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Die Geschichte von Murmeln und Perlen
ОглавлениеMurmeln hat es bereits gegeben, als die Menschen begannen, handwerklich Dinge und Materialien zu formen und zu erschaffen. Babylonier, Römer, Germanen hatten mit Murmeln gespielt. Man fand Murmeln im Grab eines ägyptischen Kindes, mit denen 3000 Jahre vor Christus bereits gespielt wurde. Im Britischen Museum in London liegen Kostbarkeiten aus der Zeit der Minoer und ihres Zentauren auf Kreta. Im 16. Jahrhundert hat das Murmelspiel in Mitteleuropa an Beliebtheit zugenommen. 1848 erfand dann der Glasbläser Christoph Simon Karl Greiner die sogenannte „Märbelschere“ im thüringischen Lauscha. Nun war es die Glasmurmel mit ihren geschwungenen farbigen Spiralen und Wellen, die die Kinderherzen befeuerten. Das Wort Murmel kommt aus dem Mittelhochdeutschen „Marbel“, was Marmor bedeutet. Aber viele Kinder spielten mit allem, was den Zweck des Klickerns erfüllte, mit Tonkugeln, Nüssen, Steinen und Perlen. (3)
Das Kinder ihre Murmeln, wie einen Schatz verehren und hüten, hat sicher auch etwas mit der Ähnlichkeit und Verwandtschaft zur Perle zu tun. Diese ist selten, sie ist wertvoll und sie wurde in vielen Kulturen ein Symbol: in Japan für Glück, in China für Weisheit und Würde. Sie galten als Heilmittel für Melancholie und Wahnsinn.
In der Bibel ist die Perle ein Zeichen für die Liebe zu Gott und sie findet Erwähnung in der Offenbarung des Johannes (21:21): „ Und die zwölf Tore waren zwölf Perlen, je eines der Tore war aus einer Perle, und die Straße der Stadt reines Gold, wie durchsichtiges Glas“ (4)
Die 12-jährige Anne Frank schenkte ihren Schatz mit 121 Murmeln ihrer Freundin zur Aufbewahrung, bevor sie sich mit ihrer Familie in einem Amsterdamer Hinterhaus verstecken musste. (5)
Für mich als Glückssucher, als Glasperlenspieler ist die Glasmurmel ein Symbol für das Sammeln schöner Momente im Leben. Als wir Kinder waren, hatten Glasmurmeln eine magische Anziehung auf uns. Das durchsichtige Glas umschloss farbenprächtige Spiralen in allen Regenbogenfarben. Die bunten, oft durchsichtigen Murmeln in allen Farben des Regenbogens regten unsere kindliche Fantasie an. Wir hüteten unsere Glasmurmeln wie einen Schatz. Wir versteckten diese an den geheimsten Stellen und gingen später mit unseren Freunden auf „Schatzsuche“.
Damals waren wir noch unbefangen, fantasievoll und gingen das Leben kindlich naiv, positiv unkompliziert an. Wir lebten im Augenblick, im Spiel und waren oft unbewusst glücklich und zufrieden, wenn wir in unseren Träumen, Geschichten und Abenteuern lebten. Auf dem Weg zum Erwachsenen sind uns oft die kindliche Naivität, die Träume, die Leichtigkeit, unsere Fantasie abhanden gekommen. Wir tauschten sie ein in VerPFLICHTungen, Status, Geld, Kariere, materielle Werte und damit auch in Verlust-Ängste, Sorgen. Eine positive Leichtigkeit wandelte sich in negative VerBISSENheit. Das hat uns vom Glück und von unserer inneren Ausgeglichenheit, unserer Harmonie und Balance entfernt. Wir haben keine Zeit mehr, glücklich zu sein, weil wir Zielen in der Ferne und zu erfüllenden Aufgaben, Pflichten hinterherrennen.
