Читать книгу Apphillybilly Lifestyle - Thorsten Nesch - Страница 5
Taschenlampenlichtkegeln
ОглавлениеUnsanft werde ich mitten in meiner letzten Nacht im Hostel von einem Tumult geweckt, zwei Taschenlampenlichtkegel tanzen über mein Bett und das meines Nachbars, an dem sich zwei Typen zu schaffen machen.
Blitzartig bin ich hellwach, "HILFE, DIEBE! WACHT AUF, HELFT UNS!", dabei greife ich zu meinem Klappmesser und wälze mich aus meinem Schlafsack, ich werde geblendet, mein Puls schlägt bis zum Hals.
Mein Flehen wird erhört. Das ganze Zimmer wacht auf, Springmesser schnicken, Figuren huschen durch die Dunkelheit, springen zu ihren Freunden oder Gepäck oder verpissen sich einfach, weitere Lichtstrahlen verwandeln das Interieur des großen Schlafraumes in die Miniaturausgabe eines nächtlichen Fliegeralarms. Chaos. Das Plumpsen aus doppelstöckigen Betten, Rufe gellen, auf japanisch, englisch, französisch, spanisch, "Antoine, c'est toi lá?", "What the fuck is goin‘ on here?", bis endlich jemand die Zimmerlampe anschaltet.
Alles erstarrt in der Bewegung, wie beim Bleigießen. Gesichtsbaracken, wie sie das Leben schreibt. 4 Uhr morgens in einem Hostel, die meisten hatten zuvor gefeiert, Restalkohol oder andere Ingredienzen im Körper, übernächtigt vom Jetlag oder vom Reisen, in den abgefahrensten Schlafutensilien, vom zerrissenen T-Shirt bis zum properen Schlafanzug mit Streifen, oder nur in Unterhosen, Frisuren wie von Gaultier, in ihren Händen Taschenlampen, Bier und andere Flaschen, Messer, Tränengas, Zeltstangen, einer hat einen Besen, und die zwei Japaner hören auf, sich gegenseitig ihre Kissen um die Ohren zu hauen, sie haben mangels Sprachkenntnissen die Situation falsch eingeschätzt.
In der Tat waren die Auslöser des Tohuwabohus, mich mal nicht mit eingerechnet, zwei Hostel-Angestellte, die Donovan rauswerfen wollten. Aber in Anbetracht der entgleisten Lage herrscht allgemeine Sprachlosigkeit, sie hätten jetzt hier jeden rauswerfen können außer den Japanern.
Aber sie sagen nur zu meinem Kumpel, er könne diese Nacht noch bleiben, während die anderen Gäste abrüsten, so, als wäre nix weiter gewesen, zu Bett schlendern, und ein Typ, der hinausgelaufen war, späht vorsichtig um die Ecke, um dann weltmännisch wieder seine Schlafstätte zu besteigen.
Schließlich entschuldigen sich die beiden Angestellten noch für die Störung und vergessen nicht, das Saallicht auszuschalten. Dunkelheit, bis auf einige gedämpfte Lichtquellen in Schlafsäcken und unter Bettdecken, die nach und nach unter leisen Flüchen ausgeschaltet wurden. Und jemand versucht, flüsternd den Japanern zu erklären, was wirklich vorgefallen war.
Am nächsten Morgen erklärt mir Donovan vor dem Hostel, warum er gerade rausgeworfen wurde. Natürlich zahlte er nicht für das Bett, er kam meistens spät abends, duschte, schlief, wachte morgens auf, duschte, frühstückte und fuhr zur Arbeit, seine Sachen hatte er beim Bahnhof in einem Tresor, der kostete ihn zwei statt 14 Dollar die Nacht, das hörte sich doch besser an, und den Shuttle-Bus vom Hostel zum Bahnhof konnte er auch noch umsonst mitbenutzen, nicht besonders sozial, sagte er, zugegeben, aber es schädigte eigentlich niemanden, er würde jedem Vortritt lassen und keinem Bett oder Busplatz wegnehmen.
Wo er nun pennen wolle, frage ich ihn. Und er meint, am Strand.
Wir verabschieden uns, und er steigt in den Shuttle-Bus, dessen Fahrer nicht weiß, was in der Nacht passiert war. Donovan darf vorne sitzen, die beiden kennen sich von den anderen Morgen, und er witzelt gleich los, als wäre nichts geschehen, und winkt mir zu, während sie losfahren.