Читать книгу Sommer auf dem Sonnenbergerhof - Thorsten Dürholt - Страница 5
Brandheiß
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Ein paar freche Spatzen hüpften über die Fensterbank am offenen Küchenfenster, während Alise dabei war, das Mittagessen vorzubereiten.
Gerade hatte sie die Küche aufgeräumt und eine Unmenge an Krümeln, die ihre Männer hinterlassen hatten, aus dem Fenster entsorgt, um die hungrigen Zaungäste der Umgebung damit zu erfreuen. Die Spatzen waren die ersten Gäste des Tages, aber nachher würden auch die Eichhörnchen dazu stoßen und Alise freute sich schon ein wenig auf die fröhliche Randale auf der Fensterbank.
Ein wenig brannte auch die Vorfreude in ihrem Bauch, denn am Nachmittag war sie mit Sunny zu ihrer ersten Reitstunde verabredet und ein heiteres Potpourri aus Emotionen durchfuhr sie beim Gedanken daran. Aus so vielen Gründen war diese Verabredung spannend. Es war erstaunlich, wie leicht es gelungen war, den blonden Cowboy zu privaten Reitstunden zu überreden.
Bis auf den Umstand, dass es irgendwas in seinem Blick gab, was Alise, die ansonsten eher schlagfertig war, die Worte raubte, war die Mission echt erfolgreich gewesen. Es war sehr angenehm, mit dem smarten Jungen zu reden, der einer der wenigen Einheimischen war, der stets ihren echten Namen benutzte, als ob es den blöden Spitznamen nicht geben würde und sein Lächeln zauberte ihr ein warmes und angenehmes Gefühl in den Bauch. Dass ihr Sunny sehr offensichtlich sympathisch war, machte die Mission nur umso einfacher.
Bei der Probe hatte sie ihn heimlich beobachtet und langsam wurde ihr klar, was Benediktina so anziehend an Sunny fand. Obwohl er scheinbar ein kerniger Naturbursche war und weit davon entfernt, wie ein Schlappschwanz zu wirken, sah man während seines Violinenspiels seine sinnliche Seite, wenn er verträumt mit dem Bogen fast zärtlich über die Saiten strich. Sein verträumter Blick, während er in der Musik versank, hatte etwas beinahe engelsgleiches und doch auch einen teuflischen Hauch von Sinnlichkeit. Fast schnitt sich Alise in den Finger, während sie von den verbotenen Früchten träumte, die sich ihr scheinbar so mühelos boten. Sie schüttelte energisch diese unproduktiven Gedanken ab und fokussierte sich wieder auf das Essen, dessen Zubereitung ihr jetziges Hauptziel war.
Ein wenig schämte sie sich, dass sie annähernd so naiv dachte, wie die Protagonistinnen in den schlechten "Kitschromanen", die ihr Vater manchmal las. Dass sie Bildern nachhing, die ihre Brüder gerne als „Hausfrauen-Pornografie“ bezeichneten, kannte sie so gar nicht von sich selbst. Wahrscheinlich war es eine dieser blöden hormonellen Problematiken, die eine der leidigen Nebenwirkungen des Weges zur erwachsenen Frau waren.
Innerlich beschloss sie fest, heute Abend mit einer ihrer Großmütter zu telefonieren. Wahrscheinlich gab es ein gutes Rezept dagegen und bald wäre alles wieder normal.
Mit einem kurzen Seufzen schob sie die gerade zu Scheiben geschnitten Möhren in den Topf. Nach der Arbeit in der Schmiede würden sich die Männer sicher über einen kräftigen Eintopf freuen und Alise hatte sich großzügig im Garten bedient.
Der Eintopf blubberte fröhlich vor sich hin, als ihr Vater die gemütliche und gut ausgestattete Küche betrat. Sein Gesicht und auch seine Arme waren deutlich rußverschmierter als sonst und er wirkte sehr erschöpft.
„Was ist passiert, Papa?“, fragte Alise besorgt. Ihr Vater seufzte hörbar und setzte sich auf die Küchenbank. Während er begann, sich eine Zigarette zu drehen, sagte er mit ruhiger, aber bestimmender Stimme: „Schatz, gib mir ein Bier.“
Normalerweise erlaubte Alise ihrem Vater kein Bier vor dem Abendessen, aber sein Tonfall zeigte ihr deutlich, dass es nicht der Zeitpunkt war, die Hausregeln zu zitieren. Sie holte eine Flasche guten Lagerbieres aus dem Vorrat und öffnete sie geschickt an der Tischkante, um sie ihrem Vater hinzustellen. Er nickte und nahm einen tiefen Schluck.
Einige Zeit blickte er ernst auf den Tisch und trank mit tiefen Zügen sein Bier, während er seine Zigarette rauchte. Dann drückte er den kleinen Reststummel im Aschenbecher aus, den Alise ihm hingestellt hatte, ganz ohne auf das Rauchverbot in der Küche hinzuweisen. Irgendetwas war passiert.
„Was ist denn los?", fragte sie erneut vorsichtig. Ihr Vater nickte leicht, nahm den letzten Zug aus der Flasche und sah sie direkt an. „Wir hatten einen Notfall im Lager. Also nicht in unserem, sondern im Zeughaus vom Verein.“
Er runzelte leicht die Stirn und Alise entfernte unauffällig die leere Bierflasche und stellte ihm etwas von der selbstgemachten Limonade hin. „Erik hat mich angerufen, denn der alte Bauer Hengstbeck hatte Rauch aus der Scheune gesehen. Er hatte Erik angerufen und der wiederum sofort mich. Wir beide waren gleichzeitig vor Ort. Der alte Hengstbeck kam fast zur selben Zeit mit uns an, denn sein Traktor war liegen geblieben. Wir sind also zu dritt in die Scheune und man konnte den Rauch schon schmecken. Es kam eindeutig aus dem Zeuglager. Erik holte zwei Feuerlöscher und eine Löschdecke aus seinem Wagen und wies Hengstbeck an, seine Kollegen von der Feuerwehr zu rufen, dann gingen wir rein. Es war nicht ganz so schlimm, wie es auf den ersten Blick aussah, und als die Feuerwehr kam, hatten wir das Ganze schon gelöscht, aber natürlich eine riesige Sauerei aus Löschschaum, Ruß und Zeug. Die Scheune hat nicht wirklich viel abbekommen und Erik meint, es sei nur kosmetischer Schaden, aber unser Fundus wurde arg gebeutelt. Nachdem seine Kollegen da waren, kam dann auch unsere örtliche Polizeimacht in geballter Kraft, was dann das Ganze noch ein wenig chaotisch machte. Nachdem dann alle durch die ganze Scheune getrampelt sind und alles mit ihren Smartphones festgehalten haben, ging Erik dann an die Untersuchung der Brandursache, während ich versuchte, mir einen Überblick zu verschaffen. Es ist nichts von dem teuren Zeug beschädigt, aber viel von dem Textilkram, das bedeutet noch jede Menge Arbeit vor dem Fest.“
Alise nickte. Sie füllte das Glas ihres Vater erneut und fragt ihn direkt: „Und was habt ihr herausgefunden?“
„Es ist wie es ist“, antwortete ihr Vater. „Erik ist der festen Meinung, dass es sich nicht um einen Unfall handelt. Eine von den Petroleumlampen aus der Campingausrüstung des Vereins lag zerbrochen zwischen einigen der Kleiderständer, relativ mittig im Raum. Die hintere Tür wurde aufgebrochen. Wir sind uns nicht sicher, ob der Täter das ganze Gebäude abbrennen wollte, aber es war schon Glück, dass der alte Hengstbeck den Rauch gese hen hatte. Unsere Freunde von der Ordnungsmacht haben natürlich nur protokolliert und gehen von einem dummen Zufall aus. Aber ich bin mir da nicht so sicher.“
Er seufzte erneut und leerte das Glas. „Wer immer das Ganze verschuldet hat, schien einen Plan gehabt zu haben, denn die Lampe ist nicht heruntergefallen oder umgestoßen worden, sondern eindeutig hingeworfen worden und die Tür ist halt richtig aufgestemmt worden.“
Mit zitternden Händen drehte er an seiner mittlerweile dritten Zigarette. Alise nahm ihm das Blättchen und den Tabak sanft, aber bestimmt, aus den Händen und übernahm die wichtige Aufgabe der Zigarettenherstellung.
