Читать книгу Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 15: Das Kreuz von Dartmoor - Tomos Forrest - Страница 7

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3.


Im gewaltigen Rittersaal der Burg Launceston saß Sir Struan of Rosenannon und fror erbärmlich. Der in der Mitte des Raumes beheizte Kamin verbreitete nur wenig Wärme, und obwohl er den Stuhl bis dicht an die wärmenden Flammen herangezogen hatte, erfasste ihn die Kälte auf seiner Rückseite. Drehte er sich aber mit dem Rücken zum Feuer, hatte er nach ganz kurzer Zeit denselben Effekt auf seiner anderen Seite.

Wütend schleuderte der Sheriff von Cornwall seinen leeren Weinbecher gegen die Wand und schickte einen gotteslästerlichen Fluch hinterher. Bei dem Geräusch sprangen die beiden großen Hunde auf, die eben noch friedlich schlummernd zu seinen Füßen gelegen hatten.

Der Sheriff rief nach seinem Mundschenk und verlangte nach mehr Wein.

„Aber wage es nicht, und bring mir noch einmal dieses saure Zeug wie beim letzten Mal! Ich will süßen, schweren Wein, und ich will viel davon, hörst du?“

Und als der Mann davoneilte, schrie er lauter:

„Und schaff mir die dralle Magd aus der Küche herbei, die letzte Woche bei mir lag! Vielleicht schafft sie es, mich zu wärmen!“

Der Mann eilte davon und kehrte gleich darauf mit einem großen Pokal zurück, den er mit demütiger Geste dem Sheriff überreichte. Sir Struan kostete davon und leckte sich die Lippen.

„Ja, das ist der richtige Wein! Und wo bleibt das Weib?“

Der Mundschenk, ein alter, vertrockneter Mann, der vermutlich in seinem Leben nur sauren Wein verkostet hatte, klappte förmlich zusammen.

„Ich bitte um Vergebung, Herr, aber die Magd ... die Magd ist unpässlich und bedauert, Eure Wünsche ...“

„Ach geht doch zum Teufel!“, schrie Sir Struan wutentbrannt. Es war wie verhext seit der peinlichen Szene vor dem gesamten Hofstaat, den ihm die Magd Earidh geboten hatte, als sie behauptete, er hätte sie zum Akt gezwungen, obwohl sie die Lepra hatte und von Geschwüren am Unterleib geplagt wurde (vgl. Schwert und Schild – Sir Morgan, der Löwenritter # Band 8: Gottes Fluch über Cornwall). Allein beim Gedanken an diese Szene schüttelte er sich und hieb schließlich wütend auf die Tischplatte. Wo war eigentlich dieser elende Abt Dhorie, der nicht nur sein Beichtvater, sondern auch der dieser jungen Magd gewesen war? Er konnte sich nicht entsinnen, ob er ihm die Rückkehr in sein Kloster erlaubt hatte. Jedenfalls befand er sich wohl nicht mehr in der Burg, denn Sir Struan hatte die Gelegenheit zur Beichte schon lange nicht mehr gesucht.

Abt Dhorie! Dieser alte Leisetreter hatte ihm da einen schönen Streich gespielt, als die Magd ... aber bei dem Gedanken an die Szene kochte ihm schon wieder das Blut. Er sprang auf und lief im Rittersaal auf und ab, überlegte, wie er die nächsten Stunden in der Kälte auf sinnvolle Weise zubringen sollte und wurde durch einen Diener gestört, der die Ankunft seiner Frau verkündete.

„Auch das noch!“, rief er laut aus, als Lady Eurona den Saal betrat.

„Wie Ihr Euch doch unverhohlen über meine Ankunft freuen könnt!“, sagte seine Frau hoheitsvoll zur Begrüßung, und ihre Stimme troff vor Hohn. „Ich bin erstaunt, Euch allein zu finden. Was ist mit den Mägden? Sind sie alle unpässlich oder schwanger? Oder alle von der Lepra geplagt? Wie auch immer, Sir Struan ...“ Sie schwieg unheilschwer und nahm auf seinem Stuhl vor dem Feuer Platz. „Ich denke mal, Ihr ahnt, weshalb ich noch zu dieser Stunde hier auftauche, auf dieser Burg, die ich hasse, seitdem ich sie das erste Mal gesehen habe.“

„Keineswegs, meine Teure. Ich bin geradezu enthusiasmiert, Euch zu so später Stunde noch begrüßen zu dürfen. Stärkt Euch von meinem Wein, soll ich Euch etwas zu essen bringen lassen?“

Lady Eurona wies angewidert den angebotenen Pokal von sich, nachdem sie einen Blick auf den fettverschmierten Rand geworfen hatte. Stattdessen ging sie zu der Tafel hinüber, auf der die Reste einer umfangreichen Mahlzeit standen, nahm sich einen Hühnerschenkel und biss herzhaft hinein.

