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ISA PALANT

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LV-1657, Sprungtor Gamma 116, Oktober 2692

Der riesige Yautja geht vor ihr in die Knie, um sich auf ihre Größe zu bringen. Isa kann ihn riechen. Sie alle haben diesen Geruch, nach Zimt und frischem Fleisch, aber der von Kalakta ist intensiver, als würde sein hohes Alter dazu beitragen. Milt McIlveen steht hinter ihr, der Abgesandte der Firma, der ihr ein guter Freund geworden ist. Auch Akoko Halley ist hier, die Majorin der 39th Spaceborne-Division, die sie aus den Ruinen der Love Grove Basis rettete. Beide hatten ihr vertraut, als sie darauf bestand, dass die Nachricht zur Verständigung und der Bitte um Frieden an die Yautja gesandt werden müsse. Nun mussten sie ihr erneut vertrauen.

Sie war noch nie zuvor einem Yautja so nah gewesen. Selbst tot waren sie noch furchteinflößend. Lebendig aber sind sie prachtvoll. Von ihnen geht eine ungeheuere Macht und Stärke aus, und sie fühlt sich vor Angst hundeelend.

Er ist deswegen hierher gekommen, denkt sie bei sich. Er will es genauso zu Ende bringen wie wir. Das ist nicht unser Krieg. Jemand anderes führt ihn gegen uns. Jemand, der die Xenomorphs als Waffe einsetzt.

Kalakta hält sie am Hinterkopf fest und beugt sich nah an sie heran, so nah, dass sie seinen feuchten Atem riechen und die scharfen, vielfach benutzten, von der Zeit in Mitleidenschaft gezogenen Fangzähne sehen kann. Sie muss würgen. Dem ranghöchsten Ältesten der Yautja ins Gesicht zu kotzen, nun, da eine Übereinkunft zwischen ihnen erreicht wurde, wäre vielleicht nicht die allerbeste Idee.

Bei dem Gedanken muss sie beinahe lachen.

Und beinahe weinen.

Kalakta gibt ein Geräusch von sich. Es klingt, als würden in seinem Inneren Motoren anfangen, sich zu drehen und Knochen aneinanderreiben. Sie runzelt die Stirn, wirft einen Blick zu McIlveen hinüber, um zu sehen, ob ihr gemeinsam programmiertes Übersetzungsprogramm die Worte erkannt hat. McIlveen sieht stirnrunzelnd auf das kleine Daten-Pad vor ihm, und dann sieht er sie an, im selben Moment, als Kalaktas Gelächter lauter zu werden beginnt.

Nein, denkt Isa. Nein, das darf nicht sein. Wir haben uns hier getroffen, um Frieden zu schließen, tu uns das nicht an – tu es deinesgleichen nicht an!

»Nein!«, ruft sie aus, aber da ist es bereits zu spät.

Die vier Yautja, die Kalakta begleiten, reagieren sofort und wie auf einen stummen Befehl hin. Aus rituellen Gründen und als Zeichen des Vertrauens und des Respekts hatten sie ihnen erlaubt, ihre Waffen mit an Bord und in den weitläufigen Laderaum der Tracey-Jane zu bringen. Das war ein furchtbarer Fehler gewesen. Sie verteilen sich, bringen ihre Speere in Angriffsposition, und die Laserzielsucher ihrer Schulterkanonen huschen flackernd durch den dunklen Ort.

»Nein!«, schreit Isa Palant abermals. Sie versucht aufzustehen, aber Kalaktas Griff schließt sich fester um ihren Hals. Es scheint ihn keine Kraftanstrengung zu kosten – wahrscheinlich könnte er ihr mit einer knappen Handbewegung das Genick brechen, und wahrscheinlich wird er das auch bald – aber da ist noch etwas anderes. Sie kann nicht genau sagen, was es ist, dass sie in seinen Augen sieht. Isa hatte begonnen zu glauben, sie würde die Yautja kennen, aber die grausame Wahrheit wird ihr in dem Moment klar, als die ersten Explosionen ertönen.

Sie weiß überhaupt nichts.

McIlveens Kopf zerplatzt in einer Wolke aus verdampfendem Gehirn und Schädelmasse. Sein restlicher Körper bleibt noch einen Moment an Ort und Stelle stehen, dann tritt er einen Schritt nach vorn, bevor er seitlich umkippt und auf den Boden schlägt.

Halley bellt einen Befehl, ihre Crew eröffnet das Feuer. Sie versuchen, die Yautja in dem riesigen Laderaum ausfindig zu machen, sie feuern, schießen daneben, feuern erneut. Zwei der außerirdischen Jäger haben ihre Tarnung aktiviert und sind nun nichts weiter als dunkle Schemen zwischen all den anderen Schatten. Das Einzige, was hin und wieder ihre Position verrät, sind die Schüsse aus ihren Blastern.

Eine Marine schreit, als sie von einem Speer in die Luft gehoben wird. Ihre Eingeweide hängen an der Stelle heraus, wo sich dieser wieder aus ihrem Rücken bohrt.

Ein Yautja wird von Laserfeuer getroffen und seine abgerissenen Körperteile liegen zuckend am Boden, als würde er selbst im Tod noch versuchen, weiterzukämpfen.

Kalakta zieht Isa nahe zu sich heran, hebt seinen Kopf und presst ihr Gesicht gegen seine Brust, sodass sie nur noch hören kann, was um sie herum geschieht.

