Читать книгу Frau Kaiser und der Dämon - Ulla Garden - Страница 7

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Johannes trat langsam ins Wohnzimmer, wobei er sich verlegen mit einer Hand durch die Haare fuhr und sah seine Eltern, Susanne und Paul von Moeltenhoff, die dort saßen und auf ihn gewartet hatten, kaum an.

„Guten Abend“, begrüßte er sie leise. Da ihm nichts Besseres einfiel, sagte er: „Max sagte mir, dass ihr da seid. Aber ihr hättet wirklich nicht herkommen müssen.“ Auch die Eltern wussten nicht richtig, wie sie das Gespräch beginnen sollten und sahen ihn vorwurfsvoll an.

„Was hast du dir nur dabei gedacht, Junge“, fing Susanne dann doch an zu reden. Es half ja alles nichts, sie waren nicht die ganze Strecke gefahren, um sich ihren schweigsamen Sohn anzusehen, dem das schlechte Gewissen förmlich aus dem Gesicht sprang. Und dass er nicht von sich aus reden würde, das war ihnen auch klar. Er war schon immer sehr wortkarg gewesen und hatte ihnen selten seine Probleme anvertraut, obwohl sie ein sehr gutes Verhältnis zueinander hatten.

„Ja, also, ähm, ich weiß ja nicht, was Sarah Max erzählt hat, aber die Frau hat mich wirklich provoziert“, begann Johannes dann zögernd zu sprechen. „Könnt ihr euch vorstellen, dass die doch tatsächlich in unserem Ehebett lag, um auf mich zu warten?“ Er wurde lauter und betonte jedes Wort: „In dem Bett, in dem ich mit Lene schlafe!“

„Das gibt es doch nicht!“, regte sich jetzt auch Susanne auf.

„Doch und das hat mich total wütend gemacht, denn eigentlich hätte sie schon längst bei Lene in der Klinik sein sollen, als ich nach Hause kam“, fuhr er fort. „Als sie hörte, dass ich komme, ist sie schnell nackt ins Bad gehuscht und hat mich auffordernd angesehen.“

„Hör zu, Joe“, meldete sich jetzt Paul zu Wort: „Das ist zwar nicht akzeptabel, was diese Sarah da gemacht hat, aber das ist doch kein Grund, ihr Gewalt anzutun. Hast du dich tatsächlich so wenig im Griff?“

„Scheinbar“, antwortete Johannes zerknirscht. „Ich merke ja selber, dass etwas mit mir nicht stimmt, denn es war wirklich nicht meine Absicht, Sarah etwas anzutun.“ Er schwieg einen Moment betreten, bevor er begann, sich seine Probleme von der Seele zu reden. „Damals mit den anderen Kindern, die ich verprügelt habe, war es genauso, aber ihr wolltet mir einfach nicht glauben, dass es nicht meine Absicht war.“ Er versuchte zu erklären, was in solchen Situationen mit ihm passierte: „Das ist, als wenn plötzlich ein Dämon über mich herfällt und mich Dinge tun lässt, die ich normalerweise nie tun würde. Ich kann mich dann einfach nicht mehr beherrschen.“

Die Eltern waren erschüttert und schwiegen betroffen.

„Weiß Leni darüber Bescheid, was du mit ihr gemacht hast?“, unterbrach die Mutter leise sprechend die Stille.

Johannes schüttelte den Kopf: „Nein, sie kann sich an gar nichts erinnern, ich habe noch nicht rausgefunden, wie weit sie sich zurückerinnern kann. Sie scheint offenbar zu wissen, dass ich ihr Mann bin und in dem Video, das Max an ihrem Geburtstag abgespielt hat, konnte sie bis auf Henrik, meinen Hamburger Freund, alle Personen beim Namen nennen.“

„Irgendwann wirst du es ihr sagen müssen“, meinte Susanne vorsichtig. „Sonst wird es dich noch mehr belasten.“

„Ja sicher, aber nicht in dem Zustand, in dem sie jetzt ist. Mein Therapeut meinte, dass sie, sobald sie sich stabilisiert hat, an einer Sitzung teilnehmen sollte, damit er ihr erklären kann, wie es um mich steht.“ Er seufzte tief. „Arme Lene, ich hoffe, sie verkraftet das.“

„Sie liebt dich abgöttisch, das wird ihr helfen“, sagte Susanne und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „Demnach bist du also in Behandlung?“

„Ja, ich habe mit der Psychologin in der Klinik gesprochen und die hat mich dann an einen Kollegen überwiesen. Der Therapeut hat mir heute ein Medikament verschrieben und ich hoffe, dass mir das helfen wird.“ Johannes war sichtlich unglücklich und die Eltern spürten, dass er sich mal so richtig aussprechen musste.

„Ich dachte, Leni macht dich glücklich und ich habe das Gefühl, dass sie dir gut tut. Warum dann plötzlich dieser Wandel?“, versuchte Susanne, ihren Sohn zum Sprechen zu animieren.

„Ja Mutti, Lene ist genau die Frau, die ich gesucht habe“, bestätigte er und ein kleines Lächeln huschte über sein ernstes Gesicht. „Sie macht mich unendlich glücklich und ich hatte gehofft, dass alle meine Probleme damit gelöst wären.“

„Was denn für Probleme, Joe?“, fragte Paul jetzt vorsichtig nach.

Johannes seufzte und hatte sichtlich Mühe, sich zu überwinden, mit seinen Eltern über das, was ihn schon seit seiner Jugend belastete, zu reden. Die Eltern sahen ihn auffordernd an und nach einigem Zögern begann er zu erzählen: „Na ja, ihr wisst doch selber, dass Max schon als kleiner Junge festgestellt hat, dass meiner“, er deutete auf seinen Schritt, „um einiges größer ist als seiner“. Die Eltern nickten. „Ihr habt ihm damals noch erzählt, dass ich ja älter und größer sei und seiner sicher noch wachsen würde, aber mit dieser Erklärung gab er sich natürlich nicht lange zufrieden. Als wir dann älter wurden, hat er immer so getan, als wäre ich abnormal, bis ich es wirklich geglaubt habe.“ Die Eltern schauten sich betreten an und nickten wiederum.

