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Charles Geschichte
Оглавление»Ich will euch eine Geschichte von einem jungen Mann erzählen. Er war damals Soldat und war in der Normandie stationiert.« sagte der Großvater »In der Normandie ging es gefährlich zu, müsst ihr wissen. Damals hatte man gar nicht gewusst, was los war. Klar, es war ja Krieg aber auf einmal war er so dicht dran, das konnten die Leute dort gar nicht glauben.«
Der Großvater saß mit seinen Kindern und Enkelkindern am Tisch im Garten und erzählte mal wieder eine seiner alten Geschichten. Peter, sein Sohn, erhoffte sich bald eine willkommene Ablenkung zu finden und suchte verzweifelt in seinem Gehirn nach einer passenden Idee. Seine Tochter dagegen hörte ihrem Vater gerne zu. Sie war selten zu Besuch auf dem heimischen Hof in der Bretagne und freute sich immer, wenn ihre Kinder ihren Großvater besser kennenlernen konnten. Auch wenn es scheint, als seien viele seiner Geschichten, die er immer so liebend gerne erzählte, ausgedacht.
»Charles DuMont, so hieß der junge Mann, und seine Kameraden hatten von ihrem Vorgesetzten erfahren, dass die Amerikaner und Engländer einen Angriff planten und sie sollten sich in ihre vorgegebenen Positionen begeben. Dann wünschte er ihnen noch viel Glück und das war das letzte Mal, dass Charles ihn gesehen hatte.« sagte der Großvater. »Es war ein sonniger Tag und sie waren ja alle bereits den Lärm der Schüsse und Granateinschläge gewohnt, daher war es für sie ein Tag wie jeder andere. Doch als sie über das wunderschöne Meer hinaus sahen und dabei dunkel am Horizont die vielen Hundert Schiffe sehen konnten, wurde ihnen mulmig zumute und fast alle bekamen es mit der Angst zu tun.« sagte der Großvater und wurde unterbrochen.
»Wo ist die Normandie, Opa?« fragte sein Enkel.
»Das ist ein Landstrich im Norden Frankreichs, mein Junge.« er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Charles hatte mit Jean und Pascal Wachdienst. Sie saßen in einem Erdloch und versuchten sich mit Kartenspielen von dem drohenden Unheil abzulenken. Aber es wollte ihnen nicht gelingen.
Irgendwann gegen Mittag fing es dann an. Sie sahen die ersten Landungsboote auf den Strand aufsetzen und Tausende von englischen und amerikanischen Soldaten aus diesen herausstürmen. Die ersten Granaten, abgefeuert von den weit entfernt liegenden Schiffen, pfiffen laut durch die Luft, woraufhin ein unbeschreiblicher Lärm losbrach. Charles verlor auf einmal das Bewusstsein und plötzlich wurde es still und dunkel um ihn.«
Der Großvater machte eine kurze Pause und sah die Kinder betroffen an.
»Als er wieder zu sich kam, lag er in einem gemütlich weichen Bett, in einem mit Licht durchfluteten Zimmer und fühlte sich, als ob er drei Tage lang durchgehend auf dem Acker bei der Kartoffelernte geholfen hätte« sagte der Großvater und stand auf, um sich etwas zu trinken zu holen.
»Was ist denn passiert, wo war er denn« fragten seine Enkelkinder ungeduldig!
»Er war in Irland« antwortete sein Onkel und machte eine Miene als wolle er sagen, der alte Mann redet wirres Zeug.
»Du glaubst ihm immer noch nicht, oder?« raunte die Mutter der beiden ihren Bruder an.
»Wenn ich diese Geschichte noch mal hören muss, dann kann ich für nichts garantieren! Ich glaube, ich gehe mir lieber mal die Beine vertreten.« sagte er.
Er stand auf und ging durch den Garten hindurch raus auf die Straße. Seine Schwester sah ihm kurz nach. Eigentlich war er gar nicht so grob und gefühllos, wie es jetzt den Anschein machte.
»Na, träumst du wieder?« fragte der Großvater seine Tochter und setzte sich wieder an den Tisch.
»Opa, nun erzähl doch endlich weiter« forderten die Enkelkinder ihn eindringlich auf und lenkten ihn so von seinen eigenen Kindern ab.
