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Оглавление1. Teil Grundlagen und Grundbegriffe › A. Einleitung
A. Einleitung
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Bauliche Tätigkeit stellt eine Grundtätigkeit des Menschen dar, die vielfältige Auswirkungen auf die Allgemeinheit und die natürliche Umgebung hat.
Mit diesen Auswirkungen beschäftigt sich das Baurecht.
Dem Begriff des Baurechts unterfallen dabei sowohl das öffentliche wie das private Baurecht.
Ein Hinweis vorweg: Erarbeiten Sie sich das Baurecht anhand der gesetzlichen Bestimmungen. Das Gesetz sollte bei Lektüre dieses Skriptums Ihr ständiger Begleiter sein.
1. Teil Grundlagen und Grundbegriffe › A. Einleitung › I. Das private Baurecht
I. Das private Baurecht
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Das private Baurecht beurteilt sich überwiegend nach den Vorschriften des BGB. Dabei sind insbesondere sachenrechtliche Bestimmungen von Bedeutung. Daneben können aber auch Bestimmungen aus dem Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) sowie das Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB)[1] relevant werden.
1. Teil Grundlagen und Grundbegriffe › A. Einleitung › II. Das öffentliche Baurecht
II. Das öffentliche Baurecht
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Das öffentliche Baurecht versucht die Bautätigkeit in geordnete Bahnen zu lenken, indem es die Belange normiert, auf die beim Bauen Rücksicht zu nehmen ist. So wird beispielsweise in den §§ 30 ff. BauGB die Bautätigkeit auf bestimmte Bereiche konzentriert, um dergestalt eine völlig ungeordnete Bautätigkeit zu verhindern. Daneben bestimmt das öffentliche Baurecht aber auch, wie das einzelne zu errichtende Gebäude beschaffen sein muss und wie viel Meter Abstand es beispielsweise zum Gebäude auf dem Nachbargrundstück einhalten muss.
Das öffentliche Baurecht umfasst demnach die Summe der Rechtsregeln, die sich auf Zulässigkeit, Ordnung, Grenzen und Förderung der Errichtung baulicher Anlagen und auf deren bestimmungsgemäße Benutzung beziehen.[2] Dabei ist nun der Verteilung den Gesetzgebungskompetenzen im Grundgesetz (GG) folgend weiter zwischen Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht zu unterscheiden. In diese beiden Rechtsmaterien ist das öffentliche Baurecht zu unterteilen.
1. Bauplanungsrecht
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Das Bauplanungsrecht (Städtebaurecht) ist gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG eine Materie der konkurrierenden Gesetzgebung. Von dieser hat der Bund mit dem Erlass des Baugesetzbuches (BauGB) Gebrauch gemacht.
Kennzeichen des BauGB ist dessen Flächenbezogenheit. Das Bauplanungsrecht sieht das einzelne Bauvorhaben im größeren städtebaulichen Zusammenhang. Es regelt, wie die städtebauliche Ordnung beschaffen sein soll, wie diese erreicht und bewahrt werden kann und wie sich das einzelne Vorhaben darin einzufügen hat.[3]
Maßgebliche Gegenstände des Bauplanungsrechts sind das Recht der Bauleitplanung (§§ 1–13b BauGB), die Sicherung der Bauleitplanung (§§ 14–28 BauGB) und die Regelung der baulichen und sonstigen Nutzung (§§ 29–38 BauGB).
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Daneben ermächtigt das BauGB in § 9a das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen Rechtsverordnungen zu erlassen. Auf dieser Grundlage ist die Baunutzungsverordnung (BauNVO) erlassen, die maßgebliche Bestimmungen über Darstellungen und Festsetzungen in den Bauleitplänen enthält (§ 9a Nr. 1 BauGB).
