Читать книгу Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea - Tony Schmid - Страница 6

Reise durch Nordamerika

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So kam es, dass Jack mit seinem Freund Jean-Luc eine Flugreise nach Indien plante. Da aber zu diesem Zeitpunkt kein Günstigflug in Sicht war, beschlossen die Beiden, zuerst nach Montreal in Kanada, wo Jean-Luc geboren war, zu fliegen. „Jetzt werde ich endlich deine Heimat sehen, Buffalo Bill!“, sagte Jack zu Jean-Luc. Er nannte ihn oft so, weil er wie jener schwarzhaarige Buffalo Bill aus dem gleichnamigen Bastei Comix aussah. Von Montreal aus hatten sie die Absicht Kanada zu durchqueren, um dann in Vancouver auf einem Schiff anzuheuern, welches sie nach Indien bringen sollte. So zogen sie, nachdem sie mehrere Nächte im preisgünstigen YMCA Hotel übernachtet hatten, sich das ehemalige Expo Gelände und den der Stadt den Namen gebenden Mont Royal angesehen hatten, zudem einige Verwandte und Freunde von Jean-Luc in Montreal besucht hatten, per Anhalter los. Schon die erste Mitfahrgelegenheit in Québec erwies sich bald als furchterregend: Ein indianischer Schamane, unterwegs mit seiner Frau, hatte die Beiden zum Übernachten in seinem Blockhaus, weitab der Zivilisation an einem See, eingeladen. Sie blieben ein paar Tage da und verstanden sich recht gut mit den Leuten. Diese lebten seit Jahren von Sozialhilfe, besassen aber trotzdem eine Wohnung in Montreal, dieses Blockhaus und zwei Autos. Kanada war damals unter dem amtierenden Präsidenten Trudeau das sozialste Land der Welt. Eines Abends sassen die Beiden auf einem wuchtigen Sofa, wie es sie dort damals gab, als der Schamane plötzlich vor ihnen stand und sie samt Sofa mit seiner geistigen Kraft, ihnen kam es vor wie eine wahnsinnige Wallung, über einen Meter in die Luft hob. Was er damit sagen wollte war ihnen nicht klar, aber zumindest Jack packte die nackte Angst: „Jean-Luc, lass uns abhauen, mir ist das gar nicht geheuer!“ Deshalb ging er am darauf folgenden Tag schon frühmorgens zu Fuss los in den nächsten Ort und kaufte sich dort, trotzdem weder er noch Jean-Luc einen Schweizer Führerschein hatten, ein zehnjähriges Chevy Impala Coupé. Dann evakuierte er seinen Freund Jean-Luc und fuhr mit ihm in das Reservat der Ottawas in Ontario. Dort machten sie eine Wochentour mit einem Kanu. Die beiden waren fasziniert von der Schönheit der kanadischen Landschaft. Auf diesen Touren fährt man mit dem Kanu überall wo man kann, Zwischendurch muss man es aber auch mal ein Stück über Land tragen. Jack stritt sich am Anfang mit Jean-Luc. Der sass hinten und ruderte rechts. Da er viel kräftiger als der vorne links rudernde Jack war, hatte das Kanu ständig einen Rechtsdrall. Jack reklamierte: „Ich kann mich nicht auf dich einstellen, du aber dich auf mich!“ Angekommen auf einem See ereignete sich ein sehr ungewöhnlicher Zwischenfall: Jack sprang in den See und tauchte unter. Als er wieder auftauchte, hatte er sich für einen Moment in einen Häuptling in voller Montur verwandelt. Jean-Luc erschrak sehr, war aber von dem Mirakel trotzdem sehr angetan: „So was habe ich noch nie erlebt! Wie ist das nur möglich?“ Jack wusste


auch keine Antwort darauf, hatte er doch eben den Moment eines früheren Lebens wieder erlebt. Sein Vorleben als Häuptling Pontiac, einst Häuptling des Ottawa Stammes, welcher zuletzt verraten und erstochen worden war, hatte sich zurückgemeldet. Wie das bei solchen Erfahrungen so ist, hatte Jack ein ganzes Leben in Sekundenbruchteilen nachvollzogen. Während ihres Aufenthalts war Jack bereits negativ aufgefallen, dass die Ureinwohner in Kanada besonders diskriminiert wurden und viele von ihnen dem Alkohol verfallen waren. Sie sind rein schon von ihrem Aussehen her viel markanter als etwa die in den Staaten lebenden Apachen, die eher wie Mischlinge aussehen. Sie haben anders als diese kantige Adlernasen und verfügen über keinen in den Hosen sichtbaren Po, vielleicht war das mit ein Grund. Jean-Luc und Jack reisten dann via Toronto, wo viele Schweizer leben, weiter bis nach Niagara, wo sie sich die berühmten Wasserfälle anschauten. Ihr alter Chevy verbrauchte plötzlich fast so viel Öl wie Benzin und schliesslich funktionierte nur noch der Rückwärtsgang, bevor er endgültig den Geist aufgab. Kaufen wollte diese Kiste auch niemand mehr, so liessen sie das kaputte Ding einfach irgendwo stehen und reisten dann vorerst mit dem kanadischen Pendant des amerikanischen Greyhound Bus weiter. Als sie in einer kleinen Ortschaft in Ontario wieder einmal auf den Bus warteten, ereignete sich ein bisher nur von wenigen Menschen erlebtes Phänomen: Am tiefblauen, absolut wolkenlosen Himmel über ihnen