Schüsse, Explosionen, Schreie und Brüllen hallen durch die große Lagerhalle. Die Kakofonie wird erst dann leiser, als nur noch wenige Soldaten übrig sind, um zu kämpfen, und weniger Yautja, um Gegenwehr zu leisten.

Schließlich verebbt das Chaos. Isa fühlt sich elend. Sie kann in Kalaktas Brust etwas hören, das wie ein Herzschlag klingt, aber genauso gut ist es möglich, dass der Älteste der Yautja noch immer über die gelungene List lacht.

Sein Druck auf ihr Genick lässt nach, er lässt sie einen Blick auf ihre Umgebung werfen.

Zwei Yautja sind noch am Leben. Einer von ihnen hat einen Arm verloren und grünes Blut rinnt aus der Wunde. Der zweite trägt einen schweren Kampfspeer in der einen und Akoko Halleys Kopf in der anderen Hand. Ihre Augen sind halb geschlossen und funkeln noch immer ein wenig hinter ihrem Visier.

Sie haben sich bereits ihre Trophäen geholt.

Kalakta spricht, und es kommt ihr so vor, als hätte sie das Übersetzungsprogramm in ihrem Kopf, bereit, seine Worte auszufiltern und zu übersetzen. Seine Stimme ist tief und trägt das Versprechen auf weiteren Schmerz mit sich.

»Es war töricht, zu glauben, du könntest verstehen«, sagt er. Dann zieht er sie wieder zu sich heran. Sein Maul öffnet sich. Sie kann seine scharfen, vom Alter gezeichneten Fangzähne sehen, und dann legt er seinen Kopf in den Nacken, sein Atem überwältigt sie und …

»Weitere Albträume«, hörte sie eine Stimme sagen, als sie aus ihrem verstörenden Traum erwacht. »Sie werden aber bald nachlassen.«

Isa rang keuchend nach Atem und setzte sich auf ihrer Pritsche auf. Furcht und Erleichterung brachen gleichermaßen über sie herein. Eine seltsame Mixtur.

»Sie können Albträume kurieren?«

Die Sim-Schwester auf dem Holo-Schirm neben ihrem Bett lächelte. »Wir können beinahe alles kurieren. Und jetzt ruhen Sie sich bitte aus. Ihre Medikamente sind auf dem Weg. Sie sind auf dem Weg der Besserung und werden in zwei Tagen bereit für das Sprungtor sein. Dann werden Sie ruhig schlafen können.«

»Darauf freue ich mich schon.«

Der Bildschirm wurde schwarz. Isa hielt den Atem an und war dankbar für die bekannte Umgebung. Die Basis der Colonial Marines war genau das, was sie von einer militärischen Einrichtung erwartet hatte – effizient, durchorganisiert und klug entworfen, wenn auch grau und steril. Vor zehn Tagen hatte man sie aus der Krankenstation entlassen. Ihr neues Quartier war klein, aber funktional. Hier gab es eine Duschkabine, eine Liege, und einen kleinen Schrank.

Es unterschied sich bei Weitem von ihrem Komplex auf der Love Grove Basis, doch dieser Ort existierte nicht mehr. Svenlap hatte ihn in die Luft gesprengt – einer der zahlreichen Sabotageakte quer durch die Menschliche Sphäre, die der Invasion der Yautja vorausgegangen waren. Trotz der Gegenwart einer unabhängigen Schutztruppe waren viele Menschen bei der Explosion oder bei dem Versuch, in den darauffolgenden Wochen in der lebensfeindlichen Umgebung des Planeten zu überleben, ums Leben gekommen.

Die Ankunft der beiden Yautja, die von der Explosion angelockt wurden, hatten die Lage nur noch verschlimmert. Die Indies, die den Anschlag überlebten, waren begierig darauf gewesen, sich mit ihnen einen Kampf zu liefern.

Das Eintreffen von Akoko Halley und ihrer Crew hatte die Lage noch zusätzlich verschärft. Sie war von Gerard Marshall, einem der Dreizehn, persönlich ausgesandt wurden, um Isa und McIlveen zu retten, und sie war im rechten Moment eingetroffen. Sie hatte zugehört, als Isa zu erklären versuchte, warum die Yautja all das taten: Sie bereiteten keine Invasion der Menschlichen Sphäre vor. Sie flohen dorthin.

Während sie sich diese Dinge wieder in Erinnerung rief, seufzte sie und sank zurück auf ihr Bett. Ein Applikator erschien neben der Pritsche und injizierte ihre tägliche Medikamentendosis in ihren Oberschenkel. Es prickelte für einen Moment, die Stelle wurde warm, und dann klang das Gefühl wieder ab. Sie hatte nun schon viele dieser Dosen verabreicht bekommen, und jeden Tag wechselte die Stelle, an der man sie ihr injizierte. Sie würde in paar kleine Narben auf ihrer Haut davontragen, aber das kümmerte sie nicht.

Isa hatte die Menschliche Sphäre womöglich vor einem interstellaren Krieg bewahrt.

McIlveen hatte dies mehrere Male ihr gegenüber erwähnt, aber ihm fehlten der Humor und die Ausstrahlung ihres alten Freundes Keith Rogers. Sie hatte Rogers sterben sehen, als die Love Grove Basis explodierte, und sie vermisste ihn. Manchmal war es sein Tod – und ihr persönlicher Verlust – der ihr half, die ungeheuere Tragweite dessen zu verstehen, was gerade vor sich ging.

