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3. Kapitel: Ganz neue Wege

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Veyron sollte recht behalten: Zu weiteren Angriffen des Schattenkönigs und seiner Vampire kam es diese Nacht nicht mehr. Es verging eine halbe Stunde, ehe Rettungskräfte und die Polizei eintrafen. Jane wurde sofort in den Rettungswagen verfrachtet und mit Höchstgeschwindigkeit ins Saint Mary’s Hospital gefahren. Nach einer kurzen Befragung durch die Polizei verlangte Veyron, dass Tom, Danny, Agent Hunter und er selbst ebenfalls medizinisch erstversorgt wurden. Bevor die Beamten sich wieder auf sie stürzen konnten, um ihnen Fragen zu stellen, auf die Tom keine Antwort zu geben gewusst hätte, brausten auch sie mit Blaulicht davon Richtung Notaufnahme. Sollte die Polizei doch den versenkten Bus fotografieren und andere Zeugen befragen – es standen ja genügend Leute rum. Unterwegs kamen ihnen Einheiten der Feuerwehr und noch mehr Polizei und Rettungskräfte mit Sirenen und Blaulicht entgegen. Die Medien hatten ebenfalls nicht lange auf sich warten lassen. Als sie im Krankenhaus eintrafen, beugten sich die Patienten im Empfangsbereich über ihre Smartphones und unterhielten sich über das, was bereits auf YouTube die Runde machte: Videoaufnahmen der brennenden Fahrzeuge und des versenkten Busses im Paddington Branch. Es wurde gemutmaßt und spekuliert, was geschehen war. Von der Wahrheit, da war Tom sicher, waren jedoch alle Theorien meilenweit entfernt.

Im Behandlungsraum entfernten ein Arzt und eine Schwester ihm zahlreiche Splitter, die sich praktisch überall in seine Haut gebohrt hatten. Noch nie in seinem Leben war er derart verpflastert gewesen. Als er endlich fertig verarztet war, schickten sie ihn hinaus in den Warteraum. Dort traf er auf Detective-Chief-Inspector Gregson, Janes Vorgesetzten und engen Vertrauten Veyrons. Der hünenhafte Inspector eine absolute Respektsperson, der man nichts zu verheimlichen traute, und normalerweise sehr besonnen. Doch heute wirkte der silberhaarige Gregson besorgt und aufgeregt. Er sprach gerade mit Danny, der ihm Details ihrer haarsträubenden Flucht berichtete. Agent Hunter sah Tom nicht. Er glaubte, dass sie sich nach der ärztlichen Behandlung in aller Stille abgesetzt hatte – vermutlich, um sich in irgendeinem MI-6-Versteck zu verkriechen. Wahrscheinlich musste sie sich vor C verantworten und ihm ausführlich Bericht erstatten. Veyron war ebenfalls nicht anwesend.

Nachdem Gregson ihn kurz begrüßt hatte, fragte Tom nach dem Verbleib seines Paten.

»Er ist bei Willkins, oben auf der Intensivstation. Komm, ich bring dich hin«, erklärte der Inspector, fasste Tom an der Schulter und führte ihn hinaus.

Schweigend gingen sie den Korridor hinunter, vorbei an hin- und herhuschenden Krankenschwestern und Pflegern. Die aufsehenerregenden Ereignisse dieser Nacht beeinflussten sie offenbar nicht. Für sie waren alle Patienten gleich.

»Hat es weitere Verletzte gegeben?«, wollte Tom wissen.

Gregson schüttelte den Kopf. »Nur ein paar erschrockene Passanten, die neugierigen Fernsehjournalisten von einem ›wild gewordenen Busfahrer‹ berichtet haben. Einige behaupteten, zwei riesige Kerle gesehen zu haben, die dem Bus nachliefen und ihn sogar einholten.« Der Inspector lächelte säuerlich. »Zum Glück hat ihnen niemand geglaubt, sonst wär jetzt die Hölle los. Die Explosionen in der False Lane halten die meisten Medien derzeit für Terroranschläge, manche denken aber auch an Unruhen.«

In Toms Kopf drehte es sich, als er versuchte, die Vielzahl an Informationen aufzunehmen und in den richtigen Kontext zu bringen.

»Das wird die nächsten Tage viel Ärger geben. Ein ganzes Team der Polizei wurde ermordet. Wir haben keinen Täter, keine Terroristen, keinen Amokläufer«, raunte Gregson neben ihm.

»Es war der Schattenkönig. Ich hab ihn selbst gesehen«, erwiderte Tom, worauf Gregson seine linke Schulter kurz drückte.

»Ja, das hat Veyron auch schon berichtet«, sagte er. »Doch das können wir der Presse wohl kaum erzählen, oder? Diese Sache sieht einfach zu sehr nach einem Terroranschlag aus, und das wird dann letztlich auch die Runde machen. Die ganze Stadt wird in Furcht geraten, Politiker werden diskutieren, und wir, die Polizei, werden wie Idioten dastehen. Weil wir nicht in der Lage waren, diesen Angriff zu verhindern oder die Schuldigen festzunehmen.«

Mit dem Lift ging es ein paar Stockwerke hinauf. Die Intensivstation wurde von zwei uniformierten Constables bewacht. Gregson zeigte seine Marke, und man ließ ihn hinein. Tom durfte ebenfalls passieren.

»Polizeischutz«, erklärte Gregson. »Intern gehen wir von einem gezielten Anschlag aus, darum steht Willkins jetzt unter Bewachung. Niemand, der nicht autorisiert ist, darf zu ihr – nicht einmal das Personal des Krankenhauses.«

»Das wird den Schattenkönig nicht aufhalten. Ich hab gesehen, dass er sich teleportieren kann«, raunte Tom halblaut.

Gregson kniff kurz die Lippen zusammen – ein stilles Eingestehen der eigenen Hilflosigkeit.

Sie kamen in den Vorraum, wo sie Veyron fanden. Einsam und allein saß er auf einem Stuhl. Dass ihn das Ganze ebenfalls sehr mitnahm, konnte Tom an seiner finsteren Miene erkennen – und sein Pate ließ sogar den Kopf etwas hängen. Das erschreckte ihn mehr als vieles andere in dieser Nacht. Hinter einer großen Scheibe erblickte er Jane. Leichenblass lag sie auf einem Krankenbett, an zahlreiche Schläuche angeschlossen. Ein furchtbarer Anblick.

Ein Arzt kam soeben aus dem Raum und nickte ihnen zu.

»Wie geht es meiner Kollegin?«, fragte Gregson sofort.

»Sie ist stabil, aber sie hat viel Blut verloren«, antwortete der junge Mediziner. Er warf Tom einen abschätzenden Blick zu, nahm Gregson etwas beiseite und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: »Und da ist noch etwas, das uns Sorgen bereitet. Ihr Herz ist angegriffen, und sie zeigt alle Anzeichen einer Vergiftung. Wir kennen aber das Gift nicht und wissen nicht, wie wir sie behandeln sollen. Wir wollen sie vorerst in ein künstliches Koma versetzen, um die Ausbreitung des Gifts zu verlangsamen.«

Wenn er glaubte, Tom würde ihn nicht verstehen, irrte er. Er hörte es deutlich genug und schluckte. Veyron blieb allerdings ungerührt sitzen.

