Читать книгу Insel der Ponygirls - Tomàs de Torres - Страница 5
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Als die Sonne den halben Weg zwischen Zenit und Kraterrand zurückgelegt hatte und die Hitze in der Bananenplantage ihren Höhepunkt erreichte, verabschiedete Gamaleh sich von den anderen Mädchen. Sie stieß die Machete, mit der sie die Nebensprösslinge der Bananenbäume abgeschlagen hatte, am Rand der Plantage in die Erde, tauchte eines der bereitliegenden Tücher in den Holzbottich und wischte sich damit über das Gesicht, den Hals und die bloßen Brüste. Voller Erwartung machte sie sich auf den Weg nach Hause. Ihre Mutter und ihre Schwester waren bestimmt schon da, und wenn Gamaleh Pech hatte, auch Tante Deli, die sie mit gewohnt spitzer Zunge begrüßen würde.
Begleitet vom Geschrei der Papageien und Kolibris nahm sie die Abkürzung zum Dorf, zwischen weit ausladenden, rot gesprenkelten Flammenbäumen und hohen Brotfruchtbäumen hindurch, vorbei an Reihen gelber und violetter Orchideen. Bei den Hühnerstellen herrschte Ruhe, die grauen Perlhühner hatten sich längst in die Kühle der Lavagrotte zurückgezogen.
Am Rand des Dorfes, wo im Schatten eines mächtigen Kapokbaums der mit rotbraunen Porphyrplatten gepflasterte Weg begann, blieb sie stehen und säuberte die Füße im Becken vor dem Brunnen. Eine jadegrüne Eidechse flüchtete sich in den Schutz einer Steinritze. Gamaleh füllte den auf dem Wasser schaukelnden Ledereimer und goss das angenehm kühle Nass über den Kopf und ihren nackten Körper. In dieser Hitze würde ihr schwarzes Haar, das in seidigen Wellen bis über die Schulter hinunterfiel, binnen Minuten trocknen.
Eine Spur von Nässe hinter sich herziehend, schlug sie den Weg zu ihrem Elternhaus ein. Es lag etwas oberhalb des Dorfes, halb in den bewaldeten Abhang eingebettet. Das Kiefernholz, aus dem es erbaut war, leuchtete golden im Sonnenlicht, und eine Hecke aus rotem und violettem Hibiskus umgab es wie ein Flammenring.
Gamaleh hatte Glück. Kein Sulky parkte vor der Terrasse, Deli war also noch nicht eingetroffen. Aus den offenen Fenstern drang helles Lachen, unverkennbar von Ayala, Gamalehs um ein Jahr älterer Schwester.
Die hat gut lachen, dachte Gamaleh etwas neidisch, schließlich heiratet sie in drei Tagen!
Leichtfüßig übersprang sie die beiden zur Terrasse führenden Stufen und schob sich durch den aus aufgereihten Muscheln bestehenden Türvorhang. Am runden Tisch des lichtdurchfluteten Wohnraums saßen Ayala, deren Freundin Sariyah sowie Twila, die Cousine von Gamalehs Mutter.
Ayala und Sariyah unterbrachen ihr Gespräch und begrüßten Gamaleh. Die sonst so redselige Twila beschränkte sich auf eine Geste, denn sie trug eine lederne Knebelmaske, die kaum mehr als ihre großen Augen und die Nase frei ließ.
»Konfuzius sagt: Stille Frau, glückliches Haus«, zitierte Gamaleh gut gelaunt. Ihre Schwester und Sariyah lachten, und sogar Twilas Augen funkelten amüsiert.
Sariyah erhob sich. »Warte, ich bringe dir Kuchen und Limonade.« Sie ging mit wippenden Brüsten in die Küche.