manifestierte sich aus dem Nichts die sogenannte „weisse Wolke“, in Form einer riesigen Hand, von den Ureinwohnern auch die Hand Manitus genannt, und entfachte einen heftigen Sturm. Innert kurzer Zeit waren die beiden völlig durchnässt und standen demütig in der Prärie. Sie waren völlig baff, hatte ihnen die Hand doch erst noch freundlich zugewinkt. Es sollte übrigens noch Jahre vergehen, bis Jack ausser Jean-Luc noch jemand anderen kennenlernen würde, der diese Wolke auch erlebt hatte. Hierbei sei gesagt, dass dies ein italienischer Künstler war, der damals jeden Winter über Land von der Schweiz aus nach Indien reiste um dort uralte, verfallene Dschungeltempel abzuzeichnen. Auf einer Reise manifestierte sich die weisse Wolke irgendwo im Iran, entfachte einen heftigen Sturm, der Bus, in dem er mitreiste, kam wegen Aquaplaning ins Schleudern und überschlug sich. Bei diesem Unfall war er der einzige Überlebende. Jack, der bei vielen seiner Mitmenschen zeitenweise auch Astralebenen sehen konnte, hatte bei diesem Mann etwas ganz besonderes entdeckt, was auf eine besondere Form von Schutzengel hinwies. Sah er in seinem Gesicht doch immer wieder das Antlitz des Hindugottes Ganesh aufblitzen. Das heisst, seine Nase verwandelte sich dabei in den Rüssel von Ganesh, der ihm klar sichtbar Schutz gewährte. Kurz nach dem Jack und Jean-Luc ihr eindrückliches Erlebnis mit der weissen Wolke gehabt hatten, nahm sie ein bärtiger, langhaariger Fahrer eines Lastwagens für ein längere Strecke mit. Dieser entpuppte sich als Mitglied der grössten amerikanischen Motorradgang und lud die Beiden zu sich in sein weitentlegenes Blockhaus an einem Waldsee ein. Dieses Haus war wie eine feste Burg gestaltet. Der Brunnen befand sich innerhalb des Gebäudes, bot somit für mehrere Tage Schutz, auch vor Bären, von denen es dort viele gibt. Was Jack und Jean-Luc aber vollends die Sprache verschlug, war die atemberaubende Schönheit der Frau des Rockers. Sie war gross, schlank, braungebrannt und hatte lange, blonde Haare. Sie schien keine Kleider zu besitzen, denn sie ging ständig nackt. Sie sagte, dass sie sich nur so wohl fühle und keine einengende Kleider tragen wolle. Auch ein Wochenendtreffen der auf Harleys herangedonnerten Motorradgang änderte daran nichts. Als dann ihr Mann vorschlug, die Beiden sollten doch, auch wenn er die nächste Woche wieder arbeiten würde, seiner Frau Gesellschaft leisten, winkten sie dankend ab. Sie waren ob dem schönen Körper der Frau sowieso schon total aus dem Häuschen und mussten ständig ihre Erregung unterdrücken. Jung und bezüglich einer solchen Situation noch völlig unerfahren, mit der berechtigten Angst, dieser herrlich schönen Frau nicht widerstehen zu können, zogen sie weiter. Jack meinte dann zu Jean-Luc: „Schade, gibt es nicht noch mehr so mutige Frauen, die sich jedermann, frei von verlogenen, prüden Moralvorstellungen, ohne unnötige Scham, mit grosser Leidenschaft zeigen. So etwas zu sehen ist beglückend fürs Gemüt. So hätten wenigstens alle etwas davon und eine Frau könnte sich viel einfacher ihren oder ihre Partner aussuchen!“ Jean-Luc antwortete Jack: „Du musst halt mal nach Brasilien, ich habe gehört, dass es dort vielerorts so läuft!“ Jack fand, dass sie wegen ihrer konservativen, katholischen Erziehung versagt hatten. Entsprach doch diese Frau seiner Vorstellung sozialer Traumfrauen, die ihre Schönheit mit ihrem Umfeld ohne finanzielle Interessen, nur aus Freude an der Sache, teilten. Unterwegs standen sie eines Abends in einer kleinen Ortschaft und kamen nicht weiter. Plötzlich verschwanden alle Bewohner in ihren Häusern und schlossen eilig die Türen. Die Fenster und Türen waren alle zusätzlich mit Moskitonetzen versehen, was den Freunden sofort aufgefallen war. Schon verdunkelte sich der Himmel und sie standen mitten in einem brutalen Mückenschwarm. Die stechwütigen Biester trieben Jean-Luc und Jack dazu, sich in ihre Schlafsäcke zu verkriechen. Dort hatte es leider auch schon viele Moskitos, welche die Beiden in den puren Wahnsinn trieben. Sie brüllten schmerzgepeinigt und wanden sich hin und her. Der Spuk dauerte etwa ein halbe Stunde. Total verstochen, den nicht gerade gastfreundlichen Dorfbewohnern, die sie nicht davor gewarnt hatten, ihre Gleichgültigkeit übelnehmend, fanden sie endlich eine Mitfahrgelegenheit. Im Spiegel der Sonnenblende des Wagens sah Jack, wie aufgedunsen sein Gesicht und seine Hände waren. Die graugrünliche Hautfarbe, die er jetzt hatte, entlockte ihm folgenden Ausspruch: „Ich sehe ja aus wie Frankenstein!