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Kapitel 16 (Heather Simms)

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Ich starrte den Mann mit großen Augen an. Mein Mund stand offen und zitterte leicht.

»Sie ... Sie irren sich. Mein Vater ist doch kein Mörder! Wie kommen Sie denn auf so eine bescheuerte Idee? Dad würde niemals jemandem wehtun.«

Ich rutschte unruhig auf dem Bett hin und her. Meine Augen trafen sich mit denen des Mannes und für einen kurzen Moment blickte ich verunsichert zu Boden. Ich atmete tief durch, nahm meinen ganzen Mut zusammen und sah ihn wieder an.

»Mein Dad ist kein Mörder. Das müssen Sie mir glauben.«

Der Mann stieß ein heiseres Lachen aus. »Du bist ja vielleicht naiv, Honey. Glaubst du vielleicht er würde abends nach Hause kommen und sagen: ‘Ach ja, was ich dir noch erzählen wollte; ich habe vorhin mal eben ein Mädchen vergewaltigt und umgebracht. War ganz nett. Was gibt es denn heute im Fernsehen?’ Dein Daddy ist nicht der Heilige, als den du ihn hinstellen willst. Er hat genug Dreck am Stecken, um ihn endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Er ist Abschaum und muss beseitigt werden.«

Er starrte mir hasserfüllt in die Augen und ich wendete verängstigt den Blick ab. Da war er wieder: Dieser wahnsinnige Gesichtsausdruck, der mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Von einer Sekunde zur anderen war der harmlos wirkende, untersetzte Mann verschwunden und hatte die Bühne für den unheimlichen Mr. Hyde freigegeben. Ich spürte, wie seine weit aufgerissenen Augen mich fixierten und erschauerte.

»Nein, das ist nicht wahr.« Meine Stimme klang dünn und belegt. »Es ist nicht wahr.«

Der Mann drehte sich lachend um und verließ den Raum mit schnellen Schritten. Die Tür flog krachend zu und wurde von außen verriegelt. Ich hörte, wie die Geräusche sich entfernten. Noch einmal ertönte das schallende Gelächter, dann kehrte die Stille zurück in mein dunkles Verlies.

Ich legte die Hände vor das Gesicht und versuchte, meine Emotionen in den Griff zu bekommen. Wie konnte dieser Mann nur solche Dinge behaupten? Mein Dad war doch kein Mörder; er würde sich nie an einem unschuldigen Mädchen vergehen. Völlig durcheinander legte ich mich auf das Bett. Unkontrollierte Gedanken schossen mir durch den Kopf; Bilder meiner Kindheit, Bilder von meinem Vater. Als Angela und ich noch klein waren, war Dad immer für jeden Spaß zu haben. Er tobte mit uns über die Wiesen und Felder, bis wir völlig erschöpft auf der Picknickdecke einschliefen. Wir ließen zusammen Drachen steigen, spielten Ball, lernten gemeinsam Fahrrad fahren. Er war immer für mich und Angela da.

Als wir älter wurden, mussten wir allerdings auch feststellen, dass wir mit einem ganz schönen Moralapostel zusammenlebten. Dad war ein Mensch, von dem man glauben konnte, dass er persönlich sämtliche Gesetze, Normen, Regeln und Gebote unserer Gesellschaft aufgestellt hatte. Er hätte niemals eine dieser Grenzen überschritten.

Dad war nicht streng religiös; er glaubte an Gott, aber auch daran, dass jeder Mensch sein Leben selbst in die Hand nehmen und seine eigene Zukunft weitestgehend mitbestimmen konnte. Vorausgesetzt man hielt sich an die Regeln. Große Regeln, wie: ‘Du sollst nicht stehlen’ und kleine Regeln, wie: ‘Du sollst einen Rasen nicht betreten, wenn ein Schild es verbietet’ oder: ‘Du sollst nicht bei Rot über eine Ampel gehen, auch wenn das nächste Auto fünfundachtzig Meilen entfernt ist’. Er war ein guter Mensch; ein Spießer, aber trotzdem ein guter Mensch. Ich wurde von meinen Freundinnen zwar oft belächelt, wenn sich Dad mal wieder als Vorzeigebürger Nummer eins präsentiert hatte, aber irgendwann im Laufe der Zeit hatte ich gelernt, mit diesen Kommentaren umzugehen. Wegen dieser Macke wurde er ja nicht gleich zu einem schlechten Dad oder zu einem schlechten Menschen.

Und jetzt kam aber dieser kleine, fette Mann und behauptete felsenfest, dass er sehr wohl ein schlechter Mensch sei. Sogar ein verdammt schlechter. Ich verstand die Welt nicht mehr. Wer zur Hölle war dieser Freak? Er erinnerte mich vom Aussehen her ein wenig an einen unserer alten Nachbarn, als wir noch in San Diego gewohnt hatten: Gary Hollister. Genau so klein und dick, aber mehr Haare. Nur mit dem Unterschied, dass Gary Hollister ein richtig netter Typ war. Dies hier war eher sein psychopathischer Halbbruder – ‘Psycho Gary’.

Wie sollte es nun weitergehen? ‘Psycho Gary’ hatte gesagt, er würde mich töten, wenn mein Vater kein Geständnis ablegen würde. Aber Dad konnte doch nichts gestehen, was er überhaupt nicht getan hatte. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass mein Todesurteil bereits unterzeichnet worden war. Die Gedanken an meinen Vater verschwanden in diesem Moment irgendwo in den hintersten Ecken meines Verstandes, die Angst und Sorge um mein eigenes Leben drängte sich hartnäckig in den Vordergrund. Vielleicht würde Dad ja zugeben, dass er dieses Mädchen getötet hatte. Wenn er es wirklich getan hatte, dann war es jetzt seine verdammte Pflicht, ein Geständnis abzulegen. Er musste das Leben seiner Tochter retten; er durfte nicht zulassen, dass auch mein Leben durch seine Schuld beendet würde.

Ich erschrak bei den Gedanken, die meinen Kopf durchzogen und sich gegen jede Vernunft nach vorne boxten. Nein, mein Vater war kein Mörder; dessen war ich mir sicher. Das bedeutete jedoch aber auch, dass er nichts zu gestehen hatte. Und die Konsequenz dieser Situation war mir ebenso bewusst, wie die Kälte, die mich in diesem Moment umgab. Eine Kälte, die meinen Körper sowohl von außen, als auch von innen gnadenlos umhüllte und meine Glieder erstarren ließ.

Westside Blvd. - Entführung in L.A.

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