„Als uns dann später die ganzen Mädchen nachliefen, hat er eine nach der andern flachgelegt, das wisst ihr ja auch. Mir hat er dauernd erzählt, dass ich mit meinem Riesending die Mädchen kaputt machen würde und deshalb habe ich mich lange gar nicht getraut, es mit einer zu versuchen“.

Er sah jetzt seinen Vater vorwurfsvoll an: „Und du warst mir ja auch keine große Hilfe. Hättest du mir mal gesagt, dass ich ganz normal bin, dann hätte ich vielleicht keine so mächtigen Komplexe aufgebaut.“

Susanne sah ihren Mann vorwurfsvoll an: „Der Junge wollte mit dir reden?“, fragte sie ihn dann.

Paul wand sich: „Na ja, ich bin in solchen Sachen wohl auch nicht der große Ratgeber“, meinte er leicht verlegen.

Susanne schüttelte leicht den Kopf: „Wenn ich gewusst hätte, mit was für Problemen du dich rumplagst, mein Junge. Warum hast du denn nichts gesagt?“, wandte sie sich an ihren Sohn und fuhr fort: „Ich hätte eher gedacht, dass Max Minderwertigkeitsprobleme bekommt, weil er nicht so gut ausgestattet ist wie du.“ Nach kurzem Überlegen meinte sie nachdenklich: „Die hatte er vielleicht auch und hat das kompensiert, indem er dich als abnormal bezeichnet und die Mädchen der Reihe nach vernascht hat.“

„Aber das kann doch nicht die ganze Erklärung für deine jetzigen Aussetzer sein“, forschte Paul weiter.

Johannes schwieg eine Weile betreten und fuhr dann fort: „Diese Aussetzer waren fast immer da, außer während der Zeit, als ich die Tabletten genommen habe. Ich hab euch nur nichts gesagt. Aber die dämlichen Mädchen haben einfach nicht lockergelassen und haben mich ständig bedrängt. Vielleicht waren sie auch neugierig, ob das stimmt, was Max rumerzählt hat.“ Er atmete kurz durch, bevor er weitersprach. „Obwohl ich vielleicht nach außen so nüchtern wirke, bin ich doch sehr romantisch veranlagt und habe auf die große Liebe warten wollen. Jedenfalls, die ein oder andere hat sich mir angeboten wie eine Nutte und das hat mich dann doch so wütend gemacht, dass ich sie mir genommen habe. Hinterher waren sie natürlich schockiert und sauer, aber ich habe ihnen dann gesagt, dass sie es doch so gewollt hätten und dass sie nicht das Gegenteil beweisen könnten, da alle anderen gesehen hatten, wie sie mich angemacht hatten.“ Er schwieg betreten und war trotzdem froh, dass er es seinen Eltern gebeichtet hatte.

„Also wenn ich das recht verstehe, dann hast du diese Aussetzer immer dann, wenn du wütend bist?“, fragte Susanne nach und sah ihren Sohn forschend an.

„Ja genau, wenn ich wirklich so richtig wütend bin. Dann habe ich das Gefühl, jemand legt einen Schalter um und ich kann mich hinterher oft auch nur bruchstückhaft daran erinnern.“

„Und was war mit Melanie?“, wollte Susanne dann wissen. Wenn sie ihren Sohn schon zum Reden gebracht hatten, dann sollte er auch alles erzählen.

„Na ja, also Melanie, die hat das etwas schlauer angestellt als die anderen. Sie hat mich nicht bedrängt, sondern regelrecht umgarnt. Erst nach unserer Hochzeit hab ich erfahren, dass sie mit ihren Freundinnen gewettet hatte, dass sie mich rumkriegt und ich sie heirate. Jedenfalls hat sie dann später meine plumpen Versuche, mit ihr zu schlafen klaglos über sich ergehen lassen und sie hat mir dann auch das ein oder andere beigebracht. Aber als sie dann nach ein paar Monaten von heiraten sprach, war mir das doch zu früh. Ich wollte erst mein Studium beenden, bevor ich mich binde. Ich mochte sie zwar irgendwie, aber die große Liebe, die ich mir gewünscht hatte, war sie nicht. Ich sagte ihr, dass ich gerne eine Familie gründen möchte, aber erst wenn ich in der Lage bin, sie zu ernähren. Aber sie hatte damals schon Pläne gemacht und gemeint, dass sie ja bald mit ihrer Ausbildung fertig sei und wenn wir bei euch auf dem Hof leben könnten, dann würde ihr Verdienst für unseren Lebensunterhalt ausreichen. Da hab ich dann die Reißleine gezogen und bin nach Freiburg gezogen, um meinen Fachanwalt zu machen. Ich dachte, da wäre ich weit genug weg.“ Er zuckte die Schultern und fuhr fort mit seinem Monolog: „Aber sie hat mich ständig angerufen und mir erzählt, wie sehr sie mich liebt und vermisst und dann ist sie mir, nachdem sie ihren Abschluss in der Tasche hatte, tatsächlich gefolgt und da hab ich dann eben nachgegeben und sie geheiratet.“ Er hielt inne.

„Ja gut, das wissen wir ja, aber was ist dann passiert?“, wollte Susanne wissen. „Dass ihr nicht wirklich glücklich wart, war nicht zu übersehen und sie hat sich mehrmals bei mir beklagt, aber ich habe ihr nicht geglaubt.“

„Kaum hatte sie den Ring am Finger und meinen Namen im Pass, da war von Liebe keine Rede mehr. Als ich ihr sagte, dass ich Kinder möchte, hat sie mich ausgelacht. Sie hat mich nicht mehr rangelassen. Und manchmal war ich halt so wütend, dass ich sie mir mit Gewalt genommen habe. Wäre der Kleine nicht gewesen, dann hätte ich mich längst scheiden lassen. Aber ihr wisst, wie sehr ich meinen Sohn geliebt habe. Und nachdem er zur Welt gekommen war, hab ich Melli auch nicht mehr angerührt.“ Alle drei schwiegen und hingen einen Moment ihren eigenen Gedanken nach.

