Читать книгу Am Trallafitti-Tresen - Udo Lindenberg - Страница 6
Оглавление„Also, ich werd’ später Löwenbändiger“
Kindheit
Jugend
frühe Ausbrüche
Good Life City
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Den Typ da im Radio
ich glaub’, den kenne ich
Dreh’ mal lauter, mal hör’n, was der da singt
machste das mal für mich?
Du, diese Stimme, die hab ich doch schon mal gehört
Das klingt ja ganz manierlich
wenn man den Gesang mal überhört
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Mein Onkel ist Zauberer in Bonn am Rhein
Kaninchen im Zylinder
und Tauben im Hosenbein
Hokuspokus-Mann hat ’ne Menge drauf
doch eins gibt’s, was er nicht kann:
Eine bessere Welt kann auch er nicht zaubern
da muss man sich schon selbst drum kümmern
Und ich fang’ jetzt damit an
I say: Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
Hey, hey, hey
good life city – I’m on my way
(1972)
Hoch im Norden
Hoch im Norden, hinter den Deichen bin ich geboren
immer nur Wasser, ganz viele Fische
Möwengeschrei und Meeresrauschen in meinen Ohren
Und mein Vater war Schipper und fluchte, wenn Sturm war
denn dann konnt’ er nicht raus auf See
Und dann ging er zu Herrn Hansen, der der Chef vom Leuchtturm war
und der sagte: „Keine Panik auf der Titanic
jetzt trinken wir erst mal einen Rum mit Tee“
Und ich verbrachte meine Tage im Nordseedünensand
bin jahrelang tagtäglich am Deich entlang gerannt
und Mutter brachte jeden Tag, und freitags ganz besonders
Muschelzeug und Fisch auf den Tisch
Ja, es war ja auch ganz schön, und das Klima war gesund
und doch hab ich mir gedacht
hier wirst du auf die Dauer nur Schipper oder Bauer
hier kommst du ganz allmählich auf den Seehund
Und als ich so um sechzehn war, da hatte ich genug
da nahm ich den nächstbesten nach Süden fahrenden Zug
Und nun sitz’ ich hier im Süden und so toll ist es hier auch nicht
und eine viel zu heiße Sonne knallt mir ins Gesicht
Nein, das Gelbe ist es auch nicht
und ich muss so schrecklich schwitzen
Ach, wie gern würde ich mal wieder
auf einer Nordseedüne sitzen
(1972)
Er wollte nach London
Mit dreizehn ist er zum ersten Mal
von zu Hause weggerannt
er wollte nach London und später nach Paris
Das waren komische Gefühle
als er nachts an der Straße stand
den Schlafsack unterm Arm
und dreißig Mark in der Hand
Er rauchte viele Zigaretten
und dann wurd’ es wieder heller
und morgens um sieben hatten sie ihn
sein Alter war leider schneller
Als er so um fünfzehn war
hat er’s noch mal versucht
und dieses Mal hat’s hingehauen
da haben sie sehr geflucht
Als er drei Tage später den Eindruck hatte
dass er weit genug weg war
hat er zu Hause angerufen
und gesagt, es wär’ alles klar
Eigentlich war gar nichts klar
und das Geld war auch schon alle
und nun stand er da
in irgendeiner kalten Bahnhofshalle
Er war in London, er war in Paris
er war in vielen großen Städten
er schlief auf harten Parkbänken
und auf weichen Wasserbetten
Er spürte, dass er irgendwie auf der Suche war
doch was er eigentlich wollte
das war ihm damals noch nicht klar
Inzwischen ist er neunzehn
und er weiß immer noch nicht so genau
was er denn nun davon halten soll
von dieser ganzen Schau
Viele Sachen sieht er anders
und er glaubt auch nicht mehr so daran
dass es nur an der Umgebung liegt
Vielleicht kommt es doch mehr auf einen selber an
Und nun liest er ein Buch von Hermann Hesse
und nun macht er Meditation
Doch er findet Jerry Cotton auch sehr stark
und er lernt jetzt auch noch Saxophon
(1973)
Da war so viel los
Plötzlich bin ich wieder der kleine Junge
ganz spitz auf Lakritz
für den eine Expedition zum nächsten Block
weit wie ’ne Reise nach China ist
Der kleine Robinson Crusoe auf Entdeckungstour
Meiner Mutter Hermine
missfielen die Onkel-Doktor-Spiele
und meine Schwäche für Whisky pur
Ich seh’ July Müller, meine erste Liebe
mein Herz knallte los
Wir wollten heiraten, doch dann kam Jan von nebenan
und ich verliebte mich in Rennautos
Da war so viel los
das Leben bestand ausschließlich aus Sensationen
und jeder Tag brachte jede Menge phantastische Situationen
