Читать книгу What Love does - Tina Köpke - Страница 7

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Der Ausflug auf den Flohmarkt erwies sich als Reinfall, was meinem Optimismus einen Kratzer versetzte. Ich besorgte mir stattdessen in einem Möbelgeschäft ein paar Basics wie neue Bettsachen, eine Lichterkette und Kerzen, um das Beste aus meiner Situation zu machen, und betrachtete es als Wiedergutmachung vom Karma, dass ich eine kurzfristige Stellenanzeige im Internet entdeckte.

Das war meine erste richtige Chance. Wenn das klappte, würde sich alles ändern. Hätte ich doch nur gewusst, dass die kommenden Tage alles andere als rosig werden würden.

Nach dem hoffnungslosen Flohmarktbesuch fand am Mittwoch der kommenden Woche das Bewerbungsgespräch bei einer IT-Firma in Briarwood statt. Ich war so hoffnungsfroh, doch das Treffen dauerte keine zehn Minuten, ehe mir mittgeteilt wurde, dass sie noch weitere Bewerber hatten und sich bei mir melden würden.

Übersetzt hieß das so viel wie: Danke, aber nein danke.

Zehn Minuten. Mehr hatten sie mir nicht gegeben. Keinen Probetag. Kein: Ich bin bereit, mir alles, was ich nicht weiß, schnellstmöglich anzueignen. Sie kamen stattdessen schnell auf mein abgebrochenes BWL-Studium zu reden, und ab da ging es steil bergab. Das war in Elizabeth schon ein Problem gewesen und in einer Stadt wie New York, wo es Anwärterinnen auf Assistenzstellen wie Sand am Meer gab, war es nicht besser.

Eigentlich wollte ich jetzt nur noch nach Hause und mich auf meinem Bett einigeln, aber zu allem Überfluss hatte mich Paul am vergangenen Sonntag auch noch um eine Verabredung in einem Café in Manhattan gebeten. Als ich zugesagt hatte, freute ich mich sogar ein bisschen darüber, doch nun bereute ich es.

Ich war nicht in der passenden Stimmung für ein Treffen und tief in mir drinnen nicht davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, mit dem Bruder meiner besten Freundin auszugehen. Jaina hatte das jedoch entspannt betrachtet. Paul war alt genug, sein eigenes Leben zu leben, daher hatte ich seine Einladung dann doch angenommen. Manchmal könnte ich mich für meine spontanen Entscheidungen hauen.

Um mich selbst noch etwas mehr zu quälen, spazierte ich die 5th Avenue hinab. Ich schaute mir die bunten Schaufenster mit den neuesten Handtaschen, Schuhen oder Kleiderkollektionen an, ignorierte die saftigen Preise und beneidete Käuferinnen, die sich Ringe oder Halsketten für eine Jahresmiete kauften.

Eigentlich war mir so was egal.

Ich brauchte keine Chanelkostüme und Louboutins. Mir reichten meine Chucks völlig aus. Die waren sowieso bequemer. Aber ich mochte die Vorstellung, mir wenigstens die kleinsten Träume leisten zu können. Mich tröstete, dass es vielen so ging, die diese berühmte Straße hinunterliefen. Es war kein Neid, der mich erfüllte. Es war Sehnsucht.

Die Sehnsucht, aus einem alten Korsett auszubrechen, das mir die Luft zum Atmen raubte. Ich hatte angenommen, die Trennung von Chuck wäre erfüllend genug, aber nach der Enttäuschung dieses Bewerbungsgespräches spürte ich, dass das nicht stimmte. Es war ein Neustart, und zwar ein echter. Singleleben, neue Wohnung, neue Stadt, neuer Job. Es gab keine feste Konstante in meinem Leben, nichts Vertrautes. Eigentlich fand ich das toll, doch wenn es schlecht lief – so wie jetzt –, trauerte ich meinem alten, stabilen Dasein hinterher.

Nein, wenn ich schon an diesem Punkt war, an dem ich alles neu gestalten durfte, dann richtig. Ich wollte am Puls der Zeit sein und nicht in irgendeiner kleinen Firma festsitzen und dort tagein, tagaus dasselbe tun. Das hatte ich bei Dad erlebt und es brauchte dieses Vorstellungsgespräch, damit ich für mich feststellte, dass das nicht zu mir passte. Diese altbackenen, eingefahrenen Muster und Verfahren raubten mir die Energie. Ich war zweiundzwanzig Jahre alt, hatte keine grauen Haare oder Fältchen. Ich war jung und hatte die meiste Zeit meines Lebens in einer kleinen Stadt gelebt. Dabei zog es mich zu den Lichtern der Metropole. Dorthin, wo es laut war, weil die Autos im Stau hupten, Presslufthammer Bodenplatten zerkleinerten und sich Menschen voller Leidenschaft auf offener Straße stritten. Mir war klar, dass das niemand nachvollziehen konnte, denn die meisten flüchteten eher vor dem Lärm, als ihn zu suchen.

Aber mich machte all das glücklich.

Zum ersten Mal seit meinem Wegzug aus der Stadt kam es mir vor, als wäre ich endlich am Leben. Als wäre ich wieder im Leben, selbst wenn es mich an allen Ecken und Enden überforderte und ich auch froh war, wenn ich abends zurück zu Jaina nach Queens kam, wo es meist recht ruhig zuging.