„Aber sag mal“, führte Susanne das Gespräch weiter, „wie war das mit Leni? Du hast sie doch kennengelernt bevor du das mit Jessica angefangen hast und nach Hamburg gezogen bist?“

„Ja natürlich, ich habe sie ja in Freiburg auf der Baustelle kennengelernt, als sie mir trotzig ins Gesicht geschaut und mir erklärt hat, dass ich als Kunde zwar der König, sie aber die Kaiserin sei“, er lächelte, als er an ihre erste Begegnung dachte. „Sie war so süß. Und als sie mir dann ihre Pläne erklärte, wie wir meine Wünsche und ihre Vorstellungen einigermaßen unter einen Hut bringen könnten, da hat sie mir echt imponiert und ich habe zu allem ja und amen gesagt.“ Er grinste verlegen. „Dann hab ich sie aber aus den Augen verloren und ich hatte auch keinen Kopf dafür, denn das war ja kurze Zeit nach dem Unfall und außerdem hatte ich angefangen, meine Doktorarbeit zu schreiben“.

„Aber ich dachte, ich hättet dann im selben Haus gewohnt?“, warf Susanne ein.

Johannes erzählte seinen Eltern von dem Schlabberlook, den sie in ihrer Freizeit trug und von der Party, auf der Leni sich zu erkennen gab. „Das war echt peinlich“, endete er.

Die Eltern grinsten sich an, denn sie konnten sich gut vorstellen, wie unbehaglich ihr so korrekter Sohn sich gefühlt haben musste. Außerdem hatte Max natürlich gleich nach seiner Rückkehr aus Freiburg die Geschichte im Familienkreis zum Besten gegeben. Sie sahen ihn erwartungsvoll an.

„Ja, also, ich hatte mich fast den ganzen Abend mit Tobias, also dem Bruder von Lene, unterhalten und zugeschaut, wie Max sie angebaggert hat. Ich wollte sie vor ihm warnen und habe sie deshalb zum Tanzen aufgefordert, was sie mir ziemlich frostig gestattete. Sie war wohl immer noch sauer wegen des Ärgers, den ich ihr und dem Bauleiter gemacht habe.“ Sein Blick wurde weicher, als er leise fortfuhr: „Kaum hatte ich sie im Arm, da hatte ich plötzlich das Gefühl, dass ich diese Frau ewig im Arm halten und streicheln und liebkosen möchte. Ich hatte so ein Verlangen nach Zärtlichkeit, das hat mich fast umgehauen. Und als ich in ihre schönen, grünen Augen sah, merkte ich, dass sich auch bei ihr etwas getan hatte. Sie war plötzlich nicht mehr abweisend, sondern sah mich verwirrt an. Meine Gefühle haben mich so überwältigt, dass ich damit nicht umgehen konnte und mir fiel nichts Dümmeres ein, als sie zurückzuweisen.“ Er schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit. „Max hat Recht, ich bin ein Idiot. Ich habe einfach nicht die Kurve gekriegt, aber ihm habe ich verboten, sie anzufassen“, wieder grinste er verlegen und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Ja, und dann kam Jessica. Wie ihr wisst, habe ich sie und ihren Vater auf einem Kongress in Hannover kennengelernt und der Alte hat mich immer wieder während der drei Tage in Gespräche verwickelt und mich dann wohl für geeignet als Schwiegersohn befunden. Jedenfalls hatte er Jessica befohlen, mich zu verführen, was ihr auch bestens gelungen ist. Sie sah ja super aus und wenn eine Frau mich so richtig umgarnt, da werde ich schwach.“ Er hob entschuldigend die Schultern. „Ihr habt sie ja kennengelernt und gemeint, dass sie gefühlskalt ist. Das Problem ist, dass sie lesbisch ist. Da ihr Vater aber unbedingt einen Nachfolger für die Kanzlei haben wollte, hatte sie sich auf das Spiel eingelassen. Aber sie hat sich jedes Mal vor dem Sex betrunken. Das hat echt keinen Spaß gemacht und außerdem konnte ich Lene nicht wirklich vergessen.“ Er machte eine Pause und trank einen Schluck Wasser, das Susanne mittlerweile eingeschenkt hatte.

„Den Rest wisst ihr ja. Max hat Lene gedrängt, zu mir nach Hamburg zu fahren, mir ist er mächtig auf die Füße getreten und hat mich eindringlich gebeten, es nicht wieder zu versauen und sie auch wirklich zu treffen.“ Er lächelte bei dem Gedanken an ihr Treffen in Hamburg und die schöne erste Nacht, die sie zusammen verbracht hatten. Wieder entstand eine lange Pause.

„Wie war das eigentlich, warum hat Tante Elisabeth sich damals das Leben genommen?“, wechselte Johannes dann plötzlich das Thema.

Die Eltern zögerten, bevor Paul antwortete: „Meine Schwester war psychisch krank und sollte in eine Anstalt eingewiesen werden und da hat sie sich vor einen Zug geworfen. Warum willst du das wissen?“

„Mein Therapeut hat mich gefragt, ob es in unserer Familie psychische Erkrankungen gibt oder gegeben hat. Ich war ja noch klein, als das mit Tante Elisabeth passiert ist und deshalb war ich mir nicht sicher, was die Ursache war. Ich hab nur so Gerüchte gehört, von wegen gemütskrank, konnte mir aber nichts darunter vorstellen. Meint ihr, das ist erblich?“, wollte er dann wissen.

„Keine Ahnung“, antwortete Susanne, „das muss dir dein Arzt doch sagen können.

„Hm, ja klar, ich werde ihn auf jeden Fall das nächste Mal fragen. Ich dachte nur an die Kinder, ich hoffe inständig, dass die gesund sind.“

Susanne nickte. „Ja, das hoffen wir auch. Aber wenn es wirklich vererbbar ist, dann gilt das ja auch für die Kinder von Gabi und falls Max doch mal Nachwuchs produzieren sollte, betrifft es ihn ebenfalls. Ihr habt ja alle denselben Vater.“ Sie seufzte tief und meinte dann: „Hoffen wir das Beste. Das Wichtigste ist jetzt erst mal, dass du deine Probleme endlich in den Griff bekommst und dass Leni wieder gesund wird.“

Währenddessen dachte Leni weiter darüber nach, was wohl mit ihr sein könnte und hatte Angst, dass sie behindert bleiben würde. Sie versuchte, Max zu erklären, dass sie jetzt fleißig ihre Übungen machte und auch das Sprechen ging schon ein wenig besser. Außerdem versuchte sie ihre Schließmuskeln zu kontrollieren, damit sie bald keine Windeln mehr brauchte.