„Wann macht ihr eine Aufnahme des Schadens?“, fragte sie neugierig. „Morgen früh werden Kurt, Saskia und ich das Ganze durchgehen und herausfinden, was Sache ist. Glücklicherweise hat Erik ja darauf bestanden, dass unsere Versicherung sowohl Vandalismus, als auch Brandstiftung mit abdeckt, so bleiben wir wenigstens finanziell nicht auf dem Schaden sitzen, aber wenn ich den Schafschänder erwische…“
„Papa!“, unterbrach ihn Alise energisch. „Es ist eine junge Dame anwesend.“ „Du hast recht, mein Zauberhase.“ Erneut seufzte er. „Was gibt es Feines zu essen?“, fragte er plötzlich neugierig. „Ich habe Eintopf gemacht“, erklärte Alise und wollte gerade ausholen, um die vielen guten Zutaten aufzuzählen, da unterbrach sie ihr Vater mit einem schlichten „Dann bring ihn mal auf den Tisch, ich brauche was im Magen.“ Alise verdrehte die Augen und begann den Tisch zu decken.
„Geh dich waschen, du siehst aus wie ein Schwein.“ „Schon klar, und dreckig gemacht habe ich mich auch noch“, antwortete ihr Vater, während er in Richtung des Badezimmers aufbrach.
Alise grübelte nachdenklich, dann beschloss sie, nach ihrem Reitausflug heute noch unbedingt zur Scheune zu radeln.
Die alte Holzscheune war sowieso nicht weit vom Sonnenbergerhof entfernt und somit kein wirklicher Umweg, aber sie musste das Desaster mit eigenen Augen sehen. Was war da passiert und was hatte es zu bedeuten?
Alise wollte der Sache auf den Grund gehen. Als ihre Brüder kamen, saß ihr Vater schon am Essenstisch und wartete ungeduldig.
Natürlich war das Feuer das Hauptgespräch bei Tisch und eine muntere Diskussion voller Theorien entstand.
Als ihre Männer bereits wieder auf dem Weg in die Schmiede waren, nahm sich Alise ihr Smartphone vor und suchte die Nummer von Erik heraus. Erik Waldheimer, der hiesige Hauptbrandmeister der Freudentaler Berufsfeuerwehr, war nicht nur ein langjähriger Freund ihres Vaters, sondern auch ihr Patenonkel. Natürlich konnte er seinem süßen Patenkind nicht widerstehen und so war Alise nach dem Gespräch um einige signifikante Informationen reicher.
Vorerst zufrieden, räumte sie die Spülmaschine ein und säuberte Küche und Esszimmer, bevor sie sich für ihren nachmittäglichen Ausflug vorbereitete.
Eine Reitstunde mit Sunny und eine Besichtigung an einem Brandort – sie wusste nicht, welches der Themen heißer war, wie ihr eine kleine innere Stimme zuflüsterte.
Es war bereits Nachmittag, als Alise den Feldweg entlang fuhr, der zum Sonnenbergerhof führte. Die Sonne schien dennoch mit ungebrochenem sommerlichen Ehr geiz auf das grüne Tal, daher war sie froh, dass ihr die dichten Büsche und Birken, die als Flurbegrenzung den Weg säumten, ein wenig Schatten spendeten.
Ihr schwarzes Hollandrad rumpelte leicht auf dem unebenen Untergrund des Pfades, doch der Sattel war hinreichend gepolstert, sodass Alise diese kleine Unbill kaum wahrnahm. Im Korb, der auf dem Gepäckträger fest angebracht war, hatte sie die nötige Ausrüstung untergebracht.
In weiser Voraussicht hatte sie eine ihrer ältesten Jeans heraus gekramt. Während der Stoff über der linken Kniescheibe schon sehr fadenscheinig war, präsentierte das rechte Hosenbein ungeniert ihr hübsches Knie mit der hellen Haut. Die Farbe der Jeans war über die Jahre von Schwarz zu grau gewechselt und sie saß auch etwas enger als noch vor zwei, drei Jahren, aber sie konnte sich gut darin bewegen und für Arbeiten oder einen Tag im Stall war sie bestens geeignet.
Um zumindest ein wenig attraktiv für Sunny zu erscheinen, hatte sie ihr übliches T-Shirt ausnahmsweise gegen ein schwarzes bauchfreies Top mit geflochtenen Spagettiträgern getauscht. Es war ein Überbleibsel vom letzten Sommer und wegen dummer Kommentare von ihren Brüdern hatte sie es nach ganz hinten in ihrer Kommodenschublade verbannt, aber vielleicht würde es seinen Dienst tun.
Das Dekolletee war ihrer Meinung nach zwar fast schon ein wenig zu betont, aber alles saß trotz des tiefen Einblickes recht stabil. Ein wenig störte sie die Handvoll Sommersprossen zwischen ihren Brüsten, aber sie hatte weder Zeit noch Lust gefunden, diese zu überschminken. Vielleicht ging es ja auch so.
Zumindest hatten ihre Brüder nicht schlecht gestaunt, als sie durch die Schmiede gegangen war, um ihr Fahrrad aus dem Schuppen zu holen. Wahrscheinlich hatten sie gerade wieder einmal neu gelernt, dass ihre Schwester wirklich ein Mädchen war.
Sie hoffte, dass Sunny es auch erkennen würde, denn sonst würde ihr Plan scheitern.
Ein Teil ihres Kopfes war noch immer mit dem Brand beschäftigt und es juckte sie gleichzeitig in den Fingern, dem seltsamen Vorfall auf den Grund zu gehen, wie sie sich aus einem ihr unbekanntem Grund auch darauf freute, Sunny zu sehen. Insgesamt empfand sie ihre Gefühlswelt gerade als äußerst mysteriös und auch eine Stunde Meditation zu den Klängen des neusten Albums ihrer Lieblingsband hatte sie nicht annähernd wieder in ihr seelisches Gleichgewicht gebracht.
Alise bog um die nächste Ecke und sah die malerischen Gebäude des alten Gutshofes vor sich liegen. Sie hörte das Schnauben der Pferde, die auf der Koppel an der Westseite des Gestüts grasten und hielt an, stellte ihren Fuß auf dem stabilen Holzzaun ab und betrachte die kleine Herde der Sonnenberger Zuchtstuten. Als zwei der schönen Tiere herüberkamen und sie neugierig begrüßten, stieg sie vollständig vom Fahrrad ab und streichelte den scheuen Tieren sanft über die Nüstern. Sie bemerkte es kaum, dass sich Sunny zu ihr gesellte.
Während des Verlaufs des gesamten frühen Nachmittags hatte sich Sunny gründlich auf den Besuch von Alise vorbereitet. Teddy war vor der aufgeregten Geschäftigkeit seines Freundes geflohen und auch seine Mutter hatte die gesamten Vorbereitungen ihres Sohnes mit einem ratlosen Kopfschütteln bedacht.