“ Der Fahrer, der aus der Gegend stammte und diesen Anblick gewohnt war, pflichtete ihm bei. Aber auch Jean-Luc sah nicht viel besser aus. Die Beiden juckte es am ganzen Körper und es verging einige Zeit, bis sie sich wieder erholt hatten. Zum Glück waren die Mücken keine Malariaträger. Eine solche Attacke wäre wohl tödlich ausgegangen. Nach der sehr langweiligen Prärielandschaft in Manitoba und Saskatchewan, dem Cowboy Rodeoland Alberta, seinen wunderbaren Landschaften von Jasper und Banff mit Lake Louise, erreichten sie schliesslich Abbotsford in Britisch Kolumbien. Nichtsahnend, dass sich dort einige Zeit später bei einer alljährlich stattfindenden Flugschau ein schweres Unglück ereignen sollte. Ein russisches Konkurrenzflugzeug der Concorde, also ebenfalls ein Überschallpassagierflugzeug, riss beim Steigflug in der Mitte entzwei und fiel wie ein Papierflieger vom Himmel. Da die Jungs nicht mehr bei Kasse waren, arbeiteten sie eine Zeit lang als Pflücker auf einer grossen Beerenfarm. Diese wurde per Flugzeug mit hochgiftigen Pestiziden besprüht. Die Beeren, Himbeeren und Erdbeeren wurden für die allseits bekannte Konservenfabrik Del Monte produziert. Indische Gastarbeiterinnen, zumeist mit von Tüchern gehaltenen Babys auf dem Rücken, waren geschwätzig zu Tausenden am Pflücken. Bezahlt wurden sie nach gefüllten Kistchen. Jack und Jean-Luc hatten gegen ihre Geschwindigkeit keine Chance und somit schlechte Karten, mit dem ohnehin schlecht bezahlten Job richtig Geld zu verdienen. Jean-Luc verliebte sich schon bald in die Tochter des aus Litauen eingewanderten Farmers. Sie hatten sie in einer Frühstückbar erstmals getroffen und sie sagte zu ihnen: „Korn Flakes sind ungesund, esst stattdessen Haferflocken!“ Jack arbeitete dann noch kurze Zeit auf der Farm, war aber nicht zufrieden mit der allzu einfachen Unterkunft und reiste bald weiter nach Vancouver, fand dort Unterschlupf in einer Wohngemeinschaft von Divine Light Mission, eben jener Organisation von Guru Maharaji. Diese Organisation betrieb übrigens damals in ganz Nordamerika eine eigene Reformhauskette, was es vereinfachte, sich dort gut und vegetarisch zu ernähren. Jack fand einen Job als Zaunbauer, besorgte sich ein Fahrrad, fuhr in der Freizeit oft und gern in den Stanleypark, wo er sich die Seaworld und die wunderschönen Totempfähle anschauen konnte . Zudem sass er oft in einem Restaurant am Bahnhof, der sich am Hafen befindet und sah den Zügen und den auf dem Wasser startenden und landenden Flugzeugen zu. Zudem suchte er auf etlichen Schiffen nach einer Mitfahrgelegenheit nach Asien. Da sich aber leider nichts ergab, entschloss sich Jack, nun wenigstens noch die USA zu bereisen. Ein Visa für länger, das verfügbare hundert Dollar pro Woche erfordert hätte, war für Jack mit seinem „paar Kröten Job“ nicht realisierbar. In Anbetracht der Situation kam jetzt nur eine illegale Lösung in Frage: Seine Bekannten, bei denen er als Zaunbauer arbeitete, schlugen vor, es doch über die grüne Grenze zu probieren, zeichneten deshalb einen Plan für ihn, wo er durchlaufen sollte und wo sie ihn, nachdem sie mit ihrem Chevy Pickup Truck und Jacks Tramperrucksack die reguläre Grenze überquert hatten, ihn wieder aufnehmen würden. So fuhren sie also mit ihm an die grüne Grenze, einige Kilometer vom Grenzposten entfernt. Jack machte sich auf den Weg durch den Busch und seine Freunde fuhren zur Grenzstation. Dort wurden sie aber, wegen einer Anzeige von jemandem, der den illegalen Grenzübertritt Jacks mitbekommen hatte und dementsprechenden Fragen zum mitgeführten Gepäck Jacks für längere Zeit aufgehalten. Man musste ihn wohl für einen Drogenkurier gehalten haben, denn hinter sich hörte er bald unter höchster nervlicher Anspannung eine Meute von Bluthunden immer näher kommen. Zudem suchte man auch mit einem Hubschrauber nach ihm, welcher mit seinem Rotorwind die Büsche auseinandertrieb. Trotzdem erreichte Jack völlig fertig eine auf dem Plan eingezeichnete Farm, wo er sich zunächst versteckte. Es war bereits dunkel, als ihm seine Bekannten über eine Lichtung hinweg Lichtzeichen gaben. Äusserst erleichtert und erfreut über ihr Auftauchen rannte Jack zu ihnen. Dann fuhren sie endlich weiter nach Bellingham im Staat Washington, wo er vorerst in einer WG unterkam. Nachdem sich Jack von seinen Helfern verabschiedet hatte, wurde er in der Nähe seiner neuen Unterkunft noch von ein paar fletschenden Hunden erschreckt. Noch die Angst vom Grenzübertritt im Nacken, war das nun einfach zu viel für ihn und er erlitt seinen ersten Nervenzusammenbruch. Er erlebte es, wie wenn man bei einer Autobatterie Plus und Minus verbindet, ihm war, als ob nach einer inneren Explosion Rauch aus ihm aufsteigen würde. In der Wohngemeinschaft befand sich auch ein weiterer Schweizer, der damals für unglaubliche zweitausendfünfhundert