»Als Charles aufwachte, war er, wie bereits gesagt, in einem mit Licht durchfluteten Raum. Er sah anfänglich nur weiße Wände und ein großes Fenster mit schönen langen weißen Gardinen. Aber allmählich konnte er auch kleine Bilder an den Wänden hängen sehen und entdeckte auch einen kleinen Schrank neben seinem Bett. Hier stand ein Krug mit Wasser für ihn bereit und er freute sich, das kalte Wasser trinken zu können. Natürlich versuchte er sogleich aufzustehen, er war aber noch etwas wackelig auf den Beinen. Er versuchte gerade, neben dem Bett zu stehen, als er jemanden außerhalb des Zimmers hörte. Die Dielen knarrten und er vermutete, dass er gleich Besuch bekommen würde. Einen Augenblick später sah er auch schon, wie sich der Türknauf bewegte. Er hatte sich schnell wieder hingelegt und schlafend gestellt, um erst einmal Zeit zu gewinnen. Sicherlich schien es ein gemütlicher Ort zu sein, an dem er da war, aber damals musste man mit allem rechnen. So auch mit der Möglichkeit in Gefangenschaft zu sein.
Als er ganz leicht die Augen öffnete, sah er einen Mann, der neben seinem Bett stand und den Krug tauschte. Während er dieses tat, hielt er kurz inne und wandte sich dann um zu Charles. Er hatte wohl bemerkt, dass Wasser im Krug fehlte und vermutete, dass Charles wach war, denn er fing auf einmal an, mit ihm zu reden. Charles musste eine Kugel am Kopf getroffen haben, dachte er so gleich, da er den Mann nicht verstehen konnte. Er schlug seine Augen auf und der Mann hatte nun Gewissheit, dass Charles wach war.
Er hatte noch einige Male etwas gesagt, es aber dann bald aufgegeben, da er gemerkte hatte, dass Charles ihn nicht verstand. Kurz, nachdem er den Raum verlassen hatte, kam eine junge Frau in Charles Zimmer und redete in einem gebrochenen Französisch mit ihm. Sie fragte ihn, wer er sei und woher er komme. Er wunderte sich zwar ein wenig über die Frage, stellte sich aber sogleich mit Charles DuMont vor und erklärte ihr, dass er Franzose sei und aus der Bretagne komme. Sie sah ihn misstrauisch an.
»Weißt du, wo du bist?« fragte die Fremde Charles.
»Ich nehme an in Frankreich?« antwortete Charles ihr prompt.
»Du befindest dich in Irland, genauer gesagt an der Südküste, in Glengarriff.« erwiderte Sie ihm.
Charles verstummte und schaute die Frau verwundert an. Er überlegte kurz, an was er sich als Letztes erinnern konnte! Er war mit seinen Kameraden zusammen gewesen und sie hatten gesehen, wie die feindlichen Truppen ihnen entgegen kamen. Von da an konnte er sich an nichts mehr erinnern.
»Vor einigen Tagen soll hier in der Nähe ein Flugzeug abgestürzt sein! Dich haben wir am Wegesrand liegen sehen und wir denken, du warst in dem Flugzeug. Vielleicht hast du dich nach dem Absturz irgendwie befreien können und bist bis zur Straße gekommen.« sagte sie und fügte hinzu »Ich heiße übrigens Claris.«
Charles war verwirrt. An ein Flugzeug oder Ähnliches konnte er sich noch weniger erinnern.
»Welches Datum haben wir heute?« fragte er.
»Der 10. Juni« sagte Claris. Charles wurde nun klar, dass er bereits seit vier Tagen ohne Bewusstsein gewesen sein muss. Der Angriff auf seine Stellung war am 6. Juni und das war das Letzte, woran er sich erinnern konnte.