Max sah sie erstaunt an, als sie nach einer Pflegerin klingelte und sie erklärte ihm, dass sie aufs Klo müsse. Als die Pflegerin ins Zimmer kam und Leni es ihr gesagt hatte, wollte die ihr eine Bettpfanne bringen. Dies lehnte Leni aber vehement ab, denn das wäre ihr doch wirklich zu peinlich gewesen. Also bat die Pflegerin Max um Hilfe und gemeinsam brachten sie Leni in das angrenzende kleine Badezimmer. Max hatte diskret das Badezimmer wieder verlassen und Leni schickte die Pflegerin ebenfalls vor die Tür. Sie saß dann stolz wie eine Königin auf dem Thron und freute sich, dass sie dieses Mal ihren Stuhlgang beherrscht hatte.

Die Pflegerin lobte sie anschließend, indem sie meinte: „Na Dornröschen, Sie machen jetzt aber mächtige Fortschritte“, was Leni dankbar lächelnd zur Kenntnis nahm.

Nachdem sie wieder in ihrem Bett war, bemühte sich Max, sie abzulenken, indem er versuchte, rauszufinden, an was sie sich erinnern konnte. Der Dialog war wegen ihrer Sprachstörung schwierig, aber er gab nicht so schnell auf. Er fragte sie nach ihrem Namen.

„Leni, also Helene Kaiser.“

„Und weiter, das ist doch nicht dein ganzer Name.“

Sie sah ihn verwundert an und versuchte es nochmal: „Helene Marie Kaiser.“

Max zeigte auf ihren Ehering: „Nun?“ Aber Leni verstand nicht, was er ihr sagen wollte.

„Du heißt doch Helene Kaiser-von Moeltenhoff. Hast du das etwa vergessen?“

Leni schaute betrübt und kramte in ihrem Gedächtnis, dann lächelte sie.

„Hm ja“ sie versuchte Max zu erklären, dass sie seinen an ihren angehängt hatte, weil Johannes so unglücklich war, als sie ihm gesagt hatte, dass sie ihren Namen behalten wollte.“

Max hatte große Mühe sie zu verstehen, aber da er die Geschichte weitgehend kannte, nickte er.

„Gut und was bist du von und Beruf?“ Sie strahle ihn an und versuchte, das Wort Architektin auszusprechen. Als er sie aber fragte, wo sie wohne, antwortete sie prompt: „In Freiburg.“

„Überleg mal, Leni, wo sind wir hier?“

Sie sah ihn mit großen Augen an und zuckte die Schultern. „Ich dachte, in der Uniklinik,“ stammelte sie. Max schüttelte den Kopf. „Ist dir nicht der Dialekt des Personals aufgefallen?“

„Hm, ja schon, aber polnisch und sächsisch hört man bei uns ja auch viel“, versuchte sie zu sagen.

Max lachte. „Erinnerst du dich nicht, dass du zu Joey nach Leipzig gezogen bist?“

„Leipzig?“ Sie schüttelte den Kopf und Tränen traten ihr in die Augen.

„Erinnerst du dich an eure Hochzeit?“, wollte er dann wissen. Wieder sah Leni ihn groß an und er deutete auf den Ring an ihrem rechten Ringfinger. Sie lächelte und sagte: „Jo.“

„Ja, Leni, er ist dein Mann.“ Sie nickte glücklich lächelnd und er zeigte ihr auf seinem Handy ein Bild von ihrer kirchlichen Trauung vor wenigen Monaten. Sie schaute es lange an und zog die Stirn kraus. Er merkte, wie es in ihr arbeitete und ließ es für diesen Tag gut sein.

„Ich denke, wir sollten jetzt schlafen oder was denkst du?“

Sie sah ihn zunächst erstaunt an und wollte dann wissen, ob er in dem Bett von Jo schlafen werde.

„Wenn es für dich okay ist, dann bleibe ich heute Nacht hier. Ich weiß ja nicht, wie lange der Familienrat tagt.“ Als sie nickte, schrieb er seinem Bruder eine kurze Nachricht, nicht dass der doch noch auf die Idee kam, mitten in der Nacht in der Klinik aufzutauchen.

Leni schlief schlecht in dieser Nacht. Sie machte sich Gedanken, warum Max bei ihr war und nicht ihr Mann. Zudem war es ihr irgendwie unangenehm, dass Max mit ihr in einem Zimmer schlief. Aber ganz alleine sein wollte sie wiederum auch nicht. Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchte sie, sich an die Hochzeit und ihren Umzug nach Leipzig zu erinnern. An die standesamtliche Trauung in Freiburg konnte sie sich jetzt erinnern, vor allem daran, wie sehr Johannes sich gefreut hatte, als sie ihm nach der Trauung ins Ohr geflüstert hatte, dass sie schwanger sei. Aber alles andere lag noch ziemlich im Nebel.

Am nächsten Morgen war das Pflegepersonal zunächst ziemlich erstaunt, als sie einen fremden Mann in dem zweiten Bett vorfanden. Max erklärte, dass sein Bruder aus familiären Gründen mit den Eltern zu Hause bleiben musste und dass er sich deshalb um seine Schwägerin gekümmert habe. Während Leni frisch gemacht wurde, ging er in die Cafeteria, um zu frühstücken. Als er zurückkam, war gerade die Physiotherapeutin mit ihr beschäftigt und er bewunderte ihre Fortschritte und den Eifer, mit dem sie bei der Sache war. Wegen ihrer fortgeschrittenen Schwangerschaft war es nicht so einfach, sie auf die Füße zu stellen, um ein paar Schritte mit ihr zu laufen, aber als Max dann mithalf, ging es schon ganz gut. Als er ihren zarten Körper so nah spürte, wurde ihm wieder bewusst, wie sehr er diese Frau liebte und er fragte sich, wie schon so oft, warum er sie seinem Bruder überlassen hatte.

