Читать книгу Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 8: Gottes Fluch über Cornwall - Tomos Forrest - Страница 8
Оглавление2.
„Baldwin, ich werde zuversichtlicher mit jedem Tag, den ich an deiner Seite reite!“, rief Morgan übermütig aus, als die beiden Ritter über die Landstraße galoppierten. „Du hast es verstanden, ein gutes Netz zu knüpfen. Aber die Idee mit dem Grossi ist einfach unübertroffen. Wie bist du nur auf die Idee gekommen, eine venezianische Münze als Erkennungszeichen zu nehmen?“
„Das erzähle ich dir später einmal, Morgan. Jetzt wird es Zeit – Moment, schau mal nach dort drüben. Wenn mich nicht alles täuscht, wird diese Staubwolke nicht durch ein Ochsengespann verursacht!“
Der Rote deutete in östliche Richtung, und Morgan folgte sofort seinem ausgestreckten Arm. Die Landstraße wand sich in der Ferne um einige Erhebungen und lief dann inmitten sehr grüner Hügel bis auf einen Wald zu. Und aus dieser Richtung näherte sich rasch die Staubwolke.
„Soldaten!“, sagte Morgan ruhig und zog das Schwert aus der Scheide.
„Keine voreilige Tat!“, antwortete aber Baldwin sofort und deutete nach Westen. „Dort drüben ist ein kleines Waldstück, wo wir uns von der Straße unsichtbar verbergen können. Ich habe nichts gegen einen guten Kampf, aber dieser wäre unsinnig und zudem gefährlich. Da kommen gut und gern zwanzig Reiter, und wir haben keinen Bogen dabei.“
„Ich fürchte mich vor keinem Soldaten des Sheriffs!“, erwiderte Morgan mit grimmigem Blick zur bald erkennbaren Reitergruppe.
„Denkst du, ich habe Angst vor den Burschen? Doch auch ein dummer Soldat kann mal einen Hieb landen, zumal, wenn es sich um eine solche starke Gruppe handelt. Ich denke, es ist klüger, wenn wir uns zurückziehen und die Soldaten vorbeireiten lassen.“
Mit diesen Worten trieb er sein Pferd schon von der Landstraße herunter und hielt auf das kleine Wäldchen zu. Nur widerwillig folgte ihm Morgan, noch immer das Schwert in der Faust. Im Schatten der Bäume gab es ausreichend Unterholz, und die beiden stiegen ab und banden die Pferde nur leicht mit einem Strick an einen Baumstamm, sodass er sich sofort lösen ließ, sollte es darauf ankommen.
Ein Blick zurück zeigte die im Galopp heranpreschenden Soldaten. Die Gruppe kam dadurch schnell näher und war schon einzeln zu unterscheiden. Alle trugen ihr Schwert in der Hand, jedoch keine Lanzen, und dieser Anblick zeigte den beiden Freunden, dass man sie wohl auch wahrgenommen hatte.
Es dauerte nicht lange, da waren die Soldaten vorüber, keiner von ihnen hatte auch nur einen Blick zum Waldrand geworfen, und Morgan wollte seinen Weg fortsetzen, als ein leiser Zuruf des Roten ihn verharren ließ.
„Warte noch. Sie erreichen gleich die Anhöhe, die wir gerade passiert haben. Von dort können sie weit in das Land blicken, und wenn sie uns dann nicht mehr vor sich sehen, werden sie möglicherweise umkehren und nach uns suchen!“
Der Hufschlag war jedoch in der Ferne verklungen, und endlich hielt es Morgan nicht länger aus. Er drückte die Schenkel in Blanes Weichen, um ihn anzutreiben, lenkte ihn aber nicht wieder auf die Landstraße zurück, sondern seitlich durch das Wäldchen auf die andere Seite. Der Rote folgte ihm langsam, sah sich dabei jedoch immer wieder um und war schließlich überzeugt, dass sie die Soldaten nicht mehr zu fürchten hatten.
Wenige Meilen später erreichten sie einen kleinen Bach, dessen vollkommen klares Wasser leise rauschend am Straßenrand vorüber floss. Hier ließen sie die Pferde saufen, stiegen selbst ab und erfrischten sich etwas abseits von den Tieren mit dem kalten Wasser.
Gerade griff Morgan an den vorderen Zwiesel des Sattels, um sich mit Schwung hinaufzuziehen, als ein Zischen dicht über ihn hinweg den Flug eines Pfeiles verkündete, der gleich darauf mit einem sanften „Plopp“-Geräusch in den Stamm einer schlanken Birke fuhr, um dort zitternd stecken zu bleiben.
