Читать книгу ... und Coon zum Dritten - Udo Barsuhn - Страница 4
Januar:
ОглавлениеIch bin in meinem Geheimversteck, im Holz-Gartenhaus und linse aus den Bretterlücken um zu sehen was Menschen an Sylvester, besonders ab Mitternacht, alles anstellen. Der Himmel wird erhellt durch explodierende Raketen und glitzernden Sternenregen. Dem Geknalle selbst kann ich partout nichts abgewinnen, da meine Ohren immer wieder empfindlich zusammenzucken. Kein Wunder, daß Ihr Menschen so schlecht hört, wenn Ihr solche, schrecklichen Geräusche erzeugt und es sogar offensichtlich eine Freude für Euch darstellt immer lautere Geräusche zu produzieren, ganz nach dem Wahlspruch: „Je lauter, desto besser“. Auch dem Geruch, der von all dem Feuerwerk ausgeht, kann ich nichts Positives abgewinnen, während ich die vielen Farben am Firmament und die tollen roten und silbrigen Schweife der Himmelskörper so richtig gut finde.
Ach, entschuldigt bitte, ich habe ganz vergessen mich vorzustellen: Mein Name ist Coon und ich bin ein schwarzer, Main Coon Kater, mit einem üppigen, glänzendem Fell, und kann sogar ganz gut schwimmen – zumindest wenn es sein muß. Mein Kampfgewicht beträgt derzeit fast 7.000 Gramm und ich habe die tollsten golden-grünen Augen die Ihr je gesehen habt. Meine Vorfahren setzten sich zusammen aus britischen Siedler Katzen, langhaarigen russischen Exemplaren und skandinavischen Beutegängern. Unser Urvater war „Captain Jenks of the Horse Marines“, der 1861 auf Katzenausstellungen in Boston und New York Bewunderung und Erstaunen auslöste. Wir können auch extrem langen und eisigen Wintern trotzen und haben gute Jagdeigenschaften – doch genug von meinen Vorfahren und mir gesprochen, denn ich möchte ja Dir berichten was in der kleinen, pfälzischen Stadt, in der ich lebe, so alles vorgeht.
Soeben erleuchtet ein Sternenmeer den dunklen Himmel und unterbricht meine Gedanken, denn die violetten und grünen Farben faszinieren mich. Erzeugt werden die Farben durch Metallkügelchen und Metallverbindungen, die beim Entzünden, neben den freiwerdenden Temperaturen, auch diese Farben ergeben. Mein Mund steht offen über soviel Kunst und Einfallsreichtum bei dieser jährlichen Inszenierung. Menschen übertönen manchmal die Geräuschkulisse, wenn sie sich ganz laut „Prosit Neujahr“ zurufen, was wohl aus dem lateinischen zu kommen scheint und so viel wie „es möge gelingen“ bedeutet, also ein Segenswunsch für ein erfolgreiches und gesundes neues Jahr.
Warum dieses Zurufen im Laufe der Nacht immer undeutlicher wird, mag wohl an der zunehmenden schwere der Zungen liegen die durch den Genuss des vielen Sekts und der anderen alkoholischen Getränken, völlig beeinträchtigt sind. Doch trotz dieses Mankos geht die Vernichtung des Alkohols ungehindert und unvermindert weiter. Ich kann nur hoffen, dass die dann stark angetrunkenen Mitbürger sich nicht darauf verlassen, dass Ihr Auto auch ganz allein den Weg nach Hause finden kann. Ein Taxi zu bekommen wird wohl schwierig werden, aber wer vorhat zu feiern, sollte sich auch im Vorfeld Gedanken darüber machen wie er wieder den Weg in ein Bett findet – es muss ja nicht sein eigenes sein.
Im Notfall kann man auch einmal ein Hotelzimmer buchen, was auf jeden Fall finanziell wesentlich günstiger sein dürfte als den Führerschein nochmals zu machen, oder sogar ein anderes Wesen gesundheitlich zu schädigen! – Obwohl, wenn ich es recht bedenke, dem einen oder anderen Autofahrer würde es bestimmt nicht schaden nochmals einige wichtige Aspekte der gegenseitigen Rücksichtnahme im Straßenverkehr ins Gedächtnis gerufen zu bekommen. Wenn dieser Effekt durch die Zahlung einer Geldsumme und durch den Zeitaufwand verstärkt wird, ist dies bestimmt nicht von Nachteil – schon gar nicht für den betroffenen „Täter“.
Doch zurück zu diesem tollen Licht- und Farbenspiel am Firmament: Es gefällt mir. Viele unterschiedliche Charaktere und Menschen verschiedener Nationalitäten sind zeitgleich ein Bestandteil dieser aktiven, zeitlich sehr beschränkten Kunst und doch ist es schön innerhalb weniger Sekunden ein neues Spektrum von Formen und Gestaltungen in verschiedenen Höhen sehen zu können.
Für einige Augenblicke wird die Szenerie fast taghell erleuchtet und ich schaue zum Fensterrahmen, wo sich in Ritzen scharenweise Marienkäfer seit dem Spätjahr eingefunden haben und gemeinsam in eine Winterstarre gefallen sind, die sie wie leblos wirken lässt. Die rot-gepanzerten Insekten mit ihren schwarzen Punkten erwachen weder durch die Lichteffekte, noch durch die Lautstärke der Böller und setzen ihren gemeinsamen Winterschlaf fort, bis das kommende Frühjahr wieder Nahrung hervorbringen wird. Auch ein Pfauenauge-Schmetterling der festgehakt an einem Deckenbalken der Hütte, in seiner Kältestarre verharrt, lässt sich vom Spektakel der Menschen nicht stören.
Mit Freude betrachte ich die silbernen Sterne die soeben im weiten Bogen kurzzeitig die Dunkelheit wieder erleuchten. Noch einige Zeit beobachte ich den allmählich dunkler werdenden Nachthimmel, denn die Intensität des Feuerwerks hat merklich abgenommen. Nur noch in ganz großen Zeitabständen zündet wieder einmal ein Unentwegter noch eine Rakete, ansonsten haben sich die Menschen ihre Örtlichkeiten von der Straße wieder in die Häuser verlagert.
Es wird nun auch für mich Zeit in mein eigentliches Zuhause, in der 3. Querstraße Nummer 12 zu gehen. Begegnungen mit Menschen vermeide ich in dieser Nacht bewusst, denn wer kann schon wissen, ob nicht ein verantwortungsloser Trunkenbold noch einen angezündeten Feuerwerkskörper nach Tieren wirft? – Alles schon gehört – vieles davon schon selbst erlebt kann ich Dir sagen. Auch wenn sich mein Katzen-Königreich in einer kleinen Stadt in der Pfalz befindet, das auf einer Seite von Wald- und Wiesengrundstücken begrenzt wird, die andere Grenze meines Gebietes die Hauptstraße ist, so sind doch sehr unterschiedliche menschlich Charaktere feststellbar. Mein Bereich wird durch die parallel zur Hauptstraße liegenden Sonnengasse, die von der ersten Querstraße bis zum Marktplatz verläuft und der Mondgasse, die hinter dem Marktplatz beginnt und hinter der 5.Querstraße endet, unterbrochen.