Dollar den Flugschein für kleine Propellermaschinen gemacht hatte. Jack gefiel die herrliche Aussicht auf den Pazifik, die alte, weissgestrichene Villa stand an erhöhter Lage. Wieder erholt, trampte er via Seattle, das ihm nicht sonderlich gefiel, wo er aber in einem Lunapark auf einer sehr grossen Achterbahn bis zum Umfallen eine Runde um die andere fuhr, dann Portland in Oregon, Richtung Kalifornien. Eine Gruppe fröhlicher Hippies hatte ihn mitgenommen, diese wollten nach San Francisco, wo sich damals immer noch viel Flowerpower abspielte. Im Gebiet der uralten Mammutbäume, die hundert und mehr Meter hoch werden können, unweit von Frisco, machten sie dann noch einmal halt und übernachteten auf einer Waldlichtung am Meer. Sie rauchten mexikanisches Marihuana, sogenanntes „Acapulco Golden“ aus einer Wasserbongpfeife, welche die Form des markanten Kopfes Präsident Nixons aus Keramik hatte, in dessen Maul sie das Gras entzündeten. Jack war aüsserst amüsiert, holte sich aber infolge des heftigen Windes vom Meer her eine üble, sehr schmerzhafte Entzündung des Mittelohrs. Am darauffolgenden Tag überquerten sie die prächtige Golden Gate Bridge. Nur einige Kiliometer zuvor beobachteten sie noch eine Verfolgungsjagd der Polizei, die mit mehreren Wagen und heulenden Sirenen hinter einer schwarzen Limousine her war. „Look, like in a movie!“, meinten die Leute zum schmunzelnden Jack. Endlich angekommen in San Francisco, fand er bald eine Unterkunft bei einem kriegsversehrten Vietnamveteran, der wie er ein Mitglied von Divine Light Mission war. Jack gefielen in Frisco einerseits die alten, pastellfarbenen Holzhäuser mit ihren Penthouses, welche das grosse Erdbeben von 1906 und die daraus resultierende, verheerende Feuersbrunst, überstanden hatten. Es faszinierten ihn zudem auch einige Wolkenkratzer und er versuchte, jeweils ganz oben hin zu gelangen. Er hielt auch Ausschau nach einer Arbeitstelle, ein Jobangebot für San Francisco sollte er jedoch grotesker Weise erst viel später nach seiner Rückkehr in die Schweiz erhalten. Bei seinen vilen Streifzügen durch die Stadt hatte er auch festgestellt, dass er in der damaligen Hochburg der Schwulen gelandet war. Da Jack jedoch absolut solidarisch mit diesen war, störte ihn das überhaupt nicht , solange man ihm nicht an die Wäsche wollte. Bald trampte er weiter in Richtung Los Angeles. Unterwegs besuchte er noch ein Openair im wunderschönen Santa Cruz, wo er zufälligerweise Zeuge der Dreharbeiten von Jaws, also dem weissen Hai wurde. Dann reiste er weiter die Küste hinunter und erreichte eines Abends das mondäne Malibu Beach. Als er dann das Ortschild sah, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Schon Monate zuvor hatte er von diesem geträumt, ein klassisches Déja-vu also und da er ja wie gesagt keine gültige Aufenthaltsbewilligung hatte, musste er notgedrungen am Meer hinter den Dünen schlafen. Dort traf er dann auf einen jungen Afroamerikaner, der zusammen mit seinem Hund auch dort übernachten wollte. Kaum war Jack eingeschlafen, fing hinter ihm ein heftiges Klappern an: „Don‘t move!“, sagte der junge Mann, Jack solle sich ja nicht bewegen und versuchen, so unmerklich wie möglich zu atmen. Leichter gesagt als getan! Im Nacken Jacks rollte sich eine Klapperschlange, er war angespannt wie nie zuvor, ihm stockte das Blut, aber glücklicherweise zog sie sich nach einigen Minuten wieder zurück. Jack kam es trotzdem vor wie eine Ewigkeit und er erlitt, wen wunderts, wegen seiner Todesangst seinen zweiten Nervenzusammenbruch, noch heftiger als beim ersten Mal. So begab er sich mit dem jungen Mann in ein 24-Stundenlokal, wo sich seine Anspannung in Form von heftigem Schüttelfrost langsam wieder entlud. Dass Jack sich wegen seinem illegalen Status so vorsichtig verhalten musste, stand in krassem Gegensatz zu der Tatsache, dass Guru Maharji selbst in Malibu seinen persönlichen Hauptsitz hatte und dort eine äusserst feudale Villa bewohnte. Am nächsten Tag ging Jack weiter in Richtung Hollywood, von dort hatte er die Adresse einer Wohngemeinschaft. Er durchquerte das weitläufige, von dickem Smog überzogene L.A. mit seinem Tramperrucksack zu Fuss und plötzlich stand er in einem elenden Armenviertel vor einer Gruppe grimmig dreinschauender Afroamerikaner, die ihn fragten: „Do you want to die?“ Also ob er sterben wolle. Nachdem ihnen Jack erkärt hatte, er sei hier fremd und komme aus der Schweiz, antworteten diese wie aus einem Munde und wie alle anderen Amerikaner: „Ah, from Sweden!