Gamalehs Blick heftete sich auf ihre Schwester. »Wow, was trägst du denn heute? Habe ich ja noch gar nicht gesehen!«
Ayala stand auf und drehte sich wie eine Tänzerin mit ausgebreiteten Armen einmal um sich selbst. »Gefällt es dir? Tom hat es geschickt, es kam mit dem letzten Boot an, aber Mama hat es mir erst heute gegeben. Tom schreibt, ich solle mich schon mal dran gewöhnen, weil ich es nach unserer Hochzeit oft tragen werde.«
Das Geschirr aus schwarzen Lederriemen sah wirklich elegant aus auf Ayalas nahtloser Sonnenbräune. Von einem mindestens vier Zentimeter breiten Halsband lief ein Riemen zwischen Ayalas mandelförmigen Brüsten mit den korallenroten Warzen hindurch, die Gamaleh stets bewundert hatte. Unterhalb des Nabels mündete er in einen Querriemen, der rund um den Körper führte. Zwei weitere Querriemen liefen über und unter den Brüsten entlang und betonten diese. An jeder Kreuzung waren stabile, silbern glänzende Ringe angebracht.
Von dem Querriemen unter dem Nabel zweigten links und rechts zwei weitere Riemen ab, umrahmten Ayalas haarlose Spalte und mündeten hinten in einen etwa vier Zentimeter durchmessenden Ring. Ein weiterer Riemen führte von diesem nach oben, kreuzte die drei Querriemen und endete an der Rückseite des Halsbands, das zur Hälfte unter Ayalas schwarzen Locken verschwand. Das Geschirr war so kunstvoll gefertigt, dass es mit einem einzigen Schloss auskam, das hinten am Halsband angebracht war, strammen Sitz garantierte und ein Ablegen verhinderte.
»Mama verwahrt den Schlüssel bis zur Hochzeit«, sagte Ayala und legte die Arme auf den Rücken. »Es ist irre praktisch, siehst du? Man kann die Hände in fast jeder beliebigen Position fixieren.« Sie spreizte demonstrativ die schlanken Beine. »Und unten bin ich trotzdem frei zugänglich, vorn und hinten.« Sie strahlte Gamaleh an. Eine beinahe greifbare Aura des Glücks umgab sie. »Ich kann es kaum erwarten, bis Tom kommt! Wie er wohl aussehen mag?«
Gamaleh kicherte. »Bestimmt hat er eine Glatze und eine Warze auf der Nase!«
»Unfug!«, sagte Sariyah, deren Stundenglasfigur wieder in der Küchentür erschien. »Niemand hat mit 26 eine Glatze! Euer Vater hat ihr bestimmt einen guten Mann ausgesucht.« Sie stellte einen Becher mit Zitronenlimonade vor Gamaleh auf den Tisch und legte ein Bananenblatt daneben, auf dem sich ein Stück Limetten-Avocado-Kuchen und ein geschnitzter Löffel befanden. Gamaleh dankte mit einem Lächeln und setzte sich.
Sariyah nahm ebenfalls wieder Platz. »Ich wünsche dir, dass Tom so zärtlich ist wie mein Jeff. Natürlich ist er auch streng, ein Mann muss ja streng sein. Leider kommt er nur alle paar Monate nach Hause.«
Gamaleh nickte gedankenverloren. Die meisten Männer wohnten und arbeiteten weit weg, auf dem Festland, und kamen nur selten nach Hiva. Mit Ayalas Tom würde es kaum anders sein. Gamalehs und Ayalas Vater bildete eine der wenigen Ausnahmen von dieser Regel.
Ayala deutete auf Sariyahs stählernen Halsreif, von dem ein dreieckiges Plättchen herabhing. Darin waren der Name ihres Mannes und das Hochzeitsdatum eingraviert. »Nur noch drei Tage, dann bekomme ich auch einen Ring.« Ihr Blick glitt an Sariyahs Körper hinab. »Hoffentlich lässt Tom mir ein ebenso elegantes Keuschheitspiercing machen!«
Ein stählernes Schild mit eingraviertem »J«, das durch jeweils vier Ringe mit den äußeren Schamlippen verbunden war, verschloss Sariyahs Scheide, die ebenso haarlos war wie jene von Gamaleh, Ayala und fast allen anderen Frauen.
