Читать книгу Westside Blvd. - Entführung in L.A. - Torsten Hoppe - Страница 25

Kapitel 18 (Steve Delaney)

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Detective Tim Lowry hatte uns durch das Fenster bereits gesehen und öffnete die Tür. Marc und ich wechselten ein paar kurze Worte mit ihm und gingen weiter zum Wohnzimmer. John Simms saß zusammengekauert auf dem Sofa und hatte das Gesicht in den Händen vergraben. Seine Frau saß neben ihm und hatte den Arm um ihn gelegt.

Peter Warren stand erwartungsvoll auf, als wir den Raum betraten. »Haben Sie eine Spur von Heather?« Er kam mit schnellen Schritten auf mich zu, doch ich schüttelte nur kurz den Kopf.

»Sorry, Peter. Ich kann Ihnen leider nichts Neues sagen. Wir wollten auch in erster Linie mit Mr. Simms sprechen.«

John Simms sah mit einer langsamen Bewegung auf und blickte uns mit leeren Augen an.

»Sie wollen mit mir über den Anruf des Kidnappers reden, nicht wahr?«

Ich setzte mich in einen der zwei Sessel. »Das ist richtig, Sir. Der Entführer bezichtigt Sie in diesem Gespräch der Vergewaltigung und des Mordes. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen?«

John Simms atmete tief durch. »Ich weiß nicht, was der Mann mit diesen Anschuldigungen bezweckt. Ich habe niemanden umgebracht, das müssen Sie mir glauben. Ich wäre überhaupt nicht dazu in der Lage, einen anderen Menschen zu töten. Vielleicht verwechselt er mich mit irgendjemanden, oder vielleicht ist er auch wahnsinnig; ich weiß es wirklich nicht. Sie glauben doch nicht etwa, dass an diesen Behauptungen etwas dran ist, oder?«

Er blickte uns mit großen Augen an. Marc Turner lehnte sich gegen den Türrahmen. »Mr. Simms, wir sind verpflichtet, allen Hinweisen nachzugehen, und das haben wir auch in diesem Fall getan. Dabei sind wir auf eine junge Frau namens Jennifer Casparido gestoßen. Sie wurde vor vierzehn Monaten in Fresno vergewaltigt und ermordet.«

Marc ließ die Sätze ohne weitere Kommentierung im Raum stehen und beobachtete die Reaktion des Familienvaters.

John Simms schreckte hoch, seine Augen waren weit aufgerissen. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund und blickte von einem zum anderen. Seine Mundwinkel zitterten und seine Stimme klang ängstlich verzerrt.

»Sie ... Sie glauben doch nicht, dass ich etwas damit zu tun habe? Wie ... wie kommen Sie darauf, dass ich ...«

Er blickte Marc mit verzweifelten Augen an. »Nun, Mr. Simms, es geht hier überhaupt nicht darum, was wir glauben. Wir sprechen über einen ungelösten Mordfall. Fakt ist, dass unser Kidnapper behauptet, Augenzeuge bei einem Mord gewesen zu sein. Fakt ist, dass er Sie dieser Tat beschuldigt. Es ist unsere Aufgabe, solchen Hinweisen nachzugehen, auch wenn sie wie in diesem Fall von jemandem vorgebracht werden, der selbst gerade straffällig geworden ist. Unsere Ermittlungen führten zu dem Fall Jennifer Casparido. Da der Kidnapper von der kleinen Jenny sprach und Fresno nur gut dreihundertfünfzig Kilometer von San Diego entfernt ist, sind hier verschiedene Aspekte vorhanden, die eine Überprüfung erforderlich machen. Und wie ich schon sagte, geht es dabei nicht darum, was wir glauben.«

John Simms musste tief schlucken, seine Frau hielt sich die Hand vor den Mund und kämpfte gegen ihre Tränen an. »Lieutenant, ich bin doch kein Mörder ...«

Ich hob beschwichtigend die Hände. »Mr. Simms, niemand in diesem Raum bezichtigt Sie des Mordes, aber wir müssen diesen Hinweisen nachgehen. Wir würden deshalb jetzt gerne Ihre Fingerabdrücke nehmen und mit denen auf der Tatwaffe vergleichen.«

John Simms sprang vom Sofa auf. »Meine ... Fingerabdrücke? Ich bin doch kein Schwerverbrecher. Ich glaube, Sie verwechseln da etwas, Lieutenant. Meine Tochter ist entführt worden. Warum machen Sie sich nicht auf die Suche nach ihr? Hören Sie auf, mich mit diesen abstrusen Verdächtigungen zu belästigen, und bringen Sie mir meine Tochter zurück!«

