Читать книгу ... und Coon zum Dritten - Udo Barsuhn - Страница 5
Februar:
Оглавление1. Februar: Regnerisch, mild, die erste, rosa Hyazinthe wächst geschützt zwischen Salbeibüschen. Ob dieser Bote des beginnenden Frühlings nicht doch etwas zu früh ist frage ich mich, denn nach der Dicke meines Fells zu urteilen, gehe ich davon aus, daß es noch richtig kalt werden wird. Erste Narzissen beginnen nun auch noch sich mit der gelben Blütenfarbe vorzutasten. Blaue Campanula die bereits seit dem Dezember blühen, wollen anscheinend auch in den Wintermonaten, mit ihrem blauen Schmuck, Insekten für die Bestäubung anlocken. Bestimmt gibt es einige Nachtfalter die ihnen diesen Gefallen tun und sich dafür ihre Nahrung und somit ihr Überleben sichern.
Es zieht mich zu Horst und schon aus einiger Entfernung kann ich Musikgeräusche aus seinem Haus in der 4. Querstraße hören. Es erfordert von mir schon einige Ruflautstärke um auf mich aufmerksam zu machen. Die Musik wird leiser gedreht, daran erkenne ich, daß Horst mich offensichtlich endlich gehört hat. Herzlich werde ich begrüßt: „Ah, da kommt ja mein Schwarzer Prinz, nur herein in die gute Stube“. Ich blinzele Horst freundlich zu und mache mich auf den Weg in sein Wohnzimmer. Horst geht noch schnell in die Küche und hantiert dort ein wenig, bevor er mir folgt. Neben ihm nehme ich auf seiner Couch Platz und mit einer Fernbedienung lässt er eine Schallplatte spielen. Die Lautstärke dreht er herunter, denn ihm ist ja bekannt, wie empfindlich meine Ohren gegenüber zu starken Geräuschen sind. Zudem schadet es dem alten Knaben bestimmt auch nicht, wenn er die Aufnahmen nicht zu laut hört. Als die Musik einsetzt, beginnt Horst zu erläutern: „Es sind die größten Hits der englischen Rockband „Rolling Stones“, die 1962 gegründet wurden. Auf dem Bahnsteig in Dartford, in der Grafschaft Kent haben sich Mick Jagger und Keith Richards getroffen. Mick Jagger wollte die London School of Economics besuchen, während Richards zum Sidcup Art College unterwegs war. Seit den gemeinsamen Kindertagen hatten sie sich aus den Augen verloren und so hatte man einige Gesprächsthemen. Jagger hatte zudem unter einem Arm Schallplatten von Chuck Berry und den Muddy Waters und beide stellten fest, daß sie den gleichen Musikgeschmack hatten. Zusammen mit einem weiteren Bekannten Dick Taylor, übten sie wenig später in den Hinterzimmern der elterlichen Wohnungen.
Im März 1962 besuchten Mick Jagger und Keith Richards erstmals einen Jazzclub, in dem der Bluesmusiker Alexis Korner mit seiner Band auftrat. Sie jammten einmal auf der Bühne mit Korner, der ihnen den Gitarristen Brian Jones vorstellte. Jagger, Jones und Richards zogen gemeinsam in eine kleine Wohnung und übten zusammen. Manchmal hatten sie so große Geldprobleme, daß sie Lebensmittel aus den Geschäften gestohlen haben. Für die Gruppengründung wurde Dick Taylor hinzugezogen und die „Rollin Stones“ gegründet. Zunächst ohne das „g“ hinter Rollin, da der Bandname von einer Liedzeile der Gruppe Muddy Waters „Rollin´ stone“ entnommen wurde. Als ihr Förderer Alexis Korner im Juli 1962 einen Überschneidungstermin wegen eines BBC Aufnahmetermins hat, treten die Stones für ihn im Marquee Club auf. In der Besetzung: Mick Jagger (Gesang), Brian Jones (Gitarre), Keith Richards (Gitarre), Dick Taylor (E-Bass), Ian Stewart (Klavier) und Tony Chapman (Schlagzeug) geben sie ihren musikalischen Einstand, allerdings mit Musikstücken anderer Interpreten. Tony Chapmann wurde als Schlagzeuger bereits im Januar 1963 von Charlie Watts ersetzt, den die Bandmitglieder bereits von Alexis Korner kannten. Dick Taylor hat ebenfalls die Band verlassen, an seine Stelle rückte Bill Wymann als Bassist. Der erste Stones Manager ließ die Gruppe monatelang in seinem Club auftreten und der ehemalige Pressesprecher der Beatles Andrew Loog Oldham verschaffte einen Schallplattenvertrag bei „Decca“, die versäumt hatten einen Vertrag mit den Beatles zu unterschreiben und deshalb dringend für die neue Musikrichtung eine Rockgruppe suchten. Die erste Single „Come On“ war eine Komposition von Chuck Berry, die zweite Schallplatte „I wanna be your man“ dann ein Werk von John Lennon und Paul McCartney.
Der erste Auftritt außerhalb von England war beim Montreux-Festival, wo sie im Casino auftraten. Manager und Pressesprecher drangen darauf daß eigene Musikstücke erarbeitet werden sollten und im Februar 1965 wurde die erste, eigene Single „The Last Time“ aufgenommen. Danach folgte „I Can´t Get No Satisfaction“, mit der weltweit der Durchbruch gelang. Platz 1 in den USA und in Großbritannien. Im September 1965 wurde die erste Deutschland-Österreich-Tournee durchgeführt. In den nächsten Jahren kamen weitere Hits wie „Ruby Tuesday“ und „Let´s Spend the Night Together“ hinzu. 1967 fand dann während einer ausgelassenen Party im Landhaus von Keith Richards, eine Razzia statt, bei der in England verbotene Amphetamine und Rauschmittel gefunden und beschlagnahmt wurden. Richards wurde wegen Duldung des Rauschmittelkonsums in seinem Haus angeklagt, Jagger hatte Amphetamine seiner damaligen Freundin Marianne Faithfull einstecken. Haftstrafen drohten und nur durch Einsatz von anderen Musikgruppen gelang es gegen das Versprechen professionelle Hilfe anzunehmen, Haftstrafen zu vermeiden. Zwischen den Tagen der Verhaftungen und den Gerichtsterminen sind die Rolling Stones durch Europa getourt und wurden begeistert gefeiert.
Im August 1967 wurde dann der Song „We Love You“ veröffentlicht. Auf der Aufnahme sind Schritte und das Zuknallen einer Zellentür zu hören. John Lennon und Paul McCartney von den Beatles sind im Chor im Hintergrund zu hören. Offiziell wurde zwar verkündet das Lied sei ein Dankeschön an die treuen Fans, insgeheim war es jedoch ein Verhöhnen der Boulevardpresse, die alles unternommen hatte daß Mitglieder der Rolling Stones in Haft kommen sollten. Wer sich die Aufnahme anhört kann sich beim Satz „we love you“ besonders beim mehrfachen langgezogenen Wort „Love“, des Eindrucks nicht erwehren, als würde hier ein „ha, ha, ha“ gesungen werden. Doch trotz aller Verhaftungen und Kontrollen, der Drogenkonsum ging bei einigen Mitgliedern der Band, besonders bei Brian Jones weiter, und so gab es auch persönliche Probleme zwischen Jagger und Richards auf der einen Seite und Brian Jones auf der anderen, bis dieser schließlich 1969 die Band verlassen hat. Wenige Wochen später starb Jones überraschend und unter bis heute ungeklärten Umständen in seinem Swimming Pool.