»Wer weiß«, sagte Gamaleh, »vielleicht lässt Tom dir ja auch einen Keuschheitsgürtel anpassen, von der Art, wie Mama ihn trägt.« Mit dem Holzlöffel trennte sie ein Stück von dem zartgrünen Kuchen ab. »Habt ihr gesehen? Yangshi hat jetzt einen mit Schenkelbändern!«
Ihre Schwester lachte. »Selber schuld, warum erzählt sie auch dem halben Dorf, dass sie die Finger zwischen Körper und Gürtel schieben kann, wenn sie die Beine weit genug spreizt? Sam musste einfach etwas unternehmen!«
Unter dem sehnsüchtigen Blick Twilas ließ Gamaleh das cremige Kuchenstück auf der Zunge zergehen. Sie verzog schwärmerisch das Gesicht. »Mama ist und bleibt die beste Bäckerin im Dorf. Wo ist sie überhaupt?«
»A-hang«, machte Twila und deutete an Gamaleh vorbei in den Hintergrund des Raums. Ayala und Sariyah glucksten.
Gamaleh wandte sich um. Ihre Schultern sanken herab, und sie atmete lautstark aus. »Oh, Mama, nicht schon wieder das Piratengefängnis! Was hast du diesmal angestellt? Wieder einen abgerissenen Knopf an einem von Vaters Hemden übersehen?«
Coreen, Gamalehs Mutter, lächelte säuerlich. »Diesmal war es ein Loch im Strumpf.«
Das »Piratengefängnis« war ein käfigartiges Gestell, etwas über einen Meter lag, einen halben Meter breit und gerade so hoch, dass eine erwachsene Frau darin aufrecht, aber mit angezogenen Beinen sitzen konnte. Ein zweiteiliges Brett schloss den Käfig auf der Oberseite ab, mit einem Loch darin, aus dem Coreens Kopf ragte. Sie war nicht gefesselt, aber dennoch völlig hilflos. Ihre Arme konnte sie aus dem Käfig strecken, aber wegen des Bretts war sie nicht in der Lage, die Hände zum Mund zu führen. Sie konnte nicht einmal ihre Nase putzen.
Gamaleh schüttelte den Kopf. »Du lernst es wohl nie! Soll ich dir ein Kissen bringen? Es ist bestimmt unbequem mit dem Keuschheitsgürtel auf dem nackten Holzboden.«
Coreen, die die gleiche schwarze Lockenfrisur trug wie Ayala, zögerte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Lieber nicht, es wird sonst nur nass. Ich muss bis Sonnenuntergang hier drin bleiben, hat dein Vater gesagt.«
»Sind ja nur noch drei Stunden.«
Gamaleh wandte sich wieder ihrem Kuchen zu, doch bevor sie den nächsten Bissen tun konnte, waren das Klingeln von Glöckchen und das Knirschen von Rädern auf Kies zu hören. Ein kurzes »Brr!«, dann das Hämmern nackter Füße auf den Bohlen der Terrasse. Der Muschelvorhang teilte sich, und Deli trat ein. Die gelöste Atmosphäre, die soeben noch geherrscht hatte, vereiste.
Ebenso wie ihrer Schwester Coreen sah man Deli nicht an, dass sie die 40 bereits überschritten hatte. Ihr Haar war immer noch schwarz, ihre Brüste fest, und keine einzige Falte verunzierte ihr Gesicht. Nur der verkniffene Ausdruck um die blutleeren und die meist zusammengepressten Lippen ließen sie älter erscheinen als Coreen, obwohl sie tatsächlich zwei Jahre jünger war.
Delis Blick heftete sich auf Twila. »Stille Frau, glückliches Haus.« Ihre Stimme klirrte.