Morgan hatte sich sofort tiefer gebückt und musterte unter dem Bauch seines Pferdes die Umgebung. Zunächst war gar nichts zu entdecken, schließlich tauchten die Reiter aus einer Senke auf, und ein weiterer Pfeil schlug unmittelbar vor der rechten Hinterhand seines Pferdes in den Boden.
Im Nu waren Baldwin und er im Sattel, schmiegten sich an die Hälse ihrer Tiere und preschten davon. Jubelndes Geschrei wurde hinter ihnen laut, weil die Soldaten annahmen, dass die beiden Männer ihr Heil in der Flucht suchten. Augenblicklich folgten sie ihnen, ohne zu ahnen, dass Sir Baldwin, der Rote Jäger, sich hier in seinem heimatlichen Revier tummelte und jeden Hügel, jedes Dorf und jedes Wäldchen genau kannte.
Als die Soldaten über den nächsten Hügel kamen, blickten sie sich verwundert um.
Weit und breit war von den fremden Rittern nichts zu sehen. Gerade wollte einer von ihnen sein Pferd wieder antreiben und an dem großen Gebüsch vorüberreiten, das hier neben der Straße stand, als es von dort plötzlich mächtig rauschte. Der Mann fuhr herum, das Schwert kampfbereit, aber mit dieser Begegnung hatte er nicht gerechnet.
Mit einem gewaltigen Sprung setzte ein Rappe über ihn hinweg, die Hufe trafen ihn am Kopf und am Körper, und in weitem Bogen flog der Mann aus dem Sattel und stürzte schwer auf die Straße, wo er still liegen blieb.
Keiner der anderen hatte bislang reagiert, und das wurde den fünf Soldaten zum Verhängnis, die offenbar den Haupttrupp verlassen hatten.
Hinter dem Nächsten sprang ein schemenhaftes Wesen mit langen, wehenden roten Haaren aus dem Graben heraus und stieß dem Mann das Schwert in die Seite. Während der Soldat laut schreiend zur Seite kippte und der Nächste dem unheimlichen Kämpfer, der da wie aus dem Nichts aufgetaucht war, das Schwert über den Helm schlagen wollte, durchfuhr ihn die Klinge des Schwertes, noch ehe er überhaupt zu einer Gegenwehr imstande war.
Auch den beiden anderen erging es nicht anders, dem einen gelang ein Hieb gegen den großen Mann, der ein Kettenhemd trug und so rasch und hart mit dem Schwert schlug, dass die Schwerthand sofort erlahmte. Der Hieb hatte offenbar keine Wirkung, denn sofort schlug der Ritter zurück und schlitzte dem Mann, der noch im Sattel zurückwich, mit der Spitze den Hals auf. Gurgelnd kippte auch dieser Mann vom Pferd, einen Blutschwall dabei auf den Boden verspritzend.
So schnell, wie der Kampf begonnen hatte, war er auch schon vorbei, die fünf Mann lagen tot in ihrem Blut, die Pferde tänzelten unruhig und mussten von den beiden Rittern beruhigt werden. Rasch holte der Rote ein paar Riemen von seinem Pferd, mit denen er die fünf Soldatenpferde zusammenband.
Dann wollte er sich in den Sattel schwingen, als Morgan laut ausrief:
„Dort drüben, Baldwin – die anderen Soldaten kommen!“
„Nun gut, dann kommen sie und werden mein Schwert zu spüren bekommen. Achte nur auf die Pferde, Morgan, ich möchte sie nicht verlieren! Uns fehlen noch viele Tiere, um alle beritten zu machen!“
„Danke für den guten Hinweis, mein Freund!“, antwortete Morgan, als der erste Reiter schon heranpreschte.
Morgan ließ sofort das Schwert wieder sinken, mit dem er den Mann gerade noch aus dem Sattel schlagen wollte.
„Boyd, du verfluchter Kerl! Runter vom Pferd und an die Seite deines Ritters!“, schrie er, und tatsächlich wendete der junge Mann sein Tier und stand gleich darauf schwer atmend vor Morgan. Doch es war keine Zeit zum Reden. Boyd hielt ihm die Hände entgegen, und Morgan bemerkte erst jetzt, dass er gefesselt war und wohl die Gelegenheit für seine Flucht genutzt hatte. Ein rascher Schnitt, und er war die Fesseln los, bückte sich sofort nach einem der Schwerter und drehte sich so zur Straße, dass die Pferde ihm Rückendeckung gaben.