Nach über 2 Jahren Bühnenabstinenz tourten die Stones ab 1969 wieder, zunächst durch die USA. Beim Altamont Free Concert, wo neben den Stones auch „Jefferson Airplane“, „Santana“, „Crosby, Stills, Nash & Young“ auftraten, starben 4 Menschen. Ein 18 jähriger wurde angeblich in Notwehr, von einem, als Ordner, angeheuerten Hells Angels-Mitglied erstochen. Im Nachhinein wurde dieses Konzert und die schlimmen Ereignisse dort als Wendepunkt der zuvor so friedlichen „Love-and-Peace-Bewegung“ angesehen. Ein Jahr später sind dann die Verträge mit der Plattenfirma „Decca“ ausgelaufen und die Gruppe trennte sich vom Manager Allen Klein. Rechtsstreitigkeiten waren die Folge der Vertragsauflösung die sich über viele Jahre hinzogen. „Decca“ hatte die Rechte aller bis dahin veröffentlichen Musikstücke und bekam auch dafür die Einnahmen. Hinzu kamen die hohen Steuern in Großbritannien und so waren die Stones finanziell, trotz ihres Erfolgs, eigentlich am Ende.
Die Wohnsitze wurden wegen der geringeren Steuern nach Südfrankreich verlegt, ein eigenes Plattenlabel gegründet, mit der roten Zunge und den roten Lippen als Markenzeichen. Der Künstler John Pasche hatte dieses Emblem entworfen und dieses eigentliche Protestzeichen wurde zum Markenzeichen der Gruppe und vieler Fans weltweit. Super erfolgreiche Titel wie „Brown Sugar“ im Jahr 1971 oder auch „Angie“ im Jahr 1973, die beide gemeinsam, unter anderem, auch auf der Langspielplatte „Made in the Shade (Im Schatten entstanden) enthalten sind, sorgten für eine noch größere Bekanntheit. Die Gruppe tourte wieder fleißig und das eigene Plattenlabel führte zu ausgezeichneten finanziellen Erträgen, vor allen Dingen für Jagger und Richards. Filme wurden von den Auftritten gedreht und vermarktet. Ab und an wechselten wieder Mitglieder der Gruppe, aber Jagger und Richards blieben zusammen, bis es von 1983 bis 1988 zu erheblichen Differenzen zwischen den beiden kam. Ursache war der Wunsch von Mick Jagger nicht mehr mit der Gruppe zu touren, sondern eine Solo-Karriere anzustreben, allerdings vorwiegend mit Songs der Rolling Stones, was Keith Richards gehörig in Rage brachte.
Erst im Januar 1989 beendeten Mick Jagger und Keith Richards, auf Barbados, ihre Streitigkeiten und schrieben Lieder für ein neues Schallplatten-Album. Die Aufnahmen wurden unterbrochen als sie in die „Rock Hall of Fame“ offiziell, zusammen mit Ronnie Wood, Ian Stewart und Mick Taylor aufgenommen wurden. Danach wurden die Arbeiten am Album fertig gestellt. Auch die erfolgreichen Welttouren wurden bis zur Perfektion wieder aufgenommen. In riesigen Stadien wurde aufgetreten und eine zusätzliche Vermarktung durch Sponsoren wie Volkswagen oder American Express sorgte für reichen Geldregen. Das größte Konzert fand bisher in Rio de Janeiro, vor über 1,2 Millionen Zuschauern, am Strand der Copacabana, auf einer monströsen Bühne statt. Die Veranstaltung kostete keinen Eintritt, aber die Stadtväter hatten 750.000 Dollar zu zahlen, zahlreiche Sponsoren aus großen Firmen taten ein Übriges die Veranstaltung stattfinden zu lassen.
Missmut in der Gruppe kam dann wieder im Jahr 2010 auf, als Keith Richards seine Autobiographie veröffentlichte und teilweise sehr intime und derbe Äußerungen über Mick Jagger machte. Da waren Passagen wie „Jagger habe einen kleinen Penis, mit dem Richards Freundin Anita Pallenberg, „keinen Spaß“ gehabt hatte. Hintergrund war offensichtlich eine sexuelle Affäre zwischen Jagger und Anita Pallenberg, während den Filmaufnahmen für „Performance“. Auch die schriftlichen Hinweise im Buch, auf den Versuch von Jagger in den 80er Jahren eine Solo-Karriere zu starten und seine Unverträglichkeit in diesem Zeitraum gegenüber der Gruppe, führten zu Verstimmungen. Doch im Interesse aller hat man sich wieder zusammengerauft und ist weiter auf Tour unterwegs und füllt dabei zuverlässig die Stadien, in jedem Land in dem sie auftreten. Im September 2017 beispielsweise den Stadtpark in Hamburg, danach das Olympiastadion in München, einige Tage später den „Red Bull Ring“ in Spielberg, Ende September Zürich, den „Letzigrund“, um dann Anfang Oktober in Düsseldorf die „Esprit-Arena“ zu füllen. Das Team um die Stones, ist sorgfältig ausgesucht und hat die vielen technischen Anlagen, den Auf- und Abbau, den Sound Check, die Beleuchtung und das „Drum herum“, wie Lieblingsgetränke, Kleidungsstücke für die Bühnen-Show und Handreichungen zuverlässig im Griff und so können die „alten Herrschaften“ bestimmt noch lange Zeit touren.
In Anlehnung an die Gebrüder Grimm möchte ich den Satz anfügen: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann touren sie noch heute“. Plötzlich werde ich auf einen intensiven Geruch aufmerksam. Ich miaue und Horst wird aus seiner Musikbegeisterung herausgerissen. Ich renne in Richtung der Küche, Horst meint sichtbar erschreckt: „Das habe ich ja total vergessen, Essen steht im Herd und vor lauter Vorträgen habe ich nicht mehr daran gedacht. Hoffentlich ist nicht alles verbrannt, doch als er die Backofentüre vorsichtig aufmacht und nachsieht, ist er beruhigt: „Etwas über die Zeit, wird schon etwas trocken sein, ich hoffe ein hier anwesender Kater hat gute Zähne und kann Lendenstücke mit Genuss verdrücken“. Dann lacht er schelmisch: „Kater, du bist besser als jede Zeitschaltuhr. Die habe ich nämlich nicht gehört, aber als du losgerannt bist, ist mir das Essen sofort wieder eingefallen. Einige Minuten später haben wir dann gemeinsam gegessen. Horst hat sich noch Brot dazu geschnitten, während ich mit den Fleischstücken und etwas Soße mehr als zufrieden war. Vielleicht ein klein wenig zu trocken das ganze, aber nicht viel, nochmals Glück gehabt, aber warum hat man denn sonst auch einen Coon im Haus zu Besuch?