Ich wollte das Beste aus beiden Welten. Und genau deswegen würde ich mich nicht damit zufriedengeben, in irgendeiner Firma zu arbeiten, die ihren Sitz in einer mittelständigen Familiennachbarschaft hatte. Mein Ziel war Manhattan und nicht weniger als das. Wenn ich schon keine große Bezahlung erwarten durfte, dann wenigstens den Nervenkitzel, den diese nicht vorhersehbare Ecke der Stadt in mir auslöste.

Nicht unbedingt besser gelaunt, dafür aber umso motivierter, mich nicht unterkriegen zu lassen, schlenderte ich mit offenem Mantel und den Händen in den Taschen weiter. Zur Wochenmitte hin hatte das Wetter umgeschlagen – graue Wolkendecke und beinahe neun Grad. Ein frühlingshafter Duft hing in der Luft, obwohl wir gerade einmal Januar hatten. Ich war mir nicht sicher, wie ich das finden sollte. Ich liebte einen kalten Winter mit reichlich Schnee durchaus, sehnte mich aber auch ein wenig nach dem Frühling, in dem New York aufblühte.

»Moment mal«, hörte ich irgendwo im Hintergrund jemanden rufen. Ich reagierte zunächst nicht darauf, da so viele Menschen auf der Straße unterwegs waren, dass so ziemlich jeder damit gemeint sein könnte.

Erst als eine hochgewachsene Gestalt vor mir auftauchte, bremste ich meinen Gang aus und stockte.

Oh Gott.

Das konnte doch nicht wahr sein.

Nicht jetzt.

Nicht heute.

Generell nie!

Ich sah in das Gesicht des Mannes, den ich an Silvester geküsst hatte.

Fuck. Fuck, fuck, fuck. Nein. Das war nicht die Abmachung gewesen. Ich hatte das nur unter der Prämisse getan, dass ich zum einen angetrunken war und zum anderen diesen Mann nie wiedersehen würde.

Nie. Wieder.

Das war der Deal, liebes Schicksal. Oder Karma. Oder Gott. Oder welche kosmische Macht auch immer sich gerade einen schlechten Witz erlaubte.

Man traf nicht erneut auf den Typen, den man betrunken geküsst hatte und danach stehen ließ, ohne wenigstens noch irgendein höfliches Wort mit ihm gewechselt zu haben.

»Sagen Sie, wir kennen uns doch, oder?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.

Er stand wirklich vor mir. In einem dunkelgrauen Anzug mit weißem Hemd über den breiten Schultern, dazu eine passende Krawatte und die Hand locker in der Hosentasche.

Es war derselbe kurze Bart mit den braunen Stoppeln.

Dieselben blauen Augen, die mich klar und freundlich musterten, als wollte er noch einmal sichergehen, dass es sich wirklich um die angetrunkene Irre von der Party handelte.

Warum zur Hölle musste ich diesen gutaussehenden Kerl wiedersehen? Vor allem nach einem furchtbaren Bewerbungsgespräch und nachdem ich durch die halbe Stadt gefahren war? Ich sah im Gegensatz zu ihm nicht mehr annähernd so toll aus wie auf der Silvesterparty. Meine braunen Haare befanden sich in einem lockeren Knoten, mein Pony machte heute sowieso, was er wollte, ich hatte der Seriosität wegen auf wenig Make-up gesetzt, was dazu führte, dass meine Augenringe Ausgang hatten.

Mein unruhiges Gehirn hatte mich die halbe Nacht wachgehalten und am nächsten Morgen dunkle Schatten auf mein Gesicht gezaubert. Das Einzige, was mich halbwegs situiert aussehen ließ, war mein Outfit. Enge Jeans (die machten wirklich einen tollen Hintern), die weiße Bluse mit der schwarzen Schleife am Kragen, dazu braune Stiefel, mein Mantel und die Handtasche mit dem Silberkettchen als Träger.

Insgesamt waren die High Heels und das Paillettenkleid von Silvester aber eindrucksvoller gewesen.

»Äh, ja«, gab ich von mir und hoffte, ein Erdbeben würde den Boden unter mir auftun und mich gnädigerweise verschlucken. »Die Silvesterparty.«

Offenbar fiel der Groschen bei ihm. »Stimmt. Sie haben mich geküsst.«

Hitze schoss mir in die Wangen und ich musste mir ernsthaft Sorgen machen, dass mich niemand mit einer Ampel verwechselte. Warum hatte ich den einzigen Mann auf der Party geküsst, der nicht so betrunken gewesen war, dass er alles vergessen hatte? Warum nur? Was hatte ich in meinen vergangenen Leben verbrochen, um dieses ganze Szenario zu verdienen?