Nach der Therapie war Leni ziemlich erschöpft und machte für einen Moment die Augen zu. Max konnte nicht anders, er streichelte zärtlich ihre Wange.

„Jo?“ Leni öffnete die Augen und sah verwundert in die dunkeln Augen ihres Schwagers.

„Entschuldige Leni, ich wollte dich nicht stören“, sagte Max leise. „Hör zu, Leni, ich kann einfach nicht mehr anders, ich muss dir jetzt etwas gestehen“, begann er geheimnisvoll. Sie schaute ihn erstaunt an und fragte: „Was denn?“

Es nahm ihre Hand in seine und sprach etwas verlegen weiter: „Ja also, Leni, es ist so, ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt“, er sah sie mit großen bittenden Augen an. „So, jetzt ist es draußen“, meinte er erleichtert.

In dem Moment kam Johannes zur Tür herein und hörte, wie Leni seinem Bruder beteuerte, dass sie ihn zwar möge, aber nur Jo liebe und niemand anderen. Er räusperte sich und trat ans Bett, wo Leni ihn strahlend begrüßte und einen Kuss verlangte, den er ihr lächelnd gewährte. Leni wollte noch etwas zu Max sagen, aber sie brachte die Worte nicht raus, was sie fürchterlich aufregte und plötzlich ließ sie ein lautes, deutliches „Scheiße“ vernehmen, worauf die beiden Brüder sie erst erstaunt ansahen und dann fingen alle drei an zu lachen.

„Einige Wörter klappen doch schon ganz gut“, feixte Max, der es bedauerte, dass sein Bruder im falschen Moment ins Zimmer gekommen war. Kurz danach wurde Lenis Frühstück gebracht und Johannes half ihr geduldig beim Essen. Kaum hatte sie fertig gefrühstückt, wurde Leni mit dem Rollstuhl abgeholt und zur Logopädin gebracht.

„Was hast du Leni erzählt?“, wollte Johannes von seinem Bruder wissen, als die beiden allein im Zimmer waren.

„Nichts, warum? Also, weißt du, beichten musst du schon selber, das nehm ich dir ganz sicher nicht ab. Ich habe ihr gesagt, dass Mutti und Vati da sind, um mit dir zu besprechen, wie es in Zukunft mit euch weitergehen soll.“

Johannes nickte zustimmend.

„Außerdem hab ich versucht, ihr Gedächtnis aufzufrischen, aber sie kann sich nicht an ihren Umzug nach Leipzig erinnern, sie lebt geistig immer noch in Freiburg.“

Johannes fragte weiter: „Und vorhin, als ich gekommen bin? Was hast du ihr da gesagt?“

Max schob seine Hände in die Hosentaschen und schaute verlegen auf seine Schuhspitzen. „Na ja, sie sah so süß aus, als sie so friedlich dalag und geschlummert hat, da konnte ich einfach nicht anders. Ich hab sie gestreichelt und ihr gesagt, dass ich sie liebe. Es ist nun mal so und das weißt du auch. Sie hat mir vom ersten Augenblick an gefallen und ich versteh wirklich nicht, warum sie sich ausgerechnet in dich Griesgram verliebt hat.“

„Vielleicht weil ich zuverlässiger bin“, meinte Johannes nachdenklich. „Du musst wissen, Lene ist rasend eifersüchtig. Die hat mir vorgestern Abend ganz schön die Hölle heiß gemacht, nachdem Sarah so intensiv mit mir geflirtet hatte. Außerdem hat sie …“, er stockte, denn intime Dinge wollte er vor seinem Bruder ganz sicher nicht ausplaudern. „Jedenfalls ist so ein Casanova wie du nicht der Richtige für sie, da müsste sie ja ständig Angst haben, dass du fremdgehst.“

Max hatte immer noch die Hände in seinen Hosentaschen versenkt und hob leicht die Schultern. „Weißt du, ich denke mit einer Frau wie Leni braucht man doch gar nicht fremdzugehen. Ich könnte mir durchaus vorstellen, ihr treu zu bleiben“, meinte er und sah seinen Bruder verträumt an.

Johannes lachte: „Vergiss es, Bruderherz, du und Treue, das sind zwei Welten, du weißt doch gar nicht was das ist.“

„Aber jetzt sag schon, was hat sie vorgestern Abend gemacht?“ Max war jetzt natürlich total neugierig.

„Ich denke, das geht nur Lene und mich was an. Sie würde mich steinigen, wenn ich darüber sprechen würde. Du weißt, wie sie ist und ich mag auch nicht über unser Intimleben sprechen.“

„Du hast sie doch nicht etwa in diesem Zustand gevögelt?“

„Nein, natürlich nicht!“, entrüstete sich Johannes, war aber nicht bereit, weiter über dieses pikante Thema zu sprechen und überließ es der Phantasie seines Bruders, sich auszudenken, was da wohl geschehen war.

„Also hat sie dir einen runtergeholt oder vielleicht sogar einen geblasen?“ Max wollte nicht so schnell aufgeben.

Johannes gab keine Antwort, sondern grinste seinen Bruder nur vielsagend an.

„Mannomann, was hat sie mit dir gemacht? Sie hat dich ja total umgekrempelt. Das hätte es bei dir früher nie im Leben gegeben, dass dir eine Frau in dieser Umgebung an die Hose geht.“ Max hatte mal wieder seinen Spaß. Es gab für ihn nichts Schöneres, als seinen steifen Bruder aufzuziehen.

„Hör zu, Max, ich denke, es ist besser, wenn du jetzt gehst“, sagte Johannes nach kurzem Schweigen. „Mutti und Vati warten auf dich, die wollen wieder nach Hause zurückfahren.“ Er gab seinem Bruder den Autoschlüssel und verabschiedete sich nachdenklich von ihm.

„Verdammte Scheiße, warum muss er Lene ausgerechnet jetzt mit seinen Gefühlen belästigen?“, brummte Johannes grimmig vor sich hin, während er seinem Bruder vom Fenster aus nachschaute und auf die Rückkehr seiner Frau wartete.