Glasmurmeln bzw. Glasperlen kommen im Roman von Hermann Hesse „Das Glasperlenspiel“ vor, das ich als Jugendlicher las. Ich war hingerissen, jedoch heute weiß ich, dass ich den tieferen Inhalt des Buches noch nicht verstanden hatte. 30 Jahre später, mit vielen durchlebten Erfahrungen, die mir hart erarbeitete Weisheit mit auf meinen weiteren Lebensweg gaben, ergibt sich für mich ein völlig neues Verständnis auf „Das Glasperlenspiel“. Hermann Hesse war ein Suchender nach Wegen zur Selbstvervollkommnung des Menschen. In seinem Roman ist das Glasperlenspiel die höchste aller Künste. Es ist die Verschmelzung aller in der menschlichen Kultur, Kunst und Wissenschaft geschaffenen Ideen und Werte. Ein Glasperlenspieler spielt dieses Instrument in seiner Vollkommenheit. Ebenso ist das Leben eines Menschen ein Gesamtkunstwerk.
Wie vervollkommnen wir unser Dasein? Glauben wir an unsere Fähigkeiten. Sind wir bereit, uns unserer Stärken und Schwächen bzw. eventuellen Blockaden zu stellen. Überlassen wir unseren Geist sich selbst. Wie bewusst sind wir. Sehen wir das Leben von seiner positiven Seite. Beherrschen uns Ängste. Lieben wir uns selbst und nehmen uns an. Sind wir proaktiv und handeln nach unseren selbst gesetzten Zielen. Leben wir Veränderung. Sind wir positiv, auf der richtigen Frequenz und ziehen wir damit das Glück an?!
Als junger Erwachsener fanden die Glasmurmeln in mein Leben zurück. Ich las damals das Buch „Katzenauge“ von Magret Atwood. Mich faszinierte insbesondere eine Episode, in der die Heldin des Buches ihren erwachsenen, jetzt rational, sachlichen Bruder fragte: „Erinnerst Du Dich an das Glas Murmeln, das wir unter der Brücke vergraben haben.“ Dies war weniger als Frage, denn als Hinweis formuliert. Erinnere Dich an die Zeit, als Du ein kleiner Peter Pan und im Nimmerland Deiner Fantasie unterwegs warst. Wer oder Was haben Dir Deine kindliche Unschuld genommen?!
Kurz danach traf ich Magret Atwood bei einer Buchlesung im Berliner Prenzlauer Berg. Ich ging zu ihr und bat sie, mir eine Widmung in ihr neues Buch zu schreiben. Sie schaute mir aufmerksam in die Augen und schrieb: „Remember the jar of marbles you burried under the bridge“. In einer Nacht habe ich mir diesen Spruch zu Herzen, zu einem meiner Leitmotive gemacht und ein Bild gemalt. Es hängt jetzt in unserem Wohnzimmer.
Einige Jahre später - 1995 vor jetzt 25 Jahren - habe ich in einem kleinen Laden an der Piazza Navona in Rom wieder eine wunderbare Glasmurmel gefunden. Es ist ein schönes „Katzenauge“. In dem durchsichtigen Glas verbirgt sich eine farbige Spirale in gelb, grün und rot. Glasmurmeln sind seitdem meine Glücksbringer und in jeder fremden Stadt der Welt durchstöberte ich Antiquitäten- oder Spielzeugläden nach diesen wunderbar nutzlosen Nebensächlichkeiten.
Seit dieser Zeit trage ich immer zwei bis drei Glasmurmeln in meiner Hosentasche. Jeden Morgen schließe ich meine Augen und wähle aus der Schüssel mit Glasmurmeln meine Begleiter für den Tag aus. Sind sie rot vor Energie, beruhigend weiß, strahlend gelb, hoffnungsvoll grün oder blau und weit wie der Ozean.
Wenn ich tagsüber in Management-Meetings sitze oder bei einem Metal- oder Rockkonzert mit Freunden mein Bier trinke, sind sie immer im Anzug oder meiner Jeans dabei und begleiten mich, wo immer auf dieser Welt ich mich befinde. Manchmal fällt es den Gleichgesinnten aus Nimmerland auf, wenn sie das verdächtige Klimpern der Glasmurmeln erkennen. Ich lächle dann wissend zu ihrer Nachfrage.
Glasmurmeln sind für mich meine kleine Erinnerung. Damit ich nicht vergesse, auf der positiven Frequenz zu bleiben. Und womit geht dies besser, als mit Aufmerksamkeit, Dankbarkeit und Wünschen, was ich in mein Leben ziehen möchte. Sie erinnern mich beständig daran, glücklich zu sein und für einen positiven Nachschub für den Tag zu sorgen. Was macht mich glücklich? Was oder wer ist es Wert, ihm meine positive Aufmerksamkeit zu schenken.