JURIQ-Klausurtipp
Prägen Sie sich an dieser Stelle bereits ein, dass BauGB und BauNVO die maßgeblichen Normkomplexe für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Bauvorhabens darstellen. Kommentieren Sie sich neben § 9a Nr. 1 BauGB die BauNVO als auf dieser Ermächtigungsgrundlage erlassene Rechtsverordnung.
2. Bauordnungsrecht
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Das Bauordnungsrecht wird nicht von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG erfasst, sondern fällt nach Art. 30, 70 GG in die Zuständigkeit der Länder. In Bayern ist das Bauordnungsrecht überwiegend in der Bayerischen Bauordnung (BayBO) geregelt.
Anders als das flächenbezogene Bauplanungsrecht ist das Bauordnungsrecht objektbezogen und betrifft die einzelne bauliche Anlage.
Das Bauordnungsrecht regelt zum einen materiell-rechtliche Anforderungen an bauliche Anlagen und Bauprodukte (Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayBO) sowie an Grundstücke und andere Anlagen und Einrichtungen (Art. 1 Abs. 1 S. 2 BayBO). Zum Bauordnungsrecht gehören aber auch die die Bautätigkeit betreffenden Verfahrensvorschriften. Geregelt sind u.a. die Anforderungen an das Genehmigungsverfahren und die Aufgaben, Zuständigkeiten und Befugnisse der Bauaufsichtsbehörden.
Das materiell-rechtliche Bauordnungsrecht mit seinen Anforderungen an die einzelne bauliche Anlage stellt dabei eine Rechtsmaterie des besonderen Sicherheitsrechtes dar und dient insoweit primär Zielen der Gefahrenabwehr.[4]
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Hinweis
Daher wird das Bauordnungsrecht häufig auch als Baupolizeirecht bezeichnet.
Soweit die BayBO verfahrensrechtliche Bestimmungen enthält, verdrängt sie als das speziellere Gesetz das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht (vgl. Art. 1 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG).
Als weiteren landesrechtlichen Regelungskomplex gilt es in Bayern noch die Zuständigkeitsverordnung im Bauwesen (ZustVBau)[5] zu beachten, die abweichende Regelungen zur allgemeinen Zuständigkeit im bauordnungsrechtlichen Verfahren schafft (vgl. Art. 53 Abs. 2 BayBO).
3. Zusammenhänge zwischen öffentlichem und privatem Baurecht
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Privates und öffentliches Baurecht stehen grundsätzlich selbstständig nebeneinander. So prüft die Bauaufsichtsbehörde im Rahmen des Genehmigungsverfahrens auch nur die Übereinstimmung des Vorhabens mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften, vgl. Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO, der bestimmt, dass die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Weiter normiert Art. 68 Abs. 4 BayBO, dass die Baugenehmigung unbeschadet von Rechten Dritter erteilt wird.
JURIQ-Klausurtipp
Prägen Sie sich ein, dass eine Baugenehmigung nicht wegen entgegenstehender privater Rechte versagt werden kann.[6] Privatrechtliche Rechtsvorschriften gehören nicht zum Prüfungsgegenstand des öffentlich-rechtlich determinierten bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens.
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Lediglich in Fällen, in denen von vornherein feststeht, dass ein Bauvorhaben wegen offensichtlich entgegenstehender privatrechtlicher Gründe unter keinen Umständen ausgeführt werden kann, darf die Bauaufsichtsbehörde einen Bauantrag wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses ablehnen.[7]
Beispiel
Wenn der bekannte Stadtstreicher A sich einen Scherz dahingehend erlaubt, dass er für das Villengrundstück des Großindustriellen B einen Bauantrag für ein Wohnhaus stellt, und dieser Sachverhalt offensichtlich ist, darf die Bauaufsichtsbehörde ausnahmsweise die Durchführung eines bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens ablehnen, da offenkundig ist, dass A keine private Berechtigung hat, ein Gebäude auf dem Grundstück des B zu errichten. Es fehlt dann am Sachbescheidungsinteresse für ein Baugenehmigungsverfahren des A.