Als Leni wieder ins Zimmer zurückgebracht wurde, wollte er helfen, sie ins Bett zu legen, aber sie meinte, dass sie erst zur Toilette müsse. Er sah sie erstaunt an und klingelte dann nach einer Pflegerin. Als längere Zeit niemand kam, wurde Leni unruhig, denn so gut konnte sie ihre Schließmuskeln doch noch nicht beherrschen. Als Johannes merkte, dass es wohl dringend war, nahm er sie kurzerhand auf den Arm.

„Oh Mann, sie sind aber ganz schön schwer geworden, Frau Kaiser“, stöhnte er. Sie kicherte und kuschelte sich an seine Brust. Im Bad stellte er sie vorsichtig auf die Füße und in dem Moment kam die Pflegerin, die es übernahm, Leni aus ihrer Windel zu befreien und auf die Toilette zu setzen.

„Wie haben Sie sie denn alleine hier reingebracht?“, wollte die ziemlich korpulente Pflegerin von ihm wissen.

Er lachte: „Ganz einfach, ich trage meine Frau auf Händen.“

„Oh, das ist aber schön. Bei meinem Gewicht hätte mein Mann ganz schön was zu schleppen“, meinte sie dann lachend.

Als Leni rief, dass sie fertig sei, kam die Pflegerin wieder zu ihr und hatte eine kleinere Vorlage und einen von Lenis Slips in der Hand. „Ich denke, die Windel brauchen wir jetzt nicht mehr“, meinte sie und zog Leni ihren Slip mit der neuen Vorlage an. Leni lächelte sie glücklich an und freute sich, dass sie schon wieder einen weiteren Schritt in ein normales Leben geschafft hatte. Unter Mithilfe von Johannes wurde Leni wieder in ihr Bett gebracht.

„Na, alles klar, Schätz-chen?“ fragte er zärtlich. Leni nickte, nahm seine Hand, legte sie auf ihren Bauch und sagte: „Ich liebe dich, Jo.“

„Ja, ich dich auch, meine süße Kaiserin.“ Er strich ihr über den Kopf, wobei er feststellte, dass ihre wegen der Operation kurz geschorenen Haare schon wieder etwas gewachsen waren und küsste sie zärtlich.

„Jo, ich will nach Hause“, sagte Leni unvermittelt.

„Das kann ich nicht entscheiden, Schätz-chen, da müssen wir die Ärzte fragen“, meinte er nachdenklich. Leni machte jetzt ebenfalls ein ernstes Gesicht, denn sie dachte daran, dass Max ihr erzählt hatte, dass sie jetzt in Leipzig wohnen würde.

„Na, was überlegst du?“, fragte Johannes nach.

„Wo?“, fragte sie und Johannes spürte, dass sie noch mehr sagen wollte.

„Du willst wissen, wo wir wohnen?“

Leni nickte mit Tränen in den Augen. Es machte sie traurig und wütend zugleich, dass sie nicht wusste, wo sie jetzt lebte.

„Wir haben eine wunderschöne, große Wohnung am Stadtrand von Leipzig gemietet“, erklärte er ihr, worauf sie ihn nur ungläubig anschaute.

„Lilli und Mäxle?“, fragte sie daraufhin.

Er lächelte sie an. „Ja, deine beiden Katzen sind auch dort. Denen geht es gut. Sie lieben den großen Balkon, den wir haben.“

Leni konnte sich immer noch keinen Reim darauf machen, was er ihr erzählte. In Gedanken sah sie immer noch ihre, von ihr selbst entworfene Freiburger Wohnung vor sich, wo sie auch einen schönen großen Balkon hatte.

Nach dem Mittagessen schlief sie und Johannes arbeitete an seinem Laptop, bis die Tür aufging und die Psychologin Frau Reimers hereinkam.

„Ich war gerade in der Nähe und wollte mal nachsehen, wie es unserem Dornröschen geht“, sagte sie lächelnd und trat an Lenis Bett. Die schlug die Augen auf, wusste aber nicht, wer die freundliche Frau war.

„Sie erkennen mich nicht?“, fragte sie, worauf Leni den Kopf schüttelte.

„Sie kann sich nicht an die letzten Monate erinnern“, erklärte Johannes dann. „Aber sie hat schon große Fortschritte gemacht und heute Morgen hat sie den Wunsch geäußert, dass sie nach Hause möchte“, erzählte er weiter.

Die Ärztin nickte. „Also, wenn sie das will und medizinisch nichts dagegen spricht, dann sollte das doch machbar sein“, meinte sie dann. „Man kann einen Pflegedienst engagieren, der Ihnen hilft. Ich werde mit den Kollegen reden“, versprach sie. Dann nahm sie Johannes beiseite und fragte: „Dann weiß sie also auch nicht, was passiert ist?“

„Ich habe ihr erzählt, dass sie eine Hirnblutung hatte“, antwortete Johannes ausweichend.

„Das meine ich nicht. Ich meinte, ob ihre Frau darüber informiert ist, was Sie ihr angetan haben“, erwiderte sie mit Nachdruck.

Johannes schüttelte den Kopf. „Soll ich sie wirklich in diesem Zustand damit belasten?“, fragte er. „Sie ist doch gerade dabei, wieder ins Leben zurückzufinden.“ Er sah die Ärztin fragend an.

Sie nickte: „Hm, ja, ich verstehe, aber warten Sie nicht zu lange. Und Sie, haben Sie jetzt eine Therapie begonnen?“, wollte sie von ihm wissen.

„Ja, das habe ich, bei dem Psychotherapeuten, den Sie mir empfohlen haben. Ich habe das Gefühl, er versteht meine Probleme und ich hoffe wirklich, dass die Therapie mir hilft.“

Die Ärztin trat nochmals an Lenis Bett und versuchte, ein wenig mit ihr zu reden. Nach einem Blick auf die Uhr verabschiedete sie sich wieder, versprach aber, ihre Kollegen über Lenis Wunsch zu informieren.

Am späten Nachmittag kam dann auch tatsächlich der Chefarzt ins Zimmer.

„So Frau Kaiser-von Moeltenhoff, ich habe gehört, Sie haben Heimweh“, begrüßte er Leni.