Oma Irmelbert hatte kurz gezwinkert und ihre Schwiegertochter direkt gefragt „Ob der Junge wohl verliebt ist?“, was Sunny mit einem fast so strafenden Blick geahndet hatte, wie Teddys darauffolgendes Lachen.
Ein wenig war er erbost, nicht ernsthaft genug, um dem Gefühl nachzugeben, aber bewusst genug, dass er sich impulsiv ein kleines innerliches Schmollen gönnte.
Teddy hatte leicht Lachen, schließlich war er nicht auf das Tiefste verliebt und konnte daher Sunnys mannigfaltige Gefühle nicht verstehen. Doch schon einen Moment darauf hatte er seinen Ärger wieder vergessen und Teddy erneut mit jeder Menge Aufgaben, Fragen und Bitten überhäuft, bis dieser plötzlich verschwunden war.
Zu dem Zeitpunkt hatte Sunny aber auch keine Zeit mehr, sich darum zu kümmern, sondern arbeitete noch die Reste seiner Liste ab. Wenn diese erste Reitstunde perfekt werden würde, dann konnte er vielleicht ihr Herz gewinnen.
Als wirklich alles vorbereitet war und Sunny noch ein paar Minuten Zeit hatte, vor dem kleinen Spiegel im WC an der Stallung seinen „Look“ zu perfektionieren, war eine kurze Zeit der Beruhigung eingetreten, doch durch das Warten auf seinen Gast hatte sich der Pegel der Aufregung langsam wieder hochgependelt.
Als er das dritte Mal durch das große Tor ging, um vorsichtig zu spähen, sah er Alise an der vorderen Weide. Er schlenderte nonchalant hinüber um den Eindruck zu erwecken, seine Tätigkeiten hätten ihn zufällig hierhin geführt, denn Teddy hatte irgendwas davon erwähnt, dass es Mädchen nicht schätzten, wenn man unruhig auf sie wartete. Angeblich würde das unheimlich und unpassend wirken. Er versuchte es mit heiterer Gelassenheit, die ihm Teddy nahegelegt hatte, aber als er in ihre Nähe kam, blieb sein Herz fast stehen.
Alise hatte sich zu den Stuten herüber gebeugt und erlaubte dem unbedarften Passanten einen tiefen Einblick in den großzügigen Ausschnitt ihres sommerlichen Oberteils. Als würde die eng sitzende Jeans über ihrem wohlgeformten Hinterteil nicht ausreichen, verursachte dieser Anblick bei Sunny Schnappatmung.
Er war vorübergehend gefesselt von ihrem Anblick und konnte sich nicht entscheiden, welcher Teil ihn am meisten bannte. Am liebsten hätte er sein Smartphone gezückt und eine ganze Serie von Fotos geschossen, um diesen Augenblick für immer zu bewahren.
E r hatte gerade seinen Fokus wiedergefunden, als ihr Blick zu ihm herüber schwenkte. Ihr offenes Lächeln ließ seine Beine weich werden und seine ganze Vorbereitung verschwand plötzlich von seinem mentalen Klemmbrett, wie von einem unbarmherzigen Radiergummi mit gestrenger und doch sanfter Hand ausgelöscht. Er schluckte kurz, beschloss, sein Heil in der Offensive zu suchen und begrüßte sie lächelnd.
Als er ihr Fahrrad auf den Hof schob und sie lächelnd neben ihm ging, fing sein Geist an, sich zu beruhigen. Das Fahrrad abstellen und ihr dann das Gestüt zeigen, tauchte als greifbarer Plan in seinem Geist auf. Kaum schritten sie über den kopfsteingepflasterten Hof, stellte Alise auch schon die ersten Fragen. Verunsichert antwortete Sunny so gut er konnte und ihre zugewandte Reaktion auf seine Erzählungen lockerte ihn in Windeseile auf. So dauerte es nicht lange, bis sie in ein ungezwungenes Gespräch verwickelt waren.
Teddy beobachtete das hübsche Pärchen aus einer unauffälligen Position heraus. Es war eine seiner Stärken, unauffällig zu bleiben, wenn er nicht gesehen werden wollte. Leicht lächelnd lauschte er neugierig dem Gespräch der beiden und fragte sich, ob er derjenige am Ende sein würde, der sich an das Gesprochene am besten erinnern würde. Wirklich viel Ahnung hatte er in solchen Angelegenheiten ja nicht, aber er war sich sehr sicher, dass Alise und Sunny miteinander flirteten - wahrscheinlich sogar stärker, als die beiden es selber merkten. Alle Anzeichen ihrer Körpersprache waren einander zu gewandt und zeigten Offenheit und Interesse.
Ein wenig fühlte sich Teddy wie beim Konsum eines schlechten Romantikfilmes, allerdings mit wesentlich anregenderen Protagonisten, als Hollywood zu bieten hatte. Im Großen und Ganzen war sich Teddy nicht ganz sicher, ob er beim Beobachten lieber Popcorn oder Taschentücher gehabt hätte, aber er hatte es Sunny versprochen, also blieb er brav auf Beobachtungsposten.
Wie er vermutet hatte, stellte sich Alise für eine Anfängerin eindeutig zu geschickt an, aber nichtsdestotrotz bewunderte er das schauspielerische Talent, mit dem sie Sunny das ungeübte junge Mädchen vorspielte. Es war ihm nicht klar, ob sie ihren wunderschönen Körper und ihre ästhetische Körpersprache bewusst einsetzte, aber er genoss und bewunderte die kleinen Feinheiten von Berührungen und Gesten, mit denen sie Sunny geradezu umgarnte.
Unwillkürlich fragte Teddy sich, ob er dieser Form der "Behandlung" widerstehen könnte, doch verbannte diesen Gedanken sofort wieder aus seinem Kopf. Wenn das so weiterging, würde er sich vor dem Schlafengehen noch mit etwas völlig anderem ablenken, um nicht seltsame Träume zu riskieren.
Als am Ende der Reitstunde Sunny Alise beim Absteigen half, glitt sie elegant in seine Arme und plötzlich fanden sich die beiden in einem zarten Kuss wieder. Teddy nickte zufrieden. Somit war das Eis gebrochen.
Er gab den beiden Turteltauben noch einige Augenblicke der trauten Zweisamkeit, bevor er sich mit deutlich vernehmbaren Schritten näherte. „Hey, Sunny, möchtest Du Alise nicht einladen?“ Als Sunny verwundert blickte, setzte Teddy gleich nach: „Es ist doch Mittwoch, also Grillabend für die Gäste des Gestüts.“ Fragend blickte Sunny zu Alise, die ohne zu zögern ein zartes „Ja“ hauchte und nickte Teddy zu. „Eine gute Idee!“ Behutsam fasste Sunny ihre Hand, um sie mit sich zu ziehen.
Kopfschüttelnd folgte Teddy den beiden und zwang sich fast erfolgreich, seinen Blick nicht auf die prachtvolle Rückseite zu richten, die sich ihm bot.
Es war kurz vor Mitternacht, als Alise auf dem holprigen Feldweg in Richtung der Scheune fuhr, in welcher der örtliche Mittelalterverein seine Sachen lagerte. Die Nacht war sternenklar ohne ein einziges Wölkchen am tiefblauen Nachthimmel. Der Dynamo ihres Hollandrads summte in einem regelmäßigen Brummton, während sie die warme Nachtluft genoss.
