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Das Ende

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Noch in dieser Nacht nahm sie Stift und Schreibblock zur Hand und schrieb einen langen Brief.

Einen Abschiedsbrief.

Sie schrieb von ihrer inneren Zerrissenheit, dass ihre Beziehung mit Dennis irgendwie nur noch oberflächlich bestand, dass sie sich auseinander gelebt hatten, dass er kaum noch auf sie einging oder geschweige denn Notiz von ihr nahm, nur noch sein eigenes Vorankommen sah, dass sie irgendwann in den letzten Monaten, ja vielleicht auch Jahren, plötzlich auf der Strecke geblieben war und er es nicht einmal gemerkt hatte. Sie schrieb ganz offen, dass sie nicht wusste, ob sie Dennis noch liebte. Es gab keine Höhen und Tiefen mehr zwischen ihnen. Keine Highlights. Der Alltag war dabei, sie zu verschlingen.

Für Lisa war dies kein haltbarer Zustand mehr. Sie wollte Neues austesten, das Glück spüren, leben.

Nicht nach Plänen anderer, nicht nach den Erwartungen anderer funktionieren. Sie bekam keine Luft mehr, wollte endlich wieder frei sein, frei denken, frei fühlen, frei leben...

Als sie den Brief fertig geschrieben hatte, legte sie ihn in ihren Nachtschrank und ging zu Bett, um noch eine Nacht darüber zu schlafen.

Sie wollte sichergehen, dass das, was sie vorhatte, keine Kurzschlussreaktion sein würde.

Und falls es notwendig wurde, wollte sie einfach gehen können, ohne noch lange überlegen zu müssen, wie sie es ihm am besten beibrachte.

Erst gegen acht Uhr morgens kam Dennis heim, er war voll. Lisa wurde wach, doch sie tat, als schliefe sie weiterhin tief und fest. Als er neben ihr ins Bett plumpste, malte sie sich aus, bald ihr eigenes Bett zu haben, das sie mit niemandem mehr teilen musste.

Sie wartete, bis er eingeschlafen war, dann stand sie auf.

Sie zog sich ihre Joggingsachen über und verließ bald darauf die Wohnung.

Die Luft war herrlich frisch und in ihr lag noch der wohlige Geruch des langsam zu Ende gehenden Sommers.

Lisa joggte in Richtung Wäldchen, das am Stadtrand lag. Das war etwa zwei Kilometer von ihrer Wohnung entfernt.

Im Wäldchen angekommen, ließ sie sich auf jenem Baumstamm nieder, auf dem sie damals oft mit Ralf gesessen hatte – Hand in Hand, manchmal auch Arm in Arm oder gar auf seinem Schoß. Hier hatten sie gesessen und davon geträumt, irgendwann gemeinsam Reißaus zu nehmen, einfach in den Süden zu fliehen, alles hinter sich zu lassen und sich dort ein neues Leben aufzubauen.

Manchmal hatten sie sich mehr oder weniger aus Spaß ausgemalt, dass sie sich auf einer griechischen Insel niederlassen wollten. Sie hatten mal unabhängig voneinander auf Kreta Urlaub gemacht – Lisa war mit Dennis schon drei Mal dort gewesen, Ralf war irgendwann einmal mit Lara dort gelandet.

Durch Zufall hatten sie sich bei einem ihrer heimlichen Treffen im Wäldchen mal darüber ausgetauscht und gelacht, als sie beide von einem alten Haus zu schwärmen begannen - ein kleines Hotel, das sie auf einem ihrer Spaziergänge mal entdeckt hatten, aus dem man mit etwas Arbeit richtig was machen konnte, wenn man wollte...

Lisa strich gedankenverloren über die verwitterte Rinde des Baumstammes und fühlte die eingeritzten Buchstaben, die in ein Herz eingefasst waren. R.B. + L.T.

Ralf Bachmeier plus Lisa Talmann.

Sie schloss die Augen und sah ihn wieder vor sich, musste an den Kuss in der letzten Nacht denken. Ein wohliger Schauer rann ihr über den Rücken.

Warum war sie ihm nicht früher begegnet?

Seufzend erhob sie sich und joggte zurück in die Stadt.

Dort kam sie zu einem Café und beschloss, erst einmal in Ruhe zu frühstücken.

