Читать книгу Der Zug hält nicht in Pasewalk - Ulfried Schramm - Страница 8

Das Segelschiff

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Es gab heute schöne Wellen auf dem Teich, der hinter dem Gehöft lag. Im Laufe des Sommers war das Gras bis in das Teichwasser hineingewachsen. Das Wasser fühlte sich warm an und war vom letzten Regen lehmig-braun gefärbt.

Kahlisch lag gedankenversunken auf dem Bauch am Teichufer und hatte beide Arme tief in das Wasser getaucht, fühlte nach Teichmuscheln und Fröschen. Mit den Augen knapp über der Wasseroberfläche, sahen die Wellen so groß wie Meereswogen aus. Kahlisch dachte an den letzten Film im Dorfkino.

Er saß mit kurzen Hosen und barfuß im verdunkelten Tanzsaal der Gaststätte und schaute auf das Segelschiff, das auf dem Meeresgrund lag. Die Jungen im Film tauchten danach und fanden den legendären Namen des Schiffes. Am Bug stand OTWASCHNIY1. Diese Szene hatte sich Kahlisch gut eingeprägt.

Hafen und Meer, Schiffe und Matrosen, Wellen und sturmgepeitschter Himmel waren für Kahlisch Sendboten für Freiheit, Abenteuer und Lebenslust.

Er streifte das Wasser von den Armen und begab sich nach Hause und dort in die Bodenkammer. Sein kleines Segelschiff fand er in einer Kiste unter dem Bett. In seiner Hand sah es sehr einfach aus. Die ersten Startversuche auf dem Teich waren fehlgeschlagen. Seitdem lag das Boot in der Kiste. Es war eine Spielzeugjolle mit ausgehöhltem Schiffskörper und einem Sitzplatz. Dazu hatte es ein Schratsegel mit Tagelage, die man nicht bewegen konnte. Das musste verändert werden. In den Seekriegsfilmen und auch im letzten Film hatte Kahlisch mehr auf die Konstruktionen der einzelnen Schiffstypen geachtet als auf den eigentlichen Inhalt der Filme. Er baute sein Spielzeugboot neu auf. Den Schiffskörper und den Mast konnte er noch gut verwenden, alles andere war nutzlos.

Kahlisch montierte am Schiffsmast ein Rahsegel, das rechts und links über das Boot ragte. Der Wind sollte sich richtig hineinlegen können und dem Boot Fahrt geben. Das Segel würde sich blähen und so aussehen wie bei den alten Segelschiffen im Film.

Kahlisch nähte in das Tuch die obere und die untere Segelstange gleich mit ein, befestigte das Segel am Schiffsmast mit Draht, sodass es sich auch ein bisschen seitlich drehen konnte. Kahlisch hielt den Bootskörper in Augenhöhe und hatte so den Eindruck, als würde er im Boot sitzen.

Jetzt musste am Heck ein bewegliches Ruder angebracht werden. Damit wollte Kahlisch die Fahrtrichtung einstellen, sodass das Schiff auch schräg gegen den Wind segeln konnte. Er suchte eine Weißblechdose und schnitt mit der Handschere ein längliches Viereck heraus. Diesen Streifen wickelte er zweifach um einen dicken Kupferdraht und schlug mit ein paar Hammerschlägen Kerben ein, damit Blech und Draht fest verbunden waren.

Kahlisch drehte das kleine Segelschiff nach allen Seiten und war stolz auf sein Werk und dessen technische Raffinesse.

Das Heck hatte hinten eine Abschrägung und dort bohrte Kahlisch ein kleines Loch, um den Kupferdraht mit dem Steuerruder hindurchzuschieben.

Das durchgesteckte Drahtende bog er rechtwinklig um, es ragte bis zum Sitz in das Boot.

Der Bootsführer konnte jetzt steuern. Kahlisch fand in seiner Spielzeugkiste eine sitzende Figur und klebte sie auf den Sitz, neben das Steuerruder. Die Mastspitze bekam eine dreieckige Fahne, die an einer Stecknadel befestigt war.

Kahlisch stellte sein Werk erst auf den Abendbrottisch, dann in die Waschschüssel und zuletzt an sein Bett.

Einige Zeit später erhielt das Boot seinen Namen. Beidseitig schrieb Kahlisch an den Bug den Bootsnamen vom versunkenen Schiff aus dem Film. Die kyrillischen Buchstaben machten das Boot einmalig.

Kahlisch wartete ungeduldig, bis der Wind wieder über den Teich blies. Sein neues Schiff konnte er vom Bett aus jeden Abend betrachten und in Gedanken durch die Meere fahren lassen.

An einem Sonntagnachmittag war es so weit. Es war windig und der Teich hatte schöne Wellen. Kahlisch ging über die Wiesen bis zum Wasser. In der Hand hielt er das Schiff. Der Wind blähte schon die Segel und Kahlisch führte das Schiff beim Gehen auf und ab.

Am Teich legte er sich wieder hin und setzte das Schiff auf das Wasser, stellte das Ruder gerade und ließ los. Der Wind erfasste das kleine Boot nicht gleich. Es schaukelte sanft im Windschatten der Böschung hin und her. Erst als Kahlisch aufstand, war der Weg frei für die Fahrt. Das Segel blähte auf und am Bug entstand eine kleine Welle. In der Mitte des Teiches war die Fahrt am stärksten. Kahlisch rannte zum gegenüberliegenden Ufer und erwartete sein Boot voller Spannung. Es fuhr sanft in das herabhängende Gras ein, wieder und immer wieder.

Der Zug hält nicht in Pasewalk

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