“ Sie liessen ihn unbehelligt weiterziehen. Schliesslich erreichte Jack das Haus der WG, von wo aus er direkten Blick auf das bekannte Hollywood Schild in den Hollywood Hills hatte. Wieder ging Jack auf Jobsuche und traf eines Tages auf dem Hollywood Boulevard auf John Wayne, der in seinem weissen Rolls-Royce Convertible am Strassenrand parkte und ihn sehr freundlich mit dem typisch amerikanischen „Howdy“, abgekürzt für „How do you do?“, grüsste. Trotzdem Jack noch nie Fan dieses Schauspielers gewesen war, grüsste er ihn respektvoll zurück. Der schwer krebskranke John Wayne lebte von diesem Zeitpunkt an nur noch zwei Jahre. Jack ging weiter auf dem Sunset Boulevard und wurde unterwegs von einer kräftigen Prostituierten in ihr als Arbeitsplatz dienendes Häuschen gezerrt. Mit einem Schubs landete er auf ihrem Bett und schon hielt sie ihm eine Preisliste über ihre Dienstleistungen unter die Nase. Jack lehnte dankend ab, er sei selbst auf Jobsuche. Die blieb dann allerdings erfolglos, mehrere Angebote als Pornodarsteller lehnte er ab. Hätte es sich um heterosexuelle Filme gehandelt, hätte er womöglich zugesagt, es ging aber vorwiegend um homosexuelle Darstellungen, was absolut nicht seiner Veranlagung entsprach. Da die einst früher so populäre Kulissenfimerei nicht mehr angesagt war und deshalb die meisten früheren Aufnahmestudios leer standen, wurden zu dieser Zeit in Hollywood praktisch nur noch solche Filme gedreht. So verliess Jack entnervt L.A. und reiste weiter via Las Vegas, das ihm gar nicht gefiel und ihm wie ein riesiger Rummelplatz vorkam, weiter durch die Wüste Nevada mit ihren eigentümlichen, kegelförmigen Bergen, vorbei am riesigen, trockenen Salzsee in Utah bis Salt Lake City und weiter in Richtung Denver Colorado. Unterwegs hatte ihn auch ein sehr interessanter Sheriff in seinem Wagen mitgenommen. Der Aschenbecher seines Wagens war vollgestopft mit vorgedrehten Marihuanajoints und er forderte Jack immer wieder auf, sich zu bedienen. Jack, eigentlich Nichtraucher, wollte nicht unhöflich sein und tat, wie ihm geheissen. Er war aber doch überrascht über diesen liberalen, aussergewöhnlichen Ordnungshüter. Dann kam Jack zu einer einmaligen Fahrt mit einem amerikanischen Rennboot, das dem Fahrer des nächsten Wagens gehörte. Dies mit hoher Geschwindigkeit auf einem brettharten, kalifornischen See. Am Ufer glitzerte es überall und Jack wollte wissen, was das sei. „Das ist Gold, lohnt sich aber trotzdem nicht zum Abbauen!“, antwortete der nette Mann, der aus Manitoba stammte. Der nächste Autofahrer, der ihn mitnahm, war ein echter Cowboy und so wollte Jack wissen, ob hier solche Jobs zu haben seien . Der Mann riet ihm von dieser Arbeit eindeutig ab, diese sei enorm anstrengend und habe nichts mit alten Wildwestfantasien zu tun. Nach Utah kam er nach Wyoming und endlich in Denver, fand er wiederum ein Zimmer in einer WG. In dem Haus lebten drei junge Männer, einer davon mit zwei Hunden, einem alten Neufundländer und einem weissen Pudel, dann drei Frauen, eine davon mit ihrer kleinen Tochter. Der kleine Pudel, namens Cotton, war einst von einem Auto angefahren worden und der Ärmste hatte deshalb einen gehörigen Dachschaden davongetragen. Er pinkelte sich regelmäßig ans vordere, rechte Bein. Jack hatte von Anfang an Mitleid mit dem armen Tierchen und wusch ihn jeweils in der Dusche mit Hundeshampoo. Da er mit weit geöffneten Augen verwirrt dreinschaute, so, wie die Pferde des Streitwagens, die Jack zuvor auf einem Bild von Krishna mit Arjuna gesehen hatte, taufte Jack ihn bald treffend „Krishnahorse“. Ihm gefiel die Hauptstadt Colorados auf Anhieb, trotz ihrer Lage im Flachland, liegt sie nahe bei den Rocky Mountains und erinnerte ihn irgendwie an seine Heimat. Zu seinem Erstaunen befand sich in seinem Zimmer ein Fernseher mit Baujahr 1952, der bereits über eine richtige Fernbedienung verfügte. Die hatte ein viel grösseres Gehäuse als es heutige Geräte haben, darauf befand sich ein Drehknopf für die Senderwahl und das Ding hatte eine externe Antenne. Beim Umschalten gab sie ein bizarres Zischgeräusch von sich. Im Zentrum der Stadt fand Jack einen Laden, in dem Wintersportartikel verkauft wurden. Dort sah er ein Inserat, in dem man Skilehrer für Aspen und Loveland suchte. Er traute sich zumindest zu, Anfänger gut unterrichten zu können. Als er den Ladenbesitzer darauf ansprach, entpuppte sich dieser als Schweizer: „Haben sie überhaupt ein Schweizer Skilehrerpatent? Sonst wird nichts aus dem Job!