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Die Chance

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Phil Szwan klopfte an die Büro-Tür und wartete.

Er schwitzte wie ein Schwein – auch wenn er noch nie ein Schwein hatte schwitzen sehen und sich nicht sicher war, ob sie das überhaupt konnten.

Er schwitzte, weil er wusste, dass das hier seine große Chance war: Die letzten Jahre hatte er damit zugebracht, in der internen Hierarchie aufzusteigen: Langsam aber sicher hatte er sich vom Boten zum Schläger gemausert, aber dieser letzte Schritt machte den Unterschied: Den Unterschied zwischen verletzen und töten. Viele hatten Schiss, diesen Schritt zu gehen, aber Phil nicht.

Was ist ein Menschenleben wert? - Das, was ein Kunde zahlt, um es auszulöschen!

Phil wusste, dass er die Sache nicht versauen durfte. Er musste Degry beeindrucken. Der Mann war eine Legende: perfektionistisch, effizient – tödlich.

„Herein!“, rief eine Stimme, der man nicht widersprechen konnte.

Phil atmete tief durch und drückte die Klinke hinunter.

Ian Degry saß hinter einem mächtigen Schreibtisch, auf dem lediglich ein Laptop stand. Phil sah sich um: Der Raum enthielt keinerlei persönliche Gegenstände, nichts, wodurch man auf Hobbys, Interessen oder sonstige Vorlieben dieses Mannes hätte schließen können.

Phil sah sich um: Kein Besucherstuhl.

„Falls Sie einen Stuhl suchen, den gibt es nicht“, sagte Degry. „Es wird nicht lange dauern.“

Er musterte Phil: Der junge Mann war drahtig, hatte ein markantes Kinn und deutlich sichtbare Muskeln, die allerdings nicht aufgepumpt, sondern hart erarbeitet wirkten.

„Sie möchten einen Job für mich ausführen?“, fragte Degry.

„Ja, Sir.“

„Sparen Sie sich das Sir. Wir sind nicht bei der Armee. Das hier ist ein Betrieb und wie in jedem Betrieb zählt nur der Erfolg. Ist das klar?“ Phil schluckte: „Ja.“

„Gut. Wenn Sie versagen, ist das nicht nur für Sie ein Problem, sondern auch für mich. Und ich habe keine Lust, wegen Ihnen Probleme zu kriegen, klar?“

„Ja!“

„Wenn Sie versagen, hat das Konsequenzen – und es gibt keine zweite Chance.“

Botschaft angekommen: Wenn ich versage, bin ich tot.

Degry wartete einen Moment, dann fuhr er fort: „Die Zielperson heißt Walt Gouren.“ Er griff sich in die Hosentasche und holte einen kleinen Zettel hervor, den er auf den Schreibtisch legte.

„Die Adresse.“

Phil griff nach dem Zettel, las ihn und wollte ihn einstecken, als Degry schnauzte: „Was tun Sie da?“

„Ich… Ich stecke den Zettel ein?“

„Ist das eine Frage?“

„Nein: Ich wollte den Zettel einstecken.“

Degrys Miene verfinsterte sich: „Das werden Sie ganz bestimmt nicht tun.“

„Aber…“

„Sie sind jung. Sie werden sich eine scheiß Adresse doch wohl noch merken können, oder?“

„Ja.“

„Was fällt Ihnen an dem Zettel auf?“

Phil faltete ihn erneut auseinander und betrachtete den gelben Zettel, auf dem jemand – wahrscheinlich Degry – handschriftlich die Adresse des Opfers notiert hatte.

„Ähmmm…“

„Großartig. Sie sind ein Genie.“ Degry schüttelte genervt den Kopf: „Den Zettel habe ich mit der Hand geschrieben. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen einen handgeschriebenen Zettel aushändige, auf dem die Adresse eines Mannes steht, der hoffentlich bald tot sein wird, oder?“

Phil schluckte: Scheiße!

„Hören Sie gut zu: Sie müssen an jedes Detail denken. Sie dürfen keine Spur hinterlassen, die zu Ihnen führt.“ Degry bemerkte, wie Szwans Blick kurz zu dem Computer huschte: „Sie fragen sich, warum ich die Adresse nicht am PC schreibe und ausdrucke?“

Szwan nickte.

„Weil das scheiß Internet das Gegenteil von anonym ist. In dem Moment, wo Sie etwas elektronisch verarbeiten, kann es jemand abfangen.“ Er verdrehte die Augen: „Früher hat man Briefe geschrieben. Die konnte man auch abfangen, aber man musste dafür jemanden an der richtigen Stelle einschleusen. Heute sitzt ein fetter Wichser irgendwo auf der Welt in seiner vollgepissten Bude und klaut überall auf der verdammten Welt elektronische Post. Und mit so einem Apparat“, er zeigte mit dem Zeigefinger auf den Laptop, „soll ich einen Mordauftrag erteilen?“

Phil schüttelte den Kopf. Er warf einen Blick auf den Zettel, prägte sich die Adresse ein und legte das Papier zurück auf den Schreibtisch.

„Sie haben 48 Stunden Zeit. Ich erwarte, dass Sie den Auftrag erledigen und sich dann eine Woche von mir fern halten, klar? Egal, was passiert: Sie melden sich nicht!“

„Wollen…“

Sie melden sich nicht, habe ich gesagt. Wenn Sie erfolgreich sind, kriege ich das mit. Wenn Sie es vergeigen, kriege ich es auf jeden Fall mit. Ein Kontakt zwischen uns und somit eine rekonstruierbare Verbindung ist also nicht notwendig. Und jetzt verschwinden Sie.“

Das Todesnetz des Ian Degry

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