Sie hatte aus verschiedensten Gründen den Grillabend auf dem Sonnenbergerhof als vollen Erfolg verbucht. Das lag nicht zuletzt auch an Sunny, der sich den ganzen Abend sehr romantisch um sie bemüht hatte.
Zuerst hatte sie vor der Mission ein wenig Angst gehabt, aber nachdem sie mit Sunny nach der lockeren und auch fröhlichen Reitstunde einen ersten Kuss probiert hatte, war der Rest des Abends wie von selbst gelaufen.
Dieser erste Kuss war ein sinnliches Versprechen gewesen, das Sunny durchaus einzulösen gewusst hatte. Sie hatte sich zwar ein wenig erwischt gefühlt, als Sunny ihr irgendwann in einer stillen Minute am brennenden Lagerfeuer enthüllte, dass er ihre Finte durchschaut hatte, denn er hatte lächelnd angemerkt, dass sie bei ihrem Reittalent ihre gemeinsame Zeit auch durchaus besser nutzen könnten, als mit Anfängerlektionen.
Das Licht des Feuers und der untergehenden Sonne hatten zum Glück ihr überraschtes Erröten gut verborgen, aber bis Sunny sie wieder mit seinem süßen Lächeln und seinen tiefen blauen Augen eingefangen hatte, war sie einen kurzen Moment seltsam unsicher gewesen.
Es war das erste Mal, dass ein Junge, der nicht zu ihrer Familie gehörte, es geschafft hatte, sie derart auf dem „falschen Fuß“ zu erwischen.
Alise war ein wenig verunsichert, wie es sein konnte, dass sich so urplötzlich alles in ihr überschlug, aber sie folgte einfach dem weisen Rat, den ihr eine ihrer Großmütter eingetrichtert hatte und verließ sich auf ihre Intuition.
Das wöchentliche Grillfest auf dem Sonnenbergerhof war eine Instanz und neben den meisten Pensionsgästen hatten sich auch einige Gäste aus dem Freudentaler Umland eingefunden.
Die meisten der Anwesenden waren natürlich Jugendliche jeglichen Alters gewesen, die Reiterferien machten, oder auf dem Sonnenbergerhof auf die eine oder andere Art dem Reitsport nachgingen. Der Anteil an weiblichen Gästen war dabei sehr groß, da sich nicht viele der örtlichen Jungen für Reiten interessierten.
Es war ein Lagerfeuer angezündet worden und zusätzlich war ein weiteres Feuer in einer Feuerschale entfacht worden, über die der große Schwenkgrill gestellt worden war und auf drei langen Tischen war ein abwechslungsreiches Buffet an für ein Grillfest typischen Leckereien angeboten worden. Es hatte auch Teig und Stöcke für Stockbrot gegeben und die Möglichkeit, Würstchen oder Marshmallows über dem großen Feuer zu rösten.
Die gemütliche, romantische Stimmung war noch durch einige Gartenfackeln unterstützt worden und es waren so um die dreißig Personen anwesend gewesen, die fröhlich miteinander gefeiert hatten.
Fast die gesamte Zeit hatte Sunnys Aufmerksamkeit ihr gehört, obwohl er dabei geholfen hatte, das Fest mit vorzubereiten. Ganz natürlich hatte er Alise in die Arbeit mit eingebunden, die sich umso wohler gefühlt hatte, wenn sie etwas zu tun hatte. Sunnys Mutter hatte sie auf nette Art begrüßt und ihre Hilfe auch auf eine ganz unkomplizierte Art akzeptiert. Es war so gewesen, als hätte Alise schon immer auf diesen Hof gehört.
Eines der Highlights des Abends war es natürlich gewesen, dass Sunny und Teddy ihre akustischen Gitarren geholt und teilweise allein, aber fast immer im Duett, bekannte Lagerfeuerlieder gespielt hatten. Alise war darüber erstaunt gewesen, wie gut die Stimmen der beiden Jungs harmonierten und wie sie es schafften, auch mit einfachen wohlbekannten Liedern ihr größtenteils weibliches Publikum einzufangen.
Alise, die selbst so gar nicht singen konnte, war froh gewesen, dass es sehr selten zum gemeinsamen Gesang gekommen war, denn keines der anwesenden Mädchen hatte durch eigenen Gesang die Show der beiden musikalischen Herzensbrecher unterbrechen wollen. Es hatte so ausgesehen, als hätte im Schein des Feuers jedes der andächtig lauschenden Mädchen ihr Herz an einen der beiden verloren.
Da es scheinbar für Sunny in Ordnung gewesen war, dass sie sich aus Platzgründen seinen Schoß als Stammplatz auserkoren hatte, hatte sie mit diebischer Freude die eifersüchtigen Blicke der anwesenden Reitermädchen genießen können und sich dabei bildlich vorstellen können, wie dieses Bild auf die so von sich selbst überzeugte Benediktina wirken würde.
Fast war es ein wenig schade, dass niemand aus dem prinzesslichen Dunstkreis anwesend gewesen war, aber dafür würde die richtige Gelegenheit noch kommen. Die meiste Zeit allerdings, wenn sie nicht gerade mit dem Lauschen der romantischen Lieder, dem Verzehr des leckeren Essens oder dem neugierigen Beobachten der anderen Anwesenden beschäftigt gewesen war, hatte sie sich im engen Körperkontakt mit Sunny vergnügt. Sie mochte die Art, wie seine Hände sanft über ihren Körper strichen und ein kribbeliges, aber auch warmes Gefühl hinterließen.
Das bauchfreie Oberteil hatte sich als gute Idee erwiesen, denn während sie auf verschiedenste Art seine langen Beine als Sitzplatz genutzt hatte, hatten dadurch seine langen eleganten Finger häufig spielerisch ihre nackte Haut berührt, was das Kribbeln nur umso mehr anheizte.
Ansonsten hatten sie viele neckische Küsse ausgetauscht und zu ihrer eigenen Verwirrung hatte auch ein kitschiger Akt des gegenseitigen Fütterns sich besser angefühlt, als sie es sich jemals vorgestellt hatte.
Die besonderen Highlights der körperlichen Sinnlichkeit waren aber, neben dem ersten und sehr romantischen, spontanen Kuss auf dem Hof des Gestütes, ein langer und intensiver Kuss bei dem kleinen Spaziergang im nächtlichen Obstgarten gewesen, bei dem sich ihre Zungen fast wie natürlich zu einem engen Tanz getroffen hatten, der sich im Rhythmus ihrer Herzschläge eine viel zu kurze Ewigkeit hingezogen hatte. Bei diesem Kuss hatte sie ein wohlig warmes Gefühl im ganzen Körper gespürt, aber auch eine glühende Energie in ihrem Bauch und Unterleib, die sie jetzt noch mit einer unbekannten Hitze erfüllte, nur von der Erinnerung an den Moment.
Das Einzige, was sie immer noch verwirrte, war der Umstand, dass sie tatsächlich meinte, dass sie - wie es in den schlechten Romanen ihres Vaters so häufig beschrieben war - plötzlich Musik gehört hatte. Es verwirrte sie ein wenig, dass es sich in diesem Fall um die rein akustisch gespielte Version von Bryan Adams Lied „I do it for you“ aus dem schrecklichen Robin Hood Film mit Kevin Costner handelte. Also, entweder hatte ihr romantisches Ich einen sehr schlechten Musikgeschmack, oder vielleicht hatte Teddy mit seinem Gitarrenspiel ein anderes Mädchen bezaubern wollen. Es war erschreckend, dass es ihr in dem Moment gefallen hatte und den romantischen Moment abgerundet hatte.