“ Da Jack kein solches vorweisen konnte, war die Sache gelaufen. Er war aber schon erstaunt, dass ausgerechnet ein Landsmann darüber bestimmen sollte. Es war jedoch in der Zeit, als die damals weltberühmten Schweizer Skiakrobaten Roger Staub und Art Furrer, für einige Jahre in Colorado lebten und somit als absolute Könner den Takt vorgaben. Dann, nach längerem Suchen, fand er endlich dank der guten Beziehungen eines seiner Mitbewohner eine körperlich sehr harte Arbeit auf dem Bau. Damals wurde gerade ein neuer, ziemlich grosser Flughafen für Denver gebaut und Jack bekam dort den Auftrag, mit dem Grabenstampfer etliche Wege zu planieren. Von diesem schweren Gerät, das wie eine Heupferd rauf und runter hüpft, dabei den ganzen Körper des Haltenden durchschüttelt und -vibriert, träumte Jack auch noch nachts und sah das Ding vor sich rumhopsen. Bald fand Jack einen besseren Job. Etwas ausserhalb Denvers war ein neues Quartier mit Appartement- und Reiheneinfamilienhäusern entstanden. Dort wurden auch künstliche Seen angelegt, auf denen sich bald Wasservögel wie Enten, Schwäne und Blaesshühner ansiedelten. Nun hatte ein gewiefter Geschäftsmann eine tolle Idee: Die Neuzuzüger der vielen Häuser würden Zimmerpflanzen brauchen und so liess der Mann etliche Sattelschlepper voll mit exotischen Pflanzen wie Gummibäumen, Zimmerpalmen und dergleichen aus Mittelamerika herankarren. Damit füllte er eine grosse, angemietete Halle. Jack half beim Abladen, beim Verkauf und war schon zuvor mit einer Gruppe von Helfern beim Verteilen der entsprechenden Reklameflyer in dem riesigen Vorort von Denver beteiligt gewesen. Als dann der Tag des Verkaufs kam, war die Halle in windeseile ausverkauft und Jack seinen Job natürlich somit wieder los. Zum Glück fand er bald wieder einen gutbezahlten Job als Mitarbeiter in einer kleinen Auto- und Motorradwerkstatt. Der Chef, auch ein Mitglied von Divine Light Mission, hatte sich darauf spezialisiert, die Luxuswagen und Harleys von Leuten, die dem Materialismus entsagen wollten und ins Ashram gingen, für wenig Geld abzuluchsen: „Ich wäre ja blöd wenn ich das nicht machen würde!“ Die gekauften Fahrzeuge wurden dann aufpoliert, was zu Jacks Aufgaben gehörte, technisch fit gemacht, wenn nötig zum Autosattler gebracht und anschließend für teures Geld verkauft. Der geschäftstüchtige Besitzer der Garage war also nicht gerade besonders spirituell und zudem Kettenraucher, was sich schlecht mit Meditation verträgt. Da Jack für diese Arbeit, bei der er auch oft mit einem Geschäftswagen neue Ersatzteile von Checker Autoparts und gebrauchte von teilweise ziemlich weitentfernten Autofriedhöfen besorgen musste, brauchte er dringend einen amerikanischen Führerschein. Mit Unterstützung seiner Mitbewohner büffelte er für die Theorieprüfung, fahren konnte er ja schon. So ging er also zur Prüfstelle, setzte alles auf eine Karte, gab seine Wohnadresse an und wies sich mit seinem Pass ohne Visa aus. Das fiel dort aber überhaupt nicht auf oder wurde gar nicht nachgeschaut. Er bestand die Prüfung, erhielt den Ausweis und konnte sich fortan unbehelligt zwischen USA und Kanada hin und her bewegen, hatte er doch nun eine Legitimation mit dem Status einer Identitätskarte. Kitty Bright, eine sehr nette Mitbewohnerin in der Wohngemeinschaft und Tochter eines Direktors des Chryslerkonzerns, borgte Jack für die ganze Zeit seines Aufenthalts ihren neuen Plymouth Dart, da sie diesen für sich selbst nicht unbedingt brauchte. So konnte Jack wundervolle Ausflüge in die nahen Rocky Mountains machen. Sie war es auch, die Jack dazu einlud, sie und ihren Freund in dessen Jeep weit hinauf in die Rockys zu begleiten, abseits der Zivilisation. So erreichten sie das zweitletzte Dorf, für Westernfilme im Originalzustand belassen, von wo aus noch ein originaler Zug mit Dampflock zum letzten Ort fuhr. Dieser diente ebenfalls als Wildwestkulisse. Vor einem Saloon parkten unzählige tolle Harley und Indian Bikes. Drinnen wurde Cowboymusik geboten. Am Ende des Orts hörte die Strasse auf, Kittys Freund legte die Untersetzung ein und über Stock und Stein ging es Steil den Berg hinauf. Sie erreichten in beträchtlicher Höhe das Blockhaus eines mit ihnen befreundeten Aussteigers. In der Nähe standen noch die Fragmente einer ehemaligen Goldgräberstadt, jetzt eher eine Geisterstadt. Jack betrat ein mehrstöckiges Holzhaus, das innen wie aussen von Moos überzogen war und vor sich hinmoderte. Er wollte eben die Treppe erklimmen, als ein heftiges Knarzen Gefahr ankündigte. Er schaffte es gerade noch das Gebäude zu verlassen, bevor dieses wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzte. Ein anderes Mal fuhren Jack und seine Freunde mit einem Van an den Oberlauf eines Flusses. In Schläuchen von Lastwagenreifen liessen sie sich den wilden Bergfluss hinuntertreiben, auch über kleinere Wasserfälle. Das machte grossen Spass, jedoch erschrak Jack, als eine lange, schwere Schlange neben ihm vorbeischwamm. Das musste eine illegal ausgewilderte Python gewesen sein. In dem alten Haus der WG, bei der er wohnte, klagten Mitbewohner