Ich stand auf und baute mich vor dem erregten Vater auf. »Sir, ich habe vollstes Verständnis für Ihre Situation und Ihren emotionalen Zustand, aber erklären Sie uns bitte nicht, wie wir unseren Job zu machen haben. Wir werden alles daran setzen, Ihre Tochter unbeschadet zu Ihnen zurückzubringen, aber solange wir keine Anhaltspunkte haben, sind unsere Möglichkeiten äußerst begrenzt. Abgesehen davon reden wir hier immer noch von den Ermittlungen in einem ungeklärten Mordfall, bei dem Sie plötzlich als Verdächtiger auftauchen. Wenn Sie ein ruhiges Gewissen haben, dann helfen Sie uns, diese Vorwürfe zu entkräften. Wenn Sie sich weigern mit uns zu kooperieren, dann können wir Sie auch auf das Revier bringen, dort Ihre Fingerabdrücke nehmen und Sie in Untersuchungshaft sperren, bis wir die Ergebnisse haben.«

John Simms starrte mich mit ängstlichen Augen an. »Das ... das können Sie nicht machen. Wenn der Entführer wieder anruft und ich nicht da bin ...«

»Aus diesem Grund haben wir Sie auch nicht vorgeladen, sondern sind zu Ihnen gekommen.«

Marc löste sich vom Türrahmen und schaltete sich in das Gespräch ein. »Es liegt allein an Ihnen, wie wir in diesem Fall verfahren, Sir. Wenn Sie mit der Tat in Fresno nichts zu tun haben, dann brauchen Sie uns nur Ihre Fingerabdrücke zu geben und wir können Sie in kürzester Zeit aus dem Kreis der Tatverdächtigen streichen.«

John Simms blickte verunsichert zu Boden. »Okay, dann nehmen Sie halt meine Fingerabdrücke. Aber ich werde mich keinen Meter von diesem Telefon entfernen.«

Marc ging zur Eingangstür und gab dem Officer, der im Wagen gewartet hatte, ein Zeichen, woraufhin dieser mit einem Koffer in die Wohnung kam. Peter Warren stand schweigend hinter dem Sofa und hatte den Arm um die weinende Pamela Simms gelegt. Der Mann vom Kriminallabor setzte sich in einen Sessel und stellte seine Utensilien auf dem Tisch vor sich ab. Mit einem klackenden Geräusch entriegelte er die Verschlüsse und öffnete anschließend den Koffer. Er griff nach einem kleinen, rechteckigen Kästchen und holte es heraus. Der Fingerabdruckscanner hatte beim Kriminallabor von L.A. das alt bewährte Stempelkissen abgelöst, das bisher die Finger schwarz gefärbt hatte, um auf speziellen Papierbögen die Abdrücke der Fingerkuppen zu hinterlassen.

»Mr. Simms, ich werde nun mit diesem Gerät Ihre Fingerabdrücke nehmen. Es handelt sich hierbei um einen Scanner, der ein Abbild der Konturen ihres Fingers erstellen wird. Würden Sie mir bitte Ihre Hand geben!«

John Simms setzte sich neben dem Sessel des Kriminologen auf das Sofa und legte seinen Unterarm schweigend auf den Tisch. Schweißperlen standen auf seiner Stirn, die Anspannung war ihm deutlich anzumerken. Ich stand abseits an einem Schrank gelehnt und beobachtete den Familienvater genau. Der Mann wirkte unsicher und ängstlich. Es schien, als würde sein Gehirn krampfhaft versuchen, einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, ohne dabei jedoch über irgendwelche hilfreichen Gedanken zu stolpern. Falls John Simms wirklich etwas mit dem Mord in Fresno zu tun hatte, hätte ihm spätestens in diesem Moment klar sein müssen, dass die Luft für ihn extrem dünn wurde.

»Das ist doch alles nur Zeitverschwendung…« Sein Einwand kam wie auf Kommando. Er zog den Arm energisch wieder zurück und setzte sich aufrecht hin. »Ich bin kein Mörder, verdammt noch mal. Meine Tochter ist entführt worden. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie sie suchen, anstatt hier Ihre Zeit sinnlos zu vergeuden und mich mit abstrusen Verdächtigungen zu konfrontieren. Bringen Sie mir mein Mädchen zurück!«

Zorn stand in seinem Gesicht und er funkelte mich gereizt an. Marc wollte ihn gerade energisch zur Räson bringen, als ich ihn mit einem Handzeichen zurückhielt. Ich sah dem Familienvater mehrere Sekunden lang schweigend in die Augen, bis er meinem Blick auswich und den Boden anstarrte.

