Читать книгу Das Todesnetz des Ian Degry - Torben Stamm - Страница 10

Meeting

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Gregor hatte seinen Hauptsitz noch immer in dem gleichen alten Pub, von dem aus er schon immer seine Geschäfte betrieben hatte. Klar, irgendwann würde er umziehen müssen – seine Geschäftsräume seinen Geschäften anpassen.

Er musste immerhin etwas repräsentieren.

Aber er hing an diesem alten Schuppen.

Er hatte den Pub übernommen und von hier aus angefangen, seine Macht Schritt für Schritt auszudehnen.

Die Straße.

Das Viertel.

Die Stadt.

Er machte Umsatz, die Bosse mochten ihn. Einige waren froh gewesen, als Gian Mateo abtrat – oder abgetreten wurde. Ein paar Leute hatten daran gezweifelt, dass Gregor der Richtige für den Job war.

Also hatte Gregor getan, was er immer getan hatte: Die Ärmel hochgekrempelt und seinen Job gemacht. Das bedeutete in erster Linie, dass viele Leute vor die Wahl gestellt wurden, ob sie ihren Ruhestand mit ihrer Frau oder irgendwo verscharrt liegend verbringen wollten.

Dabei war Ian Degry seine rechte Hand gewesen.

Ian Degry! Gregor griff nach seinem Päckchen Zigaretten und steckte sich eine an. Er lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück und blies den blauen Rauch unter die Decke.

Ian Degry!

Ein Künstler.

Ein Krieger.

Aber inzwischen fragte sich Gregor, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, ihn ins Management zu holen.

Der Junge war gut, keine Frage. Seine Abteilung lieferte ab. Wann immer es ein Problem gab, konnte man auf Degry zählen.

Aber in letzter Zeit mehrten sich die Gerüchte, er wäre ein bisschen…paranoid geworden. Als Killer an der Front war Misstrauen seine Lebensversicherung gewesen und auch in seiner neuen Position sollte man nicht zu gutgläubig sein, aber man musste dabei…subtil vorgehen. Fingerspitzengefühl aber war offensichtlich nicht gerade Degrys Stärke.

Es klopfte.

„Ja!“, rief Gregor. Die Tür schwang auf und Ian Degry betrat den Raum.

„Morgen“, begrüßte Gregor seine Führungskraft. Degry nickte: „Guten Morgen.“ Er setzte sich Gregor gegenüber auf einen Stuhl.

Sieht schon irgendwie verkniffen aus, dachte sich Gregor. Früher ist er mir cooler vorgekommen. Jetzt sieht er gestresst aus. Und gestresste Leute machen Fehler.

„Also?“, fragte Gregor.

„Ryan Ferdinand ist in der Stadt.“

Und das soll mir jetzt was sagen? Das sagte Gregor natürlich nicht. Stattdessen machte er: „Aha.“

Degry runzelte kurz die Stirn, bevor er fragte: „Du weißt, wer das ist?“

Nein, aber ich werde dir das bestimmt nicht auf die Nase binden. Gregor schwieg.

Degry erklärte: „Ryan Ferdinand ist sowas wie…“ Er suchte nach dem passenden Begriff: Wie soll ich ihn charakterisieren?

„Spucks einfach aus“, sagte Gregor und hoffte, dass er ermutigend und nicht genervt klang.

„Er hat ein spezielles Geschäftsmodel entwickelt.“

„Aha.“

„Er kommt in eine Stadt und analysiert die Gegebenheiten: Wer hat die Macht? Womit kann man Geld verdienen? All sowas. Und dann verkauft er die Daten weiter.“

„OK. Er ist sowas wie ein Analyst. Für wen arbeitet er?“

„Er ist freischaffend.“ Degry befürchtete, Gregor würde den Ernst der Lage nicht erkennen: „Die Sache ist die: Manchmal wird er von jemandem beauftragt, der Interesse daran hat, die Stadt zu übernehmen. Oder jemand entwickelt infolge seiner Analyse Gefallen daran, die Stadt zu übernehmen.“

Gregor schüttelte den Kopf: „Wir sind doch nicht im Kindergarten. Wir haben Regeln, Bosse auf höherer Ebene. Ich glaube nicht, dass das so leicht geht.“

Degry zuckte mit den Achseln: „Ich weiß nicht, wie das läuft. Aber Fakt ist, dass ich dir spontan zehn Städte nennen kann, wo genau das passiert ist.“

Furchen zeichneten sich auf Gregors Stirn ab. Degry schöpfte Hoffnung, dass sein Boss den Ernst der Lage doch verstand.

Der wird wirklich paranoid, schoss es Gregor durch den Kopf. Er hat überhaupt nicht verstanden, wie das Spiel läuft. Als würde jeder Hinterwäldler mit zehn Kanonen irgendwo einmarschieren und eine Stadt übernehmen können. Es gibt Gremien, die genau das verhindern. Weil es schlicht und einfach geschäftsschädigend ist. Ian Degry versteht das nicht! Er ist mit dem Herzen immer noch auf der Straße – deswegen reicht sein Blick bis zur nächsten Laterne und keinen Zentimeter weiter.

„Ich denke, wir sollten das im Auge behalten“, stellte Gregor kühl fest.

„Aber…“

„Ian, was willst du denn sonst machen? Sollen wir hingehen und ihn abknallen, weil er sich anguckt, was hier abgeht? Also ganz ehrlich – das machen viele andere Leute auch.“

„Aber bei ihm ist das was anderes.“ Ian suchte nach einem Beispiel: „Guck mal. Die Biene! Die ist ein Indikator dafür, wie es unserer Natur geht.“

„Hä?“

„Ja, sie bestäubt die Pflanzen. Wenn die Biene verschwindet, dann auch die Pflanzen und dann die Menschen!“

Gregor schlug mit der Faust auf den Tisch: „Verdammte Scheiße, jetzt reicht es aber!“ Er schnippte seinen Zigarettenstummel auf den Boden: „Bestäuben? Was bist du denn für einer? Wenn du so auf Bienen stehst, dann mach ne Farm auf.“

„Das heißt Stock.“

„Ist mir doch egal!“ Gregor schüttelte den Kopf: „Wir werden den Kerl beobachten. Wenn du ihn anpackst, bist du der Nächste, der angepackt wird – und zwar nicht zum Bestäuben! Habe ich mich klar ausgedrückt?“

Degry stand auf und nickte: „Unmissverständlich.“ Er leckte sich über die Lippen: „Ich hoffe sehr, dass ich mich irre, aber ich befürchte, ich habe Recht.“

„Und wenn dem so ist, darfst du gerne Ich hab’s dir doch gesagt sagen. Aber bis dahin will ich nichts mehr davon hören.“

Das Todesnetz des Ian Degry

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