»Oh Gott, es tut mir so, so leid«, brach es aus mir heraus und ab da war ich nicht mehr zu stoppen. Lieber plapperte ich mich um Hals und Kragen, als dass auch nur einer von uns beiden nicht wusste, was er in dieser peinlichen Situation sagen sollte. »Mein Freund hat an dem Tag nach fast sieben Jahren mit mir Schluss gemacht. Also im Grunde waren es sieben, es fehlten nur noch zwei Tage, dann hätten wir Jahrestag gehabt. Aber egal. Es kam sehr plötzlich und ich hatte mich spontan dazu entschieden, trotzdem mit meinen Freundinnen zu feiern. Wir hatten zu viel getrunken und Jaina, bei der ich inzwischen sogar wohne, meinte, ich solle endlich mal mein Leben leben. Ich finde, das ist so leicht gesagt, nicht wahr? Ich wusste nicht, was sie darunter versteht, und sie schlug vor, ich sollte Sie küssen. Das kam mir etwas seltsam und übergriffig vor, doch gleichzeitig dachte ich mir: Erin, was soll’s. Wenn er nicht will, wird er das klarmachen. Also das dachte ich nicht wirklich, im Grunde hatte sich mein Gehirn zu dem Zeitpunkt schon in Champagner ertränkt und Feierabend gemacht. Aber Sie sahen gut aus und ich fand es irgendwie ...« Ich gestikulierte verzweifelt wild herum und holte tief Luft. »Na ja, es ist halt Silvester. Um Mitternacht ist die einzige Zeit des Jahres, in der man einen fremden Mann einfach so küssen kann. Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Sie sahen ... Sie sehen gut aus und bestimmt sind Sie sich dessen bewusst. Und der Kuss war ja nicht schlecht, also womöglich hat es Ihnen sogar gefallen, aber falls nicht, tut es mir furchtbar leid und ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich nicht wegen Belästigung verklagen.«

Er starrte mich an. Schweigend. Mein Herz raste – einerseits, weil ich zu wenig Luft bekommen hatte, andererseits, weil auf einmal echte Angst in mir aufstieg. Was, wenn er sich wirklich belästigt gefühlt hatte? Beim Kuss hatte ich zwar einen anderen Eindruck gewonnen, aber was wusste ich schon?

Ich war so dumm gewesen. Dumm und betrunken, die schlimmste Mischung, seit es die Evolution gab.

Doch dann lachte er und ich war endgültig verwirrt. Blinzelnd starrte ich ihn an.

»Erin – Sie heißen Erin, wenn ich das richtig verstanden habe?« Ich nickte steif, und er schmunzelte. »Ich habe noch nie eine Frau so viel reden hören, ohne dass sie ohnmächtig geworden ist.«

Wieder bildete ich mir ein, mich in eine Tomate zu verwandeln. Ich gehörte leider zu der Sorte Menschen, denen man das schnell anmerkte, daher wandte ich den Blick von ihm ab und versteckte meine Hände in den Manteltaschen. Nach wie vor sah der Boden unter meinen Füßen ziemlich ganz aus. Kein Loch tat sich für mich auf. Nicht einmal ein Riss.

»Tut mir leid«, wiederholte ich. »Ich wollte Sie an Silvester nicht so ... überfallen.«

»Das haben Sie mehrfach gesagt, ja.« Als ich wieder hochschaute, bemerkte ich ein heiteres Lächeln. »Und Sie brauchen sich keine Sorgen machen. Ich fühlte mich weder belästigt noch werde ich rechtliche Schritte ergreifen. Es war ... eine angenehme Überraschung.«

Was sollte ich darauf erwidern? Eine angenehme Überraschung war das Beste, worauf ich wohl hoffen konnte.

»Das freut mich«, sagte ich mangels einer guten Alternative.

»Und es tut mir für Sie leid, dass Ihr Freund mit Ihnen Schluss gemacht hat.«

»Das höre ich dieser Tage öfter«, gab ich zu und verzog den Mund. »Aber ich glaube immer mehr, dass es gut so ist.«

»Immerhin konnten Sie dadurch einen fremden Mann um Mitternacht am Silvesterabend küssen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.«

Auch wenn mich seine Worte wieder erröten ließen, musste ich dennoch aufgrund dieser blöden Situation lachen. Es war so typisch für mich. Von allen Menschen, in die ich reinrennen konnte, hatte es ihn erwischt. Als gäbe es in New York nicht tausende anderer Kerle.

»Ich kann mich nur wiederholen«, sagte ich lächelnd. »Ich mache so was eigentlich nicht.«

»Sie waren auch sieben Jahre vergeben.«

»Genau.«

Er warf kurz einen Blick auf seine Armbanduhr, die aus meiner Perspektive irgendwie sehr teuer wirkte. Das musste allerdings nichts heißen. In manchen Bezirken wurden Fälschungen bekannter Marken verkauft, die ihrem Original zum Verwechseln ähnlich sahen. Viele trugen sie gerne, um nach außen hin erfolgreicher zu erscheinen, als sie es in Wahrheit waren. Mein Bauchgefühl sagte mir aber, dass der Mann vor mir das eher nicht nötig hatte. Alles an ihm – seine selbstbewusste Haltung, der makellose Anzug, die polierten Herrenschuhe – machten einen seriösen Eindruck. Nur sein junges Gesicht passte nicht so richtig rein, da half auch der Bart nicht.

»Haben Sie gerade Mittagspause?«

Die Frage traf mich unvorbereitet. »Ja ... also ... nein. Nein, ich komme eigentlich von einem Bewerbungsgespräch.«

Seine Augenbrauen zuckten nach oben. »Wofür haben Sie sich beworben?«

Es war mir irgendwie unangenehm, mit jemandem wie ihm über meine Arbeitssituation zu reden. Er machte diesen geschäftlichen Businesseindruck und hatte tagtäglich bestimmt mit vielen erfolgreichen Menschen zu tun. Ich dagegen fühlte mich wie ein Loser und nicht gerade auf einer Augenhöhe mit ihm.