Gleich darauf waren seine Verfolger heran und schwangen mit lauten Rufen ihre Schwerter. Offenbar hatten sie die Lage noch nicht richtig erkannt oder sie verfielen in blinde Wut, als sie ihre toten Kameraden sahen.
Ohne sich weiter zu besinnen, hielten sie direkt auf die drei Männer zu, die sich ihnen da so keck in den Weg stellten. Aber kurz vor ihrem Ziel verschwanden die drei wie von Zauberhand vor ihnen und tauchten gleich darauf an den Seiten wieder auf, wo jeder von ihnen mit einem einzigen Hieb einen der Soldaten tötete oder zumindest kampfunfähig machte.
Dann gab es einen heftigen Kampf zwischen den Berittenen und den zu Fuß Kämpfenden. Es zeigte sich jedoch nach ganz kurzer Zeit, dass die drei Männer ihnen weit überlegen waren, denn immer, wenn einer der Reiter nach ihnen schlug, tauchten sie blitzschnell unter den Pferdeleibern hindurch, stachen von unten in Beine, Bauch oder die Seite und schalteten innerhalb weniger Augenblicke des hart geführten Kampfes mehr als die Hälfte von ihnen aus.
Auch der junge Mann, der ihnen gerade entkommen war, erwies sich als entschlossener und mutiger Kämpfer. Zwar schlug ihm einer der kampferprobten Soldaten das Schwert aus der Hand, holte erneut aus und zielte auf den ungeschützten Kopf des Knappen, aber erneut tauchte der unter dem Hieb weg, griff dabei sein Schwert von der Straße wieder auf und stieß es bis ans Heft in den Leib des Pferdes. Das Tier schrie in Todesangst und bäumte sich auf. Dadurch konnte sich der Soldat nicht länger halten, stürzte herunter und wurde gleich darauf durch einen Schwerthieb getötet.
„Hierher, Boyd!“, rief ihm Morgan zu, doch es war nicht mehr nötig. Die Überlebenden wendeten ihre Pferde zu wilder Flucht und jagten die Landstraße hinunter, als wäre der Teufel selbst hinter ihnen her.
Die drei nahmen sich nicht die Zeit für lange Erklärungen. Auch die anderen Pferde wurden zusammengebunden, eines diente wieder als Reittier für Boyd, und mit ernster Miene gab Baldwin dem schwer verletzten Pferd den Gnadenstoß.
„Schade drum, wir hätten es verwenden können“, sagte er, als er in den Sattel seines Pferdes stieg. „Aber ich habe dich dabei gesehen, Boyd. Du hast die Anlagen zu einem guten Krieger, und bei diesem Kampf hast du mehr gezeigt, als bei einem Übungsgang mit dem Waffenmeister. Offenbar war deine Ausbildung als Soldat sehr umfangreich?“
Während die drei anritten und dabei die Pferde der Soldaten mit sich führten, erzählte Boyd mit glänzenden Augen, wie sie sich in seinem Dorf mit langen Stangen geübt hatten. Sie waren fünf junge Männer, die keinem unsinnigen Traum vom Ritterleben nachhingen, das ihnen ohnehin schon aufgrund ihrer Herkunft verwehrt war. Vielmehr ging es ihnen darum, ihre Angehörigen zu schützen. Sie hatten in den letzten Wochen genügend erlebt und sich deshalb jeden Abend getroffen, um ihre Kampftechniken zu verbessern.
Die zahlreichen blauen Flecke, Beulen und manchmal auch sehr schmerzhaften Prellungen am ganzen Körper erklärten sie ihren Eltern nicht. Niemand im Dorf war blind, fast jeder von ihnen hatte schon einmal die Gewalt der Soldaten des Sheriffs erlebt. So schwiegen alle, ermunterten jedoch die jungen Männer in ihrem Tun. Später, nach seiner Flucht aus dem Kloster, hatte Boyd das Kriegshandwerk bei den Soldaten König Richards erlernt.
Boyd spürte zwar, wie ihn nach diesem überstandenen Kampf eine lähmende Schwäche überfiel, die sogar seine Hände zittern ließ. Er hatte zum ersten Mal in seinem Leben Menschen getötet und war darauf nicht gerade stolz. Aber er hatte überlebt, und er hatte zusammen mit zwei Rittern gekämpft. Das machte ihn stolz und zugleich auf eine seltsame Weise glücklich.