»Danke, Doktor. Würden Sie uns einen Moment allein lassen?«, bat Gregson und nickte nach draußen.

Der junge Arzt nickte. Kurz darauf waren sie unter sich.

»Sie wird es doch überleben, oder Veyron?«, fragte Gregson besorgt.

Zunächst reagierte Veyron gar nicht. Dann seufzte er und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich bezweifle, dass unsere Medizin in der Lage ist, sich mit dem Gift des Schattenkönigs zu messen«, sagte er ausdruckslos.

Sein Mangel an Emotionen machte Tom gleich wieder wütend. Jane lag im Todeskampf, und Veyron war nicht einmal jetzt in der Lage, ein wenig Mitgefühl und Wärme zu zeigen. »Moment mal! Sie reden da von Jane, Mann! Es muss doch etwas geben. Was ist mit den Elben? Königin Girians Heiler, die können sicher helfen. Den Heilungstrank der Elben habe ich schon mit ganz anderen Verletzungen fertig werden gesehen«, protestierte er – lauter, als er es beabsichtigte. Inspector Gregson bedeutete ihm, ruhig zu bleiben, doch er beachtete ihn gar nicht. »Lassen Sie uns nach Wisperton fahren und nach Elderwelt gehen. Bis spätestens morgen Abend können wir Hilfe für Jane organisiert haben und …«

Veyron schnitt ihm das Wort ab. »Wir können nicht nach Wisperton reisen. Die Agenten des Schattenkönigs beobachten uns, sie würden uns verfolgen und angreifen.«

Tom blieben die Argumente im Hals stecken. Ratlos blickte er auf die reglose Jane, schaute eine Weile dem hüpfenden Punkt auf dem EKG zu. »Es muss doch etwas geben, das wir tun können. Wir dürfen Jane nicht einfach sterben lassen«, meinte er leise und wischte sich die Augen. Der Kloß in seinem Rachen ließ seine Stimme versiegen. So durfte es auf keinen Fall enden.

»Wir können gar nichts tun.« Veyrons Stimme war entschieden und, wie Tom fand, absolut eisig. Sein Pate stand auf und ging, ohne dabei Gregson oder Tom noch einmal anzusehen, Richtung Tür.

Bevor er sie erreichte, trat ihm jedoch der Inspector in den Weg und packte ihn am Arm. »Sie dürfen ihn nicht gewinnen lassen, Veyron. Nicht noch einmal! Wenn jemand in der Lage ist, den Schattenkönig zu schlagen, dann sind Sie das«, herrschte er ihn ungewöhnlich scharf an.

Veyron wand sich aus Gregsons Griff. »Nein, das bin nicht«, gab er zurück und verließ den Raum.

Tom war mit Gregson allein und schüttelte verzweifelt den Kopf. Die abweisende Haltung seines Paten konnte er diesmal noch weniger als sonst verstehen. Dabei musste er sich doch auch um Jane sorgen. So düster kannte Tom ihn jedenfalls nicht, und diese unmenschliche Herzlosigkeit, gerade in dieser Lage, war ihm überhaupt nicht verständlich.

»Es nimmt ihn schwer mit«, glaubte Gregson dagegen zu erkennen. »Ich habe das schon einmal erlebt. Er gibt sich die Schuld an Janes Zustand, auch wenn er jetzt so tut, als ließe ihn das alles völlig kalt. Glaub mir, Tom. Das tut es nicht. Ich kenne ihn lange genug. Wenn er so reagiert, dann nur, weil er sich wirklich große Sorgen um sie macht.«

Tom wusste nicht, was er darauf erwidern sollte. Er erinnerte sich an Veyrons Doktrin, keine Gefühle zuzulassen, welche die Leistungsfähigkeit seines Verstandes einschränkten. Das schloss ja wohl neben Liebe auch Trauer, Wut oder Zuneigung ein. Aber hier ging es um Jane, verdammt! Jane Willkins hatte sich um Tom gekümmert, seit er nach dem Tod seiner Eltern auch noch von seiner Tante im Stich gelassen worden war. Außerdem hatte sie ihnen bei ihrem letzten Abenteuer geholfen und war auch sonst immer zur Stelle, wenn Veyron Unterstützung bei einem Fall brauchte. Jane hatte es schlichtweg verdient, dass man sich mit aller Kraft für sie einsetzte. »Mir ist egal, wie mächtig der Schattenkönig ist, ich werde das nicht zulassen! Ich nehme den Kampf gegen diesen Dämon auf. Was auch immer ich dafür tun muss, ich werde Jane retten!«, verkündete er laut.

Gregson weitete überrascht die Augen. Bevor er etwas darauf erwidern konnte, eilte Tom auch schon an ihm vorbei nach draußen. Er fand Veyron auf dem Flur, sein Smartphone in den Händen. Gerade als Tom ihn erreichte, steckte er es wieder in die Manteltasche.

Tom ballte die Fäuste und wusste nicht, ob er damit den grauenhaften Dämon zerschmettern wollte oder den Widerspruch seines Paten. »Veyron, wir müssen was unternehmen. Den Schattenkönig aufhalten, ihn zerstören. Ich werde diesen Mistkerl erledigen, das schwör ich! Der Schattenkönig verträgt kein helles Licht, stimmt’s? Dann lassen Sie uns morgen früh nach Wisperton fahren und mit unserer Rückkehr nach Elderwelt warten, bis es Tag wird. Wir greifen ihn an, vernichten ihn und retten Jane«, sagte Tom.

Veyron warf ihm einen verwunderten Blick zu, dann verfinsterte sich seine Miene wieder. »Wir werden nichts dergleichen tun, Tom. Du hast keine Ahnung, was du da sagst. Der Schattenkönig ist kein Schrat oder ein Vampir, mit dem man es einfach mal so aufnehmen kann«, konterte er.

Tom wollte etwas erwidern, als ihn das leise zischende Geräusch sich öffnender Aufzugtüren herumwirbeln ließ. Fast erwartete er einen neuen Angriff der Vampire, aber es trat nur Danny Darrow in den Flur. Er war zwar blass und wirkte müde, aber beileibe nicht bereit zu kapitulieren. »Hey, da seid ihr ja! Ich hab lange nachgedacht, und wisst ihr was: Ich bin dabei, ganz egal, was ihr zwei jetzt vorhabt«, rief er ihnen zu.

Veyron hob skeptisch die Augenbrauen. »Sind Sie sicher, dass Sie wissen, worauf Sie sich einlassen, Mr. Darrow?«

»Na, so wie die Sache steht, bin ich ja an allem schuld. Ich hab Sie angeheuert, Fiona – ich meine Agent Hunter, oder wie sie wirklich heißt – aufzuspüren. Deswegen liegt Ihre Freundin jetzt auf der Intensivstation. Es geht um dieses Horn des Tri … Tro … Try … Naja, um das Horn dieses Meereskönigs eben. Und hey, ich wurde von Vampiren und dem Tod persönlich angegriffen. Ich will damit nur sagen, dass Sie auf mich zählen können. Ich hab so viel unnützes Zeug in meinem Leben gemacht, es wird Zeit, da was zu ändern. Hier geht’s um Leben und Tod, und die Sache ist mir ernst.«

Veyron schloss kurz die Augen. Daraus, wie hektisch seine Augäpfel unter den Lidern hin- und herrasten, schloss Tom, dass die Gedanken seines Paten rasten – endlich. Die kurze Phase depressiver Niedergeschlagenheit schien vorüber. Veyron wurde wieder aktiv, und Tom würde darauf wetten, dass er gerade einen Plan entwickelte, um dem Schattenkönig das Handwerk zu legen.