Zwei Tage später habe ich der 1.Querstraße meine Runde gemacht. Zunächst ganz vorsichtig zur Hausnummer 9 und nachgeschaut ob vom Tierquäler Jürgen, oder von seinen beiden Boxer-Hunden Sheila und Jack etwas zu sehen ist. Alles ganz ruhig, die 3 sind offensichtlich nicht hier. Doch Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und so beobachte ich zunächst noch ein wenig die Fenster und ob sich dahinter die Vorhänge in irgendeiner Richtung bewegen. Selbst auf mein lautes Miauen, kein Gebell, und keine Türen die zu hören wären. Wirklich alle ausgeflogen. Wahrscheinlich erschrecken sie bei einem Verdauungsgang die Einwohner in unserer Stadt, und lassen wieder ihre Haufen auf dem Bürgersteig liegen. Ich meine damit Sheila und Jack die die Haufen machen, aber auch Jürgen der diese Hinterlassenschaften einfach im Laufweg liegen lässt. Nicht nur rabiat der Bursche gegenüber anderen Lebewesen, sondern auch noch rücksichtslos gegenüber seinen Mitmenschen. Sarkastisch gesagt: Solche Lebensgenossen liebe ich aus tiefster Seele (Coon: Wenn Du das Wort „liebe“ durch „verabscheuen“ ersetzt, erkennst Du meine wahre Meinung dazu).
Also hinein in den Garten und nachgeschaut wo ich ein wenig Durcheinander anrichten kann. Spaten und Besen umwerfen, Kleinigkeit. Diese zum kleinen Teich ziehen und dort hineinfallen lassen, schon eine schwerere Aufgabe. Wenn ich schon da bin, die Gießkanne ebenfalls hinterher, dann großzügig meine Duftmarken hinterlassen, fast schäme ich mich ja meine Duftmarken nicht mit Erde zu bedecken, den auch diese riechen nicht unbedingt nach Lavendel, aber ich will Jürgen und seine Hunde davon abhalten anderen Lebewesen aufzulauern. Wenn er das nur bei mir tut, in Ordnung, denn dann ist das etwas persönliches zwischen uns beiden und seinen Höllenhunden, aber unschuldige Vögel und andere Tiere aus Mordlust umzubringen, das will ich soweit ich kann doch verhindern.
Nachdem ich mich ausgiebig im Garten, an den Türblättern und den Ecken des Gebäudes eindeutig in Erinnerung gebracht habe, war ich mit meinem Werk doch einigermaßen zufrieden. Ich muß mal wieder daran denken mir von meinem Freund Tiger ein altes Stoffspielzeug geben zu lassen, das wir gemeinsamen gut einsauen können und dann bei Jürgen ganz versteckt ablegen, damit seine Hunde auch etwas davon haben. Es gibt aktuell im Garten von Jürgen nichts mehr zu tun, so verlasse ich das Grundstück und kann weit hinten in der Straße ihn und an seiner Seite seine beiden Untiere erkennen.
Durch einen kleinen Umweg kann er mich nicht bemerken und so bin ich kurz danach bei Matthias und Ingrid, in der Hausnummer 17 aufgetaucht. In Erinnerung sind mir immer noch die tragischen Ereignisse vor fast zwei Jahren, als die Geliebte des gewalttätigen Alexander zu Tode gekommen ist und er einen Brand gelegt hat. Die etwas spröde Beate sehe ich manchmal in Gedanken vor mir, wenn sie mit ihren farbigen Gummistiefeln, die oft mit Blumenornamenten geschmückt waren, im Garten herumgewerkelt hatte. Sie liebte vor allen Dingen Vögel und hat sich darum gekümmert daß die Flugkünstler sowohl Nistmöglichkeiten, als auch bei extremen Umweltbedingungen Nahrung und Wasser vorgefunden hatten. Mich hat sie übrigens auch geliebt, obwohl ich ein Kater bin und eigentlich ein natürlicher Jäger, auch von Vögeln – aber soweit es geht schone ich die farbigen Flieger, weil sie durch ihre Insektennahrung so viel Nützliches für uns andere Lebewesen zustande bringen. Da ich auch Gesang mag fällt mir dies noch nicht einmal schwer. Zudem bin ich ein guter Jäger und das Fangen einer Maus oder Ratte stellen für mich kein Problem dar. Zudem ist an einer fetten, ausgewachsenen Ratte auch eindeutig mehr Fleisch als an einem kleinen Zaunkönig.
Die Brandruine musste damals abgerissen werden und entstanden ist dafür ein zweistöckiges Gebäude, das mittlerweile von meinen Freunden Mathias und Ingrid bewohnt wird. Die Hühner der Rasse „Araukaner“ hat Mathias in einem Rollgitter in den Vorgarten gestellt, damit sie im Boden etwas scharren können und an der frischen Luft sind. Ich stelle mich in die Nähe des Gitters, um das Treiben besser beobachten zu können. Die Hühnerrasse die ursprünglich von den Mapuche-Indianern, im heutigen Chile gezüchtet wurde, scheint sich auch in der Pfalz heimisch zu fühlen. Mal gespannt ob ich eines ihrer grünen Eier sehen kann und wirklich, die Grünleger haben wirklich ein Ei, mit grünlich-bläulichem Schimmer auf den Boden gelegt. Auf mein Miauen schrecken die Hühner auf und gackern aufgeregt, was bestimmt auch dazu führt daß sehr rasch die Eingangstüre von Ingrid geöffnet wird. Die Blondine steht lachend vor mir und macht die Haustüre ganz weit auf, damit ich eintreten kann. Schmunzelnd meint sie: „Vielleicht hat mein Ehemann Lust mit dir Schach zu spielen, ich muß mir mal überlegen ob ich eine neue Handtasche, oder neue Schuhe brauche“. Laut ruft sie jetzt: „Mathias, es ist Coon, der mit Dir Schach spielen will, weil ich dringend ein paar neue Schuhe brauche“. Ein Fluch von Mathias folgt und dann die Antwort: „Im Leben spiele ich nicht mehr gegen diesen Burschen. Der ist doch bestimmt gedopt“. Dann muß er aber selbst lachen und gemeinsam setzen wir uns in die Küche. Mathias ist gerade dabei Ingrid einen Zeitungsbericht vorzulesen, der Auskunft gibt wie viel mehr mittlerweile der Bau des Berliner-Flughafens nach aktuellen Zahlen kosten wird. „Ingrid, was die sich da droben, auf Kosten von uns Steuerzahler erlauben ist einfach unglaublich. Die Kosten explodieren und keiner muß dafür die Verantwortung übernehmen, obwohl es so viele Leute gibt die für Planung und Durchführung abgestellt sind. Aber das ist ja nicht das erste Mal das man Berlin keine Richtung erfolgreich vorgibt. Ich kenne da ein prominentes Beispiel: Bereits mit 40 Jahren war Albert Einstein (1879 – 1955) durch seine Relativitätstheorie weltbekannt geworden. Wenn man Briefe an ihn schreiben wollte, genügte es als Adressaten: „Albert Einstein, Europa“ zu schreiben und die Briefe kamen an. In Berlin war Einstein seit 1922 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften. Er arbeitete als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik und war allseits geschätzt. Die Stadt Berlin hatte sich nun überlegt ihm zu seinem 50. Geburtstag, im Jahr 1929 ein besonderes Geschenk zu machen: Ein Haus sollte ihm geschenkt werden. Einstein segelte sehr gerne und so sollte das Haus direkt am Wasser liegen. Die Stadtoberen fanden das ideale Objekt in einem großen Park, an einem seeähnlichen Flussabschnitt. Das Haus wurde bereits in Zeitungen abgebildet und die Stadtoberhäupter ließen sich für ihre Idee feiern. Die Frau von Albert Einstein wollte sich das Haus ansehen und stellte bestürzt fest, daß eine Familie darin wohnte. Auch die Familie war total überrascht, weil die Stadt ihnen ein lebenslanges Wohnrecht verbrieft hatte. Nun hatten die Stadtoberen die Idee Einstein wenigstens einen großen Teil dieses Grundstücks zu schenken. Wegen den Segelqualitäten von Einstein, hauptsächlich das Stück um den Seebereich. Einstein sollte darauf, nach eigenen Plänen und allerdings diesmal auf eigene Kosten dort ein Haus bauen. Einstein war mit dieser Lösung einverstanden. Nun stellte sich jedoch heraus, daß die Familie die in dem ursprünglichen Haus wohnte, auch verbrieft bekommen hatte, daß auf diesem Grundstück kein weiteres Bauwerk mehr errichtet werden durfte. Also war es nicht möglich dieses Grundstück zu verwenden.