Als letztes Highlight des perfekten Abends hatte es noch den sinnlich-verführerischen Abschiedskuss gege ben, der immer noch auf ihren Lippen brannte. Sunny hatte sie ganz dicht an sich gezogen und sanft in seinen Armen gehalten, während er zart angefangen hatte, mit seinen Lippen die ihren zu umschmeicheln und das romantische Feuer erneut hochzukochen, bis zu einer süßen, fast unerträglichen Hitze, die scheinbar nur seine geschmeidige Berührung löschen konnte. Fast wie von selbst hatte sich ihr Körper immer dichter an den seinen gedrängt, um ihn mit allen Sinnen zu genießen und sie hatte alles an ihm aufgesogen wie eine Wüstenpflanze das Wasser eines der seltenen Regengüsse.
Seine Berührungen, sein Geruch und auch sein Kuss, alles war noch als intimer Schatten in ihrem Herzen und auch in ihrem Bauch gegenwärtig.
Sie würde baldigst ein Gespräch mit ihren Großmüttern führen, denn sie wusste nicht, wie sie all diese Gefühle einsortieren sollte, die sie überschwemmten.
Obwohl sie eigentlich voller Vorfreude darauf war, gleich das mysteriöse Feuer bei der Scheune zu erkunden, gab es einen Teil in ihr, der sich schon nach dem morgigen Treffen sehnte, das sie Sunny hatte versprechen müssen. Es war noch nicht einmal abgemacht, was sie unternehmen wollten, und trotzdem konnte sie es kaum erwarten.
Es war ihr deutlich klar, dass sie zuhause über das Erlebte gründlich meditieren musste, sonst würde sie unabhängig vom Teegenuss keinen ruhigen Schlaf finden.
In der Ferne sah sie am Rande der Felder die alte Scheune aufragen. Sie bremste ab und stieg von ihrem Fahrrad. Genau beobachtend schob sie das Rad leise den Weg entlang. Das kleine Licht hatte sie gelöscht und ihr Herzschlag stieg an.
Das zweite Abenteuer ihres Tages begann.
Sunny war bereits mit den letzten Aufräumarbeiten fertig. Nach dem allerbesten Gutenachtkuss aller Zeiten, hatte er wie in Trance die üblichen Arbeiten erledigt und dabei nur an eines gedacht: Er freute sich auf das morgendliche Wiedersehen mit Alise.
Nur eines machte ihm Sorgen, denn er hatte schon geraume Zeit Teddy nicht mehr gesehen. Dabei hatte er jetzt so viel zu erzählen und noch mehr zu fragen, denn er wollte das morgendliche Treffen gründlich vorbereiten.
Suchend ging er über das Gelände des Gutshauses. Das letzte Mal, als er Teddy gesehen hatte, war dieser noch am Feuer gewesen.
Außerdem schien es ihm so, als hätte Teddy vorhin im Obstgarten Gitarre gespielt, aber da konnte er sich auch irren, denn seine Aufmerksamkeit war ja von seiner rothaarigen Traumfrau völlig gefangen gewesen. Er machte sich ein wenig Sorgen, denn es war nicht Teddys Art, einfach verschwunden zu sein. Vielleicht hatte man ihn entführt?
Langsam begann sich Sunny Vorwürfe zu machen.
Während er durch den dunklen Obstgarten spähte, bemerkte er ein Aufleuchten. Er blickte hinüber zu der Pension und wunderte sich. Scheinbar war um diese späte Zeit noch einer der Gäste wach, denn es wirkte wie das Glühen einer Zigarette oben am Fenster einer der Gästezimmer. Sunny zuckte mit den Schultern. Wahrscheinlich genoss einer der Gäste die sternenklare Nacht von seinem Fenster aus, warum auch nicht?
Als er zurück ins Haus trat, sah er mit einem Blick, dass Teddys Joggingschuhe verschwunden waren. War um hatte Teddy um diese Zeit das Bedürfnis zu laufen? Hatte seine romantische Liaison Teddy verletzt? Sunny machte sich Gedanken und beschloss, lieber oben in ihrem Zimmer auf Teddy zu warten. Vielleicht könnte er dort auch noch diesen wunderbaren Abend Revue passieren lassen, denn es war ihm irgendwie dringlich danach.
Leise näherte sich Alise der dunklen Scheune. Das Licht der Sterne war hell genug, sodass sie ihren Weg auch ohne künstliche Lichtquelle fand. Ihr Hollandrad hatte sie ein Stück weiter hinten am Weg zurückgelassen, gut an eine Holzbank angeschlossen, die dort für Spaziergänger aufgestellt worden war.
Sie war über den alten Holzzaun geklettert, der das leicht verwilderte Grundstück, auf welchem die Scheune stand, einschloss. Auf dieser Seite wurde das freie Land selten genutzt, daher hatte sich die Heide stückweise das Land zurückerobert und so schlich Alise über den weichen Untergrund aus duftenden Pflanzen. Sie kannte das Grundstück ausreichend genug, denn sie hatte oft in der Scheune geholfen, den Fundus des Vereines zu verwahren.
Einen kurzen Moment meinte sie etwas zu bemerken, doch als sie ihre Sinne auf die Gegend ausrichtete, schien alles normal zu sein. In der Ferne schrie ein Käuzchen und sie sah ein paar Kaninchen durch das nächtliche Heideland hoppeln.
Vorsichtig näherte sie sich dem dunklem Gebäude. Ohne in der Dunkelheit den Tritt zu verlieren, erreichte sie die Rückwand der Scheune. Der Brandgeruch und der beißende chemische Geruch des Löschschaumes lagen immer noch in der Luft.
Sie tastete sich vorsichtig an der alten Holzwand entlang. Die aufgebrochene Tür war genau die Hintertür, die sie aufgrund der Erzählung ihres Vaters vermutet hatte. Sie spürte die Kratzer und Splitter am Holz des Rahmens, wo scheinbar eine Brechstange ihr zerstörerisches Werk getan hatte. Sie ertastete vorsichtig Winkel und Höhe der Kerben und stellte fest, dass der Schuldige wahrscheinlich gute 20 Zentimeter größer als sie war und damit nahe an den 190 Zentimetern.
Außerdem war er sehr offensichtlich Rechtshänder und nicht sehr geübt mit dem Brecheisen. Er hatte das Schloss und den Rahmen eher mit der Kraft seines Körpers, als mit einer vernünftigen Hebeltechnik bearbeitet. So, wie es sich anfühlte, hatte er dafür drei- bis viermal angesetzt.
Elegant glitt sie auf ihre Knie und betastete den Boden. Weitere Splitter bestätigten ihre Vermutungen. Aber sie fühlte noch etwas anderes. Ein kleiner Gegenstand, von komischer, unregelmäßiger Form, eindeutig aus Leichtmetall. Als sie den kleinen spitzen Dorn auf einer der flachen Seiten spürte, war sie sicher, dass es sich um einen Pin zum Anstecken handelte. Sie packte ihn umsichtig in ein Taschentuch ein, um ihn nachher bei Licht besser untersuchen zu können und verstaute ihn in ihrer Umhängetasche.
Leider war der sommerliche Boden zu trocken und zu hart, als dass es sich gelohnt hätte, nach Fußspuren zu suchen. Aber da es dafür sowieso zu dunkel war und auch bestimmt die gesamte uniformierte Macht von Freudental heute Nachmittag hier durch getrampelt war, versprach sie sich sowieso nicht viel davon.