Dann öffnete Veyron seine Augen und lächelte schmal. »Hervorragend! Ihre Einsatzbereitschaft freut mich, Mr. Darrow. Anderenfalls hätte ich Sie zwingen müssen, sich uns anzuschließen. Ich habe eben eine Nachricht an C geschickt und ihn gebeten, uns Agent Hunter zur Seite zu stellen«, sagte er.

Tom begann zu grinsen und schlug die rechte Faust in seine linke Handfläche. »Dann reißen wir dem Schattenkönig jetzt den Arsch auf!«

»Nein, das tun wir nicht.«

Tom stutzte kurz, ließ sich aber nicht beirren. »Aber wir gehen wenigstens nach Wisperton und helfen Jane?«

»Nein, auch das werden wir nicht tun.«

Danny und Tom starrten Veyron ungläubig an. In diesem Moment stieß Inspector Gregson zu ihnen. Seine ratlose Miene zeigte genau, was Tom dachte: Was soll dieser Mist?

Veyron schaute in ihre Gesichter, und ein kurzes Lächeln flog über seine Lippen. »Ich habe nicht vor, mich dem Schattenkönig geschlagen zu geben, Inspector. Wir können allerdings nicht nach Wisperton gehen; es ist in mehrfacher Hinsicht schlichtweg zu riskant. Selbst am helllichten Tag können wir das nicht wagen. Vampire werden zwar vom Sonnenlicht getötet, und der Schattenkönig meidet es, aber seine Spione sind überall. Tauben, Krähen und Ratten, die er abgerichtet hat. Menschen, die in seinen Diensten stehen. Nein, es gibt keinen Ort auf der ganzen Welt, an dem er uns nicht aufspüren könnte. Machen wir uns lieber bewusst, warum uns der Schattenkönig überhaupt nachstellt. Es geht um das Horn des Triton. Er befürchtet, wir könnten es vor ihm finden. Sicherlich hat er von den Ermittlungen des MI-6 gegen die Zaltianna Trading Company erfahren und sah sich deshalb gezwungen, gegen Hunter und uns vorzugehen. Demnach muss das Horn für uns erreichbar sein, und da setzen wir unsere Strategie an. Wir schnappen es uns vor ihm und durchkreuzen somit seine Pläne. Selbstverständlich müssen wir dafür nach Elderwelt reisen. Tom, Mr. Darrow, Agent Hunter und ich werden das erledigen«, erklärte er.

Gregson schnaubte ungehalten. »Und was ist mit Willkins, Veyron? Sie liegt da drin und ringt mit dem Tod.« Aufgebracht wedelte er mit der Hand in Richtung Intensivstation.

Für einen Moment bemerkte Tom einen Ausdruck der Besorgnis in Veyrons Gesicht; nur ganz kurz.

»Auch dafür habe ich bereits Maßnahmen in die Wege geleitet, Inspector. Ich verspreche Ihnen, wir kehren so schnell zurück, wie es nur möglich ist«, versicherte er.

»Jane hat diese Zeit vielleicht nicht«, knurrte Gregson und verschränkte die Arme. »Mich interessiert dieses dumme Trötenhorn nicht, mir geht es allein um Jane.«

Das rechnete Tom dem Inspector hoch an, sehr hoch sogar.

Veyron atmete tief durch. »Dieses Risiko muss ich eingehen, Bill. Sie werden doch auf die gute Willkins aufpassen, während ich unterwegs bin?«

»Tag und Nacht. Aber wenn sie mir wegstirbt, dann verspreche ich Ihnen, dass es keinen Winkel auf dieser Welt – oder in der anderen – gibt, wo Sie sich vor mir verstecken könnten! Sie steht unter meiner Obhut, und Sie haben sie da reingezogen, verdammt!«

Veyron nickte ernst. »Akzeptiert«, sagte er, wirbelte herum und schritt in Richtung Lift davon.

Tom und Danny verabschiedeten sich kurz von Gregson und beeilten sich, um zu Veyron aufzuschließen.

»Wenn wir also nicht nach Wisperton können, wohin fahren wir dann«, fragte Tom neugierig. Er hatte nicht die blasseste Vorstellung, wie sie das alles bewerkstelligen sollten. Für ihn war nur klar, dass sie den Schattenkönig aufhalten mussten – um jeden Preis.

»Draußen wird es bald hell. Jetzt stärken wir uns erst einmal in der Cafeteria und warten auf Agent Hunter. Sowie unser kleines Team komplett ist, besuchen wir die Ramer-Stiftung«, antwortete Veyron.

Danny pfiff durch die Zähne. »Die Ramer-Stiftung? Gegründet von diesem mehrfachen Multimilliardär, Floyd Ramer, nicht wahr? Was wollen wir denn da?«

Veyron schwieg sich darüber aus und gab als Antwort lediglich ein vielsagendes Lächeln.

Agent Hunter bekamen sie diese Nacht nicht mehr zu Gesicht. Veyron erhielt nur kurz eine Nachricht, dass sie sich mit ihnen am vereinbarten Zielort treffen würde. Darum verbrachten Tom und Danny die Zeit in der Cafeteria allein in Veyrons Gesellschaft, der die Gelegenheit nutzte, um Danny intensiv in die Geheimnisse Elderwelts einzuweihen. Er berichtete über Vampire, Schrate, Fenriswölfe und zahlreiche andere Wesen und Unwesen, von den Elben Fabrillians, vom mächtigen Imperium Maresium und dem sagenhaften Reich Quin im Fernen Osten. Danny hörte interessiert zu, stellte aber nur wenige Fragen. Tom wusste das meiste bereits, aber manches war sogar ihm neu. So vergingen die Stunden bis zum Morgengrauen wie im Flug. Sobald die Sonne hinter den Wolkenkratzern der Londoner City aufstieg, machten sie sich auf den Weg zur Ramer-Stiftung.

Per Taxi ging es nach Canary Wharf, die beste und teuerste Adresse am Ufer der Themse. Die dicht gedrängt stehenden Hochhäuser auf der Isle of Dogs beherbergten Banken und Versicherungen und buhlten miteinander darum, sich an architektonischer Raffinesse und Höhe gegenseitig zu übertreffen. Jetzt, am frühen Morgen, spiegelte sich ein roter Sonnenaufgang auf den glatten Fassaden, ließ sie majestätisch und erhaben erscheinen. Beinahe wie Phantome einer anderen Welt, die nicht so recht in die Wirklichkeit passen wollten. Eines der jüngsten Mitglieder des Gebäudekomplexes waren die Zwillingstürme der Ramer-Stiftung.

Tom staunte nicht schlecht, als das Taxi sie davor absetzte. »Floyd muss es immer übertreiben«, sagte er ehrfurchtsvoll, als er auf die beiden kreisrunden und über zweihundert Meter hohen Bürotürme starrte, die von spiegelndem Glas eingefasst waren. Sie standen auf einer künstlichen, rechteckigen Parkinsel, die über zwei geschwungene Brücken vom Ufer aus erreichbar war.