4. Zusammenhänge zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
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Anders als privates und öffentliches Baurecht können Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Die Grenzen zwischen Bauplanungsrecht und Bauordnungsrecht sind fließend. Ausgangspunkt dieser Überlegung ist wiederum die Bestimmung des Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO, wonach die Baugenehmigung zu erteilen ist, wenn sie nicht öffentlich-rechtlichen Bestimmungen widerspricht, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Unter diesen Begriff des öffentlichen Rechts lassen sich nicht nur Bestimmungen der BayBO fassen, sondern insbesondere auch solche des Bauplanungsrechts. Art. 59 S. 1 Nr. 1 und Art. 60 S. 1 Nr. 1 BayBO bestätigen diese Überlegung. Unabhängig von der Art der zu errichtenden Anlage ist stets im Genehmigungsverfahren die Übereinstimmung mit den bauplanungsrechtlichen Vorschriften der §§ 29–38 BauGB zu untersuchen. Art. 60 S. 1 Nr. 2 BayBO bestimmt darüber hinaus, dass weiterer Prüfungsgegenstand bei Vorliegen eines Sonderbaus (Art. 2 Abs. 4 BayBO) die Vereinbarkeit mit Normen der BayBO ist. Bei Vorhaben, die nicht dem Art. 2 Abs. 4 BayBO (Sonderbau) unterfallen, ist die Prüfung der BayBO hingegen eingeschränkt. Geprüft werden hier nur die Vorschriften über das Abstandsflächenrecht (Art. 6 BayBO), örtliche Bauvorschriften (Art. 81 Abs. 1 BayBO und Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BayBO (Art. 59 S. 1 Nr. 1b, 1c, Nr. 2).
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass Bauplanungs- und Bauordnungsrecht durchaus materiell-rechtliche Schnittstellen aufweisen (Art. 68 Abs. 1 S. 1 BayBO, Art. 59, 60 BayBO) und auch verfahrensrechtlich verknüpft sind.[8]
Beispiel
Wenn Bauträger A ein Hochhaus (vgl. Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 BayBO) im Innenbereich der Gemeinde B errichten will, beurteilt sich dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34 Abs. 1 bzw. 2 BauGB. Es ist bauplanungsrechtlich insoweit die Frage zu stellen, ob sich das Hochhaus in seine nähere Umgebung „einfügt“. Ob das Hochhaus die Abstandsflächen zum Nachbargrundstück einhalten kann, ist dagegen eine objektbezogene Frage an das Einzelbauvorhaben. Diese Frage der Abstandsflächen ist bauordnungsrechtlich über die Bestimmung in Art. 6 BayBO zu beantworten. Wegen Art. 60 S. 1 Nr. 1 (Prüfung der Vereinbarkeit mit § 34 BauGB) bzw. Art. 60 S. 1 Nr. 2 BayBO (Vereinbarkeit mit Art. 6 BayBO), Art. 2 Abs. 4 Nr. 1 BayBO (Hochhaus), darf die Bauaufsichtsbehörde die Genehmigung für das Hochhaus nur dann erteilen, wenn das Vorhaben kumulativ die öffentlich-rechtlichen Bestimmungen aus BauGB und BayBO einhält.
Hinweis
Beachten Sie aber an dieser Stelle bereits, dass die bauliche Tätigkeit nicht ausschließlich durch das Bauplanungsrecht des BauGB und das Bauordnungsrecht der BayBO geregelt wird, sondern dass auch eine Vielzahl anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften relevant werden kann. Dies können beispielsweise Vorschriften aus dem Bereich des Naturschutzrechts, Wasserrechts, Denkmalschutzrechts oder auch des Glücksspielrechts sein. Letztlich ist dies abhängig von der Art des zu verwirklichenden Vorhabens (vgl. Art. 59 S. 1 Nr. 3 bzw. Art. 60 S. 1 Nr. 3 BayBO; näheres dazu später) und seiner Umgebung.