Читать книгу Arab - Tim Mackintosh-Smith - Страница 47
Golfe trennen sie
ОглавлениеDer Löwe im Süden, das alte himyarisch-sabäische Reich, war tot. Im Laufe des 6. Jahrhunderts ließ auch die Lebenskraft des byzantinischen und des persischen Reiches nach und ihre Unterstützung für die arabischen Klientelkönige im Norden schwand. Im Südwesten ergab sich hingegen eine einmalige Gelegenheit für den sassanidischen Schah. Kurz nach dem Jahr, in dem der Angriff mit den Elefanten stattgefunden hatte, trat Saif ibn Dhī Yazān, ein himyarischer Aristokrat, über seine lachmidischen Vasallen an den Schah heran, um sich über die äthiopische Tyrannei zu beschweren. Der Schah entsandte eine Kriegsflotte, die der Legende nach aus verurteilten Verbrechern bestand (was nicht schwer vorstellbar ist: die Marine sollte ja dafür bekannt bleiben, Sträflinge zwangszuverpflichten). Der nun unabhängige äthiopische König der alten himyarischen Gebiete, Abrahas Sohn, wurde pflichtgemäß besiegt und Saif an seiner Stelle als Herrscher mit Tributpflicht gegenüber den Persern angestellt. Als kurz darauf Saif einem Mord zum Opfer fiel, wahrscheinlich von äthiopischer Hand, wurde ein persischer Vizekönig ernannt – was die Sassaniden, die sich seit Anbeginn ihrer Dynastie gründlich in den arabischen Subkontinent eingemischt hatten, zweifellos schon von vornherein beabsichtigt hatten. Vielleicht hatte sie die fast mühelose Übernahme des südlichen Fruchtbaren Halbmonds (oder wenigstens dessen Ortschaften) beflügelt; jedenfalls begannen sie nun auch begierig auf dessen Gegenstück im Norden zu schauen. Dass sie dabei ihren Blick von der Halbinsel abwandten, sollte ihren Untergang besiegeln.
Es ist unmöglich zu beurteilen, inwiefern durch die sassanidische Machtübernahme im Süden das Bewusstsein einer Kluft zwischen ʿarab und ʿadscham und genauer zwischen Arabern und Persern verstärkt wurde – und inwiefern diese Kluft zum Gefühl einer arabischen Identität, einer ethnischen Einheit beitrug, die die gesamte Halbinsel umfasste. Doch sicher ist, dass ein solches Bewusstsein an der wichtigsten Schnittfläche zwischen Arabern und Persern im Nordosten schnell gewachsen war. Dort hatten drei Jahrhunderte politischer Verbindung wenig für die Beziehungen zwischen den Ethnien getan: Als der sassanidische Schah seinen Klientelkönig von al-Hīra, al-Nuʿmān III., bat, dessen Schwester heiraten zu dürfen, soll al-Nuʿmān gesagt haben: „Reicht ihm das Vieh von al-Sawād nicht? Möchte er jetzt auch noch arabische Frauen haben?“ Allein der Gedanke, ein Perser könnte eine Araberin zur Frau nehmen, war ein „widerwärtiger Gräuel“,12 fügte er hinzu (selbstverständlich war aus al-Nuʿmāns patrilinearer Sicht der umgekehrte Fall vollkommen zulässig).
Al-Nuʿmāns Erwiderung gehört in das schummrige Reich zwischen Geschichte und Mythos. Deutlich ist dennoch, dass das Motiv „Araber gegen Perser“ in Variationen durch die ganze Geschichte hindurch lebendig blieb: Stämme gegen Reiche, Scheichs gegen Schahs, arabischer Kulturreaktionismus gegen persische Kulturerweckung, Sunniten gegen Schiiten, Irak gegen Iran, und jetzt, vor meiner Haustür, zumindest zum Teil (oder zumindest in den Köpfen und der Rhetorik beider Seiten) ein Stellvertreterkrieg zwischen Riad und Teheran. Arabien und Persien mögen sich an der Straße von Hormus fast schon berühren, es trennt sie aber ein Abgrund von altertümlichen Antagonismen, älter als der Islam und tiefer als der Persische Golf … oder ist es der Arabische Golf? Es kommt darauf an, auf welcher Seite man steht. In späterer Zeit, als das Abbasiden-Kalifat von persischen Kriegsherren dominiert wurde, sagte al-Mutanabbī, der arabischste und berühmteste aller Dichter:
Das Glück eines Volkes spiegelt das ihrer Könige – und nie
werden Araber glücklich, wenn ihre Könige Perser sind.13
Es gibt sogar die Theorie, auf die wir noch zurückkommen werden, dass der ursprüngliche Islamische Staat in Medina die arabische Antwort auf die wachsende persische Präsenz in Arabien war.14
Obwohl es unmöglich ist, objektiv zu messen, inwiefern die persische Präsenz das wachsende Gefühl von Arabertum verstärkte, besteht doch kein Zweifel daran, dass die doppelte Destabilisierung des Südens, zunächst durch Äthiopier und dann, dicht auf ihren Fersen, durch Perser, den Elementen der badw – oder ʿarab – in der Gesellschaft mehr Macht verlieh. Spätere Abenteurer im Süden der Halbinsel, wie die Osmanen und die Briten (und wie die Amerikaner im Irak) sollten herausfinden, dass man durchaus in die Ortschaften hineinspazieren und sie regieren kann, dass aber das Gesetz des Außenseiters nicht weit in die oft undurchdringbare Landschaft hineinreicht. Das unwegsame ländliche Hinterland des Südens war schon lange von ʿarab infiltriert. Nun brachen mit der wiederholten ausländischen Einmischung die alten Institutionen der sesshaften Gebiete zusammen und das empfindliche Gewebe der Beziehungen zwischen hadar und badw, Stadt und Land – immer eine Frage des Vertrauens, nicht des Vertrages – wurde allmählich auseinandergerissen. Das alles stärkte die Macht der ʿarab und ihrer Anführer, Persönlichkeiten, deren Legitimierung vor allem auf ihrer Beherrschung nicht von Institutionen, sondern von Rhetorik beruhte.