Neue Lösung der Stadt Berlin: Einstein sollte ein anderes Grundstück geschenkt werden. Nicht so schön gelegen wie das Seegrundstück und auch nicht direkt am Wasser, doch die Nachbarschaft sollte ein Wegerecht eintragen, damit Einstein zum dortigen See gelangen konnte. Was Berlin jedoch nicht in Betracht gezogen hatte: Das Grundstück das die Stadt verschenken wollte, gehörte überhaupt nicht der Stadt Berlin, und so war auch diese Schenkungslösung nicht möglich. Neuer Vorschlag der Stadtväter: Einstein sollte irgendein zu kaufendes Grundstück suchen, die Stadt wollte es dann für ihn kaufen und schenken. Auch damit war Albert einverstanden. Einsteins Frau machte sich auf die Suche und fand wirklich ein Grundstück. Zwar außerhalb der Stadt, in einem kleinen Dorf gelegen, man musste erst ein Stück mit dem Zug fahren, danach mit einem Bus, um zum Grundstück zu gelangen und noch eine Fußstrecke hinter sich bringen. Man informierte die Stadt Berlin und die hat dann ihr Einverständnis gegeben.
Plötzlich kam eine Nachricht der Stadtoberen, daß man die Angelegenheit des Grundstückskaufs und der Schenkung nochmals in einer Sitzung behandeln müsste. In der Sitzung fragte dann ein Abgeordneter der Stadt Berlin, ob Albert Einstein ein solches Geschenk der Stadt überhaupt verdient hat. Als Einstein dies hörte, war selbst seine Geduld zu Ende. Er schrieb dem Bürgermeister der Stadt Berlin einen Brief: „Mein verehrter Herr Bürgermeister, das menschliche Leben ist sehr kurz, die Arbeitsweise der Behörden aber sehr langsam. Mein Leben ist wahrscheinlich zu kurz, um mich Ihren Methoden anzupassen. Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Absichten, aber mein Geburtstag ist nun schon vorüber, und ich lehne das Geschenk ab“. Das Grundstück haben dann Einstein und seine Frau selbst gekauft und ein Holzhaus darauf errichten lassen, wofür ein Großteil der Ersparnisse aufgebraucht wurde. Er machte einmal dazu die Aussage: „Wir haben zwar den größten Teil unserer Ersparnisse verbraucht und haben nun kein Geld mehr, aber dafür haben wir unseren eigenen Grund und Boden. Da fühlt man sich viel sicherer“.
Nach einigen Jahren musste Familie Einstein trotzdem alles zurücklassen, hat die Freiheit gewählt und ist in die USA emigriert“. Ich nicke mit dem Kopf zu diesem interessanten Teil der Geschichte der Hauptstadt und Ingrid merkt an: „ Vom deutschen Dichter Gottfried August Bürger passt dazu der Satz: „Viel Klagen hör ich oft erheben, vom Hochmut, den der Große übt. Der Großen Hochmut wird sich geben, wenn unsere Kriecherei sich gibt““. Mathias hat einen Ausspruch von Benjamin Franklin parat: „Wer Eitelkeit zum Mittagsbrot hat, bekommt Verachtung zum Abendbrot“. Wir nicken alle zu diesen Wahrheiten. Ich bekomme ein Schüsselchen mit Rahm, bevor ich mit Mathias in den Vorgarten gehe und beobachte wie er den Rollgitterkäfig in den hinteren Teil des Grundstücks zieht. Er macht das ganz gut und so kann ich auf taktische Pfotenhinweise was Richtung und Geschwindigkeit betrifft, getrost verzichten. Danach gräbt Mathias noch einen Teil des Vorgartens um, bevor er ausruft: „Blondchen, hast Du die Finger herumgehen lassen und endlich etwas zum Verdauen gemacht, bei uns hört man schon die Knochen klappern“? (Coon: In der Pfalz eine Nachfrage, ob das Essen fertig ist, weil der Nachfrager Hunger hat). Aus der Küche höre ich nur einen lauten Ausruf: „Vielfraß“!
Kurze Zeit später haben wir doch etwas bekommen. Für mich einige kleingeschnittene Rindfleischhappen, für Mathias und Ingrid das Abendbrot, mit Käse, Gurken, gekochten Eiern und Wurst. Als Mathias gegenüber Ingrid angeben will, wie schwer es war einen Teil des Vorgartens umzugraben und sich immer mal wieder die Hand in den Rücken legt und sich streckt, habe ich eine Pfote vor meine Augen gelegt, und Ingrid meint lachend dazu: „Coon, ich muß Dir recht geben, bei der Arbeit die mein großer Bär draußen geleistet hat, konnte man bestimmt nicht zuschauen“. Allgemeines Gelächter. Nach dem Abendbrot hat Mathias noch eine historische Geschichte erzählt: „Wir glauben immer unsere Gegenwart wäre so verdammt hart, doch auch in vergangenen Zeiten mussten die Herrschenden oft unbequeme Entscheidungen fällen, selbst wenn sie absolute Herrscher waren. Ich denke dabei beispielsweise an „Peter den Großen“, der von 1672 bis 1725 gelebt hat. Er war Zar von Russland und nutzte seinen Einfluss und seine Ideen, um das rückständige Russland voranzubringen. Er wollte eine Flotte, sowie den Zugang zum Meer. Reformen bei den landwirtschaftlichen Anbaumethoden und die Förderung des Handwerks. Schulen wurden gebaut, das Heer reformiert. Er ließ Straßen und Kanäle bauen, Bergwerke wurden mit den damals modernsten Techniken ihrer Schätze beraubt. Silberschmuckverarbeitung und Keramikherstellung wurden gefördert. Alte Traditionen die er als hemmend einstufte wurden abgeschafft. Er setzte sich als oberster Kirchenfürst ein und hat 1721 den Titel eines Kaisers angenommen. Vormals vorherrschende, lange Bärte mussten abgeschnitten werden.