immer wieder, sie würden nachts von Geistwesen geweckt oder gar berührt. Als Jack einmal spätabends im Lotussitz auf dem Sofa vor dem Kamin des Salons meditierte, erhoben sich vor ihm plötzlich zwei Astralwesen aus dem Boden, er erkannte einen alten Mann und eine alte Frau. Nun hatten aber alle genug gesehen und nachdem sie in Erfahrung gebracht hatten, dass in diesem Haus vorher ein Geschwisterpaar von Geburt an bis zum Tod gelebt hatte, bisher aber scheinbar keinen Frieden fand, bestellten sie eine Schamanin, diese sollte dem Spuk ein Ende bereiten. Nach dem Aufhängen von viel Knoblauch und anderen Ritualen wie dem Aufstellen von mit Salz gefüllten Töpfen der Schamanin, um deren einen Oberarm sich eine echte Schlange wand, kam es schliesslich zu einer Rückkehr zur Normalität. In dieser Zeit verliebte sich Jack auch in ein Indianermädchen namens Spring, also Frühling. So eine Ausstrahlung versprühte sie auch. Sie stammte vom Stamm der Apachen, die in Colorado gut vertreten sind. Genauso wie Jack erging es einem guten Freund von ihm, der hiess Bobby und hatte ein braunes und ein grünes Auge. Jedoch war es bei ihm echt, nicht so wie bei David Bowie. Vielleicht wegen dieser sehr speziellen Eigenheit erhielt er die Zuneigung von Spring. Absolut kein Problem für Jack. Er gönnte es ihm auf jeden Fall von Herzen, eine solch tolle, aussergewöhnliche Frau gefunden zu haben. Zu dieser Zeit herrschten in den Staaten noch sehr apartheidähnliche Zustände. Wenn Jack Sound von schwarzen Musikern hören wollte, weil er diesen nun einmal bevorzugte, musste er sich zwangsläufig in von den Weissen getrennte Lokalitäten begeben. Interessierte Weisse hatten hier wohl Zutritt, für sie mussten gemäss Behördenauflagen von den Betreibern extra Toiletten für Weisse gebaut werden, umgekehrt hatten Schwarze in Lokalitäten von Weissen überhaupt keinen Zutritt. Am Eingang hiess es nur: “No Dogs, no Indians, no Blacks!” Also Apartheid pur auch in den USA. Der freundschaftliche Umgang Jacks mit Menschen aller Hautfarben war vielerorts sowieso nicht gern gesehen. In der Absicht, in Orlando ein Guru Festival zu besuchen und später wieder nach Denver zurückzukehren, hatte er sich aufgemacht, via New Mexico und Texas Richtung Florida zu reisen. In New Mexiko nahm ihn ein älteres Ehepaar in einem Pickup mit. Der Mann schien arg betrunken, denn er konnte kaum die Spur halten. Als ihn dann aber Jack zum fahren ablöste, was die Leute in der Regel von mitgenommenen Fahrgästen erwarteten, merkte er schon bald, dass die Lenkung der alten Karre über zehn Zentimeter Spiel hatte. Kein Wunder also, wurde er alsbald von der Polizei angehalten, mit entsprechen-den Fragen zu seinem Fahrstil. Der Wagenbesitzer erklärte die Sache und sie konnten weiterfahren. Dann war Jack mit zwei Typen ebenfalls wieder in einem Pickup unterwegs. Darauf angesprochen, wo sie denn hin wollten, gaben sie zur Antwort: „We are going down to Birmingham to get fucked and sucked!“ Manchmal staunte Jack ja schon über das befremdliche, schroffe Benehmen vieler Amerikaner. Die hatten absolut keine Hemmungen das zu sagen, was ihnen gerade in den Sinn kam. Ihm fiel auf, dass, je südlicher er kam, in Bibliotheken fast nur noch schwarzmagische und okkulte Bücher auslagen. In Alabama musste er dann mit der dortigen Rotnackenmentalität Bekanntschaft machen. Einmal war er von jemandem, der ihn per Anhalter mitgenommen hatte, an einer Kreuzung mitten in einem Laubwald ausgesetzt worden. Nach kurzer Zeit tauchte entgegen Jacks Route ein Pickup Truck mit zwei finsteren Gesellen mit Texashüten auf, die mit hämischem Grinsen auf die hinter ihnen hängenden Repetiergewehre zeigten und drohten, dass sie Jack gleich erschiessen würden. Sie fuhren noch ein kleines Stück weiter um zu wenden. Jack wusste nicht wie mehr was er tun sollte, wäre er von der Strasse weg in den Wald geflüchtet, hätten sie wohl leichtes Spiel gehabt ihn zu erwischen. Er blieb also, in der Hoffnung auf ein Wunder, wie angewurzelt stehen und plötzlich, wirklich im allerletzten Moment, tauchte ebenfalls auf der Gegenfahrbahn ein Wagen auf, der noch vor den beiden Fratzen wendete und eine Frau ihn aufforderte, sofort einzusteigen. Auf dem Rücksitz sassen drei kleine Kinder. Sofort klärte die gute Frau Jack auf, dass er sich auf allerübelstem Ku-Klux-Klan Gebiet befände, wo Schwarze und Langhaarige für diese Rassisten, die die Sklaverei am liebsten nie abgeschafft hätten, eine beliebte Zielscheibe abgäben. Sie fuhr mit ihm noch viele Kilometer in die Richtung, die er wollte und lud ihn obendrein zum Essen ein. Dann reiste Jack via Mobile Alabama weiter Richtung Florida. Unterwegs an der Küste kam er durch einen Ort, der