Auf ihren Wunsch hin brachte der Ober ihr auch noch eine Zeitschrift. So kam sie wenigstens nicht darauf, das Grübeln anzufangen.

Sie hatte keinen Plan, wie es weitergehen sollte. Nur über eines war sie sich klar: Ihr künftiges Leben sollte ohne Dennis weitergehen.

Am Nachbartisch ließ sich ein junger Mann nieder, der ebenfalls in Joggingsachen gekleidet war.

Als Lisa aufsah, schaute auch er gerade zufällig zu ihr herüber und lächelte verschmitzt. Lisa prostete ihm mit ihrem O-Saft zu, er tat es ihr gleich und nahm dies schließlich als Anlass, unverfänglich mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Sie saßen lange in diesem Café und unterhielten sich über Gott und die Welt.

Gegen Mittag erhob Lisa sich und sagte ihm, dass sie nun weiter musste. Er bedauerte es zutiefst und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, sie vielleicht einmal wieder zu sehen. Lisa ließ dies offen und joggte schließlich durch den Stadtpark heim.

Dennis schlief seinen Rausch aus. Also ging sie duschen und zog sich wieder an, um später erneut das Haus zu verlassen.

Sie besuchte ihre Eltern und bekam sogar noch was vom leckeren Sonntagsbraten ab, von dem mittags noch was übrig geblieben war.

Nebenbei ließ sie ihre Mutter reden. Lobeshymnen auf Dennis, dem besten Schwiegersohn aller Zeiten. Dem Mann mit Format und klaren Zielen. Dem Schwiegersohn aller Schwiegersöhne.

Lisa vermochte nicht, ihrer Mutter zu sagen, dass sie vorhatte, sich von ihm zu trennen. Diese Frau musste vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Anders begriff sie nicht, dass es Lisas Leben war - dass nur Lisa allein wissen musste, was sie wollte. Wen sie wollte.

Frau Talmann sah ihre Tochter schon bald heiraten, träumte von den ersten Enkelkindern. Dennis verdiente gut, befand sich außerdem in einer hervorragenden gesellschaftlichen Position. Und er wusste, wie man Schwiegermütter für sich gewann. Manchmal hatte er ihr Blumen mitgebracht.

Lisa war sehr sauer darüber gewesen – bekam sie selbst lediglich an ihrem Geburtstag mal Blumen von ihm, sonst außer der Reihe nie.

Das alles fiel ihr gerade wieder ein, als sie sich unter dem Redeschwall ihrer Mutter den Bauch vollschlug.

Zwei Stunden später verließ sie ihr Elternhaus wieder. Länger hätte sie das Ganze nicht ertragen. Ihr Vater hatte die ganze Zeit über seinen Akten gebrütet, kaum ein Wort für seine Tochter übrig gehabt.

Nun war Lisa wieder an der frischen Luft.

Musste sie ihrer Mutter gegenüber nun ein schlechtes Gewissen haben?

Nein, es ist MEIN Leben!

Sie lief noch einmal durch die Stadt, blieb an dem einen oder anderen Schaufenster stehen, ging dann weiter. Irgendwann schlug sie, wenn auch widerwillig, den Heimweg ein.

Dennis stand gerade unter der Dusche.

Früher war sie ins Bad geschlichen und hatte sich einfach zu ihm gesellt, egal ob mit Sachen oder unbekleidet. Heute dachte sie nicht mal mehr darüber nach.

Sie warf sich aufs Sofa und schaltete den Fernseher ein.

Als Dennis ins Wohnzimmer kam, tat sie, als würde sie sich brennend für das Fernsehprogramm interessieren.

Geht es dir wieder besser?“ fragte er, als er sich im Sessel niederließ.

Sie nickte nur.

Er schien sie eine ganze Weile zu beobachten, ehe er sich dazu durchrang, sie zu fragen: „Was ist los?“

Lisa hob nur die Schultern. Nein, sie wollte nicht mit ihm reden. Sie wollte ihre Gedanken nicht mehr mit ihm teilen, hatte ihn einfach nur noch satt.

Dann eben nicht.“ Er hakte nicht weiter nach, sondern erhob sich und zog sich in sein Arbeitszimmer zurück, um dort am PC noch einiges auf den Stand zu bringen. Vielleicht zockte er auch. Lisa war es egal.

Ab heute ohne mich

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