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4. Kapitel Verfahren bei SteuerdeliktenIII. Zuständigkeiten und Befugnisse der Bußgeld- und Strafsachenstellen › 2. Befugnisse der Finanzbehörde im selbstständigen Ermittlungsverfahren

2. Befugnisse der Finanzbehörde im selbstständigen Ermittlungsverfahren

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Selbstständig führt die BuStra als FinB das Ermittlungsverfahren durch, wenn die Tat ausschließlich eine Steuerstraftat (§ 386 Abs. 2 Nr. 1 AO, Nr. 17, 18, 19 AStBV) oder eine dieser gleichgestellte Tat betrifft.

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Beispiele für gleichgestellte Straftaten und Taten nach § 386 Abs. 2 Nr. 2 AO

Betrug in Bezug auf die Eigenheimzulage nach dem Eigenheimzulagengesetz (§ 263 StGB i.V.m. § 15 Abs. 2 EigZulG, Nr. 19 AStBV),
Subventionsbetrug in Bezug auf Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz (§ 264 StGB, § 15 InvZulG 2010),
ungerechtfertigte Erlangung von Altersvorsorgezulagen (§ 96 Abs. 7 EStG),
Arbeitnehmersparzulagen (§ 14 Abs. 3 5. VermBG),
Verletzung zugleich andere Strafgesetze und deren Verletzung Kirchensteuern oder andere öffentlich-rechtliche Abgaben betrifft, die an Besteuerungsgrundlagen, Steuermessbeträge oder Steuerbeträge anknüpfen (§ 386 Abs. 2 Nr. 2 AO, Nr. 17 Abs. 1 Nr. 2 AStBV),
Beiträge an Industrie- und Handelskammern, deren Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuermessbetrag ist (Nr. 17 Abs. 1 Nr. 2 AStBV).

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Die selbstständige Ermittlungsbefugnis ist in der Praxis der Regelfall. Im selbstständigen Ermittlungsverfahren nimmt die BuStra gem. § 399 Abs. 1 AO die Rechte und Pflichten wahr, die der StA im Ermittlungsverfahren zustehen, d.h. sie kann Ermittlungen jeder Art vornehmen (vgl. auch Nr. 42 Abs. 1 AStBV).[1] Damit ist sie befugt, gerichtliche Untersuchungshandlungen i.S.d. § 162 StPO zu beantragen (vgl. Nr. 43 AStBV).

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Beispiele

Durchsuchung beim Verdächtigen nach §§ 102, 105 StPO,
Durchsuchung beim Dritten nach §§ 103, 105 StPO,
Beantragung von Beschlagnahmeanordnungen gem. §§ 94, 98 StPO beim Ermittlungsrichter,
Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen bei Gefahr im Verzug nach §§ 98 Abs. 1, 105 Abs. 1 StPO,
Durchsetzung der Pflicht zum Erscheinen von Beschuldigten nach § 163a Abs. 3 StPO (vgl. Nr. 53 AStBV) sowie von Zeugen und Sachverständigen nach § 161a Abs. 1 und 2 StPO (vgl. auch Nr. 17 Abs. 3, 47, 54 AStBV),
Verlangen auf Vorlage und Auslieferung von Beweisgegenständen gem. § 95 StPO (Herausgabeverlangen),[2]
Durchsicht von Papieren gem. § 110 StPO,
Einholung von Auskünften bei öffentlichen Behörden gem. § 161 StPO,
Anträge auf Überwachung der Telekommunikation gem. §§ 100a S. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2a 100b Abs. 1 S. 1 StPO (Nr. 74 AStBV),
Anträge auf Maßnahmen außerhalb von Wohnraum gem. § 100h Abs. 1 Nr. 1 und i.V.m. § 163f Abs. 1 (z.B. längerfristige Observationen), wenn sich die Steuerhinterziehung als Katalogtat bzw. erhebliche Straftat darstellt.

