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Strom in eigener Regie Strom aus dem eigenen Kraftwerk. Ein Auslaufmodell?
ОглавлениеBereits vor einigen Tagen wurde hier im Blog angekündigt, dass parallel zu den “normalen” Beiträgen eine Artikelserie zum Thema Eigenstrom entstehen soll. Was sich genau dahinter verbirgt, und wohin meine Ideen gehen, wird in späteren Beiträgen zu lesen sein. Da der Fokus auf den privaten Haushalten liegt, ist der erste Beitrag einem bestimmten Kraftwerkstypus gewidmet, der scheinbar gerade zum Auslaufmodell wird: Kraftwerke der produzierenden Unternehmen (Industriekraftwerke). Ist ein natürliches Ende des Lebenszyklus erreicht?
Die Anzahl der installierten Kraftwerkskapazitäten hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Nicht zuletzt soll aus unsicheren Energieträgern primär Strom erzeugt und damit ein großer Teil des Bedarfs gedeckt werden. Parallel soll die gleiche Menge aber auch dann zur Verfügung stehen, wenn die Sonne einmal nicht scheint. Versorgungssicherheit der Bevölkerung ist ein Thema – wirtschaftliche Existenz von Industrieunternehmen ein anderes.
Das Unternehmen mit der wohl größten Kraftwerksflotte in Deutschland ist die Deutsche Bahn. Aktuell sind dort 3,2 Gigawatt installierte Leistung vorhanden bei einer jährlichen Erzeugungsrate von 11 Terrawattstunden (Quelle). Aber auch DAX - Unternehmen haben sich in der Vergangeheit Kraftwerke geleistet. Die BASF in Ludwigshafen hat aktuell 3 Kraftwerke in Betrieb, wobei 2 für den internen Bedarf produzieren. Das 2005 erbaute Kraftwerk Mitte speist auch in das Netz der Amprion ein. Fast in der Nachbarschaft gelegen ist die Firma Freudenberg in Weinheim. Dort wird zwar weniger Energie erzeugt, trotzdem ist das neuere der beiden Kraftwerke erst 2005 in den kommerziellen Betrieb übergegangen. (vergl. Vollständige Liste der Bundesnetzagentur per 9.11.2012)
Ich erinnere mich, dass ich vor einigen Jahren mit meinem Opa über das Rhein-Neckar Gebiet geflogen bin. In seiner beruflichen Laufbahn hat er beim Aufbau von Kraftwerken geholfen. Es war erstaunlich, wie viele Kraftwerke er mir in wenigen Flugminuten zeigen konnte, von deren Existenz ich vorher nichts wusste. An dieser Stelle sei angemerkt, dass diese Einrichtungen nicht nur zur Stromerzeugung errichtet worden sind. Hauptsächlich dienen sie der Dampferzeugung, der in der verarbeitenden oder Prozessindustrie benötigt wird. Fakt ist aber, dass sich hier Unternehmen in den letzten Jahrzehnten aber auch eine Stromerzeugung geschaffen haben, die sie zunächst einmal wirtschaftlich unabhängiger macht.
Auf der anderen Seite existiert die Liste von 730 Unternehmen (Quelle), die von der EEG Umlage befreit sind, da sie unter die Ausgleichsregelung fallen. Schaut man auf das Datum, so erkennt man schnell, dass diese Vorlage aus dem Jahr 2003 stammt. Die Smurfit Kappa Papierfabrik in Zülpich hat ihr neues Kraftwerk erst im Jahre 2010 in Betrieb genommen .Eigenstrom scheint sich also doch irgendwo zu rechnen. Der in der Presse häufig als Neiddebatte geführte Dialog zur Befreiungsliste sollte eher auf den Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften noch einmal hinterfragt werden. Schließlich existieren Unternehmen, die in den letzten 10 Jahren bereits in ihre Stromzukunft investiert haben. Bei einer Papierfabrik erkennt man die Notwendigkeit am einfachsten: Schwankt die Spannung, so reisst das Papier. Ein eigenes Kraftwerk hat damit direkte Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens.
“Immer seltener erzeugen wir Strom”
Meinte vor einigen Tagen ein Kraftwerker gegenüber Stromhaltig. Der Fall, dass kein Strom erzeugt wird, tritt immer dann ein, wenn der Einkaufspreis niedriger ist, als die Kosten für den Betrieb des eigenen Kraftwerks. Es wird wohl in der politischen Verantwortung liegen, diese Kapazitäten genau zu beobachten. Zwar zeigt die aktuelle Rückbauliste keine beunruhigende Trends, jedoch verändert sich schleichend das Geschäftsmodell für die Unternehmen. Ein Balance zwischen langfristiger, wirtschaftlicher Sicherheit und Quartalszahlen wird zu finden sein. Nur wenn es unabhängige Eigenstrom Kraftwerke gibt, können auch in Zukunft künstliche Verknappungen und damit Spekulation auf den Strompreis verhindert werden.
Letztendlich geht es um die Abwägung von Risiken, die für oder gegen die Industriekraftwerke spricht. Bleibt abzuwarten, ob der Kraftwerksmix der Zukunft hier nicht die Abwägung von kurzfristig-kaufmännischen Ergebnissen in den Vordergrund bringt.