Nachdem Charles sich angezogen hatte, trat er in eine Stube, die ihm wie im Traum vorkam. Er sah vor sich einen reich gedeckten Tisch mit den leckersten Sachen, die er sich selbst im Traum nicht hätte vorstellen können. Er hörte einen Ofen, in dem das Holz laut im Feuer knackte. Auf dem Ofen sah er einen großen Krug stehen, aus dem der Duft von heißer Milch mit Schokolade strömte. Claris, ihr Vater Dan sowie ihre Brüder Steven und Jim saßen bereits am Tisch und erwarteten Charles ungeduldig. Sie hatten noch nicht gefrühstückt und warteten sehnsüchtig darauf, endlich anfangen zu können. Charles setzte sich an den Tisch und sogleich begannen alle hastig ihre Teller zu füllen und gierig zu essen. Charles kam es vor, als hätten sie seit Tagen nichts mehr zu essen bekommen.
Nach dem ausgiebigen Mahl zeigte Claris Charles das Haus mit den vielen Zimmern sowie den Hof und den Garten. Das Haus war ein großer Bauernhof mit einer großen Eingangsdiele, von der aus man in alle Zimmer kam. Die Küche war sehr geräumig, sodass hier ein großer Tisch mit acht Stühlen drum herum Platz fand. Außerdem gab es noch einen Hauswirtschaftsraum und eine Stube, in der anscheinend Dan die Bücher des Hofes führte. In diesem Raum standen Bücherregale sowie ein Schreibtisch, der am Fenster platziert war und zwei Ohrensessel, die in der Nähe eines Kamins standen. Neben der Küche war ein Gästezimmer eingerichtet, in dem Charles in den letzten Tagen übernachtet hatte. Oben im Haus waren die Schlafzimmer der Familienmitglieder eingerichtet. Jeder hatte sein eigenes Zimmer.
Der Hof war mit Kopfsteinpflaster ausgelegt. Überall fehlten Steine und da, wo sie fehlten, hatten sich kleine Pfützen gebildet. An das große Haus grenzten eine Scheune auf der linken Seite sowie ein Stallgebäude mit Kühen auf der rechten Seite an. Durch das offene Tor der Scheune konnte er einen großen Traktor sowie eine selbstgebaute Werkbank erkennen. An der Werkbank fehlten weder Amboss noch Schraubstock und es schien als würde viel daran gearbeitet. Claris erklärte ihm, dass ihre Familie bereits seit fünf Generationen hier lebte und seitdem her Landwirtschaft betrieb.
Nachdem sie die Scheune betreten hatten, sah Charles außerdem, dass hinter dem Traktor, an der anderen Seite der Scheune, die verschiedensten Geräte standen. Neben einem Pflug und der Egge waren hier noch Geräte, die er nie zuvor gesehen hatte und obwohl Charles immer wieder darum bat, unternahm Claris gar nicht erst den Versuch ihm diese zu erklären. Sie hatte Angst, dass ihr Französisch dafür nicht ausreichen würde und er sich über sie lustig machen könnte.
Nachdem sie die Scheune verlassen hatten und quer über den Hof zum Stallgebäude gegangen waren, entdeckte Charles Steven und Jim sowie Dan, die an den Fenstern standen. Als diese sich wiederum entdeckt fühlten, konnte Charles sehen, wie sie auf einmal wichtige Dinge an den Fenstern zu erledigen hatten, was doch recht unbeholfen aussah und Charles zum Schmunzeln brachte. Claris, die das Schauspiel ebenfalls beobachtet hatte, wurde verlegen und entschuldigte sich bei Charles, doch dieser freute sich über das, was er sah.
Im Stall angekommen, sah Charles, dass die Familie anscheinend recht wohlhabend sein musste. Denn wenn in Frankreich ein Bauer über fünfzig Kühe hatte und zudem anscheinend auch noch Schweine hielt, Charles hörte jetzt deutlich das Grunzen von Schweinen im Hintergrund, dann zeugte das von einem Landwirt, der sein Geschäft verstand. Der Stall zeigte sich geräumiger als er von außen aussah und Charles entdeckte schnell den hinteren Ausgang, der anscheinend zum Schweinestall führte. Sie gingen durch den Stall, doch bevor Sie am hinteren Ausgang angekommen waren, deutete Claris auf eine kleine Tür, die an der Rückwand des Stallgebäudes lag. Charles verstand sofort, dass Sie ihm hier noch etwas zeigen wollte, daher machte er die Tür auf und stand sichtlich erstaunt vor einem riesigen Garten, bestückt mit den verschiedensten Obstbäumen. Er sah hauptsächlich Apfelbäume, die bereits die ersten kleineren Früchte trugen. Er konnte aber auch einige wenige Kirschbäume sehen und war erstaunt, was diese Familie alles verstand, mit den eigenen Händen zu schaffen.