Das Durchnummerieren von Querstraßen existiert übrigens nicht nur in unserem Städtchen, sondern das gibt es auch in anderen Gemeinden in der Pfalz. Bösartige, neidische Zungen von Bewohnern außerhalb der Pfalz führen das Durchnummerieren auf die „Trunksucht“ der Pfälzer zurück, die bereits vor dem letzten Schoppen nicht mehr zur normalen Artikulation fähig waren und wenigstens noch bis 5 zu zählen vermochten. Auf 5 deshalb, weil inklusive des Daumens, die Fingeranzahl einer Hand 5 beträgt und so ein Abzählen, selbst auf dem Boden kriechend, noch möglich ist.
Es wird in der Pfalz sehr viel und vor allen Dingen sehr guter Wein ausgebaut und bei Festen trinkt man die besondere Flüssigkeit entweder unverdünnt, oder im Schoppenglas als Schorle, mit Wasser verdünnt. Ein Schoppenglas ist 0,5 Liter groß und hat an der Außenseite eingearbeitete Haltepunkte, damit die fettigen Finger, vom Glas nicht abrutschen können und vor allen Dingen der kostbare Inhalt im Glas, nicht verschüttet wird. Die Pfälzer haben nach dem Weingenuss allerdings Probleme das Wort Haltepunkte auszusprechen und so sagt man einfach „Dubbegläser“ dazu. Das Mischungsverhältnis beim Pfälzer Schorle ist jeweils 4 Finger: 4 Finger Wein, 4 Finger Wasser. Jedoch werden bei den Weinfingern die Finger Senkrecht ans Glas gehalten, die 4 Wasserfinger jedoch waagerecht, was also dazu führt, dass das richtige Verteilungsverhältnis von Wein zu Wasser, 4:1, zugunsten des Weines ausfällt. Mathematisch gesprochen: 80% Wein, maximal 20 % Wasser. Will man mehr Wasseranteil beim Schorle haben, dann bestellt der kundige Trinker einen „Autofahrerschorle“, der dann etwa 60 % Wein und 40 % Wasser aufweist.
Die Anzahl der jährlichen Weinfeste liegt bei ca. 400 Stück, sodass es mehr Feste als Tage im Jahr gibt. Dadurch sind viele davon am gleichen Wochenende und so werden die Pfälzer immer wieder gezwungen sich zu entscheiden auf welches der Feste man gehen will. Bereits im Januar ist eine Rotweinwanderung in den Weinbergen von Freinsheim, wo sich alljährlich, bei jedem Wetter, einige tausend Unentwegte auf den ersten Weingenuss im Freien, oder an extra aufgestellten Zelten auf den Wegen in den Weinbergen freuen.
Heute umgehe ich die Feierwütigen und gelange so ungehindert in mein leeres Haus, denn meine beiden Mitbewohner Manfred und Martina sind nicht da. Wahrscheinlich noch auf irgendeiner Fete. Das Auto ist ebenfalls fort und ich kann nur hoffen, daß die beiden nicht berauscht das Fortbewegungsmittel benutzen. Einen Unfall möchte ich den Zweibeinern auch nicht wünschen, denn neben den Schmerzen und dem Schaden den die beiden dann abbekommen würden, wären auch ihre Möglichkeiten sich um mein Futter und um die Reinheit meiner Katzentoilette zu kümmern mehr als eingeschränkt. Ich lege mich auf das Sofa und schlummere mal prophylaktisch ein wenig.
Es ist schon lange hell, als ich das Auto der beiden, bereits an der Kurve zu unserer Straße höre. Nach ausgiebigem Recken und Strecken, springe ich auf das Fensterbrett und schaue mir die ankommenden Feiergeister an, die soeben aus dem Auto aussteigen. Na ja, was heisst schon aussteigen? Übernächtigte Augen, strafende, empörte Blicke die Manfred jetzt Martina zuwirft. Manfred war am Steuer gesessen und scheint nicht viel Alkohol getrunken zu haben, während die hübsche, schlanke Martina nicht nur von der Musik der Party berauscht scheint und ganz laut auf der Straße singt: „Feuerwerk, Feuerwerk“, die Kleidung ist verrutscht, die Schminke im Gesicht hat auch die Nacht nicht unbeschadet überstanden. Sie hat durch die Verschmierungen im Gesicht etwas vom Aussehen einer alten Krähe und wirkt damit längst nicht so apart wie dies normalerweise der Fall ist, wenn sie sich zurechtgemacht hat. Den rechten Arm himmelwärts gestreckt, dabei den Zeigefinger erhoben, mit der Hüfte und in den Knien wippend, die Jeans sind an beiden Oberschenkeln aufgerissen, beginnt sie den nächsten Hit weiterzudröhnen: „Einen Stern der deinen Namen trägt“ kann ich mit einiger Phantasie heraushören, während Manfred schnaubend versucht sie zu mehr Ruhe zu ermahnen: „Sei doch leise, Du hast Dich heute Nacht genug blamiert und mich gleich mit. Wie Du mit jedem getanzt und getrunken hast, einfach furchtbar“! Die Eifersucht ist seinen Worten und seinen gezischten Anweisungen deutlich anzumerken, während Martina unbeeindruckt und undeutlich grölt: “ Komm´ Du alter Griesgram, wir schauen mal ob noch irgendwo eine Kneipe geöffnet ist und dann trinken wir noch einen „Absacker““. (Erläuterung Coon: Bei einen „Griesgram“ handelt es sich nicht um einen besonderen Vogel in der Pfalz, sondern bezeichnet einen Menschen, der oft missmutig durch die Welt läuft und keine Freude an Fröhlichkeit hat. Andere Titulierungen für diese Art von Menschen sind hier auch: „Seltenfröhlich, Miesepeter, Hemmschuh, Spaßbremse“, um nur einige zu nennen). Jetzt ergreift Manfred den Oberarm und Martina und zischt: „Du hast genug in Dich hineingegossen, wir gehen jetzt hinein und dann sollst Du Deinen Rausch ausschlafen“. Martina wird mitgezerrt und zum Glück singt sie jetzt nicht mehr, sondern beschwert sich nur noch über die Behandlung: „Grobian, au, Du tust mir weh. Wenn ich blaue Flecken kriege, dann sollst Du mal sehen, au, Du Untier“. Schließlich schafft es Manfred sie doch ins Haus zu bugsieren und als Marina auch noch im Hausflur einen ihrer hochhackigen Schuhe verliert und sie leicht mit dem Fuß umknickt, ist im Haus für Stimmung gesorgt: „Manfred, glaubst Du ich lasse mich so von Dir behandeln“? Sie reißt sich los, wirft den zweiten Schuh ab und schwankt die Treppenstufen zum Schlafzimmer hoch, während sich der verärgerte Manfred Richtung Küche bewegt und aus dem Kühlschrank eine Flasche Bier herausholt, die sogleich geöffnet wird, während ich im Obergeschoss höre wie sich die Schlafzimmertüre heftig schließt und kurz danach der Schlüssel und das Schloss die Türe unpassierbar machen. Somit ist schon frühzeitig angekündigt, daß für den Rest des Tages diese Türe für Manfred verschlossen bleiben wird. „Na dann Prost“, meint Manfred bitter dazu und trinkt nach der ersten Flasche eine weitere um auch sich auf alkoholisches Standgas zu bringen um dann schließlich übermüdet im Sessel einzuschlafen.