»Mr. Simms, glauben Sie mir, ich finde diese ganze Situation auch nicht sonderlich angenehm oder lustig.« Meine Stimme klang leise und beruhigend. »Ich würde jetzt auch viel lieber in einem Dienstwagen sitzen, zur Adresse des Entführers fahren und Ihnen Ihre Tochter zurückbringen. Aber diese Option stellt sich mangels brauchbarer Spuren zurzeit leider nicht. Sie können sicher sein, dass genau in diesem Moment unzählige Kollegen damit beschäftigt sind, Heather zu finden. Techniker untersuchen die Bandmitschnitte und versuchen irgendwelche Geräusche herauszufiltern, die uns Hinweise geben könnten; andere Techniker sind dabei, die zahlreichen Stationen der Fangschaltung zu prüfen, um irgendein Muster oder einen Anhaltspunkt auf den Ausgangsort zu finden; Psychologen sind damit beschäftigt, die Fanpost Ihrer Tochter zu analysieren; Kollegen vom Einsatzkommando klappern zum wiederholten Male sämtliche Häuser entlang des Heimweges Ihrer Tochter ab und sprechen mit allen Anwohnern über ungewöhnliche Ereignisse in den letzten Tagen oder Wochen, wie zum Beispiel ein Mann oder ein Wagen, der sich häufig in der Gegend aufhielt und Heather vielleicht beobachtet hat, oder versucht haben könnte, ihren Tagesablauf herauszubekommen. Glauben Sie mir, wir ermitteln zurzeit in zahlreiche Richtungen, um Ihre Tochter zu finden. Eine dieser Richtungen ergibt sich jedoch aus Hinweisen über einen Mordfall in Fresno, der nach Aussage des Kidnappers im direkten Zusammenhang mit der Entführung steht. Wir müssen diesen Hinweisen nachgehen und wir werden diesen Hinweisen nachgehen. Es wäre schön – und auch sehr viel einfacher für alle Beteiligten – wenn Sie uns dabei unterstützen würden. Wenn Sie nichts Unrechtes getan haben, können wir in ein paar Minuten problemlos Ihre Unschuld nachweisen. Ist das für Sie okay?«

Ich sah ihn fragend an. John Simms verschränkte die Arme vor der Brust. Er zitterte am ganzen Körper. Hatte er Angst um seine Tochter, oder davor, dass ein gut konstruiertes Kartenhaus aus Lügen und Täuschungen zusammenbrechen könnte? Kaum merklich hob er den Kopf und nickte.

Der Beamte vom Kriminallabor legte John Simms rechten Daumen auf das gläserne Feld des handlichen Scanners und betätigte einen kleinen Knopf. Ein grüner Lichtstrahl bewegte sich daraufhin unter dem Finger von vorne nach hinten und wieder zurück. Die gleiche Prozedur wiederholte sich mit den restlichen neun Fingern. Der Beamte warf einen kritischen Blick auf sein Gerät, nickte mir zufrieden zu und stand auf. Wir verließen zusammen die Wohnung und gingen zu seinem Dienstwagen, einem Van mit abgedunkelten Scheiben. Er öffnete die hintere Schiebetür und wir stiegen ein. Sofort setzte sich der Mann an einen Computer und ließ das System hochfahren.

Während auch ich mich auf einer Bank niederließ, wurde der Scanner per USB-Kabel am Computer angeschlossen. Der Mann vom Kriminallabor drückte ein paar Tasten und die frisch genommenen Abdrücke von John Simms erschienen als Graustufenbild auf dem Monitor. Ein Konvertierungsprogramm startete und brachte sie in ein speziell vorgegebenes Format, um einen Abgleich zu ermöglichen. Anschließend startete der Beamte das AFIS-Programm. Mittels des ‘Automated Fingerprint Identification System’ konnten Abdrücke mit sämtlichen in polizeilichen Datenbanken gespeicherten Fingerabdrücken verglichen werden. Da es hier nicht um die Suche nach einem Unbekannten ging, sondern um den Abgleich von zwei vorhandenen Abdrücken, deaktivierte der Kriminalbeamte die Suche in der Datenbank, und wählte gezielt das Beweisstück im Fall Casparido aus.

Der Monitor teilte sich in zwei gleich große Bereiche. In der linken Hälfte sah man den Abdruck von John Simms, rechts baute sich der Fingerabdruck auf, den man auf der Mordwaffe gefunden hatte. Ich stellte schnell fest, dass es sich hier lediglich um einen Teilabdruck handelte. Doch auch wenn ein Teil der Papillarleisten fehlte, gab es genügend Informationen für einen Abgleich. Das Programm setzte in beiden Hälften des Monitors an charakteristischen Stellen verschiedene Merker. Hierbei handelte es sich um Gabelungen oder die Enden einzelner Papillarlinien, Einschlüsse oder Punkte. Da die Fingerabdrücke von jedem Menschen unterschiedliche Merkmale aufweisen, war die Suche nach Übereinstimmungen eine sichere Methode, um eine Täterschaft zu beweisen oder auszuschließen.

Auf Knopfdruck bewegte sich das rechte Fenster auf das linke zu und die beiden Abdrücke verschmolzen zu einem einzigen Bild. Nun sollte sich zeigen, wie viele übereinstimmende Merkmale – Minutien genannt – das Programm finden würde.

Es dauerte gut dreißig Sekunden, bis das Programm den Abgleich mittels eines Signaltons beendete. Gebannt starrte ich auf den Monitor. Das Ergebnis war eindeutig. Ich griff zu meinem Telefon und wählte das Revier an. Bevor ich Marc im Wohnzimmer der Familie informierte, wollte ich zusätzlich noch einige andere Informationen abrufen, die ein Kollege für mich überprüfen sollte.

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