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1. Strategie Schauen Sie durch die richtige Brille
ОглавлениеHaben Sie schon einmal feststellen müssen, dass Ihre Version von der vermeintlichen Wahrheit am Ende gar nicht so zutreffend oder so vollständig war, wie Sie zunächst gedacht haben?
Dann ist die 1. Strategie vielleicht etwas für Sie:
Schauen Sie durch die richtige Brille.
Solange Sie nicht durch die richtige Brille schauen, fühlt sich Ihr »Raum« möglicherweise wie Sartres Hölle an, weil …
• Sie sich in Ihrem Handeln auf unzutreffende Informationen stützen,
• Sie nicht die Ergebnisse erzielen, die Sie sich wünschen,
• Sie sich dämlich vorkommen, weil Sie erkennen müssen, dass Ihre Version der Wahrheit unvollständig und fehlerhaft ist.
Perfekt gekleidet und große Eile ausstrahlend kam Jon in mein Büro. Er leitete ein Team, das permanent unter Druck stand. Seine Leute mussten hohe Qualitätsziele erreichen und enge Fristen einhalten. Jon hatte den Ruf, sich über jeden und alles zu ärgern, was den Gang der Dinge verlangsamte. Sein Gesichtsausdruck ließ keinen Zweifel zu: Er war unzufrieden.
»Todd, hast du einen Augenblick?«, fragte er und schloss die Tür hinter sich. Dabei wusste er ganz genau, dass ich als Chief People Officer eine Politik der offenen Tür praktizierte.
»Natürlich«, erwiderte ich und bot ihm einen Platz an. Er zögerte einen Augenblick. Jon war es gewohnt, während des Sprechens ständig auf und ab zu gehen. Schließlich nickte er. Er setzte sich und sah aufgrund des plötzlichen Mangels an Bewegung noch gestresster aus.
»Worum geht es?«, half ich ihm auf die Sprünge. Jon rieb sich die Augen und ordnete seine Gedanken.
»Es ist wegen Isabel«, sagte er sichtlich frustriert. »Sie werkelt gemächlich vor sich hin und gefährdet damit unsere Deadline. Und das nicht zum ersten Mal!«
Isabel war Projektmanagerin und Jons Kollegin. Umsichtig, intelligent und mit einem Blick für die größeren Zusammenhänge war sie ein wertvolles und verlässliches Mitglied unseres Unternehmens. Zudem schien sie immun gegenüber Jons Dringlichkeitswahn zu sein.
»Ich verstehe. Wie kann ich helfen?«
»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon.« Ich bin nicht der Menschen-Typ.«
Bei Jons Erklärung, er sei kein »Menschen-Typ«, musste ich daran denken, dass wir nicht nur uns selbst, sondern auch die Menschen um uns herum durch eine Brille sehen. Und wie das bei Brillen nun mal so ist, stellen sie die Wirklichkeit entweder viel schärfer oder aber ziemlich verzerrt dar. Ich weiß, warum ich diesen Vergleich hier bringe. Denn ich habe diese Erfahrung selbst gemacht, als ich als Kind eine Brille bekam. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich als Zweitklässler zum ersten Mal eine Brille trug: Plötzlich konnte ich die Blätter an den Bäumen mehrerer Straßenblocks vor mir erkennen. Tausende weitere Details, die mir bislang komplett entgangen waren, wurden sichtbar. Auf einmal zeigte sich mir die ganze Welt in nie geahnter Klarheit.
