Читать книгу Drei Henker für den High Sheriff: Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 52 - Tomos Forrest - Страница 5

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„In den nächsten Tagen erwarten wir die Herren Sir Morgan of Lapford und Sir Ywen of Meshaw.“ Diese Ankündigung hatte Sir Morgan of Launceston, genannt der Löwenritter, vor zwei Tagen auf Okehampton Castle gemacht. Genauer, an dem Tag, an dem der Schwarze Ritter seinen seltsamen Helm abgelegt und seine wahre Identität allen Anwesenden gezeigt hatte. Nur Morgan hatte bereits seit längerer Zeit geahnt, wer sich hinter dem alles verdeckenden Kammhelm verbarg: Seine Verlobte, Lady Miriam of Cadeleigh, die hier ihr Erbe angetreten hatte und unter dem Namen ihrer verstorbenen Tante, Lady Mauger FitzGilbert, die alten Familienrechte wahrgenommen hatte. Sie war nicht nur rechtmäßige Herrscherin über Burg und Ort Okehampton, sondern zugleich auch der High Sheriff of Devon, ein erblicher Titel, der nicht an das Geschlecht gebunden war – weil man schlicht vergessen hatte, einen solchen Passus in das königliche Dekret einzufügen.

Lady Miriam bot mit der gut befestigten und ausgebauten Burg den Rebellen eine neue Zufluchtsmöglichkeit. Der seit vielen Jahren vorhandene Geheimgang endete in einer großen Höhle, die ausreichend Platz für zahlreiche Pferde bot und sogar Tageslicht durch geschickt angebrachte Deckenöffnungen erhielt. Ihre Einladung an die Rebellen, „Camelot liegt in Okehampton“, sollte allen zeigen, dass die Ritter der von Sir Morgan neu gegründeten Tafelrunde auch einen Versammlungsort wie einst zu Zeiten König Artus bekamen, der ihnen viele neue Möglichkeiten schuf. Mit der Burgruine von Tintagel, ihrem Winterquartier, und dem für Uneingeweihte vollkommen unzugänglichen Sommerversteck im Sumpf von Dartmoor ergab sich so in der benachbarten Grafschaft Devon ein weiterer, sicherer Ort für die Männer um Sir Morgan, dem Löwenritter, und Sir Baldwin, dem Roten Jäger.

Wer die Versammlung heute im Großen Saal des Palas sah, musste über die Anzahl der hier versammelten Ritter staunen. Da waren die geradezu hünenhaft wirkenden Anführer Morgan und Baldwin in ihren prächtigen Waffenröcken, die sie über den Kettenhemden trugen, sowie eine Reihe überwiegend junger Ritter, die ebenfalls mit den schützenden Kettenhemden unter den Waffenröcken ausgestattet waren. Morgan hatte seine rötlich-blonden Haare nach seiner Ankunft auf Okehampton schneiden lassen und trug sie nicht mehr schulterlang, während Baldwin seine rote Haarpracht zwar ordentlich gebürstet hatte, sie dann jedoch einfach zusammenband und lang auf die Schulter fallen ließ. Auch die Ritter an der langen Tafel sahen aus, wie zu einem besonderen Fest geschmückt.

Auf den Waffenröcken der Freunde war der rote, steigende Löwe zu sehen, den sich König Richard bei seinem Aufbruch zum Dritten Kreuzzug ausgewählt hatte. Es war das Wappen der in Frankreich liegenden Grafschaft Poitou. Als Heinrich Plantagenet, der Vater Richards, König von England wurde, fiel die Grafschaft zu Aquitanien und Eleonore von Aquitanien führte gemeinsam mit ihrem Sohn Richard hier einen prächtigen Hof. Der Thronfolger Richard wählte als Graf von Poitou den roten, steigenden Löwen als sein persönliches Wappen, und die ihn begleitenden Ritter übernahmen es voller Stolz. Bei seiner Rückkehr nach Cornwall wurde Sir Morgan of Launceston deswegen feindlich behandelt, und aus seinem Trotz und dem Widerstand gegen Prinz Johann, dem Bruder Richards, führte er es fortan weithin deutlich sichtbar in seinem Wappen. Sir Baldwin of Dartmoor und Sir Ainsley Urquhart, seine beiden Freunde und gemeinsam mit ihm Anführer der Rebellen, übernahmen wie selbstverständlich den schwarzen Waffenrock mit dem Wappen darauf.

Die Herren Morgan of Lapford, Ywen of Meshaw, Arwin of Spreyton, Huw of Coldridge und Marven of Coleford saßen mit gespannten Mienen in den Reihen der Rebellen, ihnen gegenüber hatten Meraud und Blejan sowie Jory, Brychan und einige andere Platz genommen. Shawn bekam die Verantwortung – gemeinsam mir Sir Urquhart und Boyd – für die restliche Mannschaft im Sumpfversteck übertragen, denn Morgan war besorgt, dass man den Kleinwüchsigen erkennen könnte, sollte es zu einer Begegnung mit den Soldaten des Sheriffs noch in Cornwall kommen. Der verschmitzt blickende Shawn hatte sich vor Morgan aufgebaut, die Hände in die Seiten gestemmt und auf seine unnachahmliche, trockene und zugleich freundliche Art gesagt: „Aha, ich muss also wieder das Kindermädchen für die Jung-Rebellen spielen. Na gut, das werde ich also tun, wie du es wünscht. Aber beschwere dich später nicht, wenn ich mit diesen grünen Jungen zu spät komme, um euch aus einer Gefahr herauszuschlagen, in die ihr wieder einmal mit offenen Augen gelaufen seid!“

„Keine Sorge, Shawn!“, erwiderte Morgan lachend. „Ich schicke dir einen schnellen Läufer, und ihr macht einfach dann das, was ihr immer macht!“

Beide lachten herzlich, und Morgan gab das Zeichen zum Aufbruch.