Isa stand auf, zog sich an und lief zu ihrem kleinen Schrank, um ihr Daten-Pad zu holen. Das war das Einzige, was sie von der Love Grove Basis hatte retten können, und es enthielt zumindest einige ihrer Studien. Das Meiste von dem, was sie in den vergangenen Jahren gelernt hatte, befand sich jedoch in ihrem Kopf, nun, da ihr Labor zerstört worden war. Aus ihrem Wissen und ihrer Erfahrung, Hypothesen, Experimenten und Theorien hatte sie ein umfangreicheres und komplexeres Bild der Yautja zusammenstellen können als jemals jemand zuvor. Isa und Milt McIlveen waren vielleicht die beiden einzigen Menschen mit derart umfangreichen Kenntnissen der Gewohnheiten und des Verhaltens der Yautja.

Dass sie diese Forschungen im Auftrag von Weyland-Yutani betrieb, bereitete ihr hin und wieder Sorgen, aber ohne deren Rückhalt wäre sie nie so weit gekommen. Ihre Ressourcen waren beinahe unbegrenzt.

Nach ihrer Friedenskonferenz mit Kalakta vom Clan der Ältesten vor einigen Wochen hatte sie sich schrittweise von ihren Verletzungen erholt. McIlveen war mit ihr auf der Basis geblieben, genauso wie Halley und ihre Crew. Halley hatte Isa verraten, dass Gerard Marshall sie damit beauftragt hatte, sie unter allen Umständen zu beschützen. Als einer der Dreizehn, dem engsten Rat der Weyland-Yutani-Corporation, war Marshall geradezu versessen auf ihre Fachkenntnisse und wollte sie so schnell wie möglich zurück im Sol-System wissen. Dafür waren jedoch viele Monate des Reisens und wenigstens dreißig Sprünge durch Sprungtore nötig, und auf beides war sie alles andere als vorbereitet.

Direkt nach der Friedenskonferenz stellte man Gehirnverletzungen bei ihr fest. Sie hatte Gehirnblutungen erlitten. Sie waren eher geringfügiger Natur und leicht heilbar, aber es bedeutete, dass sich jeder Raumsprung als gefährlich entpuppen konnte.

Denn Raumsprünge waren stets riskant. Aufgrund der beinahe unerklärbaren Physik, auf der die Sprünge basierten, mussten die Reisenden diese Sprünge in speziellen Schutzkapseln verbringen. Diese stellten die kleineren Brüder der Kälteschlaf-Kapseln dar, die für lange Reisen durch die Tiefen des Alls verwendet wurden. In ihrem Inneren wurde man von einer gelartigen Substanz umschlossen, welche die menschliche Physiologie für eine gewisse Zeit »einfror«. Während man beim Kälteschlaf in einen tiefen, zeitlosen Schlaf gelegt wurde, ähnelte der Aufenthalt in einer Schutzkapsel eher dem Gefühl, die Luft anzuhalten und die Zeit zwischen zwei Herzschlägen hinauszuzögern.

Hin und wieder entdeckte man nach einem Sprung fehlerhafte Pods, deren Insassen gestorben und die in dem Zeitraum weniger Stunden um mehrere Dekaden gealtert zu sein schienen. Es gab Berichte darüber, dass man einige dieser beschädigten Pods geöffnet hatte und darin seltsam verzerrte Leichen fand, die in ranzigem Gel schwammen. Ihre Münder standen offen, als wären sie zu einem endlosen Schrei erstarrt. Sie hatten sich die Fingernägel herausgerissen, die Knöchel gebrochen, und das Innere der Kapseln war mit Kratzspuren übersät.

Über die Jahrhunderte waren auch immer wieder Geschichten von Menschen aufgetaucht, die versucht hatten, während eines Sprungs bei Bewusstsein zu bleiben, aus Neugier, was währenddessen mit ihrem Verstand passieren würde. Isa glaubte diese Geschichten nicht und keine davon konnte wirklich jemals bewiesen werden. Doch ungeachtet ihres Wahrheitsgehalts kamen all diese Geschichten zum gleichen Ergebnis: Wenn diese Reisenden den Selbstversuch überlebten, waren sie danach nicht mehr imstande, von ihren Erlebnissen zu berichten.

Die Reise hatte sie wahnsinnig werden lassen.

Isa hasste die Schutz- und Kälteschlaf-Kapseln gleichermaßen. Ein solcher Sprung fühlte sich für sie unnatürlich an, als würde man versuchen, die Natur zu täuschen. Und ihrer Meinung nach ließ sich nichts vor der Natur verbergen.

Ihre eigenen Verletzungen waren nach dem Sprung zu dem Treffen mit Kalakta und seiner Delegation bemerkt worden. Die Mediziner untersuchten die Schmerzen, die der Sprung bei ihr verursachte, und informierten sie darüber, dass sie Glück hatte, noch am Leben zu sein. Als Ergebnis der Untersuchungen behielt man sie auf Basis LV-1657, bis ihre Verletzungen verheilt waren, und Marshall würde so lange warten müssen. McIlveen und Halley waren bei ihr geblieben.

In der Zwischenzeit dachte Isa Palant darüber nach, was nun als Nächstes passieren würde.