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Nach § 396 Abs. 2 AO ist die BuStra auch befugt nach pflichtgemäßem Ermessen im Ermittlungsverfahren in Form einer Verfügung (vgl. §§ 167, 171 StPO) über die Aussetzung des Strafverfahrens zu entscheiden, wenn ein Steueranspruch bzw. die Steuerverkürzung oder der ungerechtfertigte Steuervorteil dem Grunde nach streitig ist. Ebenso ist sie berechtigt, das Verfahren bei klärungsbedürftigen zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfragen nach fruchtlosem Ablauf einer von ihr bestimmten Frist nach § 154d StPO einzustellen. Zeichnet sich bei der Aufnahme der Ermittlungen bereits ab, dass ein Steueranspruch gefährdet ist, besteht die Möglichkeit beim Ermittlungsrichter zur Sicherung von Vermögenswerten, einen Vermögensarrest gem. §§ 111e StPO zu beantragen (vgl. Nr. 70, 71, 72 AStBV zum dinglichen Arrest). Die Veranlagungsfinanzämter können ungeachtet des strafrechtlichen Vermögensarrestes nach § 324 AO zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach §§ 249–323 AO in das bewegliche und unbewegliche Vermögen eines Steuerschuldners einen dinglichen Arrest anordnen. Nach § 111e Abs. 6 StPO steht diese Möglichkeit der Sicherung von Vermögenswerten einer Anordnung mit dem Ziel der Wertersatzeinziehung nicht entgegen (vgl. Rn. 73).

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Die BuStra erteilt regelmäßig der Steufa aufgrund ihrer Sachkunde im Steuerrecht den Ermittlungsauftrag, den steuerstrafrechtlichen Sachverhalt aufzuklären. Aber auch der Polizei können bestimmte Ermittlungsaufträge erteilt oder Vollstreckungshandlungen übertragen werden (§ 161 StPO, Nr. 42 Abs. 1 AStBV). Ist beispielsweise ein Zeuge trotz Androhung der Vorführung zu seiner Vernehmung durch die BuStra nicht erschienen, kann sich die BuStra im Wege der Amtshilfe der Polizei bedienen, welche die Vorführung vollstreckt. Denn Zeugen sind gem. § 161a Abs. 1 S. 1 StPO verpflichtet, vor der BuStra zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn diese das Ermittlungsverfahren selbstständig führt (Nr. 47 Abs. 1 AStBV). In der Praxis bleibt dies jedoch die Ausnahme.

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Die selbstständige Verfahrensherrschaft der FinB berechtigt mit Ausnahme der Anklageerhebung zu sämtlichen verfahrensabschließenden Entscheidungen (vgl. Nr. 79 AStBV). Danach kann die BuStra

mangels hinreichenden Tatverdachts eine Einstellung gem. § 170 Abs. 2 StPO (Nr. 81 AStBV),
eine vorläufige Einstellung des Verfahrens bei vorübergehenden Hindernissen gem. § 154f StPO,
eine Einstellung bei Geringfügigkeit gem. § 153 Abs. 1 StPO (Nr. 82 AStBV) oder nach § 398 AO (Nr. 82 Abs. 2 AStBV, vgl. Rn. 69),
ein Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen gem. § 153a Abs. 1 StPO (Nr. 83 AStBV)

verfügen oder

gem. §§ 153b, 153c, 154, 154b StPO von der Verfolgung absehen,
einen Strafbefehlsantrag gem. §§ 400 1. HS AO, 407 ff. StPO (Nr. 84 AStBV) beim zuständigen Strafrichter stellen,
die Einziehung oder den Verfall gem. § 401 AO (Nr. 90 AStBV) beim zuständigen Gericht beantragen oder
der StA gem. § 400 2. HS AO (Nr. 89 AStBV) die Ermittlungsakten vorlegen.