Doch so fortschrittlich er auch in seinen Bemühungen war, wurden seine Ideen von konservativen Kräften stark behindert. Selbst innerhalb seiner Familie musste er sowohl gegen seine Stiefschwester, wie auch gegen seine Brüder agieren um seine Macht zu festigen. Sein eigentlicher, legitimer Nachfolger wäre sein Sohn Aleksej gewesen, der aber ebenfalls unter dem Einfluss von konservativen Geistlichen gestanden hat und gegen die Reformwünsche seines Vaters angegangen ist. Die Vorliebe von Peter dem Großen für militärische Angelegenheiten und auch den Alkohol, teilte sein Sohn nicht. In einem Brief hat ihm einmal sein Vater geschrieben: „Wenn Du Dich mit gesundheitlicher Schwäche entschuldigen willst, daß Du nicht die militärischen Anstrengungen ertragen kannst, dann ist diese Begründung für mich ungenügend, denn ich erwarte von Dir nicht die körperliche Anstrengung, sondern nur die Lust zur Sache“. Peter dem 1. wurde zudem hinterbracht, dass sein Sohn alle Neuerungen verabscheute die eingeführt worden waren und nur Nachfolger werden wollte, um die Reformarbeit wieder zu zerstören und Russland wieder die ursprüngliche Lebensweise zurückzubringen. Es wurde versucht den Sohn von den konservativen Einflüssen fernzuhalten und zu überwachen, bis dieser schließlich, mit 28 Jahren, im Herbst 1716 nach Wien geflohen ist, wo ihm der Österreichische Kaiser Asyl gewährte. Der russische Gesandte überredete Aleksej aber an den russischen Hof zurückzukehren. Dort wurde er gefangengenommen und unter der Folter vernommen. Aleksej hat dann gestanden, daß er den Tod des Vaters gewollt hat. Daraufhin wurde er vom Gericht zur Todesstrafe, wegen Hochverrats verurteilt. Das Urteil brauchte jedoch nicht vollstreckt werden, weil Aleksej an den Folgen der Folter gestorben war, bevor Peter der Große das Gerichtsurteil bestätigen konnte“. „Furchtbar, meint Ingrid, das Todesurteil über den eigenen Sohn zu verhängen“, und Mathias nickt zustimmend. Eine Zeitlang bin ich noch geblieben, habe mich artig für die Gastfreundschaft bedankt und bin dann meiner Wege gegangen, doch die Geschichten wirken noch in mir nach.
Freunde, furchtbar, wieder einmal eine zeitlich befristete Epidemie die viele Menschen in meinem Umfeld getroffen hat. Ganz schlimm im Zeitraum von Freitag dem 9. Februar, bis um Mittelnacht, Dienstag des 13. Februar. Menschen die sich Farben ins Gesicht schmieren, sich in komische Kostüme „schmeißen“ und aus nichtigen Anlässen lachen und sich auftoben wollen. Die Fernsehsender zeigen aus verschiedenen Städten Menschen, die von der Seuche noch wesentlich schlimmer als in der Pfalz betroffen sein müssen. Fasnachtsmusik und sogenannte Büttenreden werden stundenlang übertragen. Bei den Fernsehsitzungen werden Funktionsträger von verschiedenen, politischen Parteien gezeigt, die durch rechtzeitige Signale informiert werden, wann die Kameras auf sie und ihr Gefolge gerichtet werden, damit die Öffentlichkeit das unterdrückte Gähnen der Mandatsträger und die aufgesetzte Fröhlichkeit nicht durchschaut. Der Vorsitzende eines „Elferrates“ begrüßt diese Leute mit Namen und Funktion und will damit auch zeigen, wie bedeutend gerade die eben übertragene Fernsehsendung ist. Die Wichtigkeit dieser Anwesenden wird noch dadurch unterstützt, daß sie, obwohl sie mehr Geld als die meisten anderen Anwesenden bekommen, - denn von verdienen kann ja oft keine Rede sein -, kostenlose Ehrenkarten erhalten haben, während so viele eigene Helfer Geld bezahlen müssen. Genauso unecht wie die Orden, die überreicht werden, sind die Titel die verliehen werden. Ein Parteienvertreter wird Ehrensenator, also wird auch von einer anderen, scheinbar wichtigen Partei, ein Vorstandsmitglied Senator oder Konsul, oder was für Titel man auch dafür nehmen will.
Manche der Veranstaltungen erinnern mich an einen Satz des Kabarettisten Werner Fink, der einmal gesagt hat: „Eine Konferenz ist eine Sitzung, bei der viele hineingehen und wenig dabei herauskommt“. Noch schlimmer ist es, wenn der Alkohol für Enthemmung sorgt, dann hat ein spanisches Sprichwort Bestand: „Vor den alten Dummköpfen haben die jungen keine Ruhe“.
Apropos Fernsehen, eben höre und sehe ich einen Redner in der sogenannten „Bütt“, der wenig Applaus bekommt, als er mit den Worten des Dichters Mahmud ben Jemineddin beginnt: „Heil Euch, Ihr Dummen! Ihr seid zu beneiden. Euch fehlt der Geist, wohl Euch, Ihr seid geborgen! Mit dem Verstande schwanden auch die Sorgen, und selige Torheit schafft Euch tausend Freuden“. Nur ein kleiner Lacher kommt aus dem Publikum, als er den Österreicher Paul Watzlawick zitiert: „Menschliche Reife ist, das Richtige zu tun, selbst wenn es die Eltern empfohlen haben“. Als der Redner die Bühne verlassen hat, hüpfen kräftige Männer, im rosa Röckchen, Tutu genannt, zu Ballettmusik und ich bin erstaunt über deren Ausdauer und Gelenkigkeit. Dafür gibt es dann stehende Ovationen und Beifall und noch einmal wird ein kleines Stück des Vortrags, unter Jubel vorgeführt. Dann kommen noch einige verdiente Vortragende in die „Bütt“, die nur noch aus Vereins-Proporz-Gründen auf die Bühne dürfen, auch wenn jeder aufmerksame Beobachter im Saal und Zuhause merkt, daß deren große Zeiten längst vorbei sind. Mit Schunkeln und aufgesetzter Fröhlichkeit geht dann die Fernsehsitzung zu Ende. Meine Mitbewohner haben für ihre Fröhlichkeit während der Sitzung drei Flaschen Sekt leeren müssen und wanken bettreif nach oben, während ich mich noch auf eine Runde durch unsere Stadt begebe.