Bis die zwei wieder halbwegs ansprechbar sind, werde ich mal in meinem Gebiet nachsehen wen ich mit meiner Anwesenheit beglücken kann.
Gleich bei meinem ersten Stopp bei Horst habe ich Fortune, denn er ist zu Hause und offensichtlich nur marginal von der vergangenen Nacht geschädigt worden. Etwas über 60 Jahre ist Horst alt, lebt allein und erzählt mir immer wieder Episoden von seinen Reisen und Abenteuern. Er hat zudem eine große Schallplattensammlung und erfreut oft meine musikalische Seite mit einigen seiner Lieblingsgruppen. Grinsend begrüßt er mich: „Hallo, der hübscheste und klügste Kater der Welt will mich besuchen, prima das du hier bist, denn ich habe Fischfilet vom Schwarzen Heilbutt aufgetaut und will den Fisch nachher kochen, dazu wird es eine Weißweinsoße, mit frischer Petersilie und Schnittlauch geben, dazu wird es Wildreis und gekochte Erbsen geben“.
Ich schaue Horst an und nicke zögernd, der lachend darauf meint: „Natürlich wirst du eine Extrasoße, ohne Alkohol angerichtet bekommen, auch wenn ich mich bestimmt über die Reaktionen eines betrunkenen, schwarzen Katers amüsieren würde“. Ich zeige kurz meine Pfote, mit ausgefahrenen Krallen, ganz nach dem Motto: Trau Dich, Du wirst doch bestimmt nicht so leichtsinnig sein und deine Gesundheit ruinieren wollen. Horst lacht: „War natürlich nur Spaß, das mit dem Alkohol meine ich, aber die Einladung zum Essen steht“. Ich nicke zustimmend, denn wenn es Horst besser schmeckt, wenn ein Kenner von guten Speisen mit am Tisch sitzt, will ich ihn nicht enttäuschen. Zudem kocht der Kerl im Normalfall auch richtig schmackhaft und die Portionsgrößen sind auch nicht zu verachten.
Im Wohnzimmer hat er aus dem Jahr 1976 eine Langspielplatte von Harpo aufgelegt und erklärt kurz während er am Herd hantiert: Harpo war ein schwedischer Sänger, der fast immer in Blue Jeans und barfuss aufgetreten ist. Einige seiner Lieder wie beispielsweise „Horoscope“ haben sich in Europa phantastisch verkauft. Nachdem Harpo einige sehr erfolgreiche Hits geschrieben hatte, ist er nach einigen Jahren nicht mehr selbst aufgetreten, sondern hat für andere Künstler Lieder geschrieben und ansonsten zurückgezogen gelebt. Während die Musik zu hören ist, kleingeschnittene Zwiebelchen in einer Pfanne brutzeln und gerade Schnittlauch und Petersilie gehackt werden, erzählt mir Horst lachend einige Geschichten über die er jüngst gelesen hat: „Das afrikanische Land Simbabwe hat die Viktoria-Wasserfälle, Elefanten und viele Sonnenstunden. Die Durchschnittstemperatur liegt bei fast 19° C. Wenn wirklich das Thermometer mal auf 10° C fallen sollte, ziehen sich die Einheimischen bereits dicke Pullover an. Schnee wurde allerdings in diesem Land noch nie gesehen. Welche Überraschung muß es bei der Stadtverwaltung der Provinzhauptstadt Marondera deshalb gegeben haben, als auf dem Hof des Straßenbauamtes ein gutes Dutzend Schneepflüge abgeladen wurden. Diese Schneepflüge waren Bestandteil einer Charge von 40 „Straßenhobeln“, obwohl eigentlich Planierraupen für die Straßenbauprojekte notwendig gewesen wären. Die chinesische Firma „Samy Heavy Industry Co“ hatte geliefert wie bestellt. Rücksendeversuche schlugen fehl und so versuchten die Mitarbeiter des Straßenbauamtes die Gerätschaften anders zu nutzen. Aber es gab keine Möglichkeit die Maschine für andere Zwecke zu nutzen. Eine Untersuchung der ganzen Angelegenheit ergab, daß der Chef der simbabwischen Straßenbaubehörde Frank Chitukutuku, die Schneepflüge bestellt hatte. Eine Ausschreibung hatte nicht stattgefunden und so waren die falschen Gerätschaften auch noch außerordentlich überteuert: Statt um die 100.000 Euro die normalerweise ein Schneepflug kostet, war ein Stückpreis von 160.000 Euro zu zahlen. Zufälligerweise sind korrupte Machenschaften sind in diesem Teil Afrikas übrigens nichts Neues. Zwei Jahre zuvor hatte die staatliche Eisenbahngesellschaft Südafrikas vom spanischen Hersteller Vossloh Espana, für 40 Millionen, 13 Diesel-Lokomotiven, unter dem Markennamen „Afro 4000“, erworben. Die Lokomotiven konnten jedoch allesamt nicht eingesetzt werden, weil sie fast 30 Zentimeter zu hoch waren. Während deshalb in Südafrika die Besteller entlassen wurden, blieb der Besteller in Simbabwe unbehelligt, da er gute Beziehungen zum Verkehrsminister Joram Gumbo hat. Der Minister hat sogar angeordnet die „Vergangenheit ruhen zu lassen“, denn man habe nun die Schneepflüge, deshalb solle man sie auch benutzen. Nur für was sie benutzt werden sollen, hat auch er nicht sagen können“.