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Soweit die BuStra Einstellungen nach §§ 153 Abs. 1 oder 153a Abs. 1 StPO in Erwägung zieht, die wegen der Höhe der Steuerschäden der Zustimmung des Strafrichters bedürfen, leitet sie die Ermittlungsakten dem zuständigen Amtsgericht unmittelbar zu. Ab welcher Höhe eines strafrechtlich relevanten Steuerschadens der jeweils zuständige Strafrichter seine Zustimmung für erforderlich erachtet, liegt in seinem Ermessen und wird in den Amtsgerichtsbezirken sehr unterschiedlich gehandhabt. Die Strafrichter an verschiedenen Amtsgerichten können insoweit unterschiedliche Zustimmungsgrenzen vertreten. So bedarf es bspw. für eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO im Zuständigkeitsbezirk des Amtsgerichts A bereits einer richterlichen Zustimmung ab einem Steuerschaden in Höhe von 5.000 €, im Amtsgerichtsbezirk B dagegen erst ab 10.000 €. In der Praxis kennt die BuStra die geltenden Zustimmungsgrenzen des jeweiligen Amtsgerichts. Bewegt sich der ermittelte Steuerschaden innerhalb dieser Zustimmungsgrenzen,, bedarf es i.d.R. keiner Übersendung der Ermittlungsakten an den Strafrichter. In diesen Fällen wird eine antizipierte Zustimmung des Strafrichters angenommen. Aber nicht nur die Zustimmungsgrenzen für eine Einstellung gegen Geldauflage nach § 153a Abs. 1 StPO sind von Amtsgericht zu Amtsgericht unterschiedlich, sondern auch die verfahrensgegenständlichen Schadenssummen bei denen der zuständige Strafrichter eine solche Einstellung überhaupt noch für opportun hält. So kommt bspw. eine Einstellung gegen Geldauflage beim Amtsgericht A ab einem Steuerschaden in Höhe von 15.000 € grds. nicht mehr in Betracht, während dies beim Amtsgericht B erst ab einem Steuerschaden von 20.000 € nicht mehr der Fall ist. Die Summe des Steuerschadens bezieht sich erfahrungsgemäß auf den gesamten Verfahrensgegenstand und nicht auf die einzelne materielle Tat. Bei den von den Amtsgerichten zu den Strafsachenstellen kommunizierten „Einstellungsgrenzen“, handelt es sich jedoch nicht um absolute Grenzen oder Ausschlussgrenzen. Ob eine Einstellung gegen Geldauflage überhaupt in Betracht kommt, ist immer von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Damit ist eine Einstellung nach § 153a Abs. 1 StPO bspw. bei unvorbelasteten Beschuldigten und vollständiger Schadenswiedergutmachung nicht ausgeschlossen, wenn die jeweils geltende „Einstellungsobergrenze“ überschritten ist, aber das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch die Zahlung der Geldauflage beseitigt werden kann. Die Erfahrung zeigt, dass diese verfahrensabschließende Entscheidung gerade bei nicht vorbelasteten geständigen und einsichtigen Beschuldigten, die den Schaden wiedergutgemacht haben, grds. in Betracht gezogen werden kann. Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschuldigte bzw. dessen Verteidiger frühzeitig das Gespräch mit der BuStra sucht.

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Nach § 400 HS 1 AO hat die BuStra ein selbstständiges Antragsrecht auf Erlass eines Strafbefehls. Das Strafbefehlsverfahren kommt grundsätzlich auch bei besonders schweren Fällen der Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 3 Nr. 1–5 AO in Betracht, da es sich um ein Steuervergehen handelt. Die Finanzverwaltung hält jedoch eine Erledigung der Steuerstrafsache im Strafbefehlsverfahren für nicht geboten, wenn ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung vorliegt (vgl. Nr. 84 Abs. 3 AStBV). In jedem Fall sollte im Hinblick auf die Rspr. des 1. Strafsenates des BGH vom 2.12.2008 – 1 StR 416/08 von einem Verfahrensabschluss im Strafbefehlsverfahren abgesehen werden, wenn ein hinreichender Tatverdacht einer Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall mit einem Verkürzungsschaden von 1 Mio. € gegeben ist.[3] Entschließt sich die BuStra einen Strafbefehlsantrag gem. § 400 HS 1 AO zu stellen, leitet sie die Ermittlungsakten an die StA weiter. Bei der StA erfolgt die Registrierung der Steuerstrafsache als Js-Sache, ohne dass darin eine Evokation zu sehen ist, da in jedem Fall, ungeachtet eines möglichen Einspruchs gegen den erlassenen Strafbefehl, die Vollstreckung der Steuerstrafsache nach Rechtskraft durch die StA vorgenommen wird. Ein eigenes inhaltliches Prüfungsrecht des Strafbefehlsantrages bzw. eine Abänderungsbefugnis steht der StA nicht zu.[4] Zum selbstständigen Strafbefehlsantragsrecht vgl. Rn. 68.

Fiskalstrafrecht

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