Im Haus wieder angekommen kam ihm Dan entgegen und bat seine Tochter, mit Charles zusammen in die Stube zu kommen. In der Stube warteten bereits Steven und Jim. Dan bat Charles Platz zu nehmen und fing an, sich mit Claris zu unterhalten, die sogleich anfing, das Gesprochene für Charles zu übersetzen.
»Wie es scheint, geht es dir gut« fing Claris an Dans Worte wiederzugeben. »Du bist gesund und munter und ich frage mich, was wir nun mit dir anfangen sollen.«
Charles wurde es mulmig zumute und er war gespannt, was jetzt kommen würde.
»Charles, wir wissen, dass in deiner Heimat Krieg ist und wir fragen uns, ob du derzeit wieder zurück nach Frankreich oder ob du noch einige Wochen hier bei uns bleiben möchtest.«
Charles überlegte zwar kurz, freute sich aber über das Angebot. Er hatte ja niemanden, der in Frankreich auf ihn wartete und außerdem hätte er dann wahrscheinlich wieder eine Uniform tragen und in den Krieg ziehen müssen.
»Ich freue mich, wenn ich hier bei euch bleiben darf. Ich fühle mich gesund und kräftig und würde mich freuen, wenn ich euch solange auf dem Hof helfen kann.«
Dan, Steven, Jim und Claris zeigten sich erfreut über seinen Entschluss und anscheinend hatten Sie mit nichts anderem gerechnet, denn Claris führte ihn in ein Zimmer, welches bereits für ihn zurechtgemacht wurde. Er fand ein Bett und einen Schrank sowie einen kleinen Tisch mit einem Krug und einer Waschschüssel vor. Ein Handtuch hing über der Rückenlehne des Stuhls und auf dem Bett lag ein Pyjama, welcher anscheinend Steven oder Jim gehören musste. Auch fand er einige Kleidungsstücke im Schrank, die wahrscheinlich von einem der Beiden stammten.
Es vergingen einige Monate, in denen Charles vieles über die Landwirtschaft lernte. Er hatte zuvor in Frankreich hin und wieder bei der Weinlese geholfen und sich so immer ein wenig Geld nebenher verdient. Hier aber war die Arbeit nun ganz anders aufgeteilt. Er übernahm bald selbständig die Fütterung der Tiere sowie das Ausmisten der Ställe. Nur das Melken viel ihm noch schwer, aber Claris wurde nicht müde, es ihm immer wieder erneut zu zeigen. HausH Steven und Jim dagegen konnten nur selten auf dem Hof helfen. Sie hatten im Ort eine Lehre begonnen. Jim wurde von einem Tischler im Handwerk der Holzverarbeitung angelernt, Steven dagegen war bereits seit einem Jahr bei einem Schmied in der Lehre. Dan wollte damit erreichen, dass die Söhne später auf dem Hof die Reparaturen selber erledigen konnten, um Geld sparen zu können. Steven und Jim zeigten sich auch nicht abgeneigt, mal etwas anderes zu machen, als immer nur auf dem Hof für den Vater zu schuften.
So verging die Zeit. Aus Wochen wurden Monate und aus Monaten Jahre. Ehe es jemand bemerkt hatte, lebte Charles bereits zwei Jahre auf dem Hof und bewohnte noch immer das Zimmer, welches damals Dan für ihn herrichten ließ. Steven und Jim waren mittlerweile auf den Hof zurückgekehrt und arbeiteten wieder hier.