Ihr altes Leben war vorbei. Sie hatte sich auf der Love Grove Basis niedergelassen und dort ihren Frieden gefunden. Die Verhältnisse auf dem Planeten waren brutal gewesen. Wütende Stürme, aufgepeitscht von den anhaltenden Terraforming-Bemühungen, fegten dort über das karge und mit Ausnahme der Wissenschaftler und Indies auf der Basis leblose Land. Doch mit der Zeit hatte sie den Ort lieben gelernt. Sie arbeitete unter dem Banner von Weyland-Yutani, aber sie war weit genug von deren Einflussbereich entfernt, um ihrer Arbeit auf ihre Art nachzugehen. Ihre Eltern hatten der Company stets misstraut, und dieses Misstrauen an sie vererbt. Doch Weyland-Yutani war so riesig, dass ihre Gefühle nie ein Problem darstellten. Die Firma war nicht darauf angewiesen, dass die Leute an sie glaubten, um erfolgreich zu sein. Alles was sie brauchten, war deren Expertise.

Also stellte sie ihre in den Dienst der Firma, während sie in Gedanken für sich selbst arbeitete. Der Wissenschaft galt ihre ganze Hingabe. Einen kleinen Teil ihres ständig wachsenden Wissens an die Firma weiterzuleiten war aus ihrer Sicht ein kleiner Preis, den sie für die unendlichen Ressourcen bezahlte, die sie ihr zur Verfügung stellen konnten.

Diese Ressourcen waren nun verschwunden, aber dafür waren andere auf den Plan getreten. Die kühle und zurückhaltende Akoko Halley war eine davon, Milt McIlveen eine andere. Ihre anfängliche Abneigungen ihm gegenüber hatte sich in ihrer kurzen Zeit miteinander schnell gelegt, und ihre gemeinsamen Erlebnisse hatten sie noch enger zusammengeschweißt.

Die Zukunft, die vor ihnen lag, war mehr als ungewiss, und aus diesem Grund genoss sie den unfreiwilligen Aufenthalt auf LV-1657. Es gab ihr die Möglichkeit, sich zu sammeln.

Sie gehörte nicht hierhin, aber sie wusste, dass sie sich früher oder später einleben würde. Dies war eine Militärbasis, durch und durch, die nur für den Zweck errichtet worden war, jenes Sprungtor zu beschützen und am Laufen zu halten, welches in einem Orbit um den Mond des Planeten in einer halben Million Meilen Entfernung erbaut worden war.

Nicht gerade der wärmste und gemütlichste Ort der Welt, dachte sie bei sich.

Jemand klopfte an die Tür.

»Ja bitte?«

»Ich bin's.« Milt McIlveen. Isa spürte einen Anflug von Erleichterung, als sie seine Stimme hörte. Ein vertrauter Klang zwischen all dem Unbekannten hier.

»Du, und …?«

»Ich habe Kaffee dabei.«

»Wieso stehst du dann noch da draußen?«

Die Tür öffnete sich zischend und McIlveen betrat ihr Quartier. In jeder Hand hielt er eine dampfende Kaffeetasse und unter seinem Arm klemmte eine Folientüte.

»Ich hab auch Frühstück dabei«, sagte er, »und ein paar Neuigkeiten.«

Für gewöhnlich aßen sie zusammen in der Kantine, zusammen mit Halley und ein paar Leuten ihrer Crew. Auf LV-1657 war ein großes Kontingent der 5th Terrestials, genannt Blood-Maniacs, stationiert, und Halley und ihre Crew kamen nicht besonders gut mit diesen »steinefressenden Landsern«, wie sie es nannte, aus. Aus diesem Grund verbrachten sie einen Großteil ihrer Zeit auf ihrem Schiff, der Pixie, die entweder auf einer der sieben Landeplattformen stand oder durch das System patrouillierte. Jene Distanziertheit hatte auf der Basis für ein unangenehmes Klima gesorgt, doch darüber machte sich Isa nicht allzu viele Gedanken. Schließlich waren sie und McIlveen Zivilisten.

»Jetzt spuck's schon aus«, sagte Isa.

»Das Frühstück?«

»Nein, du Quatschkopf.« Ihr gefielen diese Wortgefechte mit McIlveen. Es erinnerte sie an ihre Beziehung zu Rogers, dem schnodderigen Indie, der sich in ihrer Gegenwart von seiner gefühlvollen und nachdenklichen Seite gezeigt hatte.

»Oh, gut. Wobei das eigentlich die richtige Reaktion auf das wäre, was sie einem hier so servieren.«

»Wieder nur Trockenei?«

Er reichte ihr die Folientüte. Sie öffnete sie.

Trockenei.

»Okay, und die Neuigkeiten?«, fragte sie, als sie ihren Kaffeebecher entgegennahm. Er roch köstlich und schmeckte noch besser.

»Die Yautja befinden sich noch immer im System.«

Isa hob eine Augenbraue. »Und woher weißt du das?«

»Ich hab gehört, wie sich ein paar BloodManiacs in der Kantine darüber unterhielten. Ihre Schiffe befinden sich im Orbit um LV-1657 und seinem Mond und dem Sprungtor. Etwa eine Milliarde Meilen weit draußen. Sie verstecken sich nicht, bleiben konstant unter Warp und … kreuzen dort so herum.«

»Gut«, erwiderte Isa. Sie lächelte ihn breit an. »Das ist doch gut, oder?«

McIlveen nickte und lächelte zurück. Sie teilten dieselbe Faszination für die Yautja, und in den Wochen, in denen sie hier warteten, hatten sie weiterhin zusammengearbeitet. Ihr Übersetzungsprogramm verbesserte sich immer mehr. Während der Friedenskonferenz an Bord des unabhängigen Forschungsschiffes Tracey-Jane konnte sie direkt mit Kalakta vom Clan der Ältesten interagieren und ihre Konversation für spätere Analysen aufzeichnen. Und selbst zu diesem Zeitpunkt wusste sie schon genug, um sich mit ihm unterhalten zu können, was in dem Waffenstillstand zwischen ihren Rassen mündete.