Das Komische war, dass ich früher gar nichts vermisst hatte. Für mich hatte alles so ausgesehen, wie es aussehen sollte. Alles schien seine Richtigkeit zu haben. Kein Wunder, dass mir mein Kunstlehrer vorgeschlagen hatte, Buchhalter zu werden. Erst die Brille machte mir bewusst, was mir bislang alles entgangen war. Vielleicht denken Sie, ein paar zusätzliche Blätter an irgendwelchen Bäumen machen keinen großen Unterschied. Doch hier geht es um etwas wesentlich Grundsätzlicheres. Etwas, das der Philosoph Thomas Kuhn ganz wunderbar beschreibt: »Alle entscheidenden Durchbrüche gehen mit einem Bruch alter Denkweisen einher.« Oder anders ausgedrückt: Unsere Sicht der Dinge beeinflusst unser Denken und unser Fühlen. Das wirkt sich wiederum auf unser Tun und unsere Ergebnisse aus. Das zeigt auch die folgende Geschichte:
Vor etlichen Jahren beschloss ein Bekannter von mir, etwas für seine Figur zu tun und regelmäßig joggen zu gehen. Dieser Entschluss war für ihn aus zwei Gründen sehr wichtig: Erstens wollte er gesünder leben und zweitens wünschte er sich mehr Schwung und Energie, um für seine Familie da sein zu können. Zwei Tage lang hielt er durch. Doch am dritten Tag stolperte er und verstauchte sich das Sprunggelenk. Das war äußert schmerzvoll. An Joggen war erst mal nicht zu denken. Im Gegenteil: Die Verletzung brauchte mehrere Monate, um auszuheilen.
Als die Zeit gekommen war, die Krücken gegen die Joggingschuhe zu tauschen, konnte er sich allerdings nicht dazu entschließen. Er verzichtete aufs Joggen, obwohl es der Schlüssel zu einer gesünderen, verantwortungsvolleren Lebensweise war. Woran das lag? Mein Bekannter nahm die Welt durch eine Brille wahr, die ihm vorgaukelte, dass er kein sportlicher Typ und die Welt ohnehin voller Fallstricke sei. Diese Sichtweise beeinflusste sein Denken: Er glaubte, dass die Joggingidee von Anfang an ein großer Fehler gewesen war. Dieses Denken wiederum löste bestimmte Gefühle bei ihm aus: Er fühlte sich antriebslos und ängstlich. Und diese Gefühle beeinflussten sein Verhalten: Er wurde wieder zum Couchpotato. Die Ziele, die ihm so wichtig gewesen waren, waren schnell vergessen.
Wie wir uns selbst und die Welt um uns herum sehen, bezeichnen wir als Paradigma. Dieser Begriff ist mittlerweile stark verbreitet. Wahrscheinlich sind Sie beim Buzzword-Bingo-Spielen in der Meeting-Pause schon mal dem Wort »Paradigmenwechsel« begegnet. Was das genau bedeutet? Hier möchte ich gerne Dr. Covey zitieren:
Solange wir uns lediglich kleinere Veränderungen wünschen, genügt es, wenn wir an unserem Verhalten arbeiten. Wollen wir jedoch Veränderungen, die einem Quantensprung gleichkommen, müssen wir an unseren grundlegenden Paradigmen arbeiten.
Wenden wir uns wieder meinem Bekannten zu und schauen genauer hin, was hier passiert ist. Sein Sprunggelenk war wieder in Ordnung. Er hatte zwei funktionierende Beine und war in guter, wenn auch nicht in überragender gesundheitlicher Verfassung. Sein Arzt meinte, dass er wieder mit dem Joggen beginnen könnte – besser gesagt: sollte! Und im Schrank wartete ein fast neues Paar Laufschuhe darauf, endlich wieder getragen zu werden. Sicher, die Welt ist voller Stolpersteine. Aber er hätte nur die Augen offen halten und seine Schritte sorgfältiger setzen müssen. Stellen Sie sich vor, was passiert wäre, wenn mein Bekannter seine »Brille« gegen eine hilfreichere eingetauscht hätte:
• Sehen: Ich bin in der Lage zu joggen und dabei den kleinen Hindernissen, die sich mir in den Weg stellen, auszuweichen.
• Denken: Ich kann, soll, will und werde wieder mit dem Joggen beginnen.
• Fühlen: Ich bin zuversichtlich, dass ich die Ziele, die mir so wichtig sind, erreichen kann.
• Tun: Ich hole die Schuhe aus dem Schrank und laufe einfach los.
Es genügt schon, dass wir beschließen, uns selbst durch eine andere Brille zu sehen. Allein dadurch lösen wir einen Dominoeffekt aus, der unser Denken, Fühlen und Handeln maßgeblich beeinflusst. Hier haben wir es mit einem grundlegenden, universellen Prinzip zu tun. Es hilft uns, bedeutsame Veränderungen in unserem Leben anstoßen. Haben Sie auch immer wieder ein unzutreffendes Bild von sich selbst? Denken Sie beispielsweise:
• Ich gehöre nicht dazu.