Horst lacht nachdem er den Bericht über die Schneepflüge beendet hat und ich muß an den römischen Politiker und Philosophen Marcus Tullius Cicero (106 – 43 v. Chr.) denken, der gesagt hat: „Nicht ist, wenn es erfunden wird, zugleich auch vollendet“. Während den Erzählungen hat Horst sowohl den Reis gekocht, als auch die Soße und den Fisch fertig zubereitet und bereits von den Herdplatten genommen. Jetzt wird im Wohnzimmer gedeckt und Horst teilt die Fischportion gerecht mit mir. Auf seinem Tellerrand häuft er Reis an und gibt die Weißweinsoße darüber. Bei mir wird mit einem Löffel nur wenig Reis auf den Teller platziert und mit einer anderen Soße etwas beträufelt. Während der Essensgeruch appetitlich durch Zimmer streicht, warte ich noch ein wenig, bis Horst eine Flasche Chablis geöffnet hat und sich ein Glas davon eingegossen hat. Horst testet den Glasinhalt und bemerkt mit spitzem Mäulchen: „Kleines, französisches Weingut, Chablis 1er Cru, Geschmack nach leichten Zitrusfrüchten und doch Mineralisch, guten Appetit mein Großer“. Dann hört man nur noch das Schmatzen von Horst und vielleicht auch mich ein klein wenig. Nach dem Essen miaue ich zustimmend und zeige dem Koch, wie toll er seine verantwortungsvolle Aufgabe gemeistert hat. Horst lacht und ist mit meiner Reaktion zufrieden. Er räumt den Tisch ab, säubert die Reste auf den Tellern etwas mit Zeitungspapier und stellt dann die Teller in seine Spülmaschine, die immer noch ziemlich leer aussieht. Er überlegt kurz, legt dann eine Langspielplatte von Simon und Garfunkel auf und setzt sich dann zusammen mit mir auf seine Couch. Das letzte Lied bevor ich eingeschlummert bin war „El Condor Pasa“, dann hat mich erst wieder das „Aus“- Geräusch des Schallplattenspielers geweckt, als die Platte zu Ende war. Ich verabschiede mich vom schlaftrunkenen Horst und werde mich auf einen gemütlichen Rückweg zu meinem Domizil machen. Die meisten Orte in meinem Bezirk werde ich erst die nächsten Tage wieder inspizieren, wenn die Glasscherben und der Unrat von den Straßen wenigstens grob entfernt wurden.
Durch die Katzenklappe gelange ich ins Haus und schon im Flur kann ich einen säuerlichen Geruch wahrnehmen. Manfred werkelt sich übermüdet und mit verkniffenem Gesicht, aus dem Sessel, auf dem er bisher geschlafen hat. Aus dem Obergeschoss höre ich komische Geräusche, ein unterdrücktes, schmerzvolles Stöhnen und der saure Geruch, der sich noch verstärkt hat, machen mir doch Sorgen. Kurz nach Manfred gelange ich ins Obergeschoss und sehe von der offenen Badtüre Richtung Toilettenschüssel, vor der Martina kniet und die sie mit beiden Armen umfangen hat. Und jetzt ist mir auch klar, woher der Geruch kommt, denn Martina bricht wie ein Reiher und der nächste Geruchsschwall kommt in meine Richtung. Magenkrämpfe scheint sie auch schon zu bekommen, denn jetzt hält sie sich mit beiden Händen den Bauch. Bestimmt hat sie etwas verbotenes gegessen. Wir Katzen essen beispielsweise Gras, damit sich dieses mit den geschluckten Haaren verbindet und wir diese Mischung hervorwürgen können. Doch es ist mir neu, daß Menschen ihre eigenen Haare, beim Säubern, oder nach dem Kämmen auch noch in den Mund nehmen und herunterschlucken, - das scheint also zumindest nicht der Grund der Überkeit zu sein. Manfred meint mit verzogenem Mund, fast teilnahmslos: „Das riecht ja richtig eklig. Das kommt davon wenn man mit jedem säuft und sich den ganzen Abend daneben benimmt!“ Martina blickt ihn von unten wütend an, aber bevor sie eine bissige Bemerkung machen kann, muß sie sich erneut übergeben. Manfred hilft dann doch etwas und holt eine weiße Tablette aus einer Packung, die er zusammen mit einem Glas Wasser an Martina übergibt. „Trink das Wasser und spüle damit die Tablette herunter, das hilft mir auch immer wenn ich einen nervösen Magen habe“! Typisch, denke ich mir, Manfred trinkt auch manchmal über den Durst, aber für ihn ist es nur ein nervöser Magen und nicht sein übermäßiges Alkoholverhalten welches die Schuld trägt. Und wieder fällt mir Wilhelm Busch ein: „Ich nahm die Wahrheit mal aufs Korn, und auch die Lügenfinten. Die Lüge machte sich gut von vorn. Die Wahrheit mehr von hinten“. Ich sehe noch einige Stunden Leidenspotential auf der Toilette voraus und entschließe mich dem säuerlichen Geruch zu entgehen und dafür noch einen menschlichen Freund zu besuchen:
Ich gehe zu Metzger Josef und seiner Frau Gerda. Mal sehen ob die beiden heute Nachmittag schon ausgeschlafen haben. Am Marktplatz 15 eingetroffen, kann ich im Hof bereits Geräusche aus der Küche des Anwesens hören. Irgendetwas brutzelt in einer Pfanne und ein angenehmer Geruch nach gebratenen Zwiebeln, Knoblauch und Curry, in Verbindung mit Fleisch, ist zu riechen. Auf mein Miauen wird die Küchentüre geöffnet und Josef erscheint, er hat eine hochstehende, weiße Kochmütze auf und lächelt mich an: „Hat es bis zu Dir gerochen“? fragt er lachend. Ich zucke kurz mit meinen Schultern und sein Lachen wird stärker. „Herein mit Dir“, fordert er mich auf und macht großzügig Platz, damit ich hinein schreiten kann. „Ich rufe noch Gerdilein, dann können wir Essen“. Sein Rufen ist nicht vergebens, denn schon kommt die gut gelaunte Gerda zu uns und begrüßt mich freudig: „Schön den besten aller Kater zu Besuch zu haben“ – und mit einem Blick zu ihrem Mann weiter: „na sagen wir mal den zweitbesten“. Josef lacht munter und entgegnet: „Dafür habe ich unser Essen auch besonders gewürzt, mein Scheißerchen“. Doch heute ist Gerda besonders gut gelaunt und nicht auf Krawall gebürstet und so entgeht Josef einer scharfen Bemerkung (Coon: „auf Krawall gebürstet“ bedeutet: Schon beim kleinsten Anlass ist jemand bereit einen großen, ausufernden Streit – zum Teil auch handgreiflich, vom Zaun zu brechen). Sie setzt sich auf einen Stuhl, ich daneben und Josef beginnt den Pfanneninhalt auf 3 Teller zu verteilen. Bei meinem Teller werden die Zwiebeln, Knoblauch und das Curryblatt entfernt und dafür noch etwas Fleisch, ohne Gewürze, nachgebraten damit mein Tellerinhalt nicht zu scharf gewürzt ist. Es ist zwar – für meinen Geschmack – immer noch etwas zu würzig, aber ansonsten, a` la bonne heure (recht so). Nach dem Essen räumt Gerda den Tisch ab, und Josef gibt uns einige Geschichten zum Besten, von denen er gelesen hat:
„In einem Berliner Restaurant ist es wegen Meinungsunterschieden über die Essensqualität zu einer großen Auseinandersetzung gekommen: Der Streit hat sich an einem zurückgegebenen Essen entzündet. Erst hat der Kellner gesagt das Essen wäre schlecht, daraufhin hat der 52 Jahre alte Koch dem 50-jährigen Kellner gesagt das Essen wäre nur zurückgekommen, weil er zu langsam das Essen serviert hat und deshalb alles kalt war. Der zunächst verbale Streit ging weiter, bis der Koch den Kellner mit einer Kiste beworfen hat und den Kellner sogar mit einem Messer am Daumen verletzte. Dann hat der Kellner auf den Koch eingestochen und diesen am Kopf, am Oberarm und an der Hand verletzt. Der Koch musste in der Klinik operiert werden. Ob die zwei mittlerweile noch im Restaurant beschäftigt sind, ist nicht geschrieben worden“. Gerda meint lachend: „Und da sagt man immer Berlin ist eine Reise wert“.