In umliegenden Städten gibt es während dieser närrischen Tage den totalen Ausstand, wobei sogar eine Brauerei gestürmt wird und die Eigentümer der Immobilie dies sogar ausdrücklich befürworten. Seltsame Kapriolen bei der Musik die man hört. Gruppen die sich „Guggemusiker“ nennen und leicht schräg ihre Lieder spielen, während die Beobachter am Straßenrand einfach nur mitklatschen und manchmal auch mitsingen. Übrigens wesentlich schiefer als die Musiker spielen. Meine Mitbewohner Manfred und Martina sind aufgeregt und telefonieren dauernd mit allen möglichen Leuten um sich irgendwo zu verabreden. „Natürlich kommen wir, wann sollen wir da sein? Was sollen wir zum Trinken mitbringen? Braucht Ihr noch einen Salat? Fragen wie diese sind die Regel und mit den Antworten der Angerufenen scheinen meine beiden Mitmenschen sehr zufrieden zu sein. In ihre elektronischen Terminplaner werden die Örtlichkeiten und Zeiten eingetippt, damit es nicht zu Veranstaltungsüberschneidungen kommt, oder sogar ein Feiertermin ausgelassen wird. Vor lauter Geschäftigkeit der Terminvereinbarungen, werden mal wieder mein Essen, Trinken und die Reinigung meiner Fäkalienbox vergessen. Mehrmals miaue ich entsprechend und bringe sogar meine leeren Schüsseln ins Wohnzimmer, doch die beiden haben schon wieder einigen Alkohol intus und lachen nur überheblich und schadenfroh. Noch zweimal habe ich versucht auf diplomatischem Weg auf meinen Hunger und Durst hinzuweisen, jeweils leider mit dem gleichen Resultat, Lachen und Spott der beiden: „Wenn Du so viel kannst wie alle Leute sagen, kannst Du dir auch selbst Deine Dosen aufmachen“! Und wieder hämisches, verletzendes Lachen und Kichern. Ich habe dann für einige Tage mein Haus verlassen, zurückgelassen habe ich aber zuvor in der Küche einen Eimer, den ich ins Spülbecken gestellt habe, den dort abgestellten Eimer habe ich zu 80% mit heißem Wasser aus dem Wasserhahn gefüllt, dann habe ich mir heimlich die beiden Terminplaner von Manfred und Martina angeeignet und jeweils in den Wassereimer geworfen. Damit es lustiger wird, habe ich zudem aus dem Lebensmittelschrank noch eine angefangene Packung mit grobem Salz in den Eimer geworfen und bin dann mit steil aufgestelltem Schwanz und hoch erhobenem Kopf, aus der Katzenklappe ins Freie marschiert. Ich denke mir: Wenn wir Tiere euch schon so viel Freude bringen und auf euch achten, dann muß es eine Selbstverständlichkeit sein uns wenigstens mit entsprechendem Futter und Wasser zu versorgen und uns nicht auszulachen, denn auch wir haben Gefühle. Wie sagt schon das Sprichwort? „Quäle nie ein Tier zum Scherz, denn es fühlt wie du den Schmerz“.
Am nächsten Tag laufe ich über den Marktplatz, auch um mal wieder nach den mittlerweile sterilisierten Katzen Lilly und Daisy zu sehen. Meine Katzen sind leider nicht zu sehen, dafür umso mehr Narren, die unterwegs sind. Vorm Obstgeschäft ihrer Eltern steht Carola, die gerade eine Verkaufspause eingelegt hat und sich mit einer als Pirat verkleideten, kleinen Kundin unterhält: „Sacht die Babett beim Buchhänler, isch hätt gärn een rischtisch spannende Krimi, hänn see eener doo?“ Antwort Buchhändler: „Mir hänn een super spannende doo. Erscht uff dee letscht Seit weerd verrode, dass de Hausmäschder de Meerder iss“. Beide lachen. (Übersetzung Coon für Nichtpfälzer: „Barbara kommt in die Buchhandlung und möchte einen spannenden Krimi erwerben. Der Buchhändler empfiehlt einen Super Krimi, bei dem erst auf der letzten Seite verraten wird, daß der Hausmeister der Mörder ist“). Die als Pirat verkleidete Frau schmunzelt und erzählt den neuesten Dorfklatsch aus einer Nachbargemeinde: „Gestern Abend kam es zu einem kuriosen Einsatz unserer Polizei. Die Ordnungshüter sind zu einem heftigen Streit eines Paares gerufen worden. Die Nachbarschaft hatte angerufen, weil es extrem laut gewesen ist. In der Wohnung des Pärchens waren der 26jährige, am Kopf blutende Wohnungsinhaber und seine 23jährige Lebensgefährtin anwesend. Das Paar wollte die nächsten Tage heiraten und hatte auch schon seit längerer Zeit einen festen Termin festgelegt. Wegen Medikamenten die der Frau vor wenigen Wochen verschrieben wurden, passte das Hochzeitskleid, wegen erhöhter Gewichtszunahme, mittlerweile nicht mehr. Um ein schnelles Ergebnis zu erzielen, und vielleicht doch noch ins Kleid zu passen, bestellte die junge Frau deshalb über den Computer, im Internet, eine Korsage. Für die Bezahlung der Ware nahm sie allerdings nicht die eigene Geldkarte, sondern die Kreditkarte ihres Lebenspartners, sagte ihm dies aber nicht. Der geriet in Rage als die Abbuchung ohne sein Wissen erfolgte. Durch den Abbuchungsbetrag war zudem sein Konto überzogen und er musste auch noch Kreditzinsen bezahlen. Kurzum, das Paar stritt heftig und die junge Frau hat dann mit einer Whiskeyflasche ihrem Bräutigam eins über den Schädel gezogen, wodurch dieser eine leicht blutende Kopfplatzwunde erlitten hat. Der Polizei gelang es das Pärchen zu beruhigen und zwischen beiden zu vermitteln. Es gab sogar ein Happy End: Die beiden jungen Leute haben nochmals betont daß sie sich lieben und zum festgesetzten Termin natürlich heiraten wollen. Ob diese Entscheidung des Bräutigams durch den heftigen Schlag auf den Kopf, mit der Whiskeyflasche gefallen ist, konnten die Polizeibeamten allerdings nicht feststellen lassen, da sich der Verletzte nicht in ärztliche Obhut begeben hat“. Beide Frauen lachen, während ich an meine beiden Katzen Lilly und Daisy denke, die sich jetzt auch mit mir gerne amüsieren würden, statt in der Wohnung eingesperrt zu sein. Ich bin dann weitergezogen, wobei ich nach Möglichkeit, um verkleidete, oder sogar betrunkene Narren, einen großen Bogen gemacht habe.