»Eine Stelle als Assistentin der Geschäftsführung. Es war eine kleine Firma und ich glaube, Sie suchen jemand anderes. Jemanden in meinem Alter, aber ...«

»Mit mehr Berufserfahrung?« Ich nickte, und er schüttelte verständnislos den Kopf. »Genau wegen so einer Haltung kommen die meisten Betriebe nicht weiter im Leben. Sie sind jung und bestimmt nicht auf den Kopf gefallen. Das heißt, Sie haben die besten Voraussetzungen, um alles, was für die Stelle nötig wäre, notfalls zu lernen.«

»Ja, definitiv«, sagte ich ein wenig zu enthusiastisch. »Aber so weit kamen wir gar nicht. Das Gespräch war schneller vorbei, als ich Voraussetzungen hätte buchstabieren können.«

Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. »Sie scheinen gerade kein großes Glück zu haben.«

»Weil mein Freund mit mir Schluss gemacht hat, ich bei meiner Freundin eingezogen bin und versuche, einen Job in einem Gebiet zu finden, der völlig überlaufen ist?« Ich gab einen kläglichen Laut von mir. »Ich tröste mich damit, dass es Menschen gibt, denen es schlimmer geht. Ich könnte auch immer noch mit meinem Ex zusammen sein, in der Firma meines Dads arbeiten und in einer Wohnung voll scheußlicher Flohmarktfunde wohnen.«

Und das meinte ich tatsächlich so, wie ich es sagte. Inzwischen war das wirklich mein Horrorszenario. Die alte Erin sein, die nicht mehr aus ihrem Leben machte. Klar, aktuell würde ich mit meinen Umständen nicht unbedingt prahlen, aber wenigstens ging ich die Dinge nun auf meine Weise an. Irgendwann würde das auch klappen. Ich musste nur geduldig genug sein.

Die Mundwinkel meines Gegenübers hoben sich amüsiert. »Ich mag Ihre Art zu denken.«

»Und ich mag Ihre Art zu küssen.«

Scheiße.

Hatte ich das gerade laut gesagt? Was stimmte denn nicht mit mir? Hatte ich letzte Nacht geschlafwandelt – und zu viel am Gasherd geschnüffelt? Ich ließ mich doch sonst nicht so leicht dazu hinreißen, das Erstbeste zu sagen, was mir in den Sinn kam.

Ich lachte übertrieben. »Sorry, kleiner Scherz«, versuchte ich, die Sache zu retten, aber an seinem Blick erkannte ich, dass er mir das nicht abkaufte.

Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern (ich betete, dass es ein Witz war, über den wir dann beide lachten), doch eine weibliche Stimme kam ihm zuvor.

Bühne frei für eine wunderschöne Blondine, die kaum älter sein konnte als ich. Sie hatte langes goldblondes Haar, das in weichen Wellen über ihren Rücken fiel. Dazu scheinbar endlose Beine, die in funkelnden High Heels endeten. Es war vielleicht etwas wärmer als die Tage zuvor, aber ich hätte mir in ihrem engen Bleistiftrock, der gerade so ihre Oberschenkel zur Hälfte bedeckte, den Hintern abgefroren.

»Adam«, flötete sie und kam in zügigen Schritten auf uns zugelaufen.

Ratlos sah ich in sein Gesicht. War er Adam? Das musste er sein, denn er rieb sich über den Hinterkopf und kämpfte mit etwas, dass sich ausschließlich hinter seiner Stirn abspielte.

Die Blondine erreichte uns. Sie musterte mich flüchtig und mit jener Art abwertender Haltung, mit der Mädchen einen immer anguckten, wenn sie sich ihrer eigenen Schönheit bewusst waren. In der Schule war sie mit großer Wahrscheinlichkeit so was wie ein Cheerleader oder so gewesen. Ihre Körperhaltung war makellos, ihre Zähne, die bei einem aufgesetzten Lächeln hervorblitzten, strahlend weiß.

Sie hakte sich wie selbstverständlich bei ihm unter. »Adam, tut mir leid, dass ich dich habe warten lassen.« Sie blickte ihn derart schwärmerisch an, dass mir beinahe die Kinnlade hinuntergeklappt wäre.

Oh. Ohhhh.

Na klar. Jetzt verstand ich. Sie war seine Freundin. Oder ein Date. Warum auch immer mir das nicht gleich in den Kopf gekommen war. Zusammen wirkten sie optisch wie ein Paar von einer Titelseite und ich musste mir direkt vorstellen, wie perfekt ihre Kinder aussehen würden – allein diese Genetik!

»Schon gut«, winkte Adam ab und sah von ihr zu mir. »Ich habe mich gut unterhalten.«

Ich bildete es mir sicherlich ein, aber seine Augen bekamen ein kleines Leuchten, als sich unsere Blicke trafen.

»Ich muss dann weiter«, platzte es aus mir heraus.

Ich wollte nur noch weg. Die ganze Situation war schon seltsam genug und jetzt tauchte eine fremde Frau auf, von der ich nicht sagen konnte, inwiefern sie mit Adam bekannt war. Die Blondine erweckte übrigens den Eindruck, als wäre ihr nur recht, dass ich endlich von dannen zog.

»Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.« Adam schenkte mir ein weiteres, absolut hinreißendes Lächeln, das in mir ein aufgeregtes Kribbeln auslöste.

»Äh, ja. Danke. Ihnen auch.«

Mehr brachte ich nicht heraus, ehe ich meinen Mantel vor der Brust schloss und mit gesenktem Blick zügig an den beiden vorbeilief.

Kaum hatte ich zwei Schritte zwischen uns gebracht, da hörte ich die Fremde fragen: »War das eine Obdachlose?«


Es gab bessere Launen, um mit jemandem verabredet zu sein. Das lag nicht einmal daran, dass ich sauer auf diesen Adam war. Als ich ihn geküsst hatte, hatte er meine Frage nach einem Date oder einer Freundin verneint, insofern fühlte ich mich nicht wirklich mieser als zuvor.

Was ich jedoch nicht nachvollziehen konnte, war die Unterhaltung mit ihm. Ich war verwirrt und hatte mich den gesamten Weg bis zu dem kleinen Café gefragt, in welchem Verhältnis die Blondine und Adam zueinander standen. Da sie ihn nicht beim Nachnamen genannt hatte, ging ich davon aus, dass sie sich besser kannten und sie nicht für ihn arbeitete. Für bloße Kollegen hatte sie sich ihm gegenüber zu vertraut verhalten. Außerdem war sie eindeutig in ihn verschossen, das hatte ich auf den ersten Blick erkannt. Weibliche Intuition sozusagen. Ob er dasselbe empfand, war anhand seiner Reaktion schwer festzumachen, daher hielt ich an der Theorie fest, dass sie sein Date war. Möglicherweise zum Mittagessen.

War eine Verabredung zum Mittagessen etwas Ernstes? Hatte er deswegen keine Bedenken gehabt, mir dieses wundervolle Lächeln in ihrer Gegenwart zu schenken? Und warum interessierte mich all das überhaupt?

»Erin?«

Ich riss den Blick von der Karte und sah in ein anderes, vertrauteres Gesicht. Paul. Er saß mit mir in diesem hübschen Café, in dem sie so wunderbare Sachen wie Cronuts, rohen Keksteig aus dem Becher, Bagels und anbetungswürdige Kuchen servierten. In der hintersten Ecke meines Gehirnes überkam mich ein schlechtes Gewissen gegenüber Miriam, aber ich hatte die Location nicht ausgesucht. Das würde sie mir verzeihen. Ganz bestimmt.

»Du wirkst so in Gedanken versunken«, stellte Paul ohne jede Spur von Vorwurf fest und strich sich durch die kurzen dunklen Locken, die dadurch auf chaotisch-süße Weise etwas von seinem Kopf abstanden. Wenn ich in sein Gesicht sah, wärmte mich ein behagliches Gefühl von innen. Wie ein Kaminfeuer an schneebedeckten Wintertagen.

»Tut mir leid«, sagte ich und legte die Karte zur Seite. »Es war ein seltsamer Tag.«

Er nickte knapp, als auch schon eine Kellnerin kam und unsere Bestellungen aufnahm. Ich entschied mich für eine heiße Schokolade mit viel Sahne sowie ein Stück Käsekuchen. Paul wählte den klassischen Kaffee und ein Stück Marzipantorte.

»Möchtest du mir davon erzählen?« Seine Stimme klang so einladend und angenehm ruhig, ich hätte das Angebot beinah angenommen. Aber was sollte ich ihm preisgeben, das nicht seltsam wirkte?

Ja, weißt du, ich habe eben diesen heißen Kerl von Silvester wiedergesehen. In Begleitung einer Blondine, die dachte, ich wäre eine Obdachlose. Und übrigens: Er küsst unbeschreiblich gut.

Äh, nein. Das hier war zwar kein klassisches Date, aber es wäre ziemlich seltsam, Paul davon zu erzählen. Daher entschied ich mich dagegen.

»Ich glaube, es ist besser, wenn ich es einfach vergesse«, sagte ich mit einer wegwerfenden Geste und verschränkte die Arme auf der Tischplatte.

Paul war hier. Paul sollte meine ganze Aufmerksamkeit gelten. Im Vergleich zu Adam war er sehr blondinenlos und damit absolut unkompliziert. Außerdem trug er einen dunklen Wollpullover mit kurzem Kragen, der ihm unglaublich gut stand und seine braunen Augen betonte. Bis jetzt sammelte er also nur Pluspunkte. Er hatte es verdient, meine volle Zuwendung zu bekommen.

»Aber du hattest dieses Bewerbungsgespräch, nicht wahr?«

»Jaaa«, erwiderte ich gedehnt und biss mir dabei auf die Unterlippe. Auch etwas, worüber ich eigentlich nicht reden wollte. Nur konnte ich nicht allen Themen auf Dauer ausweichen. »Es lief nicht so gut wie erhofft.«

Sein Blick war mitfühlend. »Wieso?«

»Ich bin vielleicht zu unterqualifiziert?« Ich rümpfte die Nase. »Ehrlich gesagt, so genau weiß ich es nicht. Sie haben mir nicht offiziell abgesagt, aber ...«

»Du hast so ein Gefühl?«

Ich nickte langsam. »Ja. Es ist ... so eine Ahnung. Und meistens kann ich mich auf mein Bauchgefühl verlassen.«

Nun – meistens war relativ. Manchmal traf es wohl eher. Oder hin und wieder? Ab und an?