• Ich bin zu faul.
• Ich habe keine Geduld.
• Ich werde niemals gut genug sein.
• Ich kann mich nicht ändern – ich bin, wie ich bin.
Auch von anderen und der Welt um uns herum machen wir uns oft ein falsches Bild:
• Alles hat sich gegen mich verschworen.
• Am Ende geht immer alles schief.
• Meine Bekannte ist total rücksichtslos.
• Mein Kollege weiß einfach nicht, was er tut.
• Auf andere ist eben kein Verlass.
• Meine Mitarbeiter werden sich nie ändern.
Auch für mich war das Joggen der Anlass, um mich einmal näher mit dem Bild, das ich von mir und anderen habe, zu befassen. Das hatte weitreichende Folgen für mich und für eine sehr wichtige Beziehung in meinem Leben. Bei meiner Vorliebe für Jogging-Geschichten muss ich an einen alten Witz denken: Woher wissen Sie, ob jemand an einem Marathon teilnimmt? Keine Sorge, er oder sie wird es Ihnen ganz bestimmt erzählen!
Vor einigen Jahren hatte meine Tochter Sydney ein Problem, das viele andere Jugendliche auch haben. Sie hatte einfach kein Selbstvertrauen. Erschwerend kam hinzu, dass sie schon sehr früh ihr Hörvermögen verloren hatte. Die Verständigung mit anderen machte ihr oft Mühe. Deshalb wurde sie häufig gehänselt. Zu dieser Zeit hatte ich gerade damit begonnen, regelmäßig zu joggen. Also überlegte ich, ob ihr die Teilnahme an einem Marathon vielleicht guttun würde. Ihr schien die Idee zu gefallen – und so starteten wir unser gemeinsames Trainingsprogramm. Doch ihr Eifer ließ ganz schnell nach. Das frühe Aufstehen und die große Anstrengung waren zu viel für sie, sodass sie keine Lust mehr hatte und resigniert die Segel strich. Meine erste Reaktion war Enttäuschung. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, war ich auch erleichtert. Denn jetzt konnte ich mich wieder auf mein eigenes Ziel konzentrieren: Ich wollte den Marathon unbedingt in weniger als vier Stunden schaffen.
Der Marathon kam. Doch ich verpasste mein Ziel. Und Sydney hatte weiter mit sich selbst zu kämpfen.
Im nächsten Jahr fragte ich sie, ob sie einen neuen Anlauf starten wollte. Sie war einverstanden – und wir beide legten wieder los. Diesmal hielt Sydney etwas länger durch. Aber als es morgens immer kälter wurde, schmiss sie wieder das Handtuch. Auch dieses Mal war ich enttäuscht, konzentrierte mich dann aber intensiv auf mein Training. Der Marathon kam. Doch ich verpasste wieder mein Ziel. Und Sydney hatte noch immer mit sich selbst zu kämpfen.
Im Jahr darauf legte ich eine Pause ein. Ich wollte mir Zeit nehmen, um herauszufinden, was genau passiert war. Offensichtlich führten meine guten Absichten allein nicht zum Ziel. Ich dachte intensiv über meine Tochter nach. Mir wurde klar, wie stark sie in Wahrheit war. Im Zusammenhang mit ihrem Gehörverlust hatte sie Hindernisse gemeistert, die mir selbst absolut unüberwindlich erschienen. Sydney zeichnet sich durch eine geradezu unglaubliche Kombination aus Stärke und Beharrlichkeit aus. Das Problem lag also nicht bei ihr. Es lag an mir! Ich hatte meiner Tochter nicht wirklich zugetraut, den Marathon zu meistern. Und das hatte sich auf unser Training ausgewirkt. Um ein Beispiel zu nennen: Weil sie langsamer war als ich, lief ich oft um sie herum. Ja, wirklich, ich lief um sie herum! Heute schäme ich mich dafür. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie entmutigend es sein muss, jemanden neben sich zu haben, der jeden Morgen im Kreis um einen herumrennt. Ich bin sicher, dass Sydney das Gefühl hatte, mich nur aufzuhalten. Deshalb fiel ihr das Aufhören auch so leicht. Sie wollte mir nicht im Weg stehen!