16. Februar: Kurzbesuch bei Horst: Er hat Lachs in Scheiben geschnitten, Eier sind gekocht und aus seinem Vorgarten hat er sogar etwas Dill geerntet, der hartnäckig und stolz seinen Platz verteidigt, auf dem er sich breitgemacht hat. Schnittlauch treibt aus und Horst meint: „Für diesem Winter ist das Schlimmste geschafft. Zur Feier des Tages werde ich Lachsbrot mit allem Drum und Dran essen. Auf die Lachsscheiben kommt noch gekochtes Ei, dazu einige klein gewürfelte Zwiebelchen, und als besonderer Leckerbissen noch frischer Dill aus meinem Garten. Frisch aus der Pfeffermühle kommt würziger Geschmack hinzu“.
Für mich hat Horst das Brot, den Pfeffer und die Zwiebeln weggelassen. Von den gekochten Eiern hat er mir eine einzige Scheibe als „farbliche Variation“ auf die Lachscheiben gelegt. „Wegen des farbigen Gesamtbildes muß wenigstens eine Scheibe drauf. Wenn es Dir nicht schmeckt, kannst Du sie gerne auf die Seite schieben“. Natürlich versuche ich erst einmal den Fisch mit der Eierscheibe zu verdrücken, doch mehr als eine halbe Scheibe habe ich mir nicht zugestanden, der Rest musste leider auf dem Teller verbleiben. Doch der Lachs ist lecker und die Portion die mir Horst auf den Teller gelegt hat, ist sehr großzügig bemessen. Nach dem Essen hat Horst jedoch keine Zeit mehr: „Katerchen, ich habe einem alten Kumpel versprochen heute Mittag noch vorbeizukommen und so muß ich jetzt leider gehen. Wir lassen alles liegen und stehen, denn das Geschirr wird auch noch vorhanden sein wenn ich zurückkomme, außer natürlich wenn Heinzelmännchen auftauchen würden und das Geschirr spülen“.
Na prost, denke ich mir, ist der Kerl schon so alt und glaubt immer noch an die Heinzelmännchen. Ich hoffe der arme Bursche wird nicht in seinen alten Tagen noch sonderbar, wie dies leider viele Menschen werden. Eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt in wie vielen Ländern Horst schon war und was er alles erleben durfte. Gelassenheit, logisches Denken und Weitsicht sind eigentlich seine Stärken. Etwas nachdenklich macht mich seine Äußerung aber schon – vielleicht hat er die Heinzelmännchen die alles säubern auch als Scherz gemeint. Verstohlen sehe ich ihn von der Seite an und glaube auch ein spitzbübisches, verschmitztes Lächeln zu entdecken, was mich schon wieder ruhiger werden lässt. Gemeinsam gehen wir dann aus dem Haus und er verabschiedet mich mit Streicheleinheiten. „Bis bald mein Freund“ sagt er noch und seufzt noch einmal zum Abschluss, dann werfe ich noch einen Blick zurück, miaue nochmals und bin schon um die Ecke.
20. Februar: Es wird kalt, Nachtfrost und auch am Tag kaum mehr als kurz über dem Gefrierpunkt. Trotzdem beginnt eine meiner geliebten blauen Hyazinthen das gefährliche Spiel mit dem frühen Blühbeginn. Einige kesse Kresseblättchen haben sich ebenfalls über die Erdbodendecke gekämpft. Heute Nacht hat es geschneit und ein leichter Wind lässt die Temperaturen nochmals tiefer erscheinen. Die Menschen entfernen dick eingemummelt den Schnee direkt vor Ihren Häusern. Begegnen sich irgendwo Nachbarn dabei, wird gestöhnt wie lange der Winter wohl noch sein wird, oder wie viel Nachzahlung für die Bereitstellung des Heizgases vom Versorgungsträger wohl noch kommen wird. „Hör mal, dieses Mistwetter hätten wir jetzt wirklich nicht mehr gebraucht, aber wenn irgendjemand ausrutscht, kann es zu Schadensersatzforderungen kommen. Die Städte und Gemeinden machen es sich dagegen einfach, die stellen einfach beschriftete Schilder am Ortseingang, mit dem Aufdruck: „Eingeschränkter Winterdienst“ auf und schon sind sie aus der Verantwortung.“ brummen die Eigentümer vor sich hin, dann ziehen sie sich frierend wieder in ihre Häuser zurück.
In der fünften Querstraße sehe ich gerade noch Elke, die mit ihren Kindern den Winterdienst erledigt. „Nur Split Kinder, das Salz ist für die Pfoten unserer Tiere nicht gut“. Silke und Sven nicken. Als die Reinigung des Bürgersteigs erledigt ist, gehen wir zusammen in die gute Stube des Hauses und Elke macht in der Küche einen Tee. Mir gibt sie auch etwas von der warmen Flüssigkeit ab, wenn auch nochmals mit frischem Wasser verdünnt, was die Flüssigkeit zusätzlich auf Trinktemperatur herabkühlt.
„Mama, kann ich Dich mal was fragen“, druckst Sven etwas herum. Als seine Mutter aufmerksam nickt, beginnt der Bursche langsam mit seiner Frage: „Ich soll doch immer ehrlich sein und nichts verbotenes machen“? dabei schaut er seiner Mutter ins Gesicht, die nickend zustimmt. „Wie ist denn das, wenn man sich für die Schule einen Spickzettel anfertigt und den für eine Prüfungsarbeit benutzt“? „Nicht in Ordnung“, meint Elke, „denn wenn Du rechtzeitig mit dem Lernen anfängst und gut vorbereitet bist, brauchst Du das nicht. Wenn Du ganz normal Deine Prüfungsarbeit schreibst, bekommst Du vielleicht keine Eins, aber die Arbeit ist ehrlich und es sind Deine Ergebnisse die mit Noten bewertet werden. Zudem kannst Du nicht beim „Spicken“ erwischt werden, denn dann wird der Test eingezogen und mit einer glatten 6 bewertet und das stellt doch ein gehöriges Risiko dar. Das Schummeln ist auch eine Gewissensache. Du hast vielleicht schon einmal vom ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer gehört, der hat von 1876 bis 1967 gelebt, wurde zweimal als Oberbürgermeister der Stadt Köln entlassen und war Mitbegründer einer politischen Partei. Adenauer hat in der Schule überdurchschnittliche Leistungen erbracht und wurde in allen Fächern mit „Gut“ bewertet, im Singen sogar ein „Sehr gut“, nur beim Turnen wurde ihm ein „genügend“ attestiert. Bei einer Jubiläumsveranstaltung viele Jahre später, an seinem alten Gymnasium, hat er dann in aller Öffentlichkeit, vor Millionen von Menschen, zugegeben, das die Abiturprüfungen der gesamten Klasse „getürkt“ waren. Vor den Prüfungen waren der Klasse die Prüfungsaufgaben in die Hände gefallen und so konnten die Ergebnisse im Vorfeld erarbeitet werden. Damit das nicht aufgefallen ist, wurden für schlechtere Schüler einige Fehler mit eingebaut, bei den besten, zu denen auch Adenauer gehörte wurden keine Fehler eingetragen. Die vorproduzierten Fehler wurden auch abgewechselt, damit keine zu große Übereinstimmung festgestellt werden konnte. Selbst mit 84 Jahren hat Adenauer manchmal in Alpträumen sein Abitur erneut beschäftigt. Manchmal haben ihn scheußliche Versagensängste und das scheinbarere Entdecken während des Schummelns gequält und er ist schweißüberströmt aus dem Schlaf aufgeschreckt. Wenn er wieder einen solchen Traum hatte, konnte er erst nach langer Zeit wieder einschlafen. Du siehst Sven, auch das Täuschen kann über viele Jahre im Gewissen nachwirken. Versuche bitte so ehrlich wie möglich Dein Leben zu gestalten, denn ein Sprichwort sagt schon: „Ein reines Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen“. Sven nickt und brummt: „Schon gut, ich habe es verstanden“. Elke lächelt und Sven bekommt noch einen Rippenstoss von seiner Schwester Silke, die ihm zuraunt: „Siehst Du, war gar nicht so schlimm, pass in der Schule gefälligst besser auf“. Dann sind alle wieder zufrieden und wir trinken in Ruhe unseren Tee. Wie im Selbstgespräch fügt Elke dann leise hörbar noch einen Ausspruch des französischen Autors „Francois de La Rochefoucauld“ an: „Nichts ist so ansteckend wie das Beispiel. Wir stiften nie viel Gutes oder Böses, was nicht ähnlich Gutes oder Böses daraus hervorbringt“. Sven schluckt, dann nickt er nochmals und ich bin davon überzeugt, daß die Aussagen von Elke ihm bei seinen künftigen Entschlüssen sehr helfen werden.