Sie probierte leise die kaputte Tür aus, die sich leicht quietschend öffnete. Typischerweise hatte scheinbar keiner der Männer an ein neues Schloss gedacht.
Als sie die Tür fast offen hatte, vermeinte sie einen Lichtreflex im Innern auszumachen. Sie versuchte sich leise durch den Spalt zu drücken, um kein weiteres Geräusch zu riskieren, aber ihre Füße stießen gegen etwas Metallisches. Vom Geräusch her erkannte sie sofort die Glieder einer dickeren Eisenkette, die aus irgendeinem Grund auf dem Boden lag.
In der Scheune war es dunkel und nur schemenhaft konnte sie die Kleiderstangen, Kisten und Regale erkennen, die diesen hinteren Raum der Scheune ausfüllten. Der Geruch nach verbrannten Textilien und angesengten Stoffen war hier deutlich präsenter als draußen und unterdrückte jegliche andere Geruchswahrnehmung. Alise konzentrierte sich auf ihr Gehör.
Aus einer der hinteren Ecken hörte sie ein Geräusch und näherte sich vorsichtig, darauf bedacht, sich selbst durch kein Geräusch zu verraten. Plötzlich ein Rascheln von Stoffen und das Umfallen eines Kartons.
Sie wandte ihre Aufmerksamkeit sofort der Geräuschquelle zu und plötzlich brannte ein Licht auf. Das Strahlen einer starken Taschenlampe traf sie unvorbereitet und kleine Lichtblitze tanzten vor ihren geblendeten Augen.
Sie hörte eilige Schritte und schrie auf, rein instinktiv. Das Licht wandte sich von ihr ab und im gleichen Augenblick spürte sie einen kräftigen Ruck, der sie zu Seite zog und von den Beinen riss. Sie fühlte einen warmen Körper, gegen den sie stürzte und einen festen Arm, der sie umschlang. Im gleichen Moment spürte sie etwas Schweres an sich vorbeifliegen und mit einem scheppernden Geräusch irgendwo in der Dunkelheit auf dem Boden landen.
Ihr Herzschlag klopfte bis zum Hals und sie atmete schwer. Sie spürte einen wohlgeformten männlichen Körper, der sie auf feste, aber doch sehr angenehme Art hielt und roch einen angenehmen Duft, der sich selbst in der Kakophonie der Gerüche hier vor Ort durchsetzen konnte und sie an etwas Beruhigendes, irgendwie Vertrautes erinnerte.
Sie spürte den ruhigen, regelmäßigen Herzschlag des Überraschungsgastes auf dieser seltsamen nächtlichen Soiree und das gleichmäßige ruhige Atmen schien auch ihren hektischen Atem wieder zur Ruhe zu bringen.
Sie wusste nicht warum, aber gleichzeitig fühlte sie sich in den Armen des Unbekannten plötzlich unglaublich geborgen und doch brannte sich das Feuer der Anspannung durch ihren Körper und vermischte sich mit dem anziehenden Geruch des Fremden. Sie spürte seine feste Brustmuskulatur unter weichem T-Shirt-Stoff. Er schien die perfekte Größe zu haben, um sich anzulehnen und obwohl der Augenblick nur wenige Sekunden dauerte, dehnte er sich für sie zu einer bittersüßen Ewigkeit voller seltsamer Spannung.
Sie tastete nach ihrer Tasche und fand ihre Taschenlampe. Aus irgendeinem Grund löste sie sich nicht von dem Unbekannten, der ihr aus mysteriösen Gründen Sicherheit gab. Immer noch in seinen Arm gekuschelt, schaltete sie die Taschenlampe ein.
Eine kurze Bewegung erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie spürte, dass ihr Beschützer sich gleichzeitig bewegte und sein Muskelapparat scheinbar wie eine perfekt einge stellte Maschine funktionierte. Ihr Instinkt, mit dem sie dem Unbekannten vertraute, wurde dadurch bestätigt, dass er sich zwischen sie und die schattenhafte Gestalt schob, die sich plötzlich durch die kaputte Tür drängelte.
Obwohl sie den Schein ihrer Taschenlampe sofort in Richtung der Tür lenkte, entkam der nächtliche Angreifer unerkannt. Sie leuchtete über den Boden und bemerkte die schwere Kette mit dem kaputten Vorhängeschloss auf dem Boden, sowie eine schwere Stabtaschenlampe, die scheinbar die Waffe war, mit der sie zuerst geblendet und dann angegriffen worden war.
Vorsichtig verschob sie den Lichtkegel ihrer Lampe, um ihren Beschützer in Augenschein zu nehmen. Als sie hoch blickte, sah sie in die dunklen Augen von Teddy. Er blickte sie mit seinem typischen zynischen Lächeln an, doch als er sie ruhig fragte: „Ist mit dir alles in Ordnung, Alise?“, spürte sie nicht nur ernsthafte Sorge in seiner Stimme, sondern bemerkte auch, dass ein spezielles Timbre seiner Stimme einen leichten, angenehmen Schauer durch ihr Rückgrat sandte. „ Ich glaube schon“, antwortete sie mit wiederkehrender Ruhe, aber ohne sich aus seinem Arm zu lösen.
Sie versuchte sich einzureden, dass es die Angst davor war, dass ihre von der Angst etwas weichen Beine sie nicht tragen könnten, aber das war nicht der einzige Grund.
„Was machst du hier?“ Neugierig schaute sie ihren unerwarteten Leibwächter direkt an. „Ich hatte ein mieses Gefühl, als du so allein nachts losgefahren bist, also habe ich beschlossen, dir zu folgen. Ich wollte sichergehen, dass du unbeschädigt zuhause ankommst.“ „Hast du öfters solche speziellen Eingebungen?“ fragte Alise ne ckisch provozierend. „Gelegentlich“, antwortete Teddy mit einer fast ebenso provokanten Ruhe in der Stimme.
Alise unterdrückte krampfhaft ihre Neugier, denn ihr plötzliches Interesse an dem besten Freund ihres „Beinahe-Freundes“, war wahrscheinlich mehr, als nur ein wenig unangemessen. Sie versuchte, sich mit der jetzigen Situation abzulenken. „Hast du ihn erkannt?“, fragte sie Teddy und löste sich aus seinem Arm, blieb aber in seiner unmittelbaren Nähe. „Ungefähr meine Größe, ein wenig dünner und nicht sehr geschickt.“ „Naja, das trifft auf viele zu.“ Teddy zuckte mit den Schultern. „Da bin ich wohl kein guter Zeuge, ich habe mich mehr darauf konzentriert, dass du nicht niedergeschlagen wirst.“
Einen kurzen Augenblick schoss Alise die Schamesröte ins Gesicht, doch dann bemerkte sie ein verräterisches Schmunzeln auf seinen Lippen und sie knuffte ihn mit dem Ellenbogen in die Rippen. Sie war erstaunt, wie mühelos sich seine Muskeln anspannten, um ihren Stoß abzufedern.
„Was immer du hier suchst, wäre es nicht besser, das Ganze auf eine hellere Tageszeit zu verlagern?“ „Ja, aber...“, wollte Alise widersprechen. „Und vielleicht sollten Sunny und ich dich begleiten, falls unser unbekannter neuer Freund nochmal auf Kontaktsuche ist.“ Leider fiel Alise gerade kein Grund ein, die Unterstützung der beiden Jungen abzulehnen. Ein Teil in ihr sehnte sich sogar danach. Außerdem hatte Teddy recht, bei diesem Licht würde sie wahrscheinlich die Hälfte aller Spuren übersehen.