Das lag nun schon eine ganze Weile zurück, und noch konnten die Freunde mit weiteren Rittern rechnen, die sich ihnen anschließen würden, aber es gab weder eine Botschaft noch irgendein anderes Anzeichen, dass Männer wie zum Beispiel Sir Evan of Syrmore auf dem Weg nach Okehampton waren. Die letzten Nachrichten der Männer, die ebenfalls bereit waren, sich gegen den selbst ernannten König Johann zu erheben, lagen Wochen zurück, und in diesen Zeiten musste man immer damit rechnen, dass sie durch Verrat ausgefallen waren und mit ihrer Hilfe nicht zu rechnen war.

Als Letzte erschien die Hausherrin im Großen Saal. Morgan sprang auf und eilte zu seiner schönen Verlobten, die ihm lächelnd die Hand auf den Arm legte und von allen fröhlich begrüßt wurde. Es war der Wunsch des Löwenritters, dass sie die heutige Versammlung eröffnen sollte, und Lady Miriam erfüllte ihm diesen Wunsch gern.

„Meine Freunde!“, begann die Herrin von Okehampton Castle mit freundlicher Stimme. „Seid mir nochmals willkommen. Es ist Morgans Wunsch, heute die nächsten Schritte gemeinsam durchzugehen und sich untereinander abzustimmen. Wir haben uns dazu hier im Großen Saal versammelt, und nicht am runden Tisch der Tafelrundenritter, weil wir über zwei Männer zu Gericht sitzen werden, die schwere Schuld auf sich geladen haben. In meiner Eigenschaft als High Sheriff of Devon eröffne ich hiermit die Versammlung und bitte meinen Verlobten Morgan, alles Weitere zu übernehmen.“

Gespannt richteten sich die Blicke nun auf den Löwenritter, dessen hohe und breitschultrige Gestalt einen imposanten Anblick bot, als er am Kopfende des Tisches seinen Platz einnahm, ein Dokument auf den Tisch legte, es entrollte und einen Krug und einen Becher auf die Ränder stellte, um ein erneutes Aufrollen zu verhindern.

Dann las er eine Reihe von Punkten vor, die im Sinne einer Anklage sowohl gegen Sir Struan wie auch gegen seinen Helfershelfer, Sir Rygan, verwendet werden konnten. Die Liste schien endlos, und plötzlich unterbrach Sir Morgan seine Rede und blickte alle der Reihe nach an.

„Es erscheint mir in diesem Kreis als unsinnig, Dinge vorzulesen, die wir alle kennen. Schon im Alten Testament heißt es, dass zwei Zeugen dem Ankläger genügen sollen, um eine Straftat zu bezeugen. Nun – wir alle haben erlebt, was diese beiden Menschen getan haben. Wie sie gefoltert, vergewaltigt und getötet haben – alles im Namen der Krone.“

Morgan schwieg kurz und wartete das zustimmende Gemurmel der Anwesenden ab, bevor er fortfuhr: „Die Möglichkeit, ihre Unschuld durch einen Reinigungseid zu beschwören, für den ebenfalls wieder Zeugen von einwandfreiem Leumund erforderlich wären, besteht ebenfalls nicht. Außerdem haben wir beide in einer anderen Grafschaft gefangen und könnten dem anwesenden High Sheriff, Lady Miriam of Cadeleigh, die weitere Verhandlung überlassen. Ihr obläge es, die beiden Beklagten zu verurteilen, und es herrscht wohl kein Zweifel daran, dass es nur den Tod als Strafe für beide geben kann.“

Erneut schwieg Morgan, und wieder nickten alle zustimmend. Doch dann kam die große Überraschung.

„Es ist gut, dass wir hier Ritter versammelt haben, deren Stand es ausschließlich ermöglicht, über Gleichgestellte zur urteilen. Nein, lasst, Freunde!“, unterbrach Morgan sich erneut, als er erkannte, dass sich Unruhe unter der Runde verbreitete. „Ich weiß doch um eure Gefühle! Aber wir wollen nicht übersehen, dass der Bruder unseres Königs alles gutgeheißen hat, was von diesen beiden Männern getan wurde. Natürlich können wir sie zum Tode verurteilen und in der nächsten Stunde hier in dieser Burg hinrichten. Doch das hätte nur eine kurze Wirkung, denn ich bin überzeugt davon, dass John ohne Land neue Männer findet, die Struan und Rygan ersetzen würden. Und niemand von uns kann sagen, ob das eine Verbesserung wäre.“

„Worauf willst du hinaus, Morgan?“, grollte Sir Arwin und erntete beifälliges Gemurmel.

„Auf eine andere Art der Bestrafung. Eine, die diese Schurken beeindrucken wird, und die zugleich für uns keine Folgen haben kann.“

„Das klingt interessant, aber ob wir damit Erfolg haben werden?“

„Hört mir zu, Freunde, ich habe mir Folgendes überlegt!“

Morgan beugte sich etwas nach vorn und erklärte nun den atemlos Lauschenden, welche Idee er gefasst hatte. Als er endete, herrschte für einen Moment absolute Stille im Großen Saal. Aber dann brach lauter Jubel aus, und man ließ den Löwenritter hochleben.

Drei Henker für den High Sheriff: Schwert und Schild - Sir Morgan, der Löwenritter Band 52

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