Nachdem ich mich noch etwas aufgewärmt habe, habe ich mich verabschiedet und bin wieder in den kalten Abend gegangen. Leichter Schneefall behindert mich kaum, doch die Spuren die ich im neu gefallenen Schnee hinterlasse, bereiten mir Freude. Seit Tagen war ich trotz des kalten Wetters nicht mehr in meinem eigentlichen Domizil, sondern habe jeweils in meinem Geheimversteck, auf einem Grundstück mit einem leerstehenden Haus und angrenzendem Schuppen zugebracht. Zum Glück sind während dieses Zeitraums auch die beiden Schwestern Arwen und Laila da, die nicht nur Lebensmittel für sich eingelagert haben, sondern auch einen stattlichen Vorrat an feuchtem Katzenfutter, in Dosen, in einem Vorratsschrank stehen haben und mich derzeit versorgen.
Über kurz oder lang werde ich doch mal wieder nachsehen müssen was sich in meinem Heim in der 3. Querstraße Nummer 12 tut. Ob Manfred und Martina meinen kleinen Scherz schon vergessen haben, als ich ihre Terminplaner in einem Eimer mit heißem Wasser, unter Salzzugabe versenkt habe? Aber Menschen haben bekanntlich ein kurzes Gedächtnis und bestimmt denken die beiden nicht mehr daran, denn hätten sie ein besseres Erinnerungsvermögen, würden sie auch an die Befriedigung meiner Bedürfnisse denken. Wenn sie ihre Arbeiten gewissenhaft durchführen, muß ich sie auch nicht bestrafen. Sicherheitshalber werde ich aber noch 2 bis 3 Tage bei den beiden Schwestern bleiben, die meine Anwesenheit sichtlich freut und die mich auch sanft streicheln dürfen.
23. Februar: Vor wenigen Tagen noch war der Dill eine stolze, aufrecht stehende Kräuterpflanze, doch die letzten, frostigen Tage habe aus dem Siegertypen ein Häuflein, zusammengedrücktes, zermanschtes Kraut gemacht. Die Narzisse „Tete a` tete“ streckt trotzig ihre gelben Blütenköpfe Väterchen Frost entgegen. Die Hyazinthen, eine rosa, eine blaue bringen wenigstens etwas Farbe in den Garten. Wassertümpel sind an der Oberfläche zugefroren und die Autofahrer müssen morgens früher aufstehen um Eis von den Scheiben zu kratzen. Doch es gibt auch Kämpfer unter den Pflanzen: Sauerampfer schickt sich an durch die gefrorene Erdschicht durchzustoßen und auch der Schnittlauch scheint nicht aufgeben zu wollen.
26.2.: Frost, bei Tag schon minus 7°C, furchtbar, meine Blumen: Stolze, grüne Hyazinthenblätter eingeknickt und am Boden wie Seetang. Narzissen leiden auch, selbst wenn sie zwischen Salbei eingebettet sind. Dill liegt am Beetboden als sei er gerade blanchiert worden – ein Glück, daß Horst und ich vor wenigen Tagen noch davon gegessen haben und nicht alles durch den Frost vernichtet wurde.
28.2.: Es herrschen -10°C. Kälte und Wind bestimmen den Tag. Die grünen Blätter von Narzissen, Hyazinthen, Tulpen und Dill, die sich bisher immer noch beachtlich in der extremen Schlacht mit den Temperaturen geschlagen hatten, haben aufgegeben. Die Heerschar von Blumenblättern sind eingesunken, als wären sie Leibeigene und würden jetzt in Demutshaltung einem stolzen König gegenübertreten, dem König Väterchen Frost. In meinem Geheimversteck im Holz-Gartenhaus des oft leerstehenden Hauses ist es jetzt auch kalt. Zum Glück pfeift der Wind aber nicht besonders stark durch die Ritzen und deshalb sind die Temperaturen für mich, in meinem dichten Winterfell, ohne Probleme zu bewältigen. Ab und zu werde ich von Laila und Arwen ausdrücklich ins geheizte Haus eingeladen, wo sie zusammen wieder einige Tage miteinander verbringen und dabei an einem Computer arbeiten, aber auch Bücher lesen. Ich schlummere dann rasch ein, weil ich mich bei beiden sicher fühle und genau weis, daß meine Mitbewohner Manfred und Martina nicht auf die Idee kommen würden hier nach mir zu suchen, während sie andere Freunde von mir bestimmt schon gezielt gefragt haben.
Als heute Arwen und Laila wieder wegfahren müssen, bin ich noch etwas durch die Gegend gestreift und habe dann durch die Katzenklappe in der 3. Querstraße, mein Domizil wieder betreten. In der Küche habe ich dann Futter in einer Schüssel vorgefunden und daran gerochen: Keine Fremdstoffe und es riecht frisch. Gut! Warum denn nicht gleich so? Muß ich denn immer erst ärgerlich werden, bevor es in diesem Haus mit dem Service wieder anstandslos klappt? Zuerst habe ich nur eine kleine Testportion gegessen, als diese mir gemundet hat und keine Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Bewusstseintrübung oder Unwohlsein aufgetreten sind, war mir klar, daß auch die restliche Portion in Ordnung ist und habe auch diese mit Wohlgenuss verspeist. Frisches Wasser ist auch vorhanden und sogar mein Katzenklo war frisch eingestreut. Na also, geht doch, so einfach ist es mich zufrieden zu stellen.