Okay. Die Trefferquote stand besser als beim Glücksspiel. Das passte doch.

»Es ist so ... man weiß es, wenn man es weiß«, fuhr ich fort und senkte den Blick auf die kühle Marmortischplatte. »Ich wusste es im Grunde schon, als ich den Raum betrat und mich der Chef der Firma unter so borstigen Augenbrauen angeschaut hat. Als würde er mir sagen wollen: Mädchen, ich habe Kinder, die älter sind als du. Was lächerlich ist.« Ich warf verständnislos die Arme in die Luft.

»Wie unfair«, entgegnete Paul und klang ehrlich mitfühlend. »Irgendwie hast du momentan nur wenig Glück, hm?«

Ich fuhr mir mit den Händen übers Gesicht und murmelte, ohne nachzudenken: »Witzig, das hat Adam auch gemeint.«

»Wer ist Adam?« Paul stellte die Frage völlig urteilsfrei und ich ... Ich gab nur ein genervtes Stöhnen von mir.

Ich war heute so durch. Wirklich unbrauchbar.

Die Worte rutschten mir aus dem Mund, ohne irgendeiner Prüfung unterzogen worden zu sein. Der Tag war zu viel für mich und ich konnte es kaum erwarten, bald in mein Bett zu fallen und für die nächsten fünf, sieben oder neun Monate nicht mehr unter der Decke hervorzukommen. Erst, wenn sich mein Kopf wieder eingekriegt hatte und zuverlässig funktionierte.

»Adam ist ein Bekannter, in den ich kurz vor unserem Treffen zufällig hineingelaufen bin«, erklärte ich so oberflächlich, wie ich nur konnte. Es gab wirklich keinen Grund, in die Details zu gehen. »Er meinte auch, dass das unfair wäre und ich gerade wenig Glück habe.«

»Das war aber hoffentlich nicht noch ein Grund, wieso dein Tag so seltsam war?«

»Die Feststellung, dass ich ein Unglücksrabe bin?«

»Nein, ich meine deinen Bekannten.«

Ich hatte befürchtet, dass er sich für das Thema interessieren würde. Nicht, weil ich Paul so gut kannte, sondern ... Nun ja. Er hatte mich um diese Verabredung gebeten, und wenn ich tief in mich hineinhorchte, ahnte ich, dass es daran lag, weil er mich irgendwie mochte. Da brauchte ich mir nichts vorzumachen und es verwirrte mich immer noch ein wenig. Jetzt brachte ich auch noch einen Adam ins Spiel, der darin eigentlich gar keinen Platz hatte, da ich ihn sowieso nicht einschätzen konnte.

Selbstverständlich war Paul neugierig. Wäre ich genauso. War ich genauso. Auf dem halben Weg hatte ich über das Verhältnis zwischen Blondie und Adam gegrübelt, wieso sollte es Paul da anders gehen? Bestimmt stellte er sich die gleichen Fragen.

»Ein bisschen«, gestand ich. Ich holte tief Luft. »Ich erzähle es dir, aber bitte bewerte es nicht über, ja?«

»Du musst nicht, wenn es dir unangenehm ist.« Paul lehnte sich zurück und lächelte. »Wirklich, es geht mich sowieso nichts an. Ich dachte nur ... manchmal hilft es, darüber zu reden. Dann ist man es los.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf ein Kind, das vor dem Schaufenster des Cafés stand. Es hatte einen Luftballon in der Hand. »Einmal die Luft raus- und dabei loslassen. Schon sind die Sorgen verschwunden.«

Bei der Vorstellung musste ich leise lachen. Genau das mochte ich an ihm. Er hatte diese pragmatische Art an sich, bei der man schnell vergaß, worüber man sich den Kopf zerbrochen hatte.

Ich wartete, bis die Kellnerin unsere Bestellung brachte, und erzählte ihm in aller Kürze von Silvester, dem Kuss, dem Wiedersehen und der Blondine. Auch dieses Mal sparte ich die Details aus, schließlich musste er nicht wissen, wie gut der besagte Kuss gewesen war oder wie sehr Adam wiederzusehen mich aus dem Konzept gebracht hatte. Ich fasste die Geschichte zusammen, als wäre sie nur eine witzige Anekdote.

Zu meiner Überraschung regte sich bei Paul im Gesicht nichts. Weder Missmut noch Unverständnis oder sonst was. Er war schlichtweg der weltbeste Zuhörer.

Als ich fertig war, war der Käsekuchen beinah aufgegessen und ich nippte an der heißen Schokolade.

Paul legte seine Kuchengabel zur Seite und hob erstaunt die Augenbrauen. »Meine liebe Schwester«, sagte er und konnte sich ein amüsiertes Schnaufen nicht verkneifen.

»Ja«, stimmte ich mit erhitzten Wangen zu.

Gnädigerweise wechselten wir danach das Thema und unterhielten uns über sein Fotoshooting. Es lief wohl alles reibungslos ab und bis auf ein männliches Model, das die größte Diva am Set gespielt hatte, hatte er auch Spaß daran gehabt. Wenigstens war sein Tag gut gelaufen.