Währenddessen lief Sir Struan unruhig auf und ab, ohne auf seine Frau zu achten.

Lady Eurona war etwa einen Kopf größer als ihr Gemahl, besaß noch immer eine gute Figur und machte in ihrer eleganten Surcotte den Eindruck einer Dame von hohem Adel, die eben mit einem ihrer Lakaien sprach. Und langsam beschlich Sir Struan das unangenehme Gefühl, dass es sich auch so verhielt. Um dieses Gefühl zu verdrängen, gab er sich besonders mürrisch.

„Rede nicht um den heißen Brei, sondern berichte mir, weshalb ich dich um diese Zeit noch ertragen muss! Und dann geh zurück in deine Gemächer und verschone mich mit deinem Anblick! Wann reist du wieder ab?“

Die Antwort war ein helles Lachen seiner Ehefrau.

„So gefällst du mir, Struan. Endlich lässt du deine Maske fallen und zeigst dich als der französische Bastard, als der du auf die Welt gekommen bist.“

Sir Struan erstarrte in seinem Lauf um den Tisch und wandte ihr sein schreckensbleiches Gesicht zu.

„Was hast du da gesagt?“

Lady Eurona hatte jetzt einen noch gut gefüllten Weinschlauch entdeckt, nahm einen Becher von der Tafel, wischte ihn mit einem Zipfel ihres Gewandes aus, schenkte sich in aller Ruhe von dem Wein ein und kehrte anschließend zu dem Stuhl vor dem Feuer zurück, ehe sie ihren Gemahl auch nur eines Blickes würdigte.

„Es wird dich nicht verwundern, dass ich Nachrichten aus Frankreich erhalten habe. Ich gestehe es gern, ein wenig spät, aber noch nicht zu spät. Alles wird jetzt neu geregelt und in einem Vertrag aufgesetzt, den ich dann nach Rom sende.“

Sie sah ihn über den Rand des Bechers an, dann hob sie ihn leicht in seine Richtung und prostete ihm zu.

Endlich erwachte er aus seiner Erstarrung und eilte zu ihr hinüber.

„Was machst du? Was willst du nach Rom senden?“

„Die neuen Verträge. Von denen ich die ganze Zeit spreche. Dein altes Problem. Du hörst mir nicht zu. Du hast mir nie zugehört. Aber das wird sich jetzt ändern.“

Mit einem boshaften Grinsen blieb Sir Struan vor seiner Frau stehen und sagte mit gefährlich leiser Stimme:

„Was wird sich jetzt ändern? Sprich mit mir, ehe ich mich vergesse!“

Die letzten Worte hatte er sehr laut herausgeschrien und griff gleichzeitig heftig in den Stoff ihres Gewandes. Aber gleich darauf zog er seine Hand mit einem Aufschrei zurück.

Lady Eurona stand mit blitzenden Augen vor ihm, den Dolch noch in der Hand.

„Nur zu, mein Lieber! Wenn ich mich erinnere, so hast du es ganz gern, wenn dich die Katze kratzt, bevor du sie bespringst?“

Sir Struan war kreidebleich geworden, hielt seine blutende Hand mit der anderen fest umschlossen und war für einen Moment vollkommen sprachlos. Dann aber riss er seinen Mund weit auf und schrie seine Frau an:

„Bist du vollkommen wahnsinnig geworden? Du greifst mich an, deinen Gemahl, den Sheriff von Cornwall, den mächtigsten Mann nach unserem König Johann?“

Lady Eurona nahm gelassen wieder Platz, trank einen Schluck von dem Wein und spielte mit dem nachlässig in der Rechten gehaltenen Dolch.

