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Kompetenz

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Viele Menschen glauben, ein starker Charakter könne einen Mangel an Kompetenz wettmachen. Das erinnert mich an Craig, einen ehemaligen Kollegen. Er war verlässlich und umgänglich. Niemand zweifelte an seiner Ehrlichkeit und Integrität. Er vergaß niemals einen Geburtstag, verhielt sich gegenüber allen rücksichtsvoll und merkte sich wichtige Ereignisse im Leben seiner Kunden. Für ihn stand der Mensch immer an erster Stelle.

Dann kam der Augenblick, als Craig und seine Kollegin Marta für denselben Kunden arbeiteten. Der Kunde wollte die Angebote unseres Unternehmens auch für ein weiteres, wesentlich größeres Projekt in Anspruch nehmen. Als Projektleiter kamen entweder Craig oder Marta infrage. Beide hatten einen guten Charakter. Doch Marta hatte deutlich mehr Zeit und Energie investiert, um ihre Kompetenz weiter auszubauen. Sie hatte verschiedene Weiterbildungskurse besucht und ihr betriebswirtschaftliches Wissen auf den neusten Stand gebracht. Außerdem hatte sie im Lauf der Jahre mehreren Top-Beratern über die Schulter geschaut. Es war für jeden offensichtlich, dass sie sich in einem kontinuierlichen Lernprozess befand und fachlich immer besser wurde. Schließlich entschied sich der Kunde für Marta. Mochte ihr Kollege Craig auch noch so sympathisch sein – am Ende zählte, dass Marta alles dafür gegeben hatte, ihre berufliche Qualifikation konsequent zu verbessern. Craig war maßlos enttäuscht. Das ging so weit, dass er die Entscheidung als unfair empfand. Er ließ seinem Frust freien Lauf. Und als sich die Geschichte bei anderen Kunden wiederholte, schmiss er schließlich seinen Job. Craig hatte seine Glaubwürdigkeit verloren, weil er es versäumt hatte, sich um seine Kompetenz zu kümmern.

Wenn wir unsere Kompetenz erhöhen wollen, müssen wir bereit sein, unsere Komfortzone zu verlassen. Ein Bekannter berichtete mir von Malee. Sie war ziemlich schüchtern. Deshalb hatte sie große Mühe, von ihren Vorgesetzten wahrgenommen zu werden. Sie war eine gute Seele. Doch sie blieb die Gefangene ihrer Schüchternheit. Sie hatte nicht einmal den Mut, an Teambesprechungen teilzunehmen. Ein Wechsel im Management brachte ihr eine neue Vorgesetzte. Sie erwartete von allen Mitarbeitern, dass sie an den Meetings teilnahmen. Als Malee erfuhr, dass ihre Anwesenheit obligatorisch war und sie eigene Gedanken beisteuern sollte, wie die Prozesse verbessert werden könnten, war sie geschockt. Sie war davon überzeugt, dass ihre Ideen es nicht wert waren, gehört zu werden. Und noch schlimmer: Sie hatte noch nie im Leben vor versammelter Runde das Wort ergriffen. Doch sie wollte besser werden. Also fasste sie sich ein Herz und bat ihre Kollegin Lisa, ihr als Mentorin beizustehen. Sie beichtete Lisa auch, dass sie gerade erst gefragt worden war, ob sie einen Vortrag in ihrem Verein halten könnte. Aber sie hatte abgelehnt, obwohl sie die Leute im Verein gerne mochte und sich mit dem Thema bestens auskannte. Malee war voller Sorge: Wie sollte sie vor ihren Kollegen das Wort ergreifen, wenn sie nicht einmal den Mut hatte, vor den Vereinsmitgliedern zu sprechen?

Deshalb machte Lisa eine Vorschlag: Malee sollte ihr ihre Ideen immer vor der Teambesprechung in einem Vier-Augen-Gespräch mitteilen. Lisa würde die Vorschläge dann in der Sitzung vortragen – und zwar, ohne Malee als Quelle zu nennen. So konnte Malee sehen, wie die anderen auf ihre Ideen reagieren würden. Malee war einverstanden und traf sich von nun an einmal wöchentlich mit Lisa.

Wenige Teambesprechungen genügten, um Malee zu zeigen, dass die Kollegen sehr positiv auf ihre Vorschläge reagierten. Das machte ihr Mut und sie begann, hin und wieder selbst etwas beizusteuern. Mit dem positiven Feedback von Lisa und den Kollegen baute Malee ihr Selbstvertrauen immer weiter aus. Die Teammitglieder staunten über die guten Ideen, die Malee einbrachte. Schließlich schlug Malee sogar vor, einen Schritt aus dem Herstellungsprozess auszulassen, den sie für komplett überflüssig hielt. Für die bescheidene Malee war es ein einmaliges Erlebnis, als die Kollegen ihr zustimmten. Allerdings ging es um einen großen Einschnitt im Produktionsablauf. Deshalb musste der Vorschlag erst einmal der Unternehmensleitung vorgelegt werden. Die Kollegen schlugen vor, dass Malee ihre Idee selbst vor der Geschäftsführung präsentieren solle. Erst lehnte sie ab. Doch nachdem Lisa ihr gut zugeredet hatte, nahm sie allen Mut zusammen. Sie übte ihre Präsentation immer und immer wieder und bat die Kollegen um Feedback. Schließlich stellte Malee ihre Idee der Unternehmensleitung vor – und ihr Vorschlag wurde übernommen. Dadurch sparte das Unternehmen in wenigen Monaten 65 000 US-Dollar ein und in den folgenden Jahren sogar noch viel mehr. Für Malee war es nicht einfach, ihre Ängste zu überwinden. Doch ihre neu gewonnene Kompetenz im Vortragen von Ideen verschaffte ihr ein hohes Maß an Vertrauen und Glaubwürdigkeit im gesamten Unternehmen.

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