Seither hatten sie und McIlveen erhebliche Fortschritte in ihrem Verständnis der Sprache der Yautja machen können. Zuallererst hatten sie herausgefunden, dass es sich nicht um eine einzige Sprache handelte, sondern um verschiedene Variationen einer solchen. Die Abweichungen gingen dabei über reine Dialekte hinaus und unterschieden sich teilweise so sehr voneinander wie es das Englische vom Französischen tat, mit ein paar Grundwörtern, die sich glichen, und vielen anderen, die sich komplett voneinander unterschieden.

Darüber hinaus entwickelte sich die Sprache der Yautja ständig weiter. Bei ihrem Treffen hatte Kalakta davon gesprochen, schon früher auf Menschen getroffen zu sein, und an einigen Stellen seiner Phraseologie stießen sie auf Spuren menschlicher Redeweisen – nicht zu sehr in den benutzten Worten, sondern in der Reihenfolge ihrer Worte und ihrer Anwendung. Auf die gleiche Art, wie man mutmaßte, dass die Yautja verschiedene Technologien anderer Rassen oder Zivilisationen der Galaxie stahlen oder sich ihrer bemächtigten, schienen sie sich auch verschiedene Sprachen und Sprachmuster anzueignen.

»Verdammt, ich wünschte, wir könnten uns noch einmal mit ihnen treffen«, sagte sie. Sie nippte wieder an ihrem Kaffee und musterte das fade, aber nahrhafte Frühstück in der Tüte. Hieß es denn nicht ständig, dass die Marines gut versorgt und wohl genährt wären? Verkündeten sie nicht stets voller Stolz, dass sie mit den besten Nahrungsmitteln beliefert wurden, egal, wo sie stationiert waren?

Aber vielleicht hielten sie das hier ja für gutes Essen. Wenn dem so war, dann hasste sie es, sich auf einem Marine-Schiff oder einer Basis zu befinden, die mit derartig schlechten Kochkünsten geschlagen war.

»Vielleicht bekommen wir ja noch einmal Gelegenheit dazu«, sagte McIlveen. »Sie halten sich sicher aus einem bestimmten Grund in unserer Nähe auf.«

»Die Yautja sind nicht leicht zu durchschauen«, sagte Isa. Sie musste wieder an ihren Traum denken, indem aus Frieden Krieg wurde und ihr Triumph in Blutvergießen endete.

»Vielleicht sind Snow Dog und ihre Crew deswegen die ganze Zeit da draußen.«

»Pass nur auf, dass dich Halley nicht dabei hört, wenn du sie so nennst.«

McIlveen zuckte nur mit den Achseln.

»Also glaubst du, sie sind da draußen unterwegs, um die Yautja zu überwachen?«, fragte Isa.

»Wie du schon sagtest, sie sind schwer zu durchschauen. Es mag ja ein Waffenstillstand herrschen, vielleicht sogar Frieden, aber deswegen werden sie die Marines trotzdem nicht einfach so in unserem System herumfliegen lassen, ohne sie im Auge zu behalten.«

Isa nickte zustimmend. »Ich frage mich, ob Kalakta bei ihnen geblieben ist«, sagte sie und blinzelte langsam, als sie wieder sein Maul vor sich sah, das sich öffnete und bereit war, mit seinen Fangzähnen ihr Gesicht aufzuspießen und es von ihrem Schädel zu reißen. Sie zitterte.

»Hat dir einen ganz schönen Schrecken eingejagt, was?«, sagte McIlveen leise, aber es war offensichtlich, dass der Älteste bei ihnen beiden Eindruck hinterlassen hatte.

»Es ist sein Alter«, sagte Isa. »Ich war ihm so nahe, dass ich seinen Atem riechen und in seine Augen sehen konnte. Die einzigen anderen Menschen, die ihm jemals so nahe kamen …«

»Liegen mittlerweile wahrscheinlich als Trophäen in seinem Schrank.«

Isa starrte in ihren Kaffee. »Er könnte gut und gern eintausend Jahre alt sein. Ist vielleicht durch die ganze Galaxie gereist. Wir forschen, dringen Jahr für Jahr weiter vor. Auch unsere Technologien entwickeln sich weiter, wir entwickeln völlig neue Antriebe. Eines Tages wird irgendwann irgendwo ein Titan-Schiff ankommen, um ein Sprungtor zu errichten, und dort bereits eine menschliche Kolonie vorfinden.«

»Das ist der Fortschritt«, sagte McIlveen.

»Oder das, was wir für Fortschritt halten«, erwiderte sie. »Für die Yautja kriechen wir gerade mal dahin. Manchmal denke ich, wir sind die Rehe und sie die Löwen, und ab und an kommen sie in die Sphäre, um mit uns zu spielen.« Sie blies über ihren Kaffee und schaute zu, wie der Dampf in kleinen Kringeln aufstieg. »Was sie alles schon gesehen haben müssen.«

»Und wie geht es dir?«, wechselte McIlveen das Thema.