Einmal sind wir losgezogen
wir suchten das Ende vom Regenbogen
Da war schwer was los
Und dann in der Schule hatte
keiner Bock auf Mathe
Lieber ging man stolz mit ’ner Zigarette
zum Schwindeligwerden auf die Toilette
Gerne quälten wir auch manche Lehrer
die wurden sowieso immer unfairer
Einen haben wir so fertiggemacht
der hat sein ganzes Gehalt zum Psychiater gebracht
(Kinder:)
Also ich werd’ später Löwenbändiger
Ach nee, das ist viel zu gefährlich, da wird man ja gefressen, ich werd’ lieber Kaugummifabrikant
Ich find’ das besser: Taucher
Ich werd’ lieber Pop-Star
Das find’ ich doch alles ganz doof, ich mach’ einen Zirkus auf
Ich werd’ später Testpilot
Und ich Filmstar in Hollywood
Letzte Woche war ’n Klassentreffen
da sah ich sie wieder
die missglückten Helden, die jetzt Beamte sind
Die Bonnies and Clydes von früher
jetzt als Herr und Frau Bieder
Die Power von damals ist leider hin
und Fritz der Cowboy wurde nur
Manager bei der Müllabfuhr
(1975)
Rockin’ and Rollin’
Als Bill Haley sich in meine Ohren bohrte
war ich ’n Frischling, war gerade erst zehn
Ich hatte keine Ahnung
und kapierte auch den Text nicht
trotzdem konnte ich Bill gut versteh’n
Und zu Hause knallte dieser Sound ausm Radio
ich trommelte mit
uh, das gefiel mir so
Und dann hab ich’ den kleinen Mann
im Lautsprecher gefragt:
„Warum macht mich das so an?“
Und da hat er mir gesagt:
„Gestatten Sie, dass ich mich Ihnen vorstell’
mein Name ist Rock and Roll
Rockin’ and Rollin’
Rockin’ and Rollin’
Meine Väter waren die Jazzer
in den Kaschemmen von New Orleans
und meine Mütter malochten sich fast tot
in den Baumwollfeldern von Mississippi
Und meine Tanten hatten in Chicago
einen Honky-Honky-Honky-Tonky-Puff
und mein Onkel starb in Memphis
am Southern-Comfort-Suff
Und meine Söhne trugen Pomade
in den Haaren
sie machten Putz und machten Schluss
mit den lahmen Jahren
Rockin’ and Rollin’
Rockin’ and Rollin’
Nichts macht mich kaputt
weil ich zu lebendig bin“
(1978)
Die kleine Stadt
Die kleine Stadt, die liegt so weit zurück
sie war der Mittelpunkt der Welt
Unsere enge Straße war
breit wie der Hollywood Boulevard
Und in der Kirche wohnte der liebe Gott da
war er noch nicht tot
da hat er sich noch um alles gekümmert
Und Mutter hing die Wäsche auf
im schmutzigen Wind hinter der Fabrik
Und es gab auch ein Kino
und ich war sehr interessiert
was hinter der Leinwand passiert
ob es das alles wirklich gibt
und ich war in Brigitte Bardot verliebt
und stand stundenlang vor dem Schaukasten
und träumte
Eine Sache war für mich schon damals völlig klar:
Wenn ich später groß bin, fahr’ ich nach Amerika
Bestimmt warten die da schon auf meines Vaters attraktiven Sohn
und dann werd ich was Berühmtes und zu Hause hör’n sie alle davon
In der kleinen Stadt
Wenn ich da heute mal hinkomm’
dann stelle ich fest:
das gleiche miefige Nest
immer noch so kleinkariert
ist wirklich nicht viel passiert
Und du siehst ein paar andere Jungs an der Ecke steh’n
und die bleiben auch nicht lange
so wie die ausseh’n
Eine Sache ist für die ja schon völlig klar:
Wenn ich später groß bin, fahr’ ich nach Amerika
Bestimmt warten die da schon auf meines Vaters attraktiven Sohn
und dann werd’ ich was Berühmtes und zu Hause hör’n sie alle davon
Yeah
(1979)
Die Klavierlehrerin
Als ich ein kleiner Junge war
da fragte ich meine Mama:
„Wie wird man ein Musikgenie?“
Sie sagte: „Ohne Übung nie
Am besten wär’s, mein liebes Kind
du lernst das Tastenspiel geschwind“
Ein Päckchen Noten schenkt’ sie mir:
„Jetzt gehe hin und lern Klavier!“
Und schickte mich dann da so hin zu der Klavierlehrerin
Sie war so groß, war so barock
ganz breit der Arsch
ganz kurz der Rock
Dann nahm sie meine Finger
und führt’ sie hier und da so hin – meine Klavierlehrerin
Nach der Etüde
waren wir so müde
und dann beim hohen C
da tat es wirklich ’n bisschen weh
Am besten war’s beim tiefen H
da war’s ganz einfach wunderbar
Mit feuchter Hose kam ich dann
zu Haus bei meiner Mutter an
Sie sprach: „Da gehst mir nicht mehr
hin zu der Klavierlehrerin“
(1988)