„Überredet“, antwortete sie. „Gut“, erwiderte Teddy „ Ich begleite dich noch bis in die Stadt, falls der Typ noch irgendwo herumschleicht." Alise nickte. „Da hinten steht mein Fahrrad. Wo hast du deins?“ „Ich bin ohne unter wegs.“ „Du bist mir zu Fuß vom Sonnenbergerhof gefolgt?“, fragte Alise ungläubig. Teddy lächelte.
Alise konnte nicht behaupten, dass sie übermäßig langsam fuhr, während Teddy im lockeren Laufschritt neben ihr her trabte. Die Ausdauer des athletischen Jungen beeindruckte sie ungemein. Er brachte sie natürlich bis zur Schmiede.
Aus einem Impuls heraus verabschiedete sie sich mit einer Umarmung, die er sanft erwiderte. Mit einem warmen Gefühl im Bauch verschwand Alise im Haus und blickte nochmal unauffällig aus dem kleinen Flurfenster, um zu sehen, wie Teddy im lockeren Laufschritt wieder aufbrach.
Sie beschloss, dass sie unbedingt eine warme Dusche, eine Kanne ihres Spezialtees und ein wenig Entspannung brauchte, um die Erlebnisse dieses Tages irgendwie einzusortieren und ohne davon seltsame Träume zu bekommen.
Es war schon tief in der Nacht, als Teddy wieder auf dem Sonnenbergerhof ankam. Auf dem Rückweg hatte er lange nachgedacht, denn die Erlebnisse des Abends waren dafür prädestiniert, einen tiefen Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Es war schon seltsam, dass Alise von einem unbekannten Angreifer fast verletzt worden wäre.
Natürlich war da noch das Geheimnis darum, was das süß-freche Mädchen dort zu finden gehofft hatte, doch diese Frage würde sie sicher zu passender Gelegenheit beantworten. Teddy hatte keine Ahnung, wer der mysteriöse Angreifer gewesen war, der mit einer schweren Taschenlampe auf ein unschuldiges Mädchen losging, und er bedauerte es, dass er nicht die Gelegenheit gehabt hatte, ihm gehörig die Meinung zu sagen.
Bestimmt würde Sunny schon schlafen und obwohl Teddy sich gerne über diese Ereignisse austauschen wollte, würde er seinen besten Freund natürlich nicht wecken.
Teddy spürte eine angenehme Müdigkeit in seinem Körper, als er leise die Treppen zu dem gemeinsamen Zimmer hochstieg. Zwar war sein Geist noch wach und wahrscheinlich würden ihm einige Details der spannenden Erlebnisse noch in den Schlaf folgen, aber damit konnte er umgehen.
Er öffnete leise die Tür zu ihrem Zimmer, um Sunny nicht zu wecken. Kaum, dass er die Tür leise hinter sich geschlossen hatte, sah er, wie sich Sunny aufrichtete. Das klare Sternenlicht, das durch das große Dachfenster fiel, schimmerte silbern auf seinem nackten Oberkörper und verschlafen rieb er sich die Augen, während sich die leichte Bettdecke sanft um seine Hüften schmiegte. Sein goldenes Haar fiel in langen Locken über seine Schultern und Teddy musste unwillkürlich an einen Engel denken, als er Sunny so im Zwielicht sah.
Trotz der Dunkelheit spürte er Sunnys Blick, der auf ihm ruhte, und mit katzenhafter Anmut schlich sich Teddy durch das nächtliche Zimmer zu dem großen Bett. Er setzte sich auf die Bettkante, sah zu Sunny und strich ihm sanft einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Ich wollte dich nicht wecken“, sagte Teddy mit ruhiger Stimme und seine streichelnde Bewegung setzte sich zu Sunnys Nacken fort, den er sanft kraulte. Sunny gähnte leicht und sah ihn mit hinreißend verschlafenen Augen an.
„Wo warst du?“ „Ich bin Alise gefolgt, denn ich hatte so ein Gefühl, weißt du?“ „Und, hat sich dein Gefühl bestä tigt?“ „Leider ja, denn sie war noch bei der alten Scheune, wo die Mittelalterleute ihre Sachen lagern.“ „Mama hat mir beim Aufräumen erzählt, dass es dort heute Vormittag gebrannt hat.“ „Interessant“, sagte Teddy mehr zu sich selbst und knabberte nachdenklich auf seiner Unterlippe. Sunny strich ihm über die Wange und flüsterte leise: „Hör damit auf!“ „Womit?“, fragte Teddy überrascht. „Auf deinen Lippen herum zu knabbern. Du hast selbst gesagt, davon werden sie rau und rissig.“ „So etwas habe ich gesagt?“ „Ja, und ich soll dich daran erinnern“, entgegnete Sunny voller verantwortungsvoller, aber sanfter Strenge.
Teddy nahm vorsichtig Sunnys Hand, die immer noch sein Gesicht streichelte und zog sie ein wenig zu sich heran. Langsam schlang er seine langen feingliedrigen Finger um Sunnys und hielt einige Herzschläge seine Hand in der eigenen, ohne etwas zu sagen.
„Ich sollte dich schlafen lassen“, stellte Teddy plötzlich fest. Sunny schnaubte leicht. „Jetzt bin ich viel zu gespannt.“ „Gut“, antwortete Teddy, „Aber lass mich kurz das Sofa fertigmachen, denn ich bin echt müde.“ „Du kannst heute Nacht bei mir schlafen“, antwortete Sunny, ohne zu zögern und hielt bestätigend Teddys Hand fest. „Dann sollte ich zumindest duschen, denn ich bin gelaufen.“ „Brauchst du nicht, ich mag deinen Geruch.“
Teddy zuckte mit den Schultern. Er wollte jetzt nicht diskutieren, auch wenn es nicht die feine Art war, ungewaschen in das Bett eines anderen zu kriechen. „Hast du hier noch Wasser?“, fragte Teddy. Sunny reichte ihm die Mineralwasserflasche vom Nachttisch. Teddy nahm einen tiefen Schluck und reichte sie ihm zurück. Dann zog er sein T-Shirt über den Kopf und warf es auf das Sofa.
Er stand auf und während er um das Bett herumging, entledigte er sich seiner restlichen Kleidung. Elegant schlüpfte er unter die zweite Decke, die noch von der letzten Nacht in Sunnys Bett lag, und schmiegte sich an die weiche Rückenlehne des großen Bettes.Sunny drehte sich zu ihm um und legte seinen Kopf auf Teddys Schoß. Teddy begann, ihm sanft durch die Haare zu streichen und genoss die angenehme Wärme von Sunnys Körper.
Neugierig blickte Sunny mit großen Augen zu ihm hoch. „Erzählst du mir jetzt, was genau passiert ist?“ „Du bist genauso wie Krapfen“, sagte Teddy und als er den verwirrten Blick von Sunny sah, setzte er nach: „Überaus neugierig und möchtest dauernd von mir gekrault werden.“ Sunny kicherte leicht. „Das stimmt wohl, aber ich weiß zum Glück, dass du Krapfen sehr magst.“ Teddy streichelte ihn sanft weiter und begann, von den Erlebnissen der Nacht zu erzählen.
Alise war trotz des nächtlichen Ausfluges wieder zur gewohnten Stunde aufgewacht. Obwohl sie sich noch eine gewisse Zeit wohlig in ihrem Bett gewälzt hatte, während sie ein wenig den verwirrenden, aber dennoch sehr angenehmen Träumen der letzten Nacht nachhing, gelang es ihr nicht, wieder einzuschlafen. Während sie ihrer Morgenroutine nachging, dachte sie gründlich nach.