„Ja, ich will nach Hause“, bestätigte sie. Er nahm sein Tablet zur Hand und sah aufmerksam alle Einträge in ihrer Krankenakte durch, wobei er mehrmals kurz nickte. „Das sieht doch schon alles ganz gut aus. Aber eigentlich müssten Sie noch in eine Reha.“

Leni sah ihn daraufhin total entsetzt an und schüttelte energisch den Kopf. „Nein, keine Reha“, bat sie und Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie dachte voller Schrecken an die Rehaklinik, in der sie nach ihrer Entführung und dem anschließenden Trauma gelandet war. Sie wollte einfach nur bei Johannes und ihren Katzen zu Hause sein und auf die Geburt ihrer Kinder warten. Egal wo dieses Zuhause auch war, Hauptsache zusammen mit ihrem geliebten Mann.

Der Arzt tätschelte ihr die Schulter und sagte: „Ich werde mich morgen früh mit meinen Kollegen und Ihren Therapeuten besprechen. Vielleicht können wir die Therapien ambulant fortführen.“ Leni lächelte ihn dankbar an.

Die Vorstellung, bald die Klinik verlassen zu können, machte sie fast euphorisch und wenn sie gekonnt hätte, wäre sie aus dem Bett gehüpft und durch den Raum getanzt. Johannes lächelte, als er sah, wie aufgeregt sie in ihrem Bett rumzappelte. Er setzte sich zu ihr auf das Bett und zog sie in seine Arme.

„Das klingt doch ganz gut“, meinte er zuversichtlich und Leni nickte zustimmend.

„Ich freu mich so“, stammelte sie aufgeregt. Er war froh, dass sie vor kurzem umgezogen waren und das Haus, in dem sie jetzt wohnten, einen Lift hatte. So sollte es kein Problem sein, Leni in die Wohnung und auch wieder zum Auto zu bringen.

Am Abend half er ihr aus ihren Kleidern und zog ihr das Nachthemd an, danach ölte er ihr wieder wie gewohnt den Bauch ein. Sie nahm seine Hand, legte sie zwischen ihre Beine und sah ihn bittend an.

„Lene, Schätz-chen, das geht doch nicht“, wehrte er ab. „Was machen wir denn, wenn jemand kommt? Du musst doch gleich noch deine Spritze kriegen“, fügte er erklärend hinzu, als er ihre Enttäuschung sah. Er sah, wie ihre aufgestellten Brustwarzen fast das Nachthemd durchbohrten und fühlte, wie sich auch bei ihm eine Erregung bemerkbar machte. Er flüsterte ihr ins Ohr: „Lass uns warten bis heute Nacht, da stört uns niemand.“

„Versprochen?“

Er nickte ihr verschwörerisch zu: „Versprochen.“

Johannes hatte die Schuhe ausgezogen und sich zu Leni aufs Bett gesetzt. Er küsste und liebkoste sie zunächst sanft, dann schob er ihr Nachthemd hoch und streichelte ihre Brüste, während ihre Hände unter seinem Sweatshirt sanft über seinen Rücken wanderten. Er wollte gerade anfangen, ihre Brustwarzen mit dem Mund zu bearbeiten, als die Tür aufging.

„Guten Abend, es tut mir leid, dass ich so spät komme, aber wir hatten noch einen Notfall“, sagte der Arzt, der jetzt das Zimmer betrat. Leni wurde rot und zog sich schnell die Bettdecke bis zum Hals hoch und Johannes fuhr sich verlegen mit der Hand durch die Haare. Der Arzt beäugte ihn kritisch und trat dann an das Bett.

„Ich habe gehört, Sie möchten nach Hause?“ Er sah Leni fragend an.

„Ja bitte“, wisperte Leni noch immer etwas verwirrt. Mit dieser späten Störung hatten sie beide nicht gerechnet.

„Na dann schaun wir doch mal. Gewisse Reflexe scheinen ja schon wieder ganz gut zu funktionieren“, meinte er zweideutig und zwinkerte ihr zu. Worauf Leni erneut die Röte ins Gesicht schoss.

Er leuchtete ihr in die Augen und testete alle möglichen Reflexe, wobei er jedes Mal zufrieden nickte. Er animierte sie zum Sprechen und meinte dann, dass man daran wohl noch arbeiten müsse, aber dass das ambulant gut machbar wäre.

„Na und wie steht es mit dem Laufen?“, wollte er dann wissen. Leni hob resigniert die Schultern.

„Wegen ihrer Schwangerschaft traut man sich nicht, sie richtig laufen zu lassen. Man hat zu viel Angst, dass sie stürzen könnte“, warf Johannes ein.

„Ja schon, aber mit einem Rollator sollte es doch gehen.“ Zu Leni gewandt sagte er dann: „Es ist wichtig, dass sie sich bewegen. Ich werde dafür sorgen, dass man Ihnen einen Rollator bringt.“

Er verabschiedete sich und wünschte eine gute Nacht, wobei er Johannes streng ansah. Als er gegangen war, sahen die beiden sich an wie Kinder, die man bei etwas Verbotenem erwischt hatte und Johannes meinte: „Na, da haben wir aber Glück gehabt, dass er nicht noch später kam.“ Leni nickte und kicherte verlegen. Er setzte sich wieder neben sie, legte ihr den Arm um die Schulter und sie ließ ihren Kopf an seine Brust sinken.

„Ich will endlich nach Hause“, jammerte sie nach einigen Minuten.

„Ja, mein Schätz-chen, ich weiß, ich hätte dich auch gerne wieder zu Hause.“

Ganz allmählich begannen sie sich wieder zu liebkosen. Als die Berührungen leidenschaftlicher wurden, zog er seine Hose aus und legte sich zu ihr auf das Bett.

„Pscht, Lene, nicht so laut“, bremste er sie, als sie anfing zu stöhnen. „Man hört dich sicher in den Nachbarzimmern und auf dem Gang.“ Daraufhin machte Leni den Fernseher an und stellte ihn relativ laut ein. Als sie dann wieder anfingen mit dem Liebesspiel, grub sie ihren Mund in seine Schulter, um nicht gehört zu werden. Er brachte sie ganz allmählich, mit dem Mund an ihrer Brust und der Hand, die mittlerweile den Weg in ihren Slip gefunden hatte, zum Höhepunkt. Danach zog sie ihren Slip ganz aus und legte ihren Unterleib quer über seinen.