Als unsere Teller und Tassen leer waren und uns irgendwie recht abrupt die Gesprächsthemen ausgingen, schob ich vor, nach Hause zu müssen, um noch ein paar Bewerbungen abzuschicken.

Ich hasste so eine unangenehme Stille zwischen zwei Menschen, hatte ich das schon erwähnt?

Paul bezahlte für uns beide (obwohl ich bereit war, meine Bestellungen selbst zu übernehmen) und wir traten aus dem Café raus an die frische Luft.

»Das war«, setzte er an, die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben, den Rucksack mit dem Kameraequipment geschultert, »irgendwie merkwürdig.« Mir verschlug seine Direktheit fast die Sprache. Mir fiel auf, dass er mich mit einem peinlich berührten Lächeln beobachtete. »Ging es dir nicht auch so?«, fragte er und brachte mich aufgrund der seltsamen Reaktion fast zum Grinsen.

»Ja. Ich hätte die Sache mit Adam nicht erwähnen sollen.«

»Ich glaube, die ganze Verabredung war nicht so richtig schlau.« Er reckte das Gesicht dem Himmel entgegen, in dem immer noch bleischwere Wolken die Sonne verdeckten. »Ich wollte eigentlich schon vor zwei Jahren mit dir ausgehen, aber da warst du mit deinem Freund zusammen.«

Ich wandte den Blick ab und sah zu den Schaufenstern gegenüber dem Café. Nicht, weil es dort etwas Besonderes zu sehen gab. Ich wusste nur nicht, wie ich mit seinem Geständnis umgehen sollte.

»Und nun bist du single, da dachte ich mir, ich muss es endlich tun.«

Wie enttäuscht er sein muss. Was auch immer er für einen Eindruck von mir gehabt hatte, ich war ihm wohl nicht gerecht geworden. So gar nicht.

»Tut mir leid«, sagte ich und kämpfte damit, die Fassung zu wahren. Ich fühlte mich elend. Paul war ein so aufmerksamer Zuhörer und Gesprächspartner, und ich hatte es nicht einmal fertiggebracht, geistig vollkommen bei ihm zu sein.

»Ich sollte mich entschuldigen.« Es war ihm ernst. »Ich wollte einen Kaffee trinken gehen, weil ich dachte, das wäre ein neutrales, sicheres Gebiet, in dem wir uns wohlfühlen würden. Aber ... das war ein Griff ins Klo.«

Ich blinzelte verwirrt. »Was meinst du? Es war doch nett.«

»Ich habe mir unsere erste Verabredung nicht nett vorgestellt. Sie sollte dich umhauen.«

»Ach so«, sagte ich lahm. Wir fühlten uns wohl beide wie Versager.

Paul drehte sich zu mir und senkte den Blick auf mich. »Würdest du mir noch eine Chance geben?«

Ich brauchte gar nicht darüber nachdenken. Es war das Mindeste, nachdem ich eigentlich die Hauptschuldige an unserer nur netten Verabredung war. »Sehr gerne.«

Sein Gesicht erhellte sich. »Gut. Ich sage dir Bescheid. Und bevor ich es vergesse: Ich hole dich ab, damit du nicht wieder irgendwelche seltsamen Treffen vorher über dich ergehen lassen musst.«

Mir rutschte ein Lachen über die Lippen. »Okay. Ich bin dabei.«

Er winkte mir mit einem Lächeln zu, dann trennten sich unsere Wege. Einen kurzen Moment blieb ich stehen, sah ihm nach und stellte einmal mehr fest, dass er ein guter Kerl war. Aufrichtig, mit beiden Beinen im Leben verankert. Der Typ Mann, den man unbedingt schnellstmöglich heiraten sollte, bevor eine andere kam und das bemerkte.

Aber war er auch der Stoff für meine große Liebesgeschichte? Nach dem Treffen war ich mir da absolut nicht sicher, egal wie gern ich ihn mochte.


»Mir ist egal, ob du mit meinem Bruder ausgehst«, wiederholte Jaina von der Couch aus. Sie arbeitete nebenher an ihrem Laptop, der auf ihrem Schoß lag. »Ich bin seine Schwester, nicht sein Anstandswauwau. Ihr seid beide erwachsen, macht das Beste daraus und hängt eine Socke an die Tür.«

Ich war wirklich erleichtert, dass sie meine Verabredung mit Paul immer noch so locker aufnahm. Es war einer der einzigen Punkte, bei denen ich sie nicht hatte einschätzen können. Zwar hatte sie mir schon vorher ihren Segen erteilt, aber sie liebte ihren Bruder, auch wenn sie niemand war, der das mit großen Gefühlsaufwallungen zeigte. Trotzdem stand für mich außer Frage, dass sie für ihn genauso alles tun würde, wie er für sie.

Andererseits ... es war nur ein Kaffee gewesen. Nicht mehr, nicht weniger. Nichts, worüber sich Jaina Campbell den Kopf zerbrechen musste. Wenn ich sie fragte, ob sie meine Trauzeugin werden würde, könnte das schon anders aussehen.

