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Vancouver Job

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Mein Bettnachbar in der Jugendherberge liegt mit den Armen verschränkt auf seiner Decke. Hellwach. Wir begrüßen uns, stellen uns diesmal gegenseitig vor, und Donovan setzt unsere Unterhaltung fort, als hätte es ihn die ganze Zeit beschäftigt.

"Übrigens, du kannst von Glück sagen, dass du nicht nach Einbruch der Dunkelheit da in der Gegend warst, Mann."

"Werd ich mir merken."

"Sag, wie fandest du eigentlich Chinatown?"

"Hab ich nicht gefunden", ich hole zwei Dosen Canadian Lager aus meiner Tasche. Auf dem Rückweg war ich kurz in den Liqour-Store an der Ecke gegangen.

Das muss man sich vorstellen, Alkohol gibt es nur in bestimmten Läden, Liqour-Stores. Nicht im Supermarkt, nicht an Tankstellen, nicht am Kiosk. Ich muss tagsüber wissen, ob ich abends durstig bin.

"Du hast es nicht gefunden? Das kann man doch gar nicht verfehlen!"

Ich halte ihm eine Dose hin.

Er richtet sich auf, "Mann, Alkohol ist hier im Hostel verboten!"

Blitzschnell zuckt sein Kopf Richtung Tür, als könnte da Mary von der Rezeption im nächsten Moment durchgeritten kommen.

Ich lege die Dose neben mich und mache mir an meiner zu schaffen.

"Hey, das heißt nicht, dass ich kein Bier will!"

Ich werfe sie ihm zu.

"Mann, du bist ein Vogel, cheers!"

"Cheers."

Wir trinken. Als er absetzt, fragt er, "Wo bist du her?"

"Germany."

Er nickt, "Und du bist hier, um Englisch an der Schule zu lernen?"

"Hab mich umentschieden, ich ... reise jetzt ein wenig rum."

"Wie umentschieden. Warum?"

"Die Metallica-Texte sind nicht so gut, wie ich gedacht habe."

Wir lachen.

"Wo willst du hin?", fragt er.

"Weiß nicht, Vancouver ist schön", sage ich.

"Weißt du was? Willst du arbeiten?"

"Was habt ihr Kanadier alle mit dem Arbeiten?"

"Na dann."

"Das heißt nicht, dass ich kein Geld bräuchte."

"Pfh", er grinst und schüttelt wieder seinen Kopf, "Okay, ich arbeite für zehn Dollar auf dem Bau, gutes Geld ..."

"... aber die Arbeit ist mir zu hart", ich stecke die Schippe in den Kies, klatsche demonstrativ die Hände ab, nach getaner Arbeit, als wären sie dreckig.

"Mann, das kannst du nicht machen, du bist grade mal ne Stunde dabei!"

"45 Minuten! Außerdem ist der Boss ein Arsch."

"Der Boss ein Arsch? Er ist Deutscher!"

"Glaub mir, das sind Komponenten, die sich nicht ausschließen müssen."

"Wo willst du hin?"

"Weg. Bin durchgeschwitzt, als wäre ich in den Tropen. Ich ziehe mir eine Cola im nächsten Kiosk."

"Und die Kohle?"

"Ist die Zeit, darüber mit dem Typ zu diskutieren, nicht wert."

"Okay."

"Wir sehen uns."

"Bitte", ich lege meine vier Dollar auf die Theke des kleinen Klamottenladens. Ein guter Preis für ein neues T-Shirt, mein schwarzes, das ich trage, ist klatschnass, und ich kann sowieso ein neues gebrauchen, auch wenn das hier orangefarben ist, egal, vier Dollar.

"Da fehlen 48 Cent!", meint die zierliche Verkäuferin.

"Was? Auf dem Preisschild steht vier Dollar, nicht 4,48 Dollar!"

"Das ist ohne Etwaswasichnichtverstehe."

"Ohne was?"

"Ohne Steuer."

"Aha. Warum addiert euer Geschäft nicht einfach auch die Steuer zu dem Preis, damit man weiß, wie viel es letztendlich kostet?"

"Das macht niemand in Kanada."

"Was? Warum?"

"Damit der Käufer sieht, was er an Steuern zahlt."

"Wie hoch ist die Steuer?"

"12%, eh."

"Na, wenn ich wissen will, wie viel Steuer ich zahle, dann kann ich es mir doch selbst ausrechnen!"

"Das ist so eine Art Protest gegen die Politik."

"Außerdem weiß das doch kein Mensch, der nach Kanada kommt. Hab ich jedenfalls noch nirgends erlebt!"

"Steht aber meines Wissens groß und fett in jedem Reiseführer!"

"Wie viel Cent waren das?"

Auf der Rückfahrt mit dem öffentlichen Bus zum Hostel bin ich einfach drin sitzen geblieben, bis zur Endstation. Ich schlendere den Bussteig auf und ab, während ich auf meinen Bus warte. Der Busbahnhof ist nicht besonders hübsch, Haltestellenhäuschen aus Holz, über und über mit angetackerten Nachrichten und Flyern bedeckt, in mehreren Schichten, alte, neue, teilweise abgeflämmt, Brandspuren und ein brandneuer offeriert ein Zimmer: 200 $ Miete, Wasser ...

"... und Strom inklusive! Hier ist das gute Stück!", Mike, der Wohnungsinhaber, hat mich durch das ganze zweistöckige Haus geführt, die große Essküche, sauber, vegetarisch, wie er betont, das ebenfalls geräumige Wohnzimmer mit der größten Ansammlung von Kakteen, die ich jemals gesehen habe, mit Blick auf den grünen zugewucherten Vorgarten und die ruhige Straße, den Wintergarten, der in die Terrasse übergeht, mit dem kunterbunten Garten, seine Gerüche, die Ruhe hier, in der Seitenstraße am Rande Vancouvers, in einem In-Bezirk und eigentlich zu teuer, wie ein Student noch am Busbahnhof zu mir meinte, als ich ihn nach dem Bus dorthin fragte.

Ich gehe in dem Zimmer auf und ab, einige Bücher in einem Regal, das übliche, Romane, nichts Politisches.

Mike erzählt mir, seine Freundin wohnt nur ein paar Häuser weiter, er wäre oft dort.

Will er mir durch die Blume sagen, dass er nicht gay ist?

Dieses geschmackvoll eingerichtete Zimmer gehört eigentlich seinem Mitbewohner, der ist für zwei Monate nach Übersee, und daher will er das Schmuckstück einen Monat untervermieten.

Ich schaue aus dem großen Fenster, der Vorgarten, auf der anderen Seite ein fast zugewuchertes Haus, ein Eiswagen zuckelt vorbei. Perfekt!

"Und wie sieht‘s aus, ziehst du ein?"

"Nein."

Es gibt Entscheidungen, die sind nicht leicht zu erklären. Diese gehört dazu. Einerseits würde sich die Begründung 'Ich bleib doch nicht nach drei Tagen Kanada in Vancouver' logisch anhören, aber man könnte auch sagen, Perlen vor die Sau geworfen, wenn ich so etwas ausschlage. Aber ich hatte mich gerade zum Reisen entschieden, nicht zum Großstadtchillen. Gut, ich komme aus keiner Großstadt, und mein Budget hätte das hergegeben, aber eine Großstadt ist wie die andere, ich bin in Kanada, und das Land strotzt Natur. An der will ich wenigstens mal schnuppern.

In nur zwölf Stunden habe ich einen Job und eine günstige Bleibe ausgeschlagen. So was gehört bestraft oder belohnt.

Ich lasse es drauf ankommen.

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