Treppenhaus hinauf gebracht hatten, weil er so schwer war.
Ihm fiel auf, dass ein paar der Fotos auf dem Sideboard fehlten. Die Pflanze im Erker war auch weg, und auf dem Sofa zählte er drei statt sechs Kissen, aber Fernseher, Sat-Anlage und Stereoanlage waren an ihrem Platz, und auch die große Glasvase neben der Balkontür, in der Jenny immer schöne Pflanzen dekoriert hatte, stand noch da.
Offensichtlich hatte sie ausschließlich die Dinge mitgenommen, die ihr sehr am Herzen lagen, beziehungsweise diejenigen, die ihr bereits zuvor gehört hatten.
Er blickte nach oben zur Galerie. Eine Holztreppe führte hinauf zum Schlafbereich mit Badezimmer. Langsam ging er nach oben. Die Sonne war kurz davor, hinter den Häusern und Bäumen der Umgebung abzutauchen. Wie viele Abende hatten sie Arm in Arm auf dem Sofa gesessen und dem Sonnenuntergang zugesehen?
Wieder stach ihn sein Herz und er unterdrückte den Gedanken.
Das Schlafzimmer war, als einseitig offener Raum auf der Galerie errichtet, an dessen Ende ein kleiner Flur zum Badezimmer und der begehbaren Ankleide führte. Auf der einen Seite stand das Bett und auf der anderen ein kleiner Schminktisch, eine alte Kommode, sowie sein alter Ohrensessel, der die Zimmerecke dominierte. Florian erinnerte sich daran, wie Jenny den Sessel zum Sperrmüll hatte geben wollen. Die alte Polsterung war bereits an mehreren Stellen durchgesessen, und einzelne Fäden des Velours begannen sich abzulösen, aber Florian hatte darauf bestanden, dass er blieb. Ein Relikt aus seiner Studienzeit, in welchem er all seinen Prüfungsstoff gepaukt hatte. Dieser Sessel war für ihn etwas ganz Besonderes und zugleich eine Art Glücksbringer gewesen. Er hatte darin gegessen, getrunken und geschlafen.
Ihm fiel etwas ein, und er ging raschen Schrittes auf den Nachttisch an seiner Bettseite zu, öffnete die Schublade und fand darin sein Handy, wo er es vor zwei Jahren hatte liegen lassen. Er nahm das Ladekabel und steckte es an den Strom. Nach einem Piepton erwachte das Gerät zum Leben und automatisch dachte er daran, dass er Jenny´s Geburtstag als Code gewählt hatte. Das Hintergrundbild erschien und zeigte sie, verführerisch lächelnd am Beckenrand des Pools seiner Eltern auf Mallorca sitzen. Schnell legte er das Handy beiseite um die aufquellenden Emotionen im Keim zu ersticken.
Er lief in die Ankleide und öffnete eine Lade nach der anderen. Sie hatte all ihre Kleidungsstücke mitgenommen. Seine eigenen schienen vollständig da zu sein. Draußen schlug die Kirchturmglocke siebenmal. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Magen knurrte und er müde war, also setzte er sich in seinen Sessel und stützte seinen Kopf in die Hände. Was sollte er als Nächstes tun? Er hatte keine Ahnung und fühlte sich hilflos und allein.
Ohne weiter darüber nachzudenken nahm er sein Handy und wählte Micki´s Nummer. Als er das Freizeichen vernahm bekam er feuchte Hände. Verunsichert legte er auf und ließ sich kraftlos in seinen Sessel fallen.
Ihm war klar gewesen, dass es nicht leicht sein würde hierher zurückzukehren und all die Erinnerungen wachzurütteln, deren schreckliches Ende er zu verantworten hatte.
Noch während er dies dachte, fielen seine Augen zu.