Ich zog lachend die Beine an. »Das klingt sehr vernünftig.«

Inzwischen hatte sich die Verteilung der Sitzflächen im Wohnzimmer ganz gut gelöst. Jaina saß die meiste Zeit auf dem Sofa, da sie abends immer noch etwas abarbeitete und dabei diverse Magazine, Notizzettel und andere Papiersachen um sich herum ausbreitete. Das ging in dem superbequemen Sessel, in dem ich saß, nicht so gut. Außerdem konnte sich Gypsy so besser an Jaina kuscheln.

»Was erwartest du?« Sie sah von ihrem Bildschirm auf und mich mit einem spöttischen Grinsen an. »Soll ich Paul einen Keuschheitsgürtel umlegen und den Schlüssel verstecken?«

Ich prustete laut los. »Danke für das viel zu intime Kopfkino.«

»Na, was denn?« Auch Jaina lachte, aber sie klang dabei ein wenig hilflos. »Was ist das für ein dämliches Klischee, dass sich Geschwister so sehr dafür interessieren, mit wem es der andere treibt?«

»Wir treiben es nicht miteinander«, erinnerte ich sie. »Wir waren einen Kaffee trinken. Einen.«

»Und wenn ihr das Kamasutra hoch und runter vögeln würdet, es wäre mir egal. Ernsthaft. Macht euer Ding, und wenn ihr es macht, dann seid wenigstens leise dabei.«

Ich schüttelte grinsend den Kopf. Diese Gespräche hatte ich so was von vermisst.

»Wie war denn dein Tag?«, fragte ich und griff nach einem der Magazine, die bei ihr lagen, um es lustlos durchzublättern. Es war eine Zeitung über Einrichtungsdesigns und die neuesten Trends. Offenbar kamen schräge Siebzigerjahre Stile wieder in Mode. Bitte lass Jaina die Wohnung nicht umdekorieren.

»Unaufgeregt. Ich habe einen Artikel für eine Kooperation mit einem Fair-Trade-Label geschrieben und war mit Gypsy in der Hundeschule.«

»Da musst du mich unbedingt mal mit hinnehmen.« Allein die Aussicht, auf ein ganzes Rudel Hunde zu treffen, ließ mein Herz höherschlagen. Das konnte eigentlich nur noch von einem Wurf Welpen getoppt werden, die tapsig über mich hinwegstolperten.

Manche Leute gerieten bei Babys ins Schwärmen, ich bekam praktisch Milcheinschuss, wenn man mir Hundebabys vor die Nase setzte.

»Vergiss es. Du lenkst nur die tierischen Schüler ab«, neckte sie mich, woraufhin ich den Mund zu einer eingeschnappten Schnute verzog, die nicht ernst gemeint war. »Ah, aber da fällt mir etwas ein.« Jaina stellte den Laptop zur Seite, stand auf und zog einen zusammengefalteten Zettel aus der Gesäßtasche. Als sie ihn mir reichte, war er ganz warm.

Ich faltete ihn auseinander. Es war ein Ausdruck mit einer Stellenanzeige für ein Unternehmen namens Donovan Records. Sie suchten eine Empfangsdame zum nächstmöglichen Zeitpunkt.

»Woher hast du das?«, fragte ich neugierig und überflog die Erwartungen der Firma. Allem Anschein nach brauchten sie eine freundliche, junge Person, die erste Erfahrungen im Bürobereich hatte. Die angegebene Adresse für den Arbeitsplatz war – fast blieb mir das Herz vor Freude stehen – Manhattan.

»Ich kenne jemanden vom Hundepark, dem habe ich erzählt, dass meine beste Freundin einen Job im Büro sucht. Da hat er mir vorhin die Anzeige gemailt.«

»Wie cool«, sagte ich und spürte das aufgeregte Flattern in der Brust, das ich bei der IT-Firma so vermisst hatte. Alles an der Ausschreibung wirkte viel offener und flexibler. Schlichtweg moderner. Das hieß zwar noch lange nichts, aber sie warben mit fairer Bezahlung, Krankenversicherung, Bezuschussung für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, kostenlosen Getränken und gesunde Snacks im Büro.

Ich meine – das war beinah ein Sechser im Berufslotto.

»Wirst du dich bewerben?«, fragte Jaina. Ich hatte ihren Blick gespürt, während ich die Ausschreibung gründlich studierte.

»Definitiv.«

Sie lächelte zufrieden. »Sehr gut. Es wird Zeit, dass du was zu tun kriegst.«

»Ha ha«, sagte ich und streckte ihr die Zunge raus. »Du hast nur Angst, ich rede bald über nichts anderes mehr als deinen Bruder.«

Sie stöhnte. »Erspare mir das. Ich will nichts, wirklich gar nichts über euch wissen.«

»Auch nicht, dass er tolle Augen hat?«

»Du weißt schon, dass er und ich in etwa dieselbe Augenfarbe haben?«

»Ja, aber bei ihm sind sie einladend und warm, du siehst aus, als würdest du jeden, der dir auf der Straße begegnet, umbringen wollen.«

Jaina musste man lassen, dass sie schnell war. Kaum hatte ich das gesagt, war sie aufgesprungen und hatte nach einem der Dekokissen gegriffen, um es mir mit dem Laptop in der anderen Hand entgegenzuschleudern. Ich duckte mich lachend weg und suchte im selben Moment das Weite, bevor sie mich wirklich noch lynchte.

What Love does

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