Читать книгу An die kurze Leine gelegt - Tomàs de Torres - Страница 5
ОглавлениеBegonnen hatte alles nur vier Tage zuvor, in einem Ferienhotel an der Costa Brava. Angela und ihre Freundin Sonja hatten sich auf zwei unbeschwerte Wochen am Meer gefreut, und zumindest Sonjas Urlaub verlief so, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Am ersten Abend angelte sie sich am Strand einen 20 Jahre älteren Franzosen mit braunem Schnauzbart, und Angela bekam sie erst am Mittag darauf wieder zu Gesicht. Drei Tage später, als entweder der Franzose oder Sonja das Interesse verloren hatte, warf sie sich an der Bar einem 35-jährigen Engländer mit rotem Gesicht und blondem Borstenhaar an den Hals. Angela war das Ganze so peinlich, dass sie ihren Drink bezahlte und sich still und heimlich verdrückte.
Und nun, am Nachmittag des achten Urlaubstages, als Angela die Tür des gemeinsamen Appartements öffnete, hörte sie ein doppeltes Keuchen und Stöhnen, das keinerlei Missinterpretation zuließ.
Sie wollte schon ebenso unbemerkt verschwinden, wie sie gekommen war, als ihre Neugierde siegte. Wer, fragte sie sich, war wohl Nummer drei?
Sie stieg die beiden Stufen empor, die vom Flur in den Wohnbereich führten, und schlich sich in das Wohnzimmer. Es war leer, aber die Tür zum Schlafzimmer dahinter war angelehnt. Angela zögerte nur kurz, dann trippelte sie auf Zehenspitzen weiter und spähte durch den Spalt.
Sonja kauerte auf dem Bett, auf allen vieren, mit gespreizten Schenkeln und baumelnden Brüsten. Ihre Hände hatten sich in der zerknüllten Tagesdecke verkrampft. Sie war ebenso nackt wie der braungebrannte Mann, der seine Hände um ihre Hüften gekrallt hatte und in einem schnellen, harten Rhythmus seinen Unterleib gegen Sonjas Po warf. Angela erkannte einen der spanischen Hotelgärtner wieder. Er war höchstens 25 Jahre alt, sah phantastisch gut aus und hatte Muskeln wie ein Preisringer.
Wenn man etwas über Sonjas Auswahl sagen kann, dachte Angela, während die beiden sich hörbar dem Höhepunkt näherten, dann nur so viel: Mit fortschreitendem Urlaub wird sie wählerischer.
Sie schlich sich aus dem Appartement. Es war später Nachmittag, sie hatte den ganzen Tag am Strand verbracht und 100 Seiten eines Buches umgeblättert, ohne sich an den Inhalt zu erinnern. Sie sehnte sich nach einer Dusche, aber das Zimmer war ja nun blockiert, und so ging sie hinunter in die Hotelhalle und dann hinaus, nicht zum Strand, sondern in Richtung der alten und kurvenreichen Küstenstraße. Eine kleine, von Felsen umgebene Bucht fiel ihr ein, die sie vom Bus aus entdeckt hatte, gar nicht weit vom Hotel entfernt – und menschenleer. Sie beschloss, die Straße entlangzuwandern und zu nachzusehen, ob es einen Weg gab, der zu dieser Bucht hinabführte.
Sie wollte allein sein.
Angela hatte nichts gegen Sex im Urlaub. Im Gegenteil, sie war einem Abenteuer nicht abgeneigt und hatte sich sogar darauf gefreut. Aber Sonjas Verhalten gleich am ersten Abend hatte sie abgestoßen. Die beiden kannten sich seit zwei Jahren und hatten auch gleichzeitig die Ausbildung zur Bürokauffrau begonnen, aber dies war ihr erster gemeinsamer Urlaub. Man lernt einen Menschen wohl erst dann wirklich kennen, wenn man ihn außerhalb seiner gewohnten Umgebung erlebt und mit ihm Tag und Nacht das Zimmer teilt.
Und so hatte Angela das genaue Gegenteil getan: Sie hatte sich abgekapselt, den Kontakt mit Männern vermieden – und eine schrecklich öde erste Urlaubswoche verbracht.