Dennoch gab ich nicht auf. Ich frage Sydney zum dritten Mal, ob sie am Marathon teilnehmen wolle. Dabei betonte ich, dass ich fest daran glaubte, dass sie es schaffen würde. Und diesmal war meine Überzeugung echt! Das übertrug sich auf Sydney. Sie begann, an sich zu glauben. Wir starteten wieder mit dem Training. Doch jetzt konzentrierte ich mich voll und ganz auf meine Tochter. Beispielsweise trug ich die Wasserflaschen für uns beide oder ich lief mit etwas Abstand hinter ihr her, damit sie das Tempo bestimmen konnte. Und dieses Mal gab Sydney nicht auf. Allein das war schon ein großer Erfolg. Allerdings wusste ich, dass noch viel mehr möglich war: Ich war sicher, dass meinen Tochter die innere Stärke hatte, nicht nur an den Start zu gehen, sondern es auch bis ins Ziel zu schaffen.
Der Marathon kam – und ich war felsenfest davon überzeugt, dass Sydney die Ziellinie überqueren würde. Doch ich hatte eine große Sorge. Ich hatte Angst, dass wir das Ziel erst erreichen würden, nachdem die Ballons schon abgenommen worden waren und die Zuschauer bereits wieder nach Hause gegangen waren. In Anbetracht unserer letzten Trainingsläufe nahm ich an, dass wir ungefähr bei fünfeinhalb Stunden landen würden. Wenn wir uns mächtig ins Zeug legten, vielleicht auch bei fünf Stunden und 20 Minuten …
Der Startschuss fiel und wir liefen los. Ich kann mich noch erinnern, dass ich bei der 25-Kilometer-Marke zu Sydney sagte, der Marathon verginge zu schnell. Sie schaute mich an, als ob ich verrückt sei. Wo hat sich schon einmal ein Marathonläufer darüber beschwert, dass das Rennen zu schnell vorbei ist? Aber genau das war mein Gefühl. Es machte mir einfach eine riesengroße Freude, zu sehen, wie Sydney dieses unglaubliche Ziel erreichte. Wir überquerten die Ziellinie, lange bevor die Ballons abgenommen wurden – mit einer Zeit von vier Stunden und 23 Minuten. Wir waren überglücklich. Sydney fühlte sich wie auf dem Gipfel der Welt. Diesen Moment werde ich niemals vergessen. Der Zieleinlauf bei meinem ersten Marathon war eine aufregende Sache. Aber es war nichts im Vergleich zu dem Gefühl, gemeinsam mit meiner Tochter ihre erste Ziellinie zu überqueren. Nicht auszudenken, was gewesen wäre, wenn ich Sydney weiterhin durch die falsche Brille gesehen hätte!
Und so bewährte sich die Strategie »Schau durch die richtige Brille« für mich im Zusammenhang mit meiner Tochter:
• Sehen: Ich beschloss, in Sydney jemanden zu sehen, der die Stärke und die Fähigkeit hatte, den Marathon bis zum Ende zu laufen.
• Denken: Ich veränderte meine Trainingsstrategie dahingehend, dass ich mich voll und ganz auf meine Tochter konzentrierte.
• Fühlen: Ich war überzeugt, dass sie es schaffen würde. Und ich wusste, dass sie diese Zuversicht spürte.
• Tun: Wir trainierten so, dass wir die Ziellinie am Ende gemeinsam überqueren konnten.
Immer, wenn ich an den Marathon mit meiner Tochter und die erste Strategie aus diesem Buch denke, kommen mir die Worte in den Sinn, die angeblich in den Grabstein eines anglikanischen Bischoffs in der Westminster Abbey gemeißelt sind:
Als ich jung und frei und meine Fantasie grenzenlos war, träumte ich davon, die Welt zu verändern.
Als ich älter und weiser wurde, verstand ich, dass ich die Welt nicht verändern konnte. So engte ich meinen Blick ein wenig ein und beschloss, nur noch mein Land zu verändern.