Ich sinniere darüber was wohl Voltaire als Abwandlung seines Spruches über England: „England ist das Paradies für Individualisten. Deshalb bleibt es mir unverständlich, dass man in diesem Land für alle Speisen nur eine Soße kennt“, hervorgebracht hätte. Vielleicht: „Berlin ist ein Paradies für sture Wirrköpfe, die so lange heftig, wegen Kleinigkeiten gegeneinander diskutieren, bis endlich die Waffen für klare Verhältnisse sorgen“.
Doch jetzt hat Josef noch eine Geschichte von der Stadt Siegen zu berichten: „Ein 25-Jähriger hat wegen Alkoholgebrauchs und dem Radau den er machte, von der Polizei einen Platzverweis erhalten. Der Mann hat sich jedoch daran nicht gehalten und sollte deshalb von der Polizei in Gewahrsam genommen werden. Gegen 4 Polizisten hat sich der Mann mit Schlägen und Tritten gewehrt und die Polizisten haben teilweise heftige Prügel bezogen, bevor sie dem Mann Handschellen anlegen konnten. Der junge Mann gab aber weiter keine Ruhe und verbog die Handschellen so stark, daß sich diese nicht mehr öffnen ließen. Die Feuerwehr musste dann kommen und die Handschellen aufsägen“. Gerda lacht und meint: „Was für Riesenkräfte muß der Kerl gehabt haben“! Auch Josef fällt ins Lachen ein, schaut auf mich und meint: „Ich glaube unser Freund Coon wäre allein mit dem jungen Mann zurechtgekommen“ – dann lachen die beiden wieder prustend los. Ich bin zwar auf der einen Seite etwas geschmeichelt über die Äußerung, weis aber nicht genau wie sie gemeint ist. Noch eine ganze Zeitlang leiste ich den beiden Gesellschaft und gehe erst aus dem Haus, als es bereits dunkel geworden ist.
Der nächste Tag führt mich zu der fast 80 jährigen Gisela, einer ehemaligen Lehrerin, die sich besonders für Geschichte und Pflanzenkunde interessiert und ihrem kleinen, weißen Malteserhund Maxl, der mich freudig begrüßt. Gisela ist bereits beim Frühjahrsputz und will gerade die Fenster putzen. Als sie auf die kleine Leiter steigt, erläutert sie: Laut Versicherungen ist der Haushalt nach wie vor der größte Unfallschwerpunkt der sich weltweit finden lässt. Was sich die Leute dabei einfallen lassen um ihre Arbeiten zu erledigen ist schon abenteuerlich. Da habe ich vom „Hamburger Anwaltsverein“, eine bereits 1984 in einem Rundschreiben veröffentlichte Schadensmeldung gelesen, die an die Versicherung gegangen ist: „Ich wollte die Fenster im 1.Stock putzen. Damit ich auch von außen an die Fensterscheiben herankommen konnte, legte ich mein Bügelbrett auf die Fensterbank. Mein Mann, ist schwerer als ich und setzte sich deshalb innen auf das Bügelbrett, während ich außen auf dem Brett gestanden bin und das Fenster geputzt habe. Plötzlich klingelte es an der Haustüre. Als mein Mann die Haustüre öffnete, fand er mich vor dem Eingang liegend vor. Wir wissen bis heute nicht, wer geklingelt hatte“.
Gisela schmunzelt und auch Kater können lachen. Als Gisela ihre Fenster, auch mit Hilfe von Zeitungspapier, wieder streifenlos sauber bekommen hat, sind die Reinigungsmittel weggestellt worden und dann hat Gisela uns ein kleines Essen zubereitet. Gebratene Hähnchenstücke hat sie gewürfelt und dann eine helle Soße, mit Erbsen, Spargeln und Karotten darüber gegeben, die sie in der Tiefkühltruhe aufbewahrt hatte. Sich und Maxl hat sie noch Reis gekocht. Als sie die Portionen verteilt, habe ich einige Fleischstückchen mehr bekommen. Sie und Maxl scheinen lieber Reis und die Soße zu bevorzugen. Gisela öffnet noch eine Flasche Weißwein und beginnt über den Gesundheitsaspekt des Weines zu philosophieren: „Jungs, früher hat Wein als Medikament die größte Hochachtung bekommen. Der Arzt namens Horn schilderte in seinem „Handbuch der praktischen Arzneimittellehre für Ärzte und Wundärzte“, im Jahr 1803, Wein als das wirksamste Arzneimittel überhaupt. 1816 hat dann ein Herr Löbenstein-Löbel in der schriftlichen Darstellung: „Die Anwendung der Weine bei lebensgefährlichen Krankheiten“ nochmals eine Lanze für die Wirksamkeit des Weines gebrochen. Doch leider wurde das Medikament „Wein“, wegen Alkoholmissbrauchs mit der Zeit aus der Medizin verbannt. Einer der letzten Weinärzte, der Bodenheimer Winzer und Arzt Ferdinand von Heuss, veröffentlichte im Jahr 1906 noch eine Studie, in der er seine Behandlungserfolge mit Hilfe des Weines beschrieben hat. So hat er sich selbst 1884, bei einer Typhusepidemie, mit 80 Flaschen Bodenheimer, des Jahrgangs kuriert. Eine von seinen Kollegen bereits aufgegebene Winzergattin, mit schwerer Unterleibserkrankung hat er in drei Wochen mit 120 Flaschen seines Weines, der Jahrgänge: 1868, 75, 95 und 97 geheilt. Es sollen dabei auch keine Leberschäden aufgetreten sein und das bei fast 6 Flaschen Wein am Tag für die Patientin“. Gisela schmunzelt wieder und meint: „Ich trinke ja nur maximal 1 bis 2 Gläser am Tag und die tun mir einfach gut. Maxl bellt bejahend und auch ich bin immer wieder über die körperliche Verfassung von Gisela erstaunt. Scheint also wirklich etwas dran zu sein, daß im Wein auch die Sonne mit eingefangen worden ist. Hoffen wir nur, daß die Winzer nicht zu viel Chemie verwenden, denn dann könnte aus ihrem Naturprodukt ein Chemiecocktail entstehen. Dann wollen wir mal alle gemeinsam die Daumen drücken und das Beste hoffen. Wir bleiben nach dem Essen noch einige Zeit zusammen, bis ich dann wieder auf meine Runde gehen muß und mich freundlich verabschiede.