»Ja, Bescheidenheit war noch nie eine von Floyds Stärken. Hier werden sein Immobilienbesitz auf der ganzen Welt, seine Geschäftsanteile an diversen Unternehmen sowie die unermesslichen Finanzmittel des Ramer-Imperiums verwaltet, gesteuert, erfasst und katalogisiert. Von hier aus tätigt Floyd seine Einkäufe, von hier aus fließen Kapitalströme ins Ausland und wieder zurück«, erklärte er Tom.

»Ihr redet, als würden wir dem Mann gleich begegnen. Aber Floyd Ramer hat doch vor etwa zehn Jahren Selbstmord begangen. Das stand in allen Zeitungen, und das Internet war voll von Verschwörungstheorien«, wandte Danny ungläubig ein.

Veyron lachte laut auf, als er das hörte. »Ja, das soll die ganze Welt denken. Die Wahrheit ist, dass er vor zehn Jahren dorthin ging, wo wir auch hingelangen wollen: nach Elderwelt. Aber das werden Sie hoffentlich alles sehr bald selbst sehen«, sagte er.

Sie nahmen die westliche der beiden Brücken, wo sie bereits von Agent Hunter erwartet wurden. Sie trug einen teuren beigefarbenen Designeranzug, der sie wie eine knallharte und erfolgreiche Geschäftsfrau aussehen ließ. Als Gepäck hatte sie nur ein modisches Köfferchen dabei, farblich genau auf ihren Anzug abgestimmt.

Veyron begrüßte sie mit einem saftigen Tadel. »Sie können von Glück sagen, das der Schattenkönig letzte Nacht keine Lust auf weiteren Mord hatte. Es war sehr unklug von Ihnen, uns zu verlassen und sich aus dem Krankenhaus davonzustehlen. Außerhalb der Mauern wären Sie leichte Beute gewesen.«

Agent Hunter lächelte nicht, sie zeigte überhaupt keine Gefühlsregung, als sie erwiderte: »Ich habe den Befehl, mich Ihnen anzuschließen, Mr. Swift. Ich bin angewiesen worden, zu tun, was Sie von mir verlangen, sobald wir Elderwelt erreicht haben.«

Tom hatte das Gefühl, als empfände sie das als Demütigung. Aber heiligte der Zweck für sie nicht die Mittel? Für Königin und Vaterland würde Agent Hunter sich Veyron unterordnen und notfalls jede Schikane ertragen, da war er sicher. Ich werde ihr keinen Moment über den Weg trauen, entschied er im Stillen.

»Also, ich find’s auch schön, dass du wieder mit dabei bist. Eine echte Geheimagentin, hm? Das ist ja was!«, rief Danny und grinste Hunter breit an.

Tom bemerkte, dass sie kurz einatmete, länger und tiefer als gewöhnlich, fast, als unterdrückte sie einen Seufzer des Überdrusses.

»Verzeihung, Mr. Swift. Aber was macht der noch hier? Wohin wir uns begeben, erwarten uns wahrscheinlich jede Menge Gefahren. Zivilisten haben bei dieser Angelegenheit nichts verloren. Mr. Darrow ist nur Ballast«, sagte sie halblaut.

Veyron würdigte sie keines Blickes, sondern marschierte schnurstracks weiter als er ihr antwortete: »Um eines klarzustellen: Ich bringe niemanden zu einem Abenteuer mit, der unnütz ist. Letzte Nacht hat Mr. Darrow die Vampire vom Bus aus im Auge behalten. Das ist weit mehr als das, zu dem Sie imstande waren. Von daher frage ich mich, wer hier der Ballast ist. Alles, was ich tue, geschieht mit exakter Berechnung und ist Teil eines fein austarierten und wohlüberlegten Plans.«

Dieser Rüffel saß. Hunter lief rot an und schaute zu Boden. Tom fand es nur gerecht, und wäre es nach ihm gegangen, er hätte diese hinterlistige Schlange gar nicht erst mitgenommen. Das Ausnutzen des armen Ernie Fraud wollte er ihr ebenso wenig vergeben wie die Falle in der False Lane. Hinzu kam ja noch, dass sie auch Danny ganz übel mitgespielt hatte.

Der schien jedoch keinerlei Abneigung der Frau gegenüber zu verspüren. »Nimm’s ihm nicht krumm, Fiona. Mr. Swift ist ein Genie, das kann ich dir sagen. Ich hab noch nie jemanden gesehen, der mit einem Bus einen Eins-a-Drift hinlegen kann.«

»Hören Sie auf, mich Fiona zu nennen, Mr. Darrow«, raunzte sie ihn an.

Danny hob überrascht die Augenbrauen. »Ach, sind wir wieder beim Sie? Na schön, was wär dir denn recht? Amanda vielleicht oder doch lieber Agent Hunter?«, gab er zurück, so unschuldig dreinblickend wie ein Fünfjähriger mit Schokoladenresten im Gesicht.

Hunters Wangenfarbe wurde noch einmal eine Nuance roter. Tom fand das klasse. Danny hatte sie am Wickel, sehr gut!

»Gwen«, murmelte sie. »Ich heiße Gwen. Oder Gwendolyn, wenn Sie es genau wissen wollen.«

»Gwen, das gefällt mir. Gwen … Also, ich bin immer noch Danny, so wie vor zwei Wochen.«

Diesmal erwiderte sie nichts mehr, sondern beschleunigte ihre Schritte, um zu Veyron aufzuschließen. Danny trottete ihr mit einem vergnügten Lächeln hinterher. Zu Tom gewandt, raunte er: »Was für eine fantastische Frau. So wunderbar zickig, es ist eine echte Freude. Die ist nichts für jeden, ein richtiger Schatz.«

Tom glaubte, nicht recht zu hören. Das meinte Danny doch sicher nicht ernst, oder? Nach all den Tricks, die diese Frau abgezogen hatte? »Ich bin mir nicht sicher, ob du dich da nicht in was verrannt hast, Danny«, meinte er skeptisch.

Danny lachte darüber nur und schlug Tom so fest auf den Rücken, dass es schmerzte. »Ach, Tom. Du musst noch viel lernen. Aber das erklär ich dir später, wenn wir mal unter uns sind und richtige Männergespräche führen können. Okay?«

»Klar.« Trotzdem blieb er bei seiner Meinung, dass Danny einen ausgesprochen schlechten Frauengeschmack besaß – zumindest, was das Charakterliche betraf.

Tom kannte die gewaltigen Paläste Elderwelts, Hallen aus weißem Marmor, verziert mit den kostbarsten Materialien, die man sich vorstellen konnte. Die Lobby der Ramer-Stiftung stand ihnen in Dimension und Ausstattung in nichts nach. Jeder Tisch, jeder Sessel – sogar die Wartestühle – waren mit Chrom- oder Goldleisten verziert, überall funkelte und blinkte es; Glas und Spiegel, wohin das Auge auch fiel. Um zum Empfang zu kommen, mussten sie erst einmal eine schier endlose Rolltreppe in den ersten Stock nehmen. Tom fiel auf, dass sich sogar Danny und Gwen erstaunt umsahen.

»Was hat das alles gekostet?«, hörte er Danny immer wieder leise fragen.

Hunter fühlte sich verpflichtet, darauf zu antworten. »Ein Vermögen. Wir haben versucht herauszufinden, aus welchen Quellen die Ramer-Stiftung sich finanziert, konnten aber den Ursprung nicht identifizieren. Diese Organisation verfügt über unvorstellbare Mittel und Ressourcen, verteilt über die ganze Welt.«

Tom lächelte still in sich hinein, als er das hörte. Gwen Hunter mochte zwar beim MI-6 arbeiten, aber über Elderwelt, seine Bewohner und Regenten, wusste sie gar nichts. Floyd Ramer, der angeblich verstorbene Milliardenerbe, war der vielleicht reichste Mensch der Erde. Kein Aufwand war ihm zu groß, kein Preis zu teuer. Nun, das würden die beiden schon noch erfahren, falls sie ihn kennenlernten.

Oben angekommen steuerte Veyron schnurstracks den nächsten freien Empfangsschalter an, wo er von einer freundlichen, jungen Servicemitarbeiterin begrüßt wurde.

»Wir möchten mit jemandem sprechen, der die Talassair-Abteilung verwaltet«, sagte Veyron.

Die junge Dame, laut Namensschild Mandy Sikes, machte große Augen, als sie das hörte. »Oh, das tut mir ausgesprochen leid. Ich fürchte, da sind Sie bei uns falsch. Eine solche Abteilung haben wir nicht«, erwiderte sie.

Veyron schloss kurz die Augen. »Sie haben früher bei Torben Carrisson Airways in der Kundenbetreuung gearbeitet. Das ist jetzt fast zwei Jahre her. Sie wurden im Zuge der Ermittlungen des Supersonic-Vorfalls von Polizei und MI-5 bezüglich der Sitzplatzreservierung eines gewissen Mr. Veyron Swift befragt. Anschließend warb Sie die Ramer-Stiftung ab, und seitdem arbeiten Sie hier, bei doppeltem Gehalt. Sie sind Linkshänderin und eine leidenschaftliche Hobbymalerin, spezialisiert auf Acryl und heute Morgen hatten Sie es ausgesprochen eilig. Ihr Hobby hat Sie einfach nicht losgelassen«, sagte er so schnell, dass Miss Sikes erst einmal einen Moment brauchte, um alles zu verarbeiten.

»Wo … woher, woher wissen Sie das?«

»Das mit Ihrer Karriere? Nun, alle Mitarbeiter von TC-Airways wurden nach dem Vorfall vom MI-5 und der Polizei ausgiebig befragt, immerhin waren da Terroristen am Werk. Dass Sie Linkshänderin sind, verrät mir Ihr Kugelschreiber, den sie links neben Ihrem Notizblock liegen haben. An der Linken haben Sie zudem Farbreste unter dem kleinen Fingernagel und einige winzige Spritzer zwischen Zeige- und Ringfinger. Blau, gelb und rot. Daraus lässt sich Ihre künstlerische Tätigkeit ersehen. Sie haben sich die Hände mit Wasser und Seife gewaschen, um die Farbe zu entfernen. Jedoch nicht mit einem chemischen Reiniger, das sehe ich an der frischen, kräftigen Farbe Ihrer Haut. Chemische Reiniger trocknen die Haut aus, folglich muss Ihre Farbe eine wasserlösliche Substanz sein. Sehe ich mir den Effekt des Abblätterns und die gummiartige Struktur der Farbreste an, lässt sich nur auf Acrylharz schließen, das im Kunstmalerbereich weit verbreitet ist. Dass Sie überstürzt zur Arbeit aufgebrochen sind, verrät mir die Tatsache, dass noch Farbreste an Ihren Fingern zu finden sind. Die Handwäsche erfolgte demnach schnell und wenig gründlich. Darf ich Sie jetzt bitten, im Firmennetzwerk nach Talassair zu suchen?«

Mandy Sikes starrte Veyron ebenso verblüfft an wie Danny und Hunter. Nur Tom stand ungeduldig daneben. Diese Demonstrationen scharfer Beobachtung und die an Prahlerei grenzende Offenlegung des scheinbaren Zaubertricks erstaunten auch ihn zwar immer wieder aufs Neue, heute hatten sie es jedoch eilig und keine Zeit für Spielchen. Wenn Veyron recht hatte, wurden sie selbst bei Tage von den Spionen des Schattenkönigs verfolgt.

»Tun Sie einfach, was er will, oder er analysiert Sie immer weiter, bis er Ihnen noch sagt, auf welche Schule Sie gegangen sind und wie Ihr Hund heißt«, sagte Tom zu ihr und riss sie damit aus der Sprachlosigkeit.

»Ich … ich … habe keinen Hund«, stammelte sie.

»Nein, aber eine Katze, rotbraun getigert«, ergänzte Veyron.

Das war zu viel. Miss Sikes drückte eine Taste auf ihrem Tischplattenbildschirm. »Sicherheitsdienst!«

Tom zuckte zusammen, und Danny murmelte ein leises »Scheiße.« Hunter und Veyron blieben dagegen ganz ruhig. Es dauerte nicht lange, bis zwei bullige Sicherheitsmänner auftauchten, mit den obligatorischen Stöpseln im Ohr und Funkgeräten in der Brusttasche. Die Sonnenbrillen hatten sie nach oben geschoben.

»Was ist das Problem, Mandy«, fragte der Linke laut.

Miss Sikes deutete auf Veyron. »Mit dem da stimmt etwas nicht. Er … er bedroht mich.«

»Stimmt doch gar nicht«, protestierte Danny.

Tom pflichtete ihm sofort bei. Hunter sagte nichts, und Veyron drehte sich ganz gelassen zu den beiden Gentlemen um. »Ich bin Veyron Swift, und das sind meine Begleiter, Miss Gwen Hunter, Mr. Danny Darrow und mein Assistent Tom Packard. Wir möchten mit dem zuständigen Manager der Talassair-Abteilung sprechen. Ich fürchte, dabei ist es zu einem kleinen Missverständnis gekommen«, sagte er ruhig.

Die beiden Sicherheits-Gorillas schien das jedoch nicht zu interessieren. »Mir egal«, sagte der Linke – vielleicht konnte nur er sprechen – und deutete auf die Rolltreppe. »Sie verlassen jetzt auf der Stelle das Gebäude, Mister.«

Veyron rührte sich keinen Millimeter, sondern erwiderte die drohenden Blicke der beiden Sicherheitsleute mit einem sardonischen Grinsen. »Wohl kaum. Ich sagte ja schon, ich bin Veyron Swift und will nach Talassair«, wiederholte er laut.

Eben wollten die beiden Gorillas ihn packen, als ihre Funkgeräte piepten. Sofort ging ihr Anführer ran. »Was? Ich bin beschäftigt! Was? Uxbridge? Moment …«, sagte er und hob vor Veyron die Hand, um ihn aufzuhalten.

Doch der zuckte nur mit den Schultern. »Kein Problem. Ich habe Zeit«, meinte er süffisant, was den zweiten Sicherheitsmann die Augenbrauen zusammenkneifen ließ.

Sein Kollege hörte derweil angespannt zu, was man ihm zu sagen hatte. Schließlich atmete er erleichtert aus. »Alles klar, Mr. Uxbridge. Ich schicke die Leute rauf«, sagte er zu seinem unsichtbaren Gesprächspartner. Dann wandte er sich an Miss Sikes. »Falscher Alarm, Mandy. Mit diesen Gentlemen ist alles in Ordnung. Sie sind hier, um Mr. Uxbridge zu treffen.«

Mandy Sikes wirkte sichtlich erleichtert, sie loszuwerden. Die beiden Sicherheitsmänner geleiteten sie zum Lift und erklärten ihnen – ausgesucht höflich auf einmal –, wohin sie fahren müssten. Dann wandten sie sich ab.

Tom betrat hinter Veyron den Lift. Hunter drückte die Taste für den 28. Stock; Danny schaute neugierig umher.

Nachdem sie wieder unter sich waren, wandte sich Tom an seinen Paten. »Sie kannten diese Miss Sikes also? Was hatte sie mit dem Supersonic-Vorfall zu tun?«

»Prinzipiell gar nichts. Ich habe mich nur an ihren Namen und ihre Stimme erinnert. Ich hatte sie am Telefon, als ich damals unsere Sitzplätze gebucht habe – nach dem kleinen Trick, an den du dich vielleicht noch erinnerst.«

»Sie erinnern sich an die Stimme und den Namen einer Frau, mit der sie nur ein einziges Mal zwei Minuten am Telefon gesprochen haben? Nach fast zwei Jahren?«, mischte sich Hunter mit deutlich hörbarem Unglauben ein.

Veyron drehte sich zu ihr um. »Selbstverständlich«, sagte er und schaute sie an, als wäre es das Normalste auf der ganzen Welt.

Danny lachte laut auf. »Klasse! Sie sind echt ’ne Marke!«

Tom grinste und wünschte, Hunter könnte ihr eigenes, vollkommen perplexes Gesicht sehen.

Kurz darauf standen sie vor der Bürotür von Mr. Kevin Uxbridge. Die Vorzimmerdame ließ sie eintreten und meldete ihre Ankunft.

Kevin Uxbridge, ein hagerer Mann mit rotblondem Schopf und großen grünen Augen, hieß sie mit überschwänglicher Freundlichkeit willkommen.

»Endlich, endlich, endlich! Ich habe ja schon viel von Ihren Unternehmungen gehört, Mr. Swift. Von dem Vorfall mit den Vampiren von Surrey zum Beispiel, oder diese Sache mit dem Troll von Notting Hill. Mann, Mann, Mann! Endlich lerne ich Sie einmal persönlich kennen«, rief er begeistert und schüttelte Veyrons Hand kräftig und anhaltend.

Tom musste schmunzeln, als er den leicht verstörten Gesichtsausdruck seines Paten bemerkte. Veyron betrachtete seine Fälle und ihre Lösungen stets mit distanzierter Nüchternheit und machte aus ihnen nie eine große Sache.

»Ihre Begeisterung ehrt mich, Mr. Uxbridge, aber wir sind wegen ernster Angelegenheiten hier. Wir brauchen dringend einen sicheren Weg nach Elderwelt. Ich weiß, dass die Ramer-Stiftung über mehr als einen Durchgang dorthin verfügt«, versuchte Veyron mit erhobener Stimme zur Sache zu kommen.

Uxbridges glühende Begeisterung ließ sich jedoch kaum bremsen. »Aber klar, aber klar, aber klar. Kein Problem. Ich habe bereits mit Mr. Farin Nachrichten ausgetauscht und die Erlaubnis erhalten, Sie rüberzuschicken. Sie wissen ja gar nicht, wie aufregend diese Sache für mich ist. Der König zählt Sie zu seinen engsten Freunden, wissen Sie? Das ist etwas, das nur ganz wenige Menschen dieser Seite des Unsichtbaren Vorhangs von sich behaupten können. Seit zehn Jahren hat Seine Majestät diesen Teil der Welt nicht mehr besucht und lässt auch niemanden hinüber. Leider. Dass man Ihnen diese Erlaubnis gewährt, dürfen Sie als ausgesprochene Ehre ansehen«, plapperte der Mann drauflos.

Veyron stand, wie Tom mutmaßte, kurz davor, die Augen zu verdrehen, aber er beließ es bei einem geschäftsmäßigen Lächeln.

Uxbridge erklärte seiner Vorzimmerdame, dass er die Gäste nach ›unten‹ bringen würde, und dann verließen sie geschlossen das Büro. Hunter wollte schon den Weg zurück zum Aufzug einschlagen, als sie Uxbridge an der Schulter fasste und in eine andere Richtung drehte. »Nein, nein, nein. Nicht diese Aufzüge. Die gehen nur hinunter in die Lobby und die Tiefgarage. Wir müssen noch ein paar Stockwerke tiefer, wissen Sie? Wir nehmen die gesperrten Lifte. Das ist alles so aufregend! Ich habe erst vor ein paar Minuten den Schlüssel dafür von Mr. Farin erhalten. Normalerweise werden diese Lifte nie benutzt, wissen Sie?«, erklärte er und führte sie den Korridor hinunter. Dabei kamen sie an zahlreichen Bürotüren vorbei, die nicht beschildert waren. Dieser Teil des Wolkenkratzers stand offensichtlich leer.

»Ich verstehe immer noch nicht, wie wir hinüber nach Elderwelt gelangen sollen«, sagte Hunter halblaut.

Uxbridge in seiner grenzenlosen Euphorie setzte zu einer Erklärung an, doch Tom unterbrach ihn sofort. »Nein, sagen Sie es ihr nicht!«

»Nur zu, Uxbridge«, widersprach Veyron, »erklären Sie es ihr. Miss Hunter genießt unser volles Vertrauen. Sie darf ruhig in das Geheimnis eingeweiht werden.«

Tom hielt diese Auffassung seines Paten für sehr leichtfertig.

Uxbridge zwinkerte seine leichte Verwirrung fort. »Ja, warum auch nicht? Also, vor vielen Jahrtausenden gab es einen Orden mächtiger Zauberer, die Illauri. Sie haben eine Trennwand zwischen unserer Welt und Elderwelt geschaffen, um die mystischen Länder und ihre ebenso mystischen Bewohner vor der Zerstörungswut der Menschen zu beschützen. Eigentlich ist es keine richtige Trennwand, sondern eine Art Verschiebung des … Ach, das ist viel zu kompliziert, das versteht sowieso niemand, der nicht mindestens Quantenphysik studiert hat. Und selbst da kommen die hellsten Köpfe der Erde auf keine endgültig schlüssige Theorie, das können Sie mir glauben. Die Könige Talassairs setzen schon seit achtzig Jahren die besten Wissenschaftler darauf an, doch niemand konnte es bisher erklären. Auf jeden Fall müssen Sie sich das so vorstellen, dass nichts diesen Vorhang durchbrechen kann. Elderwelt ist hier, mitten unter uns, und doch können wir es nicht sehen, kein Satellit kann es aufspüren. Dieser Vorhang ist undurchdringlich, selbst für Licht, Schall und sogar Strahlung. Einfach alles wird darum herumgeleitet. Die Illauri wollten jedoch die Möglichkeit eines gegenseitigen Besuchs aufrecht halten. Darum haben sie überall auf der Erde Durchgänge errichtet, getarnt als Torbögen aus Fels, oder Bäume, die wie Torbögen miteinander verwachsen sind. Ein paar Durchgänge hat die Ramer-Stiftung über die Jahre identifizieren können und nutzt sie seither für den Technologietransfer zwischen hier und Talassair. Wir haben sogar einen Durchgang hier, mitten im Haus – nun ja, nicht direkt mitten im Haus, viel eher unter dem Haus«, erklärte Uxbridge und lachte plötzlich hell auf.

Tom kannte diese Erklärungen inzwischen zur Genüge, darum hörte er gar nicht richtig hin. Gelangweilt schaute er sich die vielen Bürotüren an und versuchte zu begreifen, warum hier eigentlich niemand arbeitete. Gerade wollte er Uxbridge danach fragen, als ihm an der nächsten Korridorkreuzung eine Bewegung auffiel. Ein Schatten, der zur Seite huschte – er sah ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde. Tom blieb stehen und schaute genauer hin, doch der Korridor war leer. Wohl nur eine Einbildung, vielleicht auch nur ihr eigener Schatten, von der Deckenbeleuchtung in eine andere Richtung geworfen. Er zuckte mit der Schulter und ging weiter. Ein paar Schritte weiter überlief ihn Gänsehaut. Seit er die Bewegung wahrgenommen hatte, schien es immer kühler zu werden. Mit einem Mal hatte er das unangenehme Gefühl, als würde ihn jemand beobachten. Er fuhr herum, und da sah er ihn, hoch aufragend, fast bis zur Decke des Korridors, schwarz gekleidet wie der leibhaftige Tod: der Schattenkönig. Seine fahlen Augen leuchteten unter der Kapuze hervor, und ein Teil seines Kinns war zu sehen, die dunkelgraue Haut erschien Tom wie uraltes, vertrocknetes Leder, über die Knochen gespannt.

»Veyron! Er ist hier!«, schrie Tom und fasste sich an den Gürtel. Das Daring-Schwert war nach ihrem Sturz in den Paddington-Branch verschwunden, doch Tom spürte die unsichtbare Präsenz an seiner Hüfte. Er brauchte nur zuzugreifen, und es wäre es wieder da.

Alle fuhren herum, doch da war der Schattenkönig auch schon wieder verschwunden, eingetaucht in den Schatten der gegenüberliegenden Wand. Als wäre er nie da gewesen.

»Bist du sicher, dass es keine Einbildung war?«, fragte Veyron.

Tom nickte aufgeregt. »Er stand genau da. Er hat uns gefunden!«

»Das war zu erwarten. Der Schattenkönig kann nicht durch feste Wände teleportieren, aber sehr wohl durch Glas. Und davon gibt es in diesem Gebäude mehr als genug«, sagte Veyron. »Wo ist dieser Aufzug?«

Uxbridge deutete vage voraus. Er wirkte sehr verunsichert.

Ohne zu zögern, rannten Veyron und Tom los, gefolgt von Hunter und Darrow.

»Moment, Moment, Moment! Ich wusste ja nicht, dass Sie es so eilig haben«, rief ihnen Uxbridge hinterher und beeilte sich, zu ihnen aufzuschließen.

Als sie die Aufzugtür erreichten, materialisierte der Schattenkönig vor ihnen am Ende des Korridors, wo es am dunkelsten war. Finster starrte er in ihre Richtung, doch er rührte sich nicht, stand einfach nur da und beobachtete sie. Jetzt sahen ihn auch Uxbridge und die anderen.

»Heilige Muttergottes, was ist das?«, keuchte der Manager der Ramer-Stiftung. Er zitterte so sehr, dass er kaum die Schlüssel für den Lift aus seiner Hosentasche bekam.

Der Schattenkönig neigte ein wenig den Kopf und flüsterte unverständliche Worte. Es wurde immer kälter; Toms Nackenhaare stellten sich auf. Dunkler Zauber lag in der Luft.

Anstatt den Schlüssel in das Türschloss zu stecken, drehte sich Uxbridge um und streckte die Hand in Richtung des Schattenkönigs aus. Da erkannte Tom, dass Uxbridge verhext sein musste. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne; der Schattenkönig befahl über seinen Körper. Auch Tom vermochte sich nicht von der Stelle zu rühren, ebenso wenig Veyron oder Hunter. Allein auf Danny Darrow schien die Magie des Schattenkönigs nicht zu wirken. Keuchend trat er einen Schritt vor, entwand Uxbridge den Schlüssel und sperrte den Lift auf.

Im gleichen Augenblick fiel der Lähmungszauber von ihnen allen ab. So schnell sie konnten, drängten sie in die Fahrstuhlkabine. Der Schattenkönig schien einen kurzen Moment überrascht, doch dann griff er an. Mit langen Schritten hielt er auf sie zu. In seiner Rechten manifestierte sich wie aus dem Nichts sein Schwert, eine lange, zweischneidige Klinge mit vielen Scharten und schwarz wie die Nacht. Die Lifttüren schoben sich endlich zu; für Toms Geschmack viel zu langsam. Der Schattenkönig war fast da – schon holte er zum Hieb aus. Tom schloss die Augen.

Endlich rauschte die Kabine in die Tiefe.

Uxbridge hatte Mühe mit der Atmung, er keuchte entsetzlich und schlotterte am ganzen Körper. Auch Hunter war leichenblass, und Tom war entsetzlich kalt. Er rieb sich die Arme, ohne dass er dadurch das Gefühl des Grauens abzuschütteln vermochte. Nur Veyron und Danny schienen keine Nachwirkungen dieser Begegnung davongetragen zu haben – wobei sich sein Pate vielleicht auch einfach nur nichts anmerken ließ.

»Die Lage ist ernst«, sagte Veyron überflüssigerweise. »Sehr ernst sogar, wenn sich der Schattenkönig am helllichten Tage mitten in einem Gebäude zeigt, in dem Hunderte Menschen arbeiten.«

»Wie macht er das, dieses plötzliche Auftauchen?«, wollte Danny wissen.

»Er teleportiert. Es ist ein uralter, dunkler Zauber. Zum Glück sind ihm ein paar Grenzen auferlegt. Er kann nur in der Luft teleportieren, nicht durch feste Materie hindurch und auch nicht durch Wasser. Sehr wohl jedoch durch Glas oder andere durchlässige Materialien. Er scheint dabei allerdings auf Schatten angewiesen zu sein, ein Teil seines Zaubers. Die Absenkung der unmittelbaren Umgebungstemperatur gehört ebenfalls dazu, und das haben wir eben wohl alle gespürt. Ich erzählte bereits, dass ich schon einmal mit diesem Dämon zu tun hatte. Wir dürfen ihn keinesfalls unterschätzen und uns unter gar keinen Umständen auf einen Kampf mit ihm einlassen«, erklärte Veyron finster.

Tom bemerkte den verbissenen Gesichtsausdruck seines Paten, als müsste der mühsam um Kontrolle ringen. Das hatte es noch nie gegeben: Veyron Swift fürchtete sich vor einem Gegner. Toms Sorge wuchs. Hatten sie es diesmal vielleicht mit jemandem zu tun, der ihnen haushoch überlegen war? Die Wände des Fahrstuhls kamen ihm auf einmal wie ein Gefängnis vor, er glaubte zu ersticken. Fast hätte er geschrien: ›Ich will raus! Raus aus dem Lift und aus dieser Sache!‹

Doch dann dachte er an Jane, wie sie im künstlichen Koma auf dem Krankenbett lag, hilflos, während ihr Körper gegen ein tödliches Gift rang. Nein, sie hatten keine Wahl, als dem Schattenkönig zu trotzen, und durften sich dabei nicht ihrer Furcht ergeben. Wie sagte Veyron immer? ›Gefühle dürfen dein Tun nicht beeinflussen.‹ Tom war felsenfest entschlossen, sich das zu eigen zu machen.

»Mein Koffer! Ich hab meinen Koffer vergessen«, rief Hunter plötzlich.

Veyron schmunzelte. »Keine Sorge«, sagte er. »In Elderwelt werden Ihnen weder Ihre Funkpeilsender noch die Abhörgeräte, geschweige denn die Waffen und die ganzen anderen Spionagesachen weiterhelfen. Ersatzkleidung erhalten wir sicher auch so.«

Hunter verzog missbilligend das Gesicht, weil Veyron den Inhalt ihres Köfferchens offensichtlich genau aufzulisten wusste. Tom hingegen war einigermaßen erleichtert und – zugegeben – auch ein wenig schadenfroh.

Der Lift hielt an, und die Tür schob sich leise zischend zur Seite. Kein Vergleich zu den noblen, hellen Korridoren der Obergeschosse – sie standen vor der Mündung eines dunklen, halbrunden Tunnels. Tom sah im Schein der Fahrstuhlbeleuchtung stählerne Schienen am Boden schimmern.

»Wir sind im Netz der Underground gelandet«, glaubte er zu erkennen.

Uxbridge, der sich inzwischen wieder etwas gefangen hatte, wusste ein paar Erklärungen. »Ja, Tennyson Road Station, im Ersten Weltkrieg geplant, aber erst 1920 angegangen, direkt am Ufer der Themse. Die Tunnelgräber sind jedoch auf etwas gestoßen, das die Bauarbeiten aufgehalten hat. Als klar wurde, was sie da gefunden hatten, kaufte Julian Ramer der Stadt das ganze Areal einfach ab. Er ließ die Tunnel fertigstellen und Schienen verlegen, um keinen Verdacht zu wecken. Der Bahnhof wurde jedoch nie eröffnet«, erklärte er und drückte einen Schalter an der Seitenwand. An der Tunneldecke sprangen Lampen an, die ein spärliches Licht in die Dunkelheit warfen.

»Eine Sackgasse«, stellte Veyron fest.

Uxbridge nickte. »Die Stadtverwaltung beschloss – auf Drängen Ramers und mit ein klein wenig Bestechung –, die Tennyson Road Station aufzugeben, und ließ die Zufahrt zumauern. Dieser Tunnel führt ins Nichts. Naja, zumindest fast«, gab er zurück.

Sie gingen ein paar Meter in den Gang hinein, als Tom auch schon ihr Ziel ausmachen konnte. Dreißig Meter vor ihnen stand ein Torbogen aus Felsgestein, im gleichen Durchmesser wie der Tunnel. Hinter ihm lag die zugemauerte Verbindung zum Undergroundnetzwerk der Stadt.

Uxbridge seufzte, als er den Torbogen musterte. »Zu schade, zu schade, zu schade. Ich wäre gern mit Ihnen mitgegangen, aber leider ist es mir verboten. Es braucht die Sondergenehmigung des Königs, um nach Talassair zu reisen. Die haben nur Sie, Mr. Swift, und ihre kleine Reisegruppe. Bestellen Sie dem König meine Grüße«, sagte er und schüttelte Veyrons Hand mit neu gewonnener Überschwänglichkeit.

Tom wollte sich ebenfalls verabschieden, als ihn plötzlich ein Eishauch streifte. Er wusste genau, was das bedeutete. »Er ist wieder da!«, rief er.

Und tatsächlich: Mitten in der Liftkabine materialisierte er, der Schattenkönig. Wie konnte das sein? Hatte Veyron nicht gesagt …? Da dämmerte es Tom. Der Dämon musste in den Schatten eines von ihnen eingetaucht und unsichtbar für alle mit hinunter in den Schacht gefahren sein. Jetzt gab er sich zu erkennen, hatte er doch seine Feinde hoffnungslos in der Falle.

Er starrte direkt auf Tom, und dieser konnte nicht anders, als den Blick dieses Ungeheuers zu erwidern. Diese Augen waren wie schwarze Tümpel, in die man hineinstürzte und niemals wieder herauskam. Ein Rest seines Bewusstseins begriff, dass er verhext wurde, von dunkler Magie an Ort und Stelle festgehalten. Er hörte die Rufe von Hunter, von Veyron und von Uxbridge. Jemand packte ihn an der Schulter und riss ihn um. Es war Veyron. Er hob Tom einfach auf und rannte mit ihm Richtung Portal. Sofort spürte er die Magie des Schattenkönigs nachlassen. Tom blinzelte, sah Danny zu seiner Rechten und Hunter vor ihnen laufen. Wo war Uxbridge? Er blickte an Veyrons Oberarm vorbei zurück und sah den Manager dem Schattenkönig entgegenlaufen. So viel Angst der Mann zuvor gezeigt hatte, jetzt – angesichts der aussichtslosen Lage – ging er mit dem Mut der Verzweiflung auf den Feind los.

»Für den König! Für die Freiheit Talassairs«, brüllte er, beide Arme zum Angriff erhoben. Doch der Schattenkönig machte nur eine wegwerfende Geste mit der Linken, und eine unsichtbare Kraft fegte Uxbridge zur Seite. Er knallte gegen die verschalte Tunnelwand und rutschte reglos zu Boden. Der Unhold zog sein Schwert, und Flammen züngelten an der Klinge entlang.

Instinktiv fuhr Toms Hand zu seinem Hosenbund, fand nichts und tastete tiefer. Er spürte seinen Geldbeutel in der Tasche, nicht jedoch das Daring-Schwert. Den Grund verstand er nicht, es verwirrte ihn. In seinem Kopf begann es sich zu drehen. Dann war der Tunnel plötzlich verschwunden. Gleißendes Licht blendete ihn; er schrie laut auf. Dann fiel er zu Boden und landete hart auf dem Gesäß. Helles Licht schmerzte in seinen Augen, und es verging ein Moment, ehe er wieder klar sehen konnte.

Sie befanden sich nicht länger im geheimen Untergrundtunnel der Ramer-Stiftung, sondern unter freiem Himmel mitten auf einem Stadtplatz. Ihre Lage hatte sich jedoch kaum verbessert. Anstatt in die toten Augen des Schattenkönigs starrte er in ein halbes Dutzend Gewehrmündungen. Eine Schar bärtiger Zwerge hatte sie im Halbkreis umstellt. Tom hörte, wie Hähne gespannt wurden, ein vielstimmiges Klicken. Die wutschnaubenden kleinen Burschen waren bereit, sie auf der Stelle zu erschießen.

Veyron Swift und der Schattenkönig

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