Es gab gleich zwei Angelegenheiten, die ihre ungeteilte Aufmerksamkeit beanspruchten, denn zu den seltsamen Ereignissen in der Scheune war da auch noch ein kleines Problem mit den beiden Jungs vom Sonnenbergerhof dazu gekommen. Beide hatten es gestern eindeutig auf ihre jeweils eigene Art geschafft, mehr als nur ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
In ihren Träumen war dieses Dilemma mehr als präsent gewesen und die Lösung, die ihr Unterbewusstsein präsentierte, trieb Alise ein wenig Schamesröte in ihr Gesicht. Spontan erlaubte sie sich in der Dusche noch einmal, über diese abstruse Idee zu resümieren, dann verbannte sie alle romantischen Ambitionen vorerst in einen Abstellraum ihres Kopfes und grübelte über die Scheune und das Erlebnis von gestern Nacht. Teddy hatte durchaus recht - es war von Vorteil, wenn ihr die beiden Jungen halfen. Aus der Schule wusste sie, dass Sunny einen wachen Verstand hatte und sich mit vielen Dingen der Naturwissenschaft auskannte, die selbst für die Lehrer des Gymnasiums manchmal etwas zu „Tief in der Materie“ waren. Teddy hatte seine Nützlichkeit ja bereits letzte Nacht bewiesen.
Es war eine gute Idee, sich der Hilfe der beiden zu bedienen und der Genuss ihrer Gesellschaft war einfach ein schöner Bonus.
Kaum war Alise angezogen, stürmte sie auch schon die Treppe runter und frühstückte rasch, während sie das Essen für ihre Männer vorbereitete.
Sie verließ das Haus sehr früh, denn sie wollte keine Sekunde des Tages verschenken und während sie ihr Fahrrad leise vom Hof der Schmiede schob, steckte sie die Kopfhörer ihres Smartphones in die Ohren und wählte die Telefonnummer einer ihrer Großmütter.
Es war ein sonniger Morgen und die Natur war, im Gegensatz zu den meisten Menschen auf dem Sonnenbergerhof, bereits erwacht. Vögel sangen fröhlich in den alten Bäumen des Gutshofes und die Pferde schnaubten erwartungsfroh. Der Tag versprach schön zu werden. Emilia Sonnenberger genoss die Arbeit zu dieser ruhigen Mor genstunde und wunderte sich, als sie Alise auf ihrem Hollandrad ankommen sah. Das hübsche rothaarige Mädchen schob das große schwarze Fahrrad durch das große Tor auf den gepflasterten Hof.
Sie grüßte Emilia Sonnenberger mit einem offenen Lächeln und einem herzlichen Morgengruß, den diese freudig erwiderte. Sie mochte die höfliche, aber doch herzliche Art des Mädchens.
„Ich würde gerne Ihren Sohn und seinen Freund besuchen“, erklärte Alise, während sie das Fahrrad an der alten Mauer anlehnte. „Ach, wahrscheinlich schlafen die beiden noch.“ Frau Sonnenberger sah den enttäuschten Blick und ergänzte schnell: “Aber vielleicht willst du mal nachschauen, ob die beiden Schlafmützen schon wach sind?“ Alise nickte fröhlich und blickte dann wieder fragend. Emilia Sonnenberger beschrieb ihr den Weg zu dem Zimmer, das die beiden Freunde bewohnten. „Sie teilen sich ein Zimmer?“, fragte Alise erstaunt. „Ja, die beiden sind kaum zu trennen“, gestand Emilia Sonnenberger. Alise bedankte sich artig und folgte dem ihr gewiesenen Weg.
Emilia Sonnenberger blickte ihr nachdenklich hinterher. Es freute sie, dass die Jungs Zeit mit einem netten Mädchen verbrachten.
Sie wusste, dass ihr Manfred, oder besser Sunny, denn dieser Spitzname, den ihm sein Vater aufgrund seines „Sonnenaufgangslächelns“ irgendwann gegeben hatte und der sich erst in der Familie und dann in der ganzen Gemeinde verbreitet hatte, langsam in das entsprechende Alter kam.
Vor der Tür des Jungenzimmers atmete Alise noch einmal durch, richtete ihre Kleidung, klopfte dann entschlossen und trat ein. Tatsächlich waren die beiden Jungs noch im Bett. Niedlich verschlafen blinzelte Sunny ihr entgegen, während sich Teddy gerade aufrichtete.
Einen kurzen Augenblick genoss Alise den Anblick seines Muskelspiels und sah zu, wie er sich die dunklen Haare aus dem Gesicht strich. Auch Sunny richtete sich auf und die Bettdecke rutschte tief in seinen Schoß und gab ebenfalls den Blick auf seinen athletischen Oberkörper frei.
Ohne sich etwas anmerken zu lassen, studierte Alise die anatomischen Unterschiede zwischen den beiden Jungen.
Während Teddys Muskulatur wie bei einer griechischen Marmorstatue aussah, waren Sunnys Muskeln versteckter, aber durchaus erkennbar. Man konnte ihn als eher grazil und anmutig beschreiben. Beide Jungen waren ein wirklich ansehnlicher Anblick, auch und gerade mit ihren nackten Oberkörpern, und sie wusste nicht, ob sie darauf hoffen sollte, dass einer sich erheben und präsentieren würde, was die Bettdecken noch gekonnt verbargen.
Besonders aber blieben ihre Blicke aber auf Sunnys eleganten Händen kleben. Seine langen, schlanken Finger mit den gepflegten Fingernägeln, die so zärtlich gerade erst bei sich und dann bei Teddy die vom Schlaf zerzausten Haare aus dem Gesicht strichen, regten eine sinnliche Seite in ihr an.
Alise schluckte leicht und versuchte, mit einem Scherz wieder Oberhand zu gewinnen: „Entweder ihr beiden steht auf und zieht euch an, oder ich muss mich ausziehen und zu euch kommen.“ Noch während sie realisierte, was ihr da aus dem Mund gefallen war, spürte sie wieder, wie das Blut heiß in ihre Wangen schoss. Dass beide Jungen sie einen Moment lang nachdenklich anblickten, um dann vielsagenden einen Blick miteinander zu tauschen, machte es für Alise nicht besser.
Der Moment zog sich wie eine Ewigkeit hin und alle möglichen Konsequenzen ihrer Frechheit paradierten vor ihrem inneren Auge.
Teddy lächelte sie plötzlich mit diesem süffisanten, zynischen Lächeln an, welches ihre Knie weich werden ließ und forderte sie mit diesem speziellen Timbre in der Stimme auf: „Wenn du kurz unten in der Küche wartest, dann machen wir uns eben frisch und frühstücken dann unten gemeinsam.“ Sunny lächelte fröhlich und nickte dazu. „Bitte fühl dich ganz wie zuhause.“ Alise nickte erleichtert, aber in gewisser Weise war sie auch leicht enttäuscht, was sie mehr erstaunte, als sie es sich gerade anmerken lassen wollte, und ging in Richtung Tür.
„Guten Morgen übrigens. Und schön, dass du gekommen bist“, kam es von Sunny. „Ja“, stimmte Teddy ein. „Ich freue mich auch, dich zu sehen.“
Alise versuchte, sich ihre innere Reaktion auf diesen Morgengruß nicht anmerken zu lassen. Sie zog die Tür hinter sich zu und war etwas mehr als einen Herzschlag in Versuchung, einen neugierigen Blick zu riskieren, entschied sich aber dagegen, denn die Situation hatte sie schon genug aufgewühlt.