Die Bucht war leicht zu finden, und sie war so abgeschieden, wie Angela sie in Erinnerung hatte, obwohl die Entfernung zum Hotel kaum 100 Meter betrug. Aber es gab keinen direkten Zugang zu ihr. Von dem weit geschwungenen Hotelstrand trennte sie ein Wirrwarr aus Granitfelsen, der sich bis ins Wasser erstreckte und dort eine chaotische Landschaft von Zwergeninseln bildete.
Angela fand schließlich eine Stelle, wo ein Abstieg möglich erschien. Sie presste ihre blaue Strandtasche an sich und schwang sich über die Leitplanke. Nur kurz schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, ob man sie hier wohl rechtzeitig fände, wenn sie abstürzte und sich ein Bein brach, oder ob sie vorher verschmachten würde. Doch ein paar Schritte weiter wies der Fels Spuren von Bearbeitung auf, und sie fand einen schmalen Pfad, der nach unten führte.
Die Bucht war tatsächlich leer. Nur ein paar rote Cruzcampo-Bierdosen und Fetzen von Packpapier wiesen darauf hin, dass sie von der Menschheit nicht völlig vergessen worden war. Angela sprang den letzten halben Meter, ihre Sandalen gruben sich in weichen, grauen Sand.
Sie drehte sich einmal um sich selbst.
Die Küstenstraße war von hier aus weder zu sehen noch zu hören, hoch aufragende Granitblöcke hielten den Lärm der wenigen Autos und Busse ab. Die einzigen Geräusche waren das regelmäßige Rauschen der Brandung – der Herzschlag des Meeres – und die Schreie von Möwen und Seevögeln, die hoch über Angela ihre Kreise zogen. Weit draußen kreuzten einige Motorboote und zogen Spuren weißer Gischt durch ein postkartenblaues Meer. Salzige Tropfen trafen Angelas Gesicht, ihre nackten Arme und Beine.
Es war einfach, sich vorzustellen, allein auf dieser Welt zu sein.
Sie warf die Tasche in den Sand, streifte die Schuhe ab und lief zwei-, dreimal rund um die Bucht. 20 Meter Strand, zehn Meter Hinterland, keinesfalls mehr. Sie hatte keine Lust, schon wieder zu schwimmen, setzte sich auf einen großen Stein und atmete die salzhaltige Luft in tiefen Zügen ein. Aber sie konnte ihre Gedanken nicht von Sonja und ihren mittlerweile drei Liebhabern lösen.
Vor ein paar Tagen hatte Angela ihren ganzen Mut zusammengenommen und Sonja darauf angesprochen, in einem der selten gewordenen gemeinsamen Momente, als sie auf dem Balkon lagen – Sonja oben ohne wie meist – und auf das bunte Treiben am Strand starrten. Zunächst hatte Sonja überhaupt nicht verstanden, worauf Angela hinauswollte.
„Gibt es denn keinen, der dir gefällt?“, fragte sie.
„Doch, schon“, antwortete Angela nach kurzem Nachdenken. „Vielleicht bin ich zu altmodisch, aber ich denke, der Mann sollte den ersten Schritt machen.“ Ihr Blick wanderte aufs Meer hinaus. „Es sollte ein starker Mann sein. Nicht unbedingt ein Muskelprotz, aber mit einem festen Willen, der auch keine Angst vor einer Niederlage hat und der …“
Sonjas Gelächter ließ sie verstummen. „Meine Liebe, wenn du auf einen Märchenprinz wartest, wirst du eher alt und grau! Du musst dich schon mit dem begnügen, was im Angebot ist.“ So wie ich.
Sonja sprach den Nachsatz zwar nicht aus, aber Angela verstand auch so. Sie stellte das Glas mit der Sangria – Sonja hatte unbedingt Sangria trinken wollen – hart auf den Plastiktisch. „Natürlich muss es kein Märchenprinz sein! Ich meine doch nur …“
Doch dann trällerte Sonjas Smartphone und beendete die Unterhaltung. Und plötzlich hatte sie es ganz eilig, aus dem Appartement zu kommen. Allein.
Jetzt, während ihre nackten Zehen den feuchten Sand zu Klumpen ballten, spann Angela den abgerissenen Faden weiter.
Natürlich muss es kein Märchenprinz sein. Ich bin nicht so dumm, auf einen Ritter in glänzender Rüstung zu warten, der mich von meinem öden Dasein als Bürokauffrau errettet. Aber die meisten Männer, die ich kenne, sind unsicher und voller Komplexe. Wenn mich mal einer anspricht, und ich gehe nicht sofort auf ihn ein, entschuldigt er sich stotternd und mit rotem Kopf, und ich sehe ihn nie wieder. Egal, wie gut er aussieht: Wenn er sich wie ein Feigling benimmt, will ich ihn gar nicht wiedersehen. Ist das altmodisch?