„Lene, was wird das jetzt wieder?“, fragte er und lachte leise. Sie nahm sein Glied, hielt es vor ihre Vagina und begann ihre Hand rauf und runter zu bewegen.

„Bevor du kommst, will ich Little Joe aber haben“, flüsterte sie erregt.

„Lene, das geht doch nicht“, wollte er abwehren.

„Nur ein ganz kleines Stückchen“, bettelte sie und kurz bevor er explodierte, führte er dann auch die Spitze behutsam in sie ein. Sie drückte sich fester an ihn, so dass er noch etwas tiefer in sie eindrang.

„Lene, du bist eine Hexe, weißt du das?“, schalt er sie leise, als er wieder zu Atem gekommen war.

„Warum denn, das macht doch nichts, wir bewegen uns doch gar nicht. Ich wollte ihn einfach mal wieder spüren“, flüsterte sie entschuldigend. „Nach der Entbindung gibt es eine lange Durststrecke“, fügte sie erklärend hinzu.

Sie blieben eine Zeitlang eng umklammert liegen, bis es Johannes zu unbequem wurde, da das Bett eindeutig nicht für zwei Personen ausgelegt war. Zudem brauchte Leni für ihren dicken Bauch einiges an Platz. Als er sich von ihr lösen wollte, protestierte sie maulend.

„Hör zu Schätz-chen, ich hänge halb in der Luft und habe mittlerweile einen ganz kalten Hintern“, sagte er leise lachend und stand auf. Er machte den Fernseher aus, umarmte und küsste sie nochmals und legte sich in das andere Bett. Nachdem sie ihm nochmals bestätigt hatte, wie sehr sie ihn liebte, schlief Leni selig lächelnd ein.

Als die Nachtschwester am frühen Morgen in das Zimmer kam, fand sie eine glücklich lächelnde Leni vor. Als sie an das Bett trat, meinte sie einen gewissen Geruch zu bemerken, dachte aber, sich getäuscht zu haben.

„Könnten Sie mir bitte helfen, Schwester Sonja, ich muss mal zur Toilette“, bat Leni sie.

„Ich weiß nicht, ob wir beide das alleine schaffen“, zögerte die Pflegerin. Aber mittlerweile war Johannes wach und half mit, Leni ins Bad zu bringen. Die Pflegerin blieb noch bei Leni, bis diese sicher auf der Toilette saß und als sie die Vorlage wechselte, wusste sie, dass sie sich nicht getäuscht hatte. Sie sah Leni an, die daraufhin rot wurde und den Finger auf die Lippen legte.

„Bitte nicht weitersagen.“

„Kann ihr Mann sich denn nicht zurückhalten?“, fragte die Schwester vorwurfsvoll.

„Er schon“, gestand Leni und wurde erneut rot.

Die Pflegerin lächelte wissend und als Leni fertig war, brachte sie sie zusammen mit Johannes wieder ins Bett.

„So ein Mist, sie hat es gemerkt“, flüsterte Leni, als die Pflegerin gegangen war. Nachdem Johannes kapiert hatte, was sie meinte, lächelt er sie verlegen an. Leni zuckte die Schultern und meinte: „Na ja, vielleicht schicken sie mich ja jetzt gleich nach Hause.“

„Oh Lene“, Johannes schüttelte lachend den Kopf.

Nachdem Leni gefrühstückt hatte, fuhr Johannes nach Hause, um die Katzen zu versorgen und um selber zu duschen und zu frühstücken. Als er zurückkam, hatte Leni gerade ihre Physiotherapie beendet.

„Na, wie geht es dir, mein Schätz-chen?“ Er streichelte ihr über den Kopf und küsste sie zärtlich.

Sie strahlte ihn an: „Blendend.“

Kurz darauf kam ein Pfleger ins Zimmer. „Dornröschen, ich soll Sie in die Gynäkologie zur Untersuchung bringen.“ Er setzte sie in einen Rollstuhl und unter Begleitung von Johannes wurde sie in den gynäkologischen Untersuchungsraum gebracht und auf eine Liege gelegt.

„So, Sie wollen also nach Hause?“, fragte der Gynäkologe. Leni nickte bejahend und lächelte den Arzt an. Er bat sie, den Bauch frei zu machen und betastete ihn. „Wir machen jetzt erst mal ein Ultraschall und dann legen wir den Wehenschreiber an.“

„Die Kinder liegen nicht richtig, sobald die Wehen einsetzen, kommen sie in die Klinik, dann müssen wir einen Kaiserschnitt machen“, sagte er und schaute sie ernst an. „Da ist aber Leben in der Bude“, meinte er lachend, als eines der Kinder wie wild rumzappelte.

„Wem sagen Sie das“, stöhnte Leni.

„Haben Sie eine Hebamme?“, wollte er dann von ihr wissen. Da Leni sich an nichts erinnern konnte, nannte Johannes ihm den Namen der Hebamme und sagte dazu in welcher Klinik sie sich zur Entbindung angemeldet hatten.

„Ja gut, informieren Sie die Hebamme, sobald Sie wissen, wann Sie entlassen werden, damit sie regelmäßig nach Ihnen sieht. Entbinden können Sie selbstverständlich in der von Ihnen gewünschten Klinik.“

Der Wehenschreiber zeigte keine Wehen an und als dann auch noch die Herztöne zu hören waren, sahen sich Leni und Johannes glücklich an.

„Kann ich Sie einen Moment sprechen?“ Der Arzt nahm Johannes, der ihn verunsichert anschaute, beiseite, während Leni selig den Herztönen ihrer Kiddies lauschte.

„Weiß Ihre Frau Bescheid?“, wollte der Arzt wissen. Johannes schaute ihn verwirrt an.

„Hören Sie, ich habe Ihre Frau untersucht, als sie hier eingeliefert wurde, spielen Sie also nicht den Unschuldigen. Ich habe wirklich Bedenken, sie zu Ihnen nach Hause zu entlassen.“

Johannes fuhr sich verlegen mit der Hand durch die Haare. „Nein, sie weiß es nicht, sie kann sich nicht an die letzten Monate erinnern.“

„Außerdem war das nicht so, wie es ausgesehen hat“, