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Über dem Wasser
Personen
Die Personen repräsentieren jeweils prototypisch eine breite Denkrichtung, ohne freilich in reine Klischees abzudriften.
B: Barkeeper sorgt berufsbedingt für das leibliche Wohl der Gäste, nimmt aber auch inhaltlich und emotional an manchen Gesprächen teil.
E: Episcopos (Bischof) ist ein typischer Institutionenvertreter der römisch-katholischen Kirche. Theologisch bewandert, aber ohne allzu viel Enthusiasmus vertritt er eine eher konservative Glaubensposition und verteidigt die kirchliche Deutungshoheit. Seine eigenen, über die kirchliche Lehrmeinung hinausgehenden Ansichten lässt er nur selten durchscheinen.
F: Freidenker ist ein moderater, aber konsequenter Gesprächspartner mit breit gefächerter atheistischer Meinung.
M: Mensch (bzw. in direkter Anlehnung an Nietzsche vielleicht konkret «der tolle Mensch»4) steht mit seiner Suche nach Gott und Lebenssinn im Zentrum des Stückes.
S: Sprecher liest oder spricht den Prolog und den Epilog. Als neutrale, ausserhalb der Handlung stehende Instanz gibt er damit dem Stück einen umfassenden Rahmen. Wenn es bei einer Inszenierung oder szenischen Lesung aufgrund der Zielsetzung und der Vorkenntnis des Publikums angebracht scheint, kann S auch einige oder alle Exkurs-Texte vortragen.
T: Theologe vertritt eine moderne, lebensfreundliche und durchaus kirchenkritische christliche Theologie.
W: Wirtschaftsanalyst stellt den wirtschaftlichen Machbarkeitswahn infrage und vertritt eine negativ gefärbte, defaitistische Weltsicht.
Weitere Bischöfe und Atheisten5 als Teil der drei Chöre. |12|
Ort und Zeit
Das Stück spielt in einer Bar oder einer Kneipe in unserer Zeit. Der erste Akt spielt am frühen, der zweite am späteren Abend. |13|
Prolog
S tritt auf und rezitiert.
Bei dem Tanz ums goldene Kalb
gab es unschöne Szenen.
Ich will hier nur dreieinhalb
der unschönsten erwähnen:
David beispielsweise trat
Aaron auf die Zehen,
was er mit dem Satz abtat,
es sei gern geschehen.
Oder Saul, der plötzlich schrie,
er sei Gottes Enkel,
denn er trage seine Knie
unterhalb der Schenkel.
Oder Habakuk, der Hirt,
der beim Tanz so patzte,
dass sein Leitbock sich verwirrt
an den Leisten kratzte.
Oder Mose, der das Kalb,
statt es zu erschiessen –
doch das sind schon dreieinhalb
Szenen. Ich muss schliessen.6
S tritt wieder ab. |14|
Chor der Bischöfe
Der Chor der Bischöfe tritt auf. Er besteht aus mindestens vier bis sechs Männern in bischöflichem Ornat (darunter auch E, aber nicht T).
Die Texte des Chors sind staccato-artig zu sprechen, ohne Pausen zwischen den einzelnen Aussagen, aber auch ohne dass sich Sätze überlappen. Der Gesamtchor ist somit fliessend, ohne hektisch zu wirken. Die Bischöfe können sich beim Sprechen nach jeder Aussage oder auch innerhalb der Aussagenblöcke ablösen, sie können Aussagen/Teilaussagen allein, zu zweit oder zu dritt oder im Gesamtchor sprechen.
Wir sind ein sehr altes Modell für Veränderung. Von uns kann man lernen, wie man überlebt.7
Unser sittliches Leben wurzelt im Glauben an Gott, der uns seine Liebe offenbart. Wir haben Gott gegenüber die Pflicht, an ihn zu glauben und ihn zu bezeugen.8
Dieser alleinige wahre Gott hat in seiner Güte und allmächtigen Kraft aus völlig freiem Entschluss vom Anfang der Zeit an aus nichts zugleich beide Schöpfungen geschaffen, die geistige und die körperliche, nämlich die der Engel und die der Welt.9
Jedoch hat es seiner Weisheit und Güte gefallen, auf einem anderen, und zwar übernatürlichen Wege sich selbst und die ewigen Ratschlüsse seines Willens dem Menschengeschlecht zu offenbaren.10
Wenn die Kirche durch ihr oberstes Lehramt etwas als von Gott geoffenbart und als Lehre Christi zu glauben vorlegt, müssen die Gläubigen solchen Definitionen mit Glaubensgehorsam anhangen.11
Der imperiale Staub, der sich seit Konstantin auf dem Stuhl des heiligen Petrus abgelagert hat, muss weggewischt werden.12
Es wird noch mindestens fünfzig Jahre dauern, bis alle Fehler und Torheiten des Konzils repariert sein werden.13
Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen.14
Die Welt wurde auf die Kirche hin erschaffen. Die Kirche ist das Ziel aller Dinge.15 |15|
Man kann auf verschiedene Weisen gegen den Glauben sündigen: Freiwilliger Glaubenszweifel besteht in der Vernachlässigung oder Weigerung, für wahr zu halten, was Gott geoffenbart hat und die Kirche zu glauben vorlegt. Unfreiwilliger Zweifel besteht im Zögern, zu glauben.16 Einer aus dem Chor beginnt Ich bekenne Gott, dem Allmächtigen, und allen Brüdern und Schwestern,
Alle anderen fallen spätestens hier ein dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe. Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken durch meine Schuld, durch meine Schuld, durch meine grosse Schuld. Darum bitte ich die selige Jungfrau Maria, alle Engel und Heiligen und Euch, Brüder und Schwestern, für mich zu beten bei Gott, unserem Herrn.17
Die Bischöfe halten kurz inne und gehen dann eilig ab.