Kalendereintrag: vom 6. Januar: Bekannt als „Heilige Drei Könige“, obwohl diese 3 Könige nirgends in der Bibel erwähnt sind, ist dieser Tag etwas ganz besonderes. Die orthodoxen Christen feiern an diesem Tag das Weihnachtsfest, während die „Römisch-Katholische Kirche diesen Tag in anderen Hinsicht besonders hervorgehoben hat: Ursprünglich scheint eine Entnahme aus dem persischen Mithraskult vorgenommen worden zu sein, der bereits seit über 1000 Jahren vor Christi Geburt existierte und unter den römischen Soldaten stark verbreitet gewesen war. Die Kultstätten waren in Naturhöhlen gewesen, weil laut Legende Mithras in einer solchen Höhle geboren worden war. Ebenfalls in einer Höhle tötete er den Urstier, als Symbol des Irdisch-Chaotischen, um dadurch eine Versöhnung von Geist und Stofflichem zu bewirken. Das Blut der Stiere diente den Eingeweihten zur Taufe. Einige der Opferhelfer hat man in Darstellungen des Mithras-Kultes, ebenfalls wiedergefunden. Caspar soll Cautes entsprechen, der ursprünglich für die aufgehende Sonne gestanden hatte. Balthasar wird mit Cautopates, dem Symbol der untergehenden Sonnen gleichgesetzt, und Melchior soll Mithras sein. Cautopates wurde bereits zu Beginn mit dunkler Hautfarbe dargestellt. Diese Übernahmen von Teilen des Mithraskultes erleichtertem dem Christentum die Verbreitung des neuen Glaubens zu römischer Zeit. Der Höhepunkt des Kultes war im 3. Jahrhundert und es waren bereits die Taufe und das Heilige Mahl fester Bestandteil der Riten. Erst das Toleranzedikt von Kaiser Konstantin im Jahre 313 brachte das Christentum auf die Gewinnerstraße. Es folgten: 315 die Steuerbefreiung für christliche Priester, 341 das Verbot von heidnischen, anderen Kulten, 356 Schließung der nichtchristlichen Tempel bei Todesstrafe für die „Falschgläubigen“ und dann 377 der letzte Paukenschlag: Zerstörung des großen Mithrasheiligtums in Rom. Übrigens feiert die Römisch Katholische Kirche nach wie vor den wichtigsten Tag der Mithras-Anhänger: Den 25. Dezember. Man hat ihm halt nur eine andere Bedeutung gegeben. Ich glaube wer wirklich mit Neuerungen großen Erfolg haben will, muß sich auch in großen Teilen bereits bestehenden Strukturen anpassen und diese in die eigenen Konzeptionen mit einbauen. Wie flexibel die Bibel letztlich geworden ist kann auch dadurch bewiesen werden, daß es nicht ein Buch ist, sondern eine Sammlung von fast 70 verschiedenen Schriften, unterschiedlicher Autoren, die dann über einen Zeitraum von fast 1000 Jahren zusammengewürfelt wurde, bis man die Bibel im Alten und im Neuen Testament fertig gestellt hatte. Um 900 v. Chr. hielt die Schrift Einzug im nördlichen Königreich Israel. Erzählungen wie die Geschichte von Jakob entstanden. Ab dem 8.Jahrhundert v. Chr. erfolgten längere Texte und Bücher, Um 580 v. Chr. entstand der Hauptteil der hebräischen Bibel, das babylonische Exil und die Perserzeit. 200 – 150 v. Chr. folgten dann die Psalmen. Ab 60 n. Chr. die ersten Evangelisten und um 400 n. Chr. wurden die Bücher des Alten und des Neuen Testaments auf Konzilen nochmals besprochen und beschlossen, was folglich zur Kirchentrennung von Orthodoxer und Römisch-Katholischer Kirche führte.
Die Nacht vor dem 6. Januar war bereits in vorchristlichen Zeiten, auf dem Gebiet er heutigen Pfalz gefeiert worden. Es endeten die Raunächte zwischen den Jahren, in denen die Geisterwelt offen steht, die dann ihr Unwesen in der Welt treiben. Bis ins Mittelalter hat sich dann die Tradition der „verkehrten Welt“ erhalten: Narrenbischöfe haben in dieser Zeit die Messe vorgenommen, die Zunge der Gemeinde herausgestreckt und närrische Geschichten erzählt. Geistliche tanzten ausgelassen herum und sangen obszöne Lieder, der Percht ging um und drückte mit Russ, den Frauen seinen Stempel auf. Die angeblich Gläubigen tobten und sprangen in der Kirche umher und mit Vorsatz und Freude wurden alle kirchlichen Tabus gebrochen. Erst im Laufe der Jahrhunderte ist es dann der Kirche gelungen diesen Brauch abzuschaffen und immer mehr Einfluss auf die Gläubigen zu bekommen. Bedingt durch die mangelhafte Bildung großer Teile der Bevölkerung ist es dann auch gelungen so etwas wie die Heiligen Drei Könige einzuführen, die in der Bibel nirgends vermerkt sind. Dort wird lediglich z.B. bei Matthäus, von Magier aus dem Morgenland berichtet, ohne deren Anzahl zu benennen. Erst mit Reinald von Dassel, der zwischen 1120 und 1167 gelebt hat und unter Kaiser Friedrich Barbarossa Reichskanzler und gleichzeitig Erzbischof in Köln war, wurden drei, aus dem Dom von Mailand entwendete Gerippe, nach Köln gebracht und dort als Könige tituliert. Hintergedanken dabei war auch, daß wenn Könige, kurz nach Christitus Geburt bereits bei Gott waren, diese auch den Anspruch hatten höher als der Papst zu sein, da dieser erst durch Petrus als Begründer der Kirche, eindeutig später von Christus legitimiert wurde. Eine Heiligsprechung der katholischen Kirche gegenüber den „Heiligen Drei Königen“ hat auch aus diesem Grund, natürlich nie stattgefunden.