eine Woche zuvor von einem Hurrikan heimgesucht worden war. Die meisten Häuser waren zerstört und die Palmen entwurzelt. Eine weitere Mitfahrgelegenheit ergab, dass der Fahrer, der wie ein verrückter fuhr, eben aus dem Gefängnis entlassen worden war. Jack erkundigte sich nach dem Inhaftierungsgrund und erfuhr, dass dieser Autos geklaut hatte. So verwundert es kaum, dass der Wagen, den er jetzt fuhr, auch gestohlen war. Jack war froh, als er endlich wieder aussteigen konnte. Mit sehr netten Leuten erreichte er bald Tampa in Florida und schliesslich Orlando. Dort fand wie gesagt ein sogenanntes Guru Puja statt. Auf einem künstlichen See, der zur riesigen Anlage des dortigen Disney World Parks gehört, hatte man am Ufer eine Bühne in Form einer geöffneten Muschel errichtet. Als man dann mit den Festivitäten angefangen hatte, donnerte plötzlich vom anderen Ende des Sees ein amerikanisches Schnellboot heran und sprang über eine Schanze auf einen am Ufer aufgebauten Schaumgummiberg. Der blumenbekränzte Guru stieg aus und betrat die Bühne. Dann hörten zigtausende seiner Ansprache zu, interessanterweise hatte es Zuschauer jeder Art. Besonders war Jack eine Gruppe von orthodoxen Würdenträgern in ihren schwarzen Roben und mit ihren schwarzen, glockenförmigen Schirmen aufgefallen. Was die hier wohl suchten? Jack hatte einen Schnellkurs bei den Security Leuten absolviert und stand deshalb am letzten Tag beim sogenannten Darshan, bei dem die Anhänger des Gurus ihm die Füsse, beziehungsweise die Socken küssten, direkt vis-à-vis dem Guru und schaute diesem, soweit er seinen Blick erwiderte, direkt in die Augen. Jack missfiel sein Gehabe sehr, dass der sich von seinen Anhängern wie ein Gott verherrlichen liess und wollte ein Zeichen setzen, dass ihm diese Huldigungen nicht wirklich zustehen würden. In Orlando traf Jack auch noch zwei alte Freunde aus Luzern, die ihn dazu überredeten, statt nach Denver, wieder in die Schweiz zurückzukehren. So reiste Jack über Cape Canaveral, wo er von der Strasse aus noch einige Saturnraketen des Apollo Programms sehen konnte, zunächst nach Südcarolina. Dort erlebte er in einem 24-Stundenlokal folgende Episode: Da Jack sich die Kosten für eine Übernachtung ersparen wollte, verweilte er in einem der vielen Coffeshops, die rund um die Uhr geöffnet haben. Man bezahlte für einen Kaffee und die ganze Nacht wurden einem gratis weitere eingeschenkt. In diesem Fall von einer bezaubernden, jungen, schwarzen Frau, deren Liebreiz sich kaum ein Mann entziehen konnte. Sie schien aber einen Ehemann, einen Liebhaber oder auch einen Verehrer zu haben. Ebenfalls ein Afroamerikaner, der mindestens jede halbe Stunde mit einem bollernden Muscle Car aufkreuzte und die anwesenden Gäste mit eifersüchtigen Blicken auseinandernahm. Am folgenden, sonnigen Morgen, hatte Jack das Glück, von einer Band, die auf Tournee war, mitgenommen zu werden. Sie reisten zu sechst mit einem zu einem Tourbus umgebauten, ehemaligen Fahrzeug der Greyhound Linie. Hinter den Sitzplätzen befanden sich Kojen, Dusche und Küche. Hinten befand sich ein kleiner Übungsraum für unterwegs. Sie waren ebenfalls Afroamerikaner und spielten Soul, Funk und Blues. Selbstredend, dass Jack sich bei ihnen auf Anhieb wohl fühlte. Er durfte ihren Groove bis kurz vor Washington geniessen. Von dort ging es über New York und Boston weiter bis Montreal, von wo aus sein Rückflug ging. Es hatte ihn ein Mann mit seinem Sohn mitgenommen, die mit ihm auf dem Weg in Vermont auch noch Verwandte besuchten. Bei Jacks Abflug von Montreal lag neben der gepflügten Piste vier Meter Schnee. Nach dieser über einjährigen Reise durch Nordamerika resümierte er, dass dieser Kontinent irgendwie dem Untergang geweiht sei, die dekadente Lebensweise keine Zukunft haben würde. Er begriff die Schwarzen nicht, dass diese nicht längst in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt waren, um Afrika, diesen Ursprungskontinent allen Lebens auf der Erde, positiv entwickeln zu helfen. Die ersten, die ihnen dorthin im Rahmen einer apokalyptischen Fügung wohl nachfolgen würden, wären mit Sicherheit die Indianer, die heute sogenannten Nativ Americans. Verdientermassen, waren es doch seinerzeit bei der Abschaffung der Sklaverei vor allem die noch vor den Afroamerikanern eingebürgerten Indianer, die ehemalige Sklaven adoptierten und ihnen somit zu einer amerikanischen Identität verhalfen. Ihre ursprüngliche Freiheit hatte man ihnen ja sowieso genommen und ihr Land entweiht.

Jacks Augenmerk sollte sich sowieso bald auf Afrika richten.

Das Gasthaus an der Diego Cao, der ehemaligen Sklavenküste Togos am Golf von Guinea

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