»Gut. Bereit, von diesem Felsen herunterzukommen.«

»Selbst wenn das bedeutet, wieder nach Hause zu kommen?«

»Nach Hause?«, fragte Isa. Die Vorstellung überraschte sie. Sie hatte nie einen bestimmten Ort als ihr Zuhause betrachtet, denn sie fühlte sich immer dort am wohlsten, wo sie ihre Studien betreiben konnte, und für mehr als ein Jahrzehnt war das die Love Grove Basis gewesen. Vielleicht war es nun an der Zeit, das anders zu sehen.

»Weißt du, Marshall ist in dieser Geschichte nicht der Böse«, erklärte McIlveen.

»Sagst du.«

»Ich kenne ihn. Klar, er ist einer der Dreizehn, aber das macht ihn nicht automatisch zu einem bösen Mann.«

»Die Dreizehn, die über die Technik der direkten Subraumkommunikation verfügen, sie aber für sich behalten? Bedenke doch nur einmal, wie sehr das den Menschen helfen würde, Milt.«

»Darüber weiß ich nichts.« Das Gespräch war aufgeladen, angespannt, da sich die beiden nur selten über McIlveens Herkunft und seine Intentionen unterhielten. Isa glaubte daran, dass er ein guter Mensch war und ehrlich dazu. Doch wann immer sie auf Gerard Marshall zu sprechen kamen, roch McIlveen unglaublich nach der Company, mit all ihren zweifelhaften Ansichten.

»Er will mich wegen der Dinge, die ich über die Yautja weiß, in seiner Nähe haben«, sagte sie.

»Er will dich in Sicherheit wissen«, protestierte McIlveen. »Wer weiß, was uns erwartet? Und du sagst es ja selbst – sie sind schwer zu durchschauen. Dieser vorläufige Frieden, dem sie zugestimmt haben, könnte auch nur Teil eines größeren Plans sein.«

»Das glaubst du doch nicht wirklich.«

»Nein«, sagte McIlveen nach einem Schulterzucken. »Ich schätze nicht. Aber du hast mehr über sie bereits wieder vergessen, als ich je über sie wusste, und das macht dich zu einer Person von unschätzbarem Wert.«

»Ich habe geschworen, nie wieder zur Erde zurückzukehren.«

»Aber die Dinge haben sich geändert«, sagte McIlveen.

Sie verließen gemeinsam ihre Kabine und durchquerten die Basis auf dem Weg zum Aufenthaltsbereich, wo sie die meiste Zeit verbrachten. Dort gab es bequeme Stühle, anständigen Kaffee oder Spieltische, an denen sie sich vergnügen konnten, während sie unterschiedliche Standpunkte in ihren Forschungen besprachen. Manchmal gingen sie auch nach draußen, doch wenngleich LV-1657 weitaus gemäßigter war als der Planet, den sie zurückgelassen hatten, barg er doch seine Gefahren. Das Terraforming hatte die Luft in diesem Sektor atembar gemacht und tausende Quadratmeter an Waldflächen waren zu einer Heimat für viele Insekten und kleine Echsen geworden. Die Tiere waren importiert und ihnen bekannt, aber sie passten sich erstaunlich schnell an die neuen Lebensbedingungen an. Mutationen waren an der Tagesordnung und traten in einer Geschwindigkeit auf, die die Evolution hier noch schneller vorantrieb.

Ein paar Spezies waren zu Jägern geworden. Es hatte bereits einige Todesfälle durch zuerst harmlos aussehende Insektenbisse gegeben, von vormals ungefährlichen Insekten, die auf ihrem Weg an die Spitze der Nahrungskette plötzlich Giftstacheln gebildet hatten. Außerdem fürchtete man, dass Schädlinge von den Versorgungsschiffen in die Wildnis gelangt waren, und niemand konnte sagen, auf welche Art sie sich anpassen würden.

Manchmal fragte sich Isa, was die Menschheit hier eigentlich tat. Forscherdrang war eine Sache, aber indem sie einen Ort gewaltsam in etwas verwandelten, was er eigentlich nicht war, hinterließen sie eine zerstörerische Spur quer durch die Galaxis.

Eines Tages würde sich etwas oder jemand dagegen erheben.

Akoko Halley und ihre DevilDogs befanden sich im Freizeitblock. Ihre Gegenwart war eine willkommene Abwechslung. Es herrschte immer noch eine gewisse Distanz zwischen ihnen, aber sie waren gemeinsam auf der Love Grove Basis gewesen, und nicht wenige von ihnen hatten Isa wissen lassen, dass sie viele Leben gerettet hatte. Es war schwierig, zu ihnen ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen, da sie kein Marine war, aber sie zeugten ihr sichtbar ihren Respekt. Manchmal verwirrten sie diese Eigenheiten der menschlichen Natur.

Deshalb liebte sie es so sehr, die Yautja zu studieren.

Halley war stets cool, und jemand aus ihrer Crew, Private Bestwick, hatte Isa einmal verraten, dass Halleys Spitzname Snow Dog lautete. Bestwick war eine kleine Frau, drahtig und kräftig, und sie lächelte, als sie den Spitznamen aussprach.

»Manchmal ist sie fast schon zu cool, doch ich würde ihr selbst in die Hölle folgen«, hatte sie gesagt.