Steven hatte an seinem erlernten Beruf so viel Spaß entwickelt, dass er sich direkt nach seiner Rückkehr eine Schmiede auf dem Hof eingerichtet hatte. Zu seinem Glück gehörte zu dem Hof ein kleines Gesindehaus, welches etwas abseits lag und bereits seit Jahrzehnten nicht mehr genutzt wurde. Zu Zeiten seines Großvaters wohnten hier die Haushälterin und der Knecht. Die waren aber schon lange fort und seit dem wurde nichts mehr an dem Gebäude gemacht. Die Substanz der Wände war noch gut, da Dan über die Zeit immer wieder das Dach abgedichtet hatte, um ein Reinregnen zu verhindern. Die Mauern waren daher trocken. Doch gab es viele gebrochene Fenster, die mit Brettern vernagelt waren und auch die Dachkonstruktion musste hier und da erneuert werden. Jim, der seine Ausbildung zum Tischler ebenfalls beendet hatte, konnte Steven bei den Sanierungsarbeiten helfen, wodurch sie schnell vorankamen.
Um sich im Inneren möglichst praktisch einzurichten, beschloss Steven, einige der Zwischendecken zu entfernen, da er die Zimmer im Obergeschoss nicht brauchen konnte. Stattdessen hatte er nun soviel Platz gewonnen, dass er einen großen Ofen in das Haus mauern lassen konnte, was Dan und ihr Nachbar übernahmen.
Zum Schmieden des Eisens hatte sich Steven den alten Amboss von der Werkbank geholt und diesen auf einem massiven Baumstumpf angebracht. Zum Legieren dienten zwei alte Fässer, die er sich aus dem Ort besorgt hatte. In dem einen Fass war Wasser und in das andere hatte er Öl eingefüllt. Darin würden die glühenden Eisen abgeschreckt werden, wodurch Schmutz austreten konnte und das Eisen eine bessere Qualität erhielt.
Zu guter Letzt wurde, um die Glut im Ofen immer auf die richtige Temperatur bringen zu können, ein großer Blasebalg aus Rindsleder installiert, den ebenfalls ein Handwerker der Umgebung angefertigt hatte. Steven hatte das Glück, dass er diesen nicht voll bezahlen musste und so konnte er erstmal einige Aufträge bearbeiten und selbst Geld verdienen, ehe er dem Handwerker den Restbetrag auszahlen musste. Der Blasebalg war so gebaut, dass ihn Steven mit dem Fuß bedienen konnte und er dadurch die Hände zum schmieden frei hatte.
Jim dagegen hatte sich eine kleine Tischlerei eingerichtet. Hierfür hatten alle zusammen in der Nähe des Haupthauses eine kleine Scheune gebaut, in welcher Jim eine Hobelbank, Sägetisch und viel Arbeits- und Lagerfläche hatte. Sowohl Steven als auch Jim hatten das Glück, dass Sie finanziell von Dan unterstützt wurden, sonst hätten sich beide ihre Werkstätten nicht leisten können.
Auch wenn es nun mehr auf dem Hof zu tun gab, so war es trotzdem nicht genug Arbeit um auch Charly, wie er mittlerweile von allen genannt wurde, zu beschäftigen. Der Krieg war vorbei und Charles überlegte oft, ob er wieder zurück nach Frankreich gehen sollte. Auch Dan und Claris fragten ihn immer wieder, was er vorhabe. Sie wollten ihn nicht loswerden! Ganz im Gegenteil hatten sie ihn sogar lieb gewonnen und freuten sich, dass er so lange bei ihnen blieb, doch hatte sich Charles nie geäußert, was er nun vorhabe. Er selber hatte sich immer davor gefürchtet, eine endgültige Entscheidung fällen zu müssen. Nun aber war es soweit. Er wollte für sich selbst endlich Klarheit schaffen.
Abends bat er alle draußen im Garten zusammenzukommen. Es war eine warme Sommernacht und Charly hatte im Garten eine Feuerstelle hergerichtet. Aus der Vorratskammer hatte er einige Würstchen geholt und diese dann auf lange Äste gespießt. Nachdem alle um das Feuer herum Platz genommen hatten, verteilte Charly die Spieße und sie fingen an, diese dann über dem Feuer zu grillen.
»Ich möchte euch danken« fing Charly nun auf Englisch zu reden an. Er hatte in den vergangenen Jahren die Sprache gut sprechen und hören gelernt. Nur mit dem Schreiben haperte es noch aber auch dieses lernte er fleißig mit Claris jede Woche. Sie hatten bereits vor zwei Jahren begonnen, immer wenn sie Lust und Zeit hatten, sich zusammenzusetzen, um sich gegenseitig ihre Landessprachen beizubringen. So lernte Claris Französisch und Charles lernte englisch.