Diesmal lachte niemand. Twila verdrehte die Augen. »A-ha-hang!« Etwas Speichel rann unter der Knebelmaske hervor und tropfte auf ihre linke Brust.
»Ganz deiner Meinung.« Deli nickte in Richtung ihrer Schwester. »Abgerissener Knopf?«
Coreen kicherte. »Loch im Strumpf. Nimm Platz. Du entschuldigst, wenn ich dich nicht selbst bediene, aber im Moment kann ich meinen Gastgeberpflichten leider nicht nachkommen.«
Ayala stand auf, um Kuchen für ihre Tante zu holen, und Deli schnalzte mit der Zunge. Neid blitzte in ihren Augen.
»Na, dein Tom stürzt sich ja schon vor der Hochzeit in Unkosten. Was für ein Geschirr! Sieht so aus, als hättest du das große Los gezogen. Vor 15 Jahren, als ich heiratete, konnte man von so was nicht mal träumen.«
Es war, als ob die Atmosphäre mit einem Mal keine Schallwellen mehr transportierte. Sie aßen schweigend, während Twila entsagungsvolle Blicke auf den rasch dahinschwindenden Kuchen warf. Gamaleh hatte sich die Knebelmaske einmal heimlich ausgeliehen und wusste daher, dass ein stattlicher Gummipenis tief in Twilas Mundhöhle ragte. Mit Sicherheit hatte sie ihren Mann Jack wieder mit Dorftratsch gelangweilt.
Erst als das letzte Stück Kuchen verspeist war, fragte Ayala: »Hat eigentlich schon jemand Irina nach der genauen Uhrzeit des Vollmonds gefragt?«
Es war Sitte, dass die Vermählungszeremonie zur Stunde des Vollmonds stattfand, und es galt als böses Omen, wenn diese Vorgabe nicht exakt eingehalten wurde.
Gamaleh erhob sich und sammelte Becher, Bananenblätter und Löffel ein. »Ich erledige das. Ich wollte mir sowieso wieder ein oder zwei Bücher holen.«
»Nimm meinen Wagen«, sagte Deli. »Ich warte auf euren Vater, es gibt noch eine Menge zu besprechen.«
Gamaleh trug Blätter und Geschirr in die Küche und verabschiedete sich dann. »Wir sehen uns.«
»Wir sehen uns«, klang es vielstimmig zurück.
Delis Sulky parkte vor der Terrasse, die Zügel des Ponygirls waren ein paarmal um das Geländer geschlungen. Suhani, ein weißhäutiges Mädchen mit kurzen roten Haaren und schweren Brüsten, kauerte zwischen den Holmen. Es trug die übliche Ponygirlausrüstung: Kopfgeschirr einschließlich Trense, ein eng anliegender Lederharnisch, der Brüste und Schamgegend frei ließ, sowie die zur Trittfestigkeit mit eisernen Hufen beschlagenen Lederstiefel. Suhanis Unterarme waren hinter ihrem Rücken zusammengefesselt, was für eine gerade Haltung und vorgereckte Brüste sorgte. Silberne Glöckchen klemmten an den rosafarbenen Brustwarzen.
Gamaleh löste die Zügel und stieg in den Sulky. Sie ergriff die Peitsche und ließ sie schnalzen, jedoch ohne Suhani damit zu berühren. Drei feuerrote Striemen zogen sich bereits quer über beide Pobacken. So, wie Deli die Ponygirls behandelte, konnte man fast glauben, sie wäre nie selbst zwischen den Holmen getrabt und hätte die Peitsche am eigenen Leib gespürt.
Suhani wieherte übermütig, und der Sulky ruckte an. Die Schreie auffliegender Vögel übertönten das Knirschen des Kieses und das Klingeln der Glöckchen. Eine Fahrt begann, die Gamaleh mitten hinein in das größte Abenteuer ihres 18-jährigen Lebens tragen würde.