Aber Isa mochte Halley. Als Majorin der 39th Spaceborne-Division war es für sie ungewohnt, ein kleines Schiff mit einer noch kleineren Crew zu befehligen. Sie war es gewohnt, tausende Marines unter ihrem Kommando zu haben, nicht nur fünf. Doch wenn Halley nicht gewesen wäre, hätte Isa ihre Nachricht an die Streitkräfte der Yautja vermutlich nie abschicken können. Ein Lieutenant hätte wahrscheinlich nicht die Entschlossenheit besessen, eine solche Entscheidung zu treffen. Halley hatte alles in die Waagschale geworfen, aber sich richtig entschieden.

»Sie sagen, ich sei bald in der Lage, das Sprungtor zu durchqueren«, ließ Isa die Marines wissen. »In ein paar Tagen.«

»Na Gott sei Dank!«, stieß Nassise hervor. Er und Gove spielten gerade Tischtennis, und beide waren mittlerweile ziemlich gut darin geworden. Nassise war eine seltsame Person, barsch und distanziert. Er schien seine Zeit für nichts anderes nutzen zu wollen, als ein guter Marine zu sein. »Ich hasse dieses Stück Felsen«, fügte er hinzu. »Kann es gar nicht erwarten, hier wieder wegzukommen.«

»Wir sind bereit, zu starten«, sagte Halley, die zurückgelehnt in ihrem Sessel saß. Sie las ein altertümliches Buch, und Isa fragte sich, wo sie es gefunden haben mochte. »Ich hatte erwogen, ein größeres Schiff zu nehmen, aber die Pixie ist das schnellste Schiff, das uns derzeit zur Verfügung steht. Immerhin werden wir beinahe sechs Monate unterwegs sein, mit Dutzenden von Raumsprüngen.« Sie legte sich das aufgeschlagene Buch auf ihre Brust. »Sind Sie sicher, dass Sie bereit dafür sind?«

»Für die Reise? Oder zurück zu Gerard Marshall geschleppt zu werden?«

Halleys starrte ins Leere. Isa hatte diese Reaktion schon öfter an ihr gesehen, wann immer Marshall erwähnt wurde. Sie konnte ihn genauso wenig leiden wie Isa, und das fand Isa beruhigend. Wenn auch unausgesprochen, schien sie das zusammenzuschweißen.

»So lautet der Befehl«, sagte Halley. »Ich meinte die Reise.«

»Ja, ich denke, ich bin bereit. Wir hätten schon vor Tagen starten können, wenn ich es hätte entscheiden können.«

Halley stand auf, streckte sich, trat auf Isa zu und berührte sie an der Stirn. »Na, wir wollen ja schließlich nicht Ihren kostbaren Grips beschädigen, nicht wahr?« Jemand kicherte, und Isa sah sich um. Sprenkel musterte sie ausgiebig. Den großen Mann konnte sie nicht leiden und hatte ihn kaum mehr als ein paar zusammenhängende Worte sagen hören. Er schien immer in Bewegung zu sein – selbst wenn er still stand – als wäre er angefüllt mit etwas, das dringend aus ihm heraus wollte. Manche Marines schienen eben für den Kampf geboren zu sein.

»Sprenkel«, sagte Halley. Der Hüne nahm den Blick von ihr.

»Wird eng werden auf der Pixie«, sagte Halley. »Sie und Ihr Freund können es sich dann gemütlich machen.«

»Wir sind nicht zusammen«, sagte McIlveen. »Da haben Sie was falsch verstanden.«

Halley antwortete nicht. Sie verließ den Raum in Richtung der Bar und es wurde still um sie herum. Das einzige Geräusch kam von dem gelegentlichen hohlen Klackern des Tischtennisballs.

Hin und her, hin und her.

»Komm schon«, sagte Isa und griff McIlveens Arm. »Wir haben noch was zu erledigen.«

»Hey Palant«, rief Bestwick. Sie saß in einem Holo-Sitz, mit einem Headset auf dem Kopf, und war in irgendein unsichtbares Szenario versunken. »Lassen Sie sich von uns nicht ins Bockshorn jagen. Wir sind nur schon viel zu lange hier und ein paar von uns werden langsam nervös.«

»Ja, verstehe«, antwortete Isa. »Machen Sie sich keine Gedanken.« Gove warf ihr ein Lächeln zu, während er einen angeschnittenen Ball von Nassise parierte. Huyck, Halleys Sergeant Major, hob leicht seine Kappe an und zwinkerte ihr zu, bevor er sich weiter seinem Nickerchen widmete. Selbst Halley ließ ein Lächeln aufblitzen, auch wenn es wenig an ihrem starren Gesichtsausdruck änderte.

Sprenkel sah auf seine Fingernägel hinunter.

»Trotzdem kann ich es kaum erwarten, endlich von diesem verkackten Ort wegzukommen«, sagte Nassise und unterstrich das Schimpfwort mit einem Schmetterball, der quer durch den Raum pfiff. »Ja! Hast verloren, Gove, du elender Scheißkerl.«

Isa und McIlveen verließen den Raum ohne den Kaffee, den sie sich erhofft hatten. Isa führte sie zu dem Medienraum. Dort würden sie ihre Studien fortführen können.

»Marines«, sagte McIlveen leise und ein wenig verächtlich.

»Du sagst es.«

Der Tag verstrich langsam und ereignislos. Sie erarbeiteten gemeinsam eine weitere Variation eines Yautja-Sprachmusters und Isa stieß dabei auf etwas Erstaunliches, ein Verb, das an einen keltischen Dialekt erinnerte, der in einem der alten walisischen Königreiche gesprochen wurde und seit über siebzehn Jahrhunderten als vergessen galt.

