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3. Plausibilitätsverluste der Theologie

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Die benannten Herausforderungen treffen und betreffen nun aber nicht nur die Kirche, sondern auch die Theologie als maßgebliche Deutungswissenschaft für das kirchliche Selbstverständnis und die Praxis ihrer Akteure. Nun scheint auch der Einfluss der Theologie als Wissenschaft in Gesellschaft und Öffentlichkeit gegenwärtig gering zu sein. Im öffentlichen Leben stellt sie nur noch selten eine relevante Orientierungsgröße dar, was sich etwa an der Präsenz in den Feuilletons überregionaler Zeitungen bis hin zu den verschwindend geringen Abteilungen theologischer Literatur in den gut sortierten |22| Buchhandlungen bemerkbar macht. Aber auch inneruniversitär hat die Disziplin keinen automatisch leichten Stand: Im Blick auf Fragen des menschlichen Lebens wird ihr kaum eine bedeutsame Interpretationsmacht zugemessen. Eine Deutungskompetenz etwa über Zentralbegriffe menschlichen Lebens wird ihr kaum noch zugesprochen, was sich nicht zuletzt in den Drittmittelvergabepolitiken staatlicher Stellen manifestiert. Schließlich gilt nicht zuletzt angesichts des religiös-weltanschaulichen Pluralismus, dass die Existenz wissenschaftlicher Theologie an staatlichen Universitäten begründungsbedürftig geworden ist. Für die deutsche Situation gilt: »Ihre staatskirchenrechtlich etablierte Bindung an die Kirchen kann nicht mehr als formaler Grund der Rechtfertigung ihres Bestandes in Anspruch genommen werden«31 – diese Legitimationsaufgabe stellt sich erst recht dort, wo es eine solche staatskirchenrechtliche Garantie nicht gibt, was für eine Reihe theologischer Fakultäten in der Schweiz gilt.32

Im Blick auf die eigene Forschungspraxis ist zudem in Sachen Religion die besondere Kompetenz der Theologie längst nicht mehr selbstverständlich, sondern wird im Zweifelsfall sogar eher der Religionswissenschaft zugewiesen. Während sich hier die universitären Verhältnisse in Deutschland dabei noch vergleichsweise positiv darstellen,33 zeigte sich diese Form einer wissenschaftspolitischen Heuristik des Verdachts gegenüber einer gegenwartsorientierten und auf die Kirche bezogenen Theologie jüngst besonders deutlich in den prominenten staatlichen Forschungsausschreibungen der Schweiz.34 Dies gilt im Übrigen auch für die europäischen Forschungspolitiken, in denen die zivilisierende Bedeutung des Religionsthemas und damit auch eine konstruktive Rolle theologischer Forschung angesichts stark laizistischer Grundhaltungen der maßgeblichen politischen Kultur erst noch deutlich zu machen ist.

Aber auch im Bereich des kirchlichen und kirchenleitenden Handelns stellen kirchentheoretische Reflexionen nicht automatisch schon bedeutende Orientierungsgrößen dar. Nicht selten wird gerade der theologischen Reflexion keine Relevanz für die »eigentlichen« und konkret zu lösenden kirchlichen Alltagsprobleme zugesprochen. Man muss deshalb auch von einem innerkirchlichen Plausibilitätsverlust theologischer Deutungsarbeit ausgehen. Dies mag zugegebenermaßen nicht unbedingt an der Attraktivität ihrer Forschungen |23| liegen, sondern auch am nicht ganz von der Hand zu weisenden geringen Interesse des kirchlichen Personals an solchen Orientierungen35.

So steht die Theologie vor der wesentlichen Herausforderung einer auch öffentlich nachvollziehbaren dezidiert theologisch grundierten Kommunikation der gesellschaftlichen Relevanz ihrer eigenen Forschungsziele, Analysen und Erkenntnisse. Und dies sollte gerade nicht als Anbiederung an bestimmte äußere Anliegen verstanden werden, sondern als Ermutigung, der eigentlichen Kernaufgabe des Wissenschaftstransfers in Gesellschaft und Kirche hinein auch durch die entsprechenden Forschungsschwerpunkte möglichst deutlich zu entsprechen.

Über die genannten Herausforderungen hinaus muss eine kirchentheoretische Konzeption öffentlicher Kirche aber auch die gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse intensiv mit berücksichtigen. Will eine Kirchentheorie tatsächlich zeitgemäß sein, muss sie immer auch mit der Einschätzung der gesellschaftlichen Entwicklungen und Herausforderungen verknüpft sein.

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