Irene, eine Jugendfreundin, die Angela schon lange aus den Augen verloren hatte, pflegte es kurz, aber prägnant auszudrücken: „Ich will keinen Warmduscher!“
Angela ließ ihren Oberkörper auf den von der Sonne erhitzten Stein zurücksinken. Sie dachte an das, was sie soeben beobachtet hatte. Keiner ihrer bisherigen Liebhaber hatte sie von hinten genommen. Nicht, dass Angela dies verlangt hätte. Sie war nie auf diesen Gedanken gekommen, und ihre jeweiligen Freunde wohl ebenso wenig. Aber diese Stellung hatte etwas Animalisches, etwas zutiefst Archaisches an sich. So mussten vor 10.000 Jahren alle Männer ihre Frauen genommen haben, am nächtlichen Feuer in der Höhle oder in einer Schilfhütte …
Sie spreizte die Beine, und wie von selbst glitten die Finger ihrer rechten Hand an ihrem Körper nach unten, verharrten kurz am Bund der weißen Shorts und gruben sich dann darunter durch, bis sie den Rand der Stoppelhaarzone erreichten. Angela hatte ihr Schamhaar vor dem Urlaub abrasiert, nachdem sie gelesen hatte, dass mehr als 80 Prozent aller Männer von einer Frau erwarteten, zwischen den Beinen glatt wie ein Baby zu sein. Doch mittlerweile hatten die Haare bereits wieder drei oder vier Millimeter Länge erreicht.
Weiter glitten ihre Finger, bis ein glühender Blitz aus Lust durch ihren Körper fuhr und sie aufkeuchen ließ. Mit der Linken öffnete sie den Knopf der Shorts und den Reißverschluss, dann spreizte sie die Beine noch weiter. Die rechte Hand presste sie auf den Schamhügel und spürte Wärme und Feuchtigkeit. Sie massierte die Schamlippen, dann öffnete sie diese mit zwei Fingern und drang in die rote Grotte ein.
Ein langgezogenes Stöhnen verließ Angelas halb geöffneten Mund. Sie reckte ihren Unterleib in die Höhe, als böte sie sich einem Unsichtbaren an. Daumen und Zeigefinger legten sich um den steifen Kitzler und massierten ihn, während ihre Hüften zu kreisen begannen. Mit der linken Hand schob sie die Bluse hoch und ertastete eine der vor Sehnsucht schmerzenden, korallenroten Warzen. Unter der Berührung versteifte sie sich, und Angela stöhnte erneut auf.
Sie schob den Unterleib vor, bis ihr Po zur Hälfte in der Luft hing, schloss die Beine und streifte Shorts und Slip bis zu den Knöcheln hinab. Sofort kehrte ihre linke Hand zurück zur Brust und die rechte begann, die Klitoris zu massieren. Sie spürte, wie sich der Orgasmus allmählich aufbaute, und schob einen dritten Finger in ihre nasse Höhle. Gleichzeitig zupfte und zerrte die andere Hand an der linken Brustwarze. Angelas Brüste waren so empfindlich, dass sie manchmal allein durch deren Berührung zum Höhepunkt gelangte.
Die Wellen des Meeres schlugen an den Strand, rollten zurück und brandeten erneut dagegen, und Angelas Finger passten sich diesem Rhythmus ganz von selbst an. Der feuchte Wind kühlte ihre Schenkel, nicht jedoch die Hitze, die im Zentrum ihres Körpers loderte. Angelas Mund öffnete sich und stieß leise Schreie der Lust aus, ihre Beine zitterten, und ihr Unterleib zuckte, während sich die Finger ihrer Rechten weiter vorarbeiteten und der Daumen am Kitzler rieb. Dann war es soweit, der Orgasmus rollte über sie hinweg wie die Brandung über den Strand. Sie schrie ihre Lust hinaus, zuckte noch einige Male und sank erschöpft zusammen.
„Wenn du mein Mädchen wärst“, sagte eine dunkle Stimme in die sich ausbreitende Stille hinein, „würde ich dir das nicht erlauben.“