„Mach dich nicht lächerlich, Struan. Ein Wort von mir, und alles ist nur noch Vergangenheit. Der mächtigste Mann nach König Johann? Dass ich nicht lache! Ein Wort zu ihm, und er lässt dich fallen wie ein Stück glühende Kohle! Glaubst du nicht, dass er sich für dein Elternhaus in Frankreich interessieren würde, wenn ich ihm davon berichte? Nein, ich meine nicht das Castell Rosenannon, ich rede von dem Dorf der Hörigen, das man Saint-Domineuc nennt. Es hat übrigens eine sehr hübsche, uralte Steinkirche mit einem ganz freundlichen Geistlichen, der die Kirchenbücher mit den Taufeinträgen hütet. Muss ich dir noch mehr sagen, oder bist zu bereit, den neuen Vertrag zu unterschreiben?“

Mit einem Schritt war Sir Struan wieder vor seiner vollkommen gelassen wirkenden Frau, die jetzt allerdings den Dolch wieder fest mit der Hand umschlossen hatte.

„Bist du wahnsinnig geworden? Willst du uns alle ins Unglück stürzen? Halte gefälligst deinen Mund, hier haben die Wände Ohren!“

Erneut trank Lady Eurona von dem Wein und fixierte ihren Gemahl über den Becherrand bei jeder Bewegung.

„Die Dokumente liegen auf dem Tisch, an dem ich gerade gesessen habe. Du unterzeichnest, oder ich sende meinen Brief an den Papst ab, um ihn um die Annullierung unserer Ehe zu bitten!“

Sir Struan antwortete mit vor Wut überschnappender Stimme.

„Du bist vollkommen wahnsinnig geworden! Niemals unterschreibe ich irgendetwas, was du hast aufsetzen lassen! Du bist meine Frau, und wenn du aufsässig bist, lasse ich dich in den tiefsten Kerker dieser Burg werfen und dort verfaulen. Du kannst doch nicht so dumm sein, und mit solchen Forderungen zu mir zu kommen und mich zu bedrohen!“

„Und warum sollte ich das nicht? Ich befinde mich doch in guter Gesellschaft, mein Lieber. Ach, übrigens, der gute Abt Dhorie ist doch auch dein Beichtvater, nicht wahr? Er hat dich schon seit einiger Zeit in seinem Gottesdienst vermisst!“

Bevor Sir Struan auch darauf etwas erwidern konnte, trat der alte Abt hinter einem Vorhang vor und sagte mit salbungsvoller Stimme:

„Gelobt sei Jesus Christus!“

„In Ewigkeit, amen!“, antwortete Sir Struan hastig und fühlte sein Herz bis zum Hals hinauf schlagen. Er musste wieder auf und ab laufen, denn er befürchtete, dass ihn im nächsten Augenblick der Schlag treffen konnte.

Dieses hinterhältige Weib hatte also seinen Beichtvater hier eingeschmuggelt. Aber noch war nicht aller Tage Abend, und so lange er hier die Befehlsgewalt ausübte, würde er das Vorhaben seiner Frau verhindern können.

„Ach, Sir Struan, es ist schön, wieder bei Euch zu sein. Wie ich gerade in der letzten Woche noch dem Heiligen Vater berichten konnte, seid Ihr trotz meiner Abwesenheit Euren Pflichten gegenüber der Heiligen Mutter Kirche nachgekommen und habt dafür gesorgt, dass ...“

„Was? Ihr habt mit dem Heiligen Vater gesprochen?“

„Das wisst Ihr nicht? Ich hatte einen wichtigen Auftrag und bin gerade erst heute aus Rom zurückgekehrt. Der Heilige Vater hat sich sehr über Eure Botschaft gefreut!“

Sir Struan brach förmlich zusammen und musste mit weichen Knien die Bank neben dem Kamin aufsuchen.

„Meine ... Botschaft ...“, keuchte er kraftlos.

„Ja, Eure Bereitschaft, in Cornwall ein Hospital für die Leprakranken zu errichten. Der Heilige Vater hat mir aufgetragen, Euch ganz besonders dafür zu danken, und er ist sicher, dass im Falle Eurer Beichte ...“

„Genug!“, schrie der Sheriff von Cornwall laut heraus, sprang plötzlich von der Bank, bemerkte, wie sich alles um ihn herum immer schneller drehte und krachte schließlich schwer auf den Boden des Rittersaales. Erschrocken sprangen die Hunde zur Seite und krochen winselnd unter den Tisch, als sie ihren Herrn so hilflos liegen sahen.

Lady Eurona ergriff eine Tischglocke und schüttelte sie heftig. Als die Diener eintraten, machte sie eine Handbewegung zu dem Ohnmächtigen.

„Sir Struan hat genug Wein genossen. Bringt ihn in sein Bett.“

Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 15: Das Kreuz von Dartmoor

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