Bereits zu Beginn des 12. Jahrhunderts war also bereits der kommende, schwere Konflikt zwischen dem Pabst und dem Kaiser ein wichtiges, politisches Thema. Übrigens passt in die gleiche Zeitspanne die Einführung des Fegefeuers. In der Bibel ist zu dieser Strafe nichts zu finden. Erst im 11. Jahrhundert wurde es von der Katholischen Kirche aufgenommen. Entnommen wurde der Begriff wahrscheinlich vom griechischen Theologen Origenes, der von 185 bis 254 gelebt hat. Bei seinen Forschungen nach Schriftstücken für einen strengen Glauben ist er übrigens auf eine Textstelle bei Mathäus 19,12 gestoßen: „Denn etliche enthalten sich der Ehe, … weil sie von Menschen zur Ehe untauglich gemacht wird; und etliche enthalten sich, weil sie um des Himmelreichs willen auf die Ehe verzichten. Wer es fassen kann, der fasse es“! Dies hat Origenes dann so verstanden, daß er sich selbst entmannt hat. Auch der dreifache Sinn der Bibel geht auf ihn zurück: Zum ersten den Buchstaben nach, der zweite ist der moralische Sinn und der dritte Sinn ist allegorisch zu verstehen. Da die Bibel keinen Hinweis auf das Fegefeuer hatte, legte er einfach seine Rechnung vor: Ein Sündentag auf Erden ergibt ein Jahr im Fegefeuer. Jahrhunderte später hat man dann seine Überlegungen übernommen um noch mehr Einfluss und Macht über die Menschen zu haben.
Erst einige Tage im Januar sind vorüber und die Jungs von der Straßenreinigung haben einen tollen Job gemacht: Die Bürgersteige sind wieder sauber, die Mülleimer und oft danebenliegenden Hinterlassenschaften von menschlicher Feierwut sind aufgeräumt und beseitigt. Ich und andere Vierbeiner können wieder laufen ohne befürchten zu müssen sich die Fußballen an Glasscherben aufzuschlitzen. Übrigens hat Metzger Josef ein kleines Gedicht für die Müllhandwerker verfasst, die zwar in Ludwigshafen wohnen, ab hierher kommen um bei ihm einzukaufen. Das Gedicht lautet:
„Ludwigshafen heutzutage, ne hässliche Stadt, gar keine Frage.
Doch wie schlimm es dann wohl wär´, gebt es Euch einmal nicht mehr.
Bei Sonnenschein und auch im Regen, sind Eure Hände stets zugegen.
Ob Müll auch stinkt, die Tonnen brodeln, ich muß Euren Einsatz loben.
Während andre gemütlich im Sessel sitzen, müsst Ihr täglich kräftig schwitzen.
Statt dass die Stadt Euch ehrlich dankt, wird Eure Arbeit oft verkannt.
Schnell, freundlich und gewissenhaft, toll was Ihr doch täglich schafft.
Ob Regen oder Sommerhitze: Leute Ihr seid einfach Spitze“.
Mein Friseur wird mich bestimmt schon vermissen und so besuche ich erstmals im neuen Jahr Raimondo in seinem Salon. Mein reservierter Sessel steht mit frisch gewaschener Decke bereit und ich lege mich darauf. Gut, über Geruch kann man bestimmt streiten, aber vor dem Waschen, als die Decke noch nach mir gerochen hatte und auch einige Haare meine Besitzverhältnisse eindeutig geregelt hatten, war mir die Decke doch sympathischer gewesen, aber ich will Raimondo deshalb nicht tadeln, denn bestimmt hat er die Reinigung nach bestem – natürlich menschlichem – Wissen vorgenommen. Schon nach wenigen Minuten habe ich wenigstens einige Haare wieder entsprechend auf der Wolldecke und auf dem Stuhl platziert und sofort wird die Decke dadurch kundenfreundlicher. Es herrscht noch wenig Betrieb im Geschäft, doch schon jetzt beginnen die wenigen Kundinnen aufgeregt zu telefonieren und von dem bekannten Kater zu sprechen, der soeben auf seinem Thron Platz genommen hat, und der in wenigen Minuten von Raimondo gebürstet und gekämmt werden wird.
Bösartige Zungen – meistens männlicher Prägung – behaupten immer es würde eine Ewigkeit dauern bis Frauen zum Ausgehen fertig sind und man sich deshalb immer verspäten würde. In diesem besonderen Falle jedoch, meine Herren, Fehlannahme, denn schon nach einigen Minuten füllt sich der Frisörsalon beträchtlich, sodaß Raimondo gezwungen ist, einige seiner Mitarbeiterinnen anzurufen, ob sie vorbeikommen könnten, weil so viel Kundschaft vorhanden ist. Noch ein paar Minuten später ist selbst auf den Stühlen im Aufenthaltsraum, kein freier Platz mehr vorhanden. Raimondo, blauäugig, um die 40 Jahre alt, mit ursprünglich dunklen Haaren, die einen rötlichen Farbschimmer haben und der aus Sizilien stammt, lacht und meint zu seinen Angestellten: „Man könnte glauben Bon Jovi, zu seiner besten Zeit wäre hier und alle Frauen der Stadt wollten ihn sehen“. Ich schaue zu Raimondo auf und muß wieder daran denken, daß bei seinen Vorfahren auch normannische Adelige oder Könige gewesen sein müssen, um die Farbnuancen seiner Haut und Haare zu erklären, dann lege ich mich richtig gemütlich hin.
Doch nicht nur Raimondo, sondern auch seine Mitarbeiterinnen sehen lächelnd auf mich und freuen sich sichtlich mich zu sehen. Jetzt werden Anekdoten über Katzen erzählt: Eine etwas füllige Frau auf einem Frisurstuhl berichtet laut: „Ihr kennt doch alle Elvira“?
Fast alle anwesenden Frauen nicken. „Die diese wundervolle, weiße Scottish Fold Katze „Natasha“, mit den Faltohren hat“? Fragt eine andere dazwischen. „Ja genau die“, antwortet die Füllige. „Die hat doch auch ihre Jungen bekommen, von dem schwarzen Kater da drüben“ und dabei zeigt sie auf mich.