Sie und McIlveen erprobten die neue Idee, versuchten, sie objektiv zu beurteilen. Isa wusste nur zu gut, dass sie sehr oft zu tief in ihren Studien steckte und in dieser Hinsicht zu stürmisch sein konnte. Manchmal bereitete es ihr Sorgen, dass sie ihre Ideen womöglich ihrer Forschung aufzwang, anstatt sie genau an ihr auszutesten.

Am späteren Nachmittag begab sie sich zu ihrer täglichen Untersuchung. Der Arzt absolvierte die gewohnten Tests und beendete seine Behandlung mit einem Holo-Scan ihres Gehirns.

»Sieht gut aus«, sagte er. »In zwei Tagen haben Sie es überstanden.«

Isa war nervös. Vor ihr lag eine unglaublich lange Reise, in der ihr nur die Marines und McIlveen als Begleitung zur Verfügung stehen würden, und sie war sich nicht sicher, ob sie es schaffen würde. Sie war es gewohnt, für sich zu sein, in gewohnter Umgebung. Sie wusste, dass die Marines sie und das von ihr Vollbrachte respektierten, aber trotz allem fühlte sie sich in deren Gegenwart wie eine Außenseiterin. Sie hoffte, dass sie sich das nur einbildete.

Und McIlveen? Sie mochte ihn, aber …

An diesem Abend verließen die beiden die Basis, um den Sonnenuntergang anzusehen. Die Einrichtung war auf einem großen Plateau über einem uralten vergletscherten Tal errichtet worden. Durch eine Reihe schneebedeckter Berge vor den ungemütlichen Ostwinden geschützt, war das Plateau grün und üppig bewachsen, mit einem Gewirr aus unzähligen Bächen, die an über einem Dutzend Stellen die Klippen hinabrauschten. Oft hing ein feiner Nebel über den Wasserfällen, die auf diese Art in das Tal hinabfielen, was nicht selten beeindruckende Sonnenuntergänge erzeugte. Auch dieser Tag machte da keine Ausnahme. In weiter Ferne sah man den Horizont, ein orangefarbener Streifen mit vereinzelten weit oben dahinziehenden Wolken, die von der untergehenden Sonne in ein pinkfarbenes Licht getaucht wurden. Davor schimmerten Regenbogen über dem Rand des Plateaus wie riesige, bunte, tanzende Schmetterlingsflügel.

Im Süden konnte Isa die Umrisse der pyramidenförmigen Atmosphären-Umwandler erkennen. Diese waren noch immer in Betrieb, auch wenn sie als Sauerstoffproduzenten mittlerweile größtenteils von den neuentstandenen Waldflächen abgelöst worden waren, die nun die natürliche Lunge des Planeten darstellten.

Der Planet hatte noch keinen anderen Namen als LV-1657 bekommen. Isa empfand das als ein wenig traurig, gleichzeitig aber auch als angebracht. Denn auf diese Weise schien es, als wäre der Planet noch frei. Wenn die Menschen ihm erst einen Namen gaben, würde er zu einem Ziel werden, und dann würden sich die Dinge noch mehr ändern, als sie es bereits jetzt taten.

»Wunderschön«, sagte McIlveen.

»Ja, und wir müssen das alles zurücklassen.«

McIlveen antwortete nichts darauf. Schließlich war es nicht sein Fehler, dass Marshall sie zurück ins Sol-System beordert hatte.

Wieder einmal kam ihr der Gedanke, dass sie sich auch einfach weigern könnte, seinem Befehl zu folgen. Sie hegte diese Überlegung seit ein paar Tagen und war erstaunt darüber, dass ihr der Einfall nicht schon viel eher gekommen war. Halley und ihre DevilDogs hatten ihr fraglos das Leben gerettet, aber sie war ihnen zu nichts verpflichtet. Sie war eine Zivilistin, keine Angehörige des Militärs. Sie konnten ihr nicht befehlen, mit ihnen mitzukommen.

Aber sie konnten sie gefangen nehmen. Das war es, was ihr Angst bereitete: Dass sie von da an eine Gefangene sein würde und keine Passagierin mehr. Sie hatte keine andere Möglichkeit, von hier wegzukommen, und kannte niemanden mehr, der ihr helfen konnte. Sie war einsam und verloren, und der Umstand, dass Milt McIlveen ihr einziger Freund war, sprach bereits Bände.

Sie seufzte, während sie den Regenbogen beobachtete und von Freiheit träumte, und schrak auf, als hinter ihr von der Basis Sirenen aufheulten.

Sie und McIlveen drehten sich um. Bestwick kam durch das hohe Gras auf sie zugerannt. Sie schien aufgeregt.

»Kommt schon«, rief sie. »Zurück zur Basis.«

»Wieso?«, fragte Isa. »Was ist passiert?«

»Ein unregistriertes Schiff ist überraschend unter Warp gegangen. Es kommt aus dem Outer Rim. Von dort häufen sich Berichte über mehrere Attacken auf Sprungtore.«

Es geht los.

Isas Herz schlug schneller. Die Gefahr, vor der die Yautja flohen, war nun hier angekommen.

»Was noch?«, fragte McIlveen.

Bestwick schüttelte den Kopf und japste nach Luft.

»Etwas Seltsames«, sagte sie. »Das Schiff ist sehr alt. Die Computer auf der Basis haben es als Fiennes-Schiff mit dem Namen Susco-Foley identifiziert.«

ALIEN: INVASION

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