Aber auch mein Land, so schien mir bald, konnte ich nicht verändern.
Als ich in die Jahre kam, beschloss ich in einem letzten verzweifelten Anlauf, meine Familie und die Menschen in meinen engsten Umkreis zu verändern. Aber, oh weh! Auch das war mir nicht möglich.
Und jetzt, wo ich auf dem Sterbebett liege, wird mir schlagartig klar: Hätte ich nur mich selbst zuerst verändert, so hätte ich mit meinem Beispiel meine Familie verändert. Mit ihrer Inspiration und Ermutigung wäre ich in der Lage gewesen, mein Land zu verändern. Und, wer weiß, vielleicht hätte ich sogar die Welt verändert!
Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir durch die sichtverzerrende Brille schauen, die wir allzu oft aufhaben. Die gute Nachricht lautet: Wir haben die Wahl, diese Brille gegen eine bessere einzutauschen. Und das gilt natürlich auch für meinen Kollegen Jon.
»Ich brauche jemanden wie dich, der mit ihr redet«, erwiderte Jon. »Ich bin nicht der Menschen-Typ.«
Und da war es: Die so sehr verbreitete Vorstellung, dass wir nun einmal sind, wie wir sind, und uns nicht ändern können. Mir war klar, dass Jon in mein Büro kam, um mich als Verbündeten zu gewinnen, der ein ernstes Wörtchen mit Isabel reden sollte. Aber ich spürte, dass sich dahinter noch etwas wesentlich Wichtigeres verbarg. Also fragte ich ihn: »Jon, sag mir, warum glaubst du das?«
»Warum ich was glaube?«
»Dass du nicht der Menschen-Typ bist.«
Ich konnte an seinem Gesichtsausdruck erkennen, dass das nicht die Antwort war, die er erwartet hatte. Er räusperte sich, bevor er fortfuhr. »Na ja, du weißt schon …«
Ich ließ nicht locker: »Was genau weiß ich?«
Jon seufzte: »Sieh mal, ich bin jemand, dem Ergebnisse wichtig sind.« Das war eine Litanei, die ich schon unzählige Male von ihm gehört hatte. »Ich will vorwärtskommen und Ziele erreichen. Damit schrecke ich manche Leute ab. Ich habe einfach kein Talent für Soft Skills und das Zwischenmenschliche.«
»Sag mal: Wie lange bist du jetzt schon verheiratet?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort sehr genau kannte.
»19 Jahre.«
Ich wusste, dass Jon ein wunderbarer Ehemann und Vater war. Deshalb nahm ich ihm seine Selbsteinschätzung nicht ab und sagte: »Das klingt, als ob dir die zwischenmenschlichen Dinge doch nicht so fremd wären.«
Jon wollte schon widersprechen. Aber dann hielt er inne. Ich denke, er kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich nicht einfach die Segel streichen würde. Also hob er die Hände und ließ sich tief in den Sessel sinken. »Okay. Gut. Ich ergebe mich!«
»Sagen wir also, dass du in Wahrheit sehr wohl der Menschen-Typ bist«, fuhr ich fort. »Wie würdest du dann die Situation mit Isabel regeln?«
»Also, vermutlich sollte ich nicht mit dir, sondern mit ihr reden.«
Ich nickte. »Mir gefällt das mit dem Reden, weil es hier um gegenseitigen Respekt und gemeinsame Ziele geht. Ich stelle mir vor, dass ihr beide, Isabel und du, dasselbe wollt. Mein Vorschlag lautet, dass du dich von der Vorstellung verabschiedest, du wärst kein Menschen-Typ, und stattdessen ein konstruktives Gespräch mit deiner Kollegin führst. Vielleicht solltest du auch dein Bild von Isabel überdenken.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, es fällt mir schwer zu glauben, dass Isabel die Einhaltung des Termins nicht genauso wichtig ist wie dir.«
Jon überlegte einen Augenblick. »Ja, das werde ich bedenken. Du könntest recht haben.«
Als Jon aufstand, konnte er sich das Grinsen kaum verkneifen: »Dir macht das mit den ›Menschen‹ wirklich Spaß, oder?«