»Seit über zwei Jahren bin ich nun bei euch und ihr habt mich immer wie ein Familienmitglied behandelt. Vom ersten Tag an habe ich mich bei euch zuhause gefühlt. Ich habe mich immer gefragt, warum ihr das für mich getan habt und nun weiß ich, dass es einfach nur eure Herzlichkeit ist, die euch zu dem macht, was ihr seid. Ich habe bei euch vieles gelernt. Früher, als ich noch in Frankreich lebte, da habe ich mich immer mit irgendwelchen Nebenjobs über Wasser gehalten. Als meine Mutter starb und ich mit 18 Jahren zur Halbweise wurde, hatte ich auch mein zuhause verloren. Mein Vater hatte uns bereits verlassen, als ich 5 Jahre alt war und somit stand ich damals alleine da. Die Wohnung meiner Mutter konnte ich zum Glück noch einige Monate behalten, bis ich eine kleinere gefunden hatte. Damals arbeitete ich auf dem Markt, gleichzeitig als Zeitungsjunge und habe auch Kohle ausgefahren. Als der Krieg dann zu uns kam, wurde ich zum Soldaten gemacht und habe dadurch meine Wohnung aufgeben müssen.
Heute, dreieinhalb Jahre später, bin ich nun bei euch, und wenn ich ehrlich sein soll, dann zieht mich nichts mehr zurück nach Frankreich. Darum möchte ich euch fragen, ob ich für immer bei euch bleiben kann!« Alle sahen sich erstaunt an! Sie hatten zwar gewusst, dass Charly sich wohlfühlte, dennoch hatten alle geglaubt, er würde irgendwann wieder zurück nach Frankreich wollen. Dan zeigte sich am wenigsten überrascht und schlug sogleich vor, über Charlys Bitte abzustimmen.
»Wer dafür ist, Charles auch auf Weiteres auf dem Hof aufzunehmen, der solle die Hand heben« schlug er vor.
Alle sahen Charly an und fingen an zu lachen. Natürlich waren alle dafür ihn aufzunehmen. Schließlich hatte man sich bereits so an ihn gewöhnt, da würde es auch Steven, Jim und Claris schwerfallen, ihn abzuweisen.
Charles freute sich über diese Antwort, die er förmlich erhofft hatte. Ihm wurde es immer schwer ums Herz, wenn er daran dachte, hier wieder weggehen zu müssen. Nun aber war er sich sicher, für immer in Irland zu bleiben.
»Wir müssen nun aber überlegen, wie wir in Zukunft den Hof bewirtschaften wollen. Steven, der nun das Handwerk des Schmieds erlernt hat, hat zwar ein paar kleinere Aufträge aus der Nachbarschaft, aber für ihn reicht es noch nicht, um von seinen Erträgen leben zu können. Jim dagegen hat schon deutlich mehr zu tun. Niemand im Umkreis von 200 km hat eine so sauber arbeitende Säge. Aber auch er hat noch immer Zeit und Lust, uns auf dem Hof zu helfen. Und auch Claris und ich haben auf dem Hof unser Einkommen, sodass es vielleicht ratsam wäre, wenn du, Charles, dir auch außerhalb etwas suchen würdest, wodurch du eine zusätzliche Absicherung für unseren Hof erwirtschaftest.« schloss Dan, der, wie immer, am ökonomischsten von allen dachte. Er hatte viel erlebt und seine Erfahrung lehrte ihm, dass es für alle am sichersten sei, wenn jeder etwas anderes beherrschte. So kann der Einzelne in einem ertraglosen Jahr von den Einnahmen der Anderen leben.
»Ja, du hast recht«, fing Charles an »auch ich sollte mir etwas außerhalb des Hofes suchen. Da ich allerdings keine Idee habe, was ich machen könnte würde ich mich freuen, wenn einer von euch einen Vorschlag machen könnte!«
»Lass uns heute darüber nicht mehr reden« sagte Claris, » statt dessen lasst uns lieber den Entschluss feiern«
Und so feierten die Fünf ein Fest am Lagerfeuer und freuten sich über das neue Familienmitglied.