Ich denke auf meinem bequemen Stuhl fast wie ein Jurist: Alles nur Hörensagen, denn beweisen könnt ihr mir gar nichts, denn ihr ward alle nicht dabei und so lasse ich mich auch nicht aus der Ruhe bringen, als die Feiste weitermacht: „Der junge Kater, Charles heißt der, hat die Pfoten, die Mundpartie und die Ohren weiß, der Rest ist schwarz wie der Teufel. Stellt Euch vor, einige Tage zurück hat doch die Polizei einen Einsatz in der 5.Querstraße, wegen eines Nachbarschaftsstreits gehabt. Während dieses Einsatzes muß der junge Kater ins Dienstfahrzeug eingestiegen sein. Das Einsatzfahrzeug hat in dieser Nacht über 70 Kilometer, für verschiedene Einsatzorte zurücklegen müssen. Man ist zusätzlich die verschiedenen Weinorte im Kreis abgefahren und hat überall nach dem rechten gesehen. Auf der Rückfahrt haben sich die Beamten wegen des strengen Geruches im Wagen misstrauisch angesehen und sich gegenseitig verdächtigt für den scharfen Geruch im Auto verantwortlich zu sein. Als sie schließlich, halb miteinander verkracht auf der Dienststelle angekommen sind, haben sie auf der Rückbank den schlafenden Kater Charles entdeckt und konnten auch die Ursache des Gestanks ausmachen: Weil ja im Fahrzeug kein Katzenklo vorhanden war, hat Charles in eine Dienstmütze sein großes Geschäft gemacht. Die anderen Beamten auf der Dienststelle lachen sich halb kaputt wegen dieser Geschichte. Übrigens hat man den Kater wieder seiner Besitzerin zurückgebracht, die ihn mittlerweile verzweifelt gesucht hatte, aber der war ja auf Dienstreise unterwegs gewesen“. Allgemeines Gelächter im Salon. Natürlich wird auch gleich ein Schuldiger für den Vorfall gefunden: „Bei dem Vater kein Wunder wenn der Sohnemann zusammen mit der Polizei zu den Einsätzen fährt“. Und wieder Gelächter im Raum, was mir nur ein müdes Gähnen entlockt, was zu weiteren Lachsalven führt.
Während mich Raimondo bürstet, kommt eine andere Geschichte auf´s Tableau: „Habt Ihr den Polizeieinsatz heute morgen, in der Nachbarstadt, im Altersheim mitbekommen“? Viele fragende Gesichter im Raum und so wird die Geschichte erzählt: „Gegen neun Uhr sind zwei Angehörige einer Bewohnerin des Heims so heftig in Streit miteinander geraten, daß der eine ein Pfefferspray herausgeholt hat und gegen seinen Streitgegner eingesetzt hat. Dadurch wurden weitere Personen im Umfeld verletzt und die Situation erweiterte sich um weitere Personen, die jetzt auch miteinander in Streit geraten sind. Die Polizei musste mit mehreren Dienstwagen anrücken um die Situation wieder in den Griff zu bekommen. Zu den Hintergründen der Streitparteien durften die Beamten aber keine näheren Angaben machen, da es sich um eine familiäre Angelegenheit handelte“. Wieder Gelächter im Raum und auch Raimondo zupft mich ab und zu etwas, wenn er sein Lachen kaum unterdrücken kann. Als er dann sein Werk fertig gestellt hat, habe ich noch eine Dose Thunfisch bekommen, die ich mit sichtlichem Appetit auch verdrückt habe. Danach war ich noch etwas müde und habe mich auf meinem Sessel häuslich eingerichtet. Erst nach einiger Zeit bin ich wieder erwacht und habe dann, noch etwas schläfrig den Salon verlassen, nicht jedoch ohne mich bei Raimondo für seine pflegerischen Maßnahmen mit einem begeisternden Miauen zu danken. Warum die die anwesenden Frauen im Salon jedoch sagen: „Wie schade, muß der Kater wirklich gehen, kann man ihm denn nicht noch zum Futtern geben“? Aber ich bin schließlich nicht nur zum Schlafen in meinem Gebiet, sondern fühle mich auch für einen ordnungsgemäßen Ablauf in unserem Ort verantwortlich und so verlasse ich das Geschäft.
Am Ende des Monats muß ich feststellen, daß es insgesamt sehr mild gewesen ist. Oft regnerisch und bis + 15° C, was die Pfälzer zu der Überlegung führt, wann endlich wieder die Biergärten aufmachen und man es sich im Freien gemütlich machen kann. Der köstliche Duft nach Grillgut und die klappernden Geräusche von Bestecken, Schüsseln und Tellern sind in so manchem Garten bereits vertreten, sodaß einem das Wasser im Mund zusammenläuft, doch Pflichtbewusst wie ich nun mal bin, gehe ich in die 2. Querstraße zu Maxl und Gisela. Gisela ist eine pensionierte Lehrerin und bereits jetzt beim Frühjahrsputz. Sie steht auf einer Leiter und putzt die Fensterscheiben des Hauses. Scheinbar ist es eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen eine freie Aussicht zur Außenwelt zu haben. Maxl sitzt im respektvollen Abstand und schaut immer wieder bangend auf die schwankende alte Dame, die mit Fensterputztüchern, einem Eimer mit Reinigungsmittel und Wasser herumhantiert. Maxl bellt nur verhalten und auch ich zeige mich vorsichtig, damit sie mir nicht zu sehr erschrickt und womöglich von der Leiter fällt.
„Das Fenster hier mache ich noch fertig, dann können wir alle ins Haus gehen sagt sie undeutlich“. Ich erkenne, daß sie keine Zähne mehr im Mund hat und wundere mich doch sehr, wie schnell so etwas beim Menschen verlorengehen kann. Hätte der Mensch das Revolvergebiss der Haie, dann wären solche ausgefallenen Zähne kein Problem, weil hinter den vordersten Zähne bereits die nächste Reihe Zähne vorhanden ist, die sofort nachkommen, wenn andere ausgefallen oder ausgebissen wurden. Daher auch der Name Revolvergebiss, weil die Zähne praktisch nachgeladen werden. Im Haus nuschelt Gisela weiter und mit viel Phantasie kann ich die Wortfetzen: „…komme gleich wieder,…. Ach daß ich das heute morgen vergessen habe, …. Wenn mich die Leute so auf der Straße gesehen hätten, die hätten geglaubt jetzt geht es auch geistig zu Ende mit der Alten“. Mit einem Wasserglas bewaffnet, in dem ihr Gebiss über Nacht gereinigt wurde, kommt sie zurück und entnimmt jetzt die Zahnprothese, die sie im Mund wieder einsetzt. Nach ein paar Mundübungen ist sie zufrieden und kann schon wieder richtig schmunzeln. Lachend sagt sie dann zu Maxl und mir: „Fast so wie beim Schriftsteller Jack London, der während des russisch-japanischen Krieges, 1905, als Kriegskorrespondent in Korea war. Jack London war damals mit „Wolfsblut“ und anderen Büchern bereits international bekannt geworden und hat sich sehr gefreut, als die ganze Dorfbevölkerung sich unter seinem Balkonfenster versammelt hatte. Er hoffte er könne sich feiern lassen, doch die Anwesenden blieben stumm stehen, weil sie etwas anderes von ihm sehen wollten. Erst als er sein künstliches Gebiss herausgenommen hat und dieses schwenkte, gab es frenetischen Jubel. Hatte er das Gebiss wieder eingesetzt, war wieder kein Geräusch vernehmbar. So hat dann Jack London an diesem Abend fast ein dutzend mal sein Gebiss herausgenommen, hat dafür jedes mal tosenden Beifall erhalten, der sofort wieder beendet war, wenn die Zähne wieder im Mund verschwunden waren. Ich habe der älteren Dame und ihrem Hund noch etwas Zeit gewidmet um zu sehen ob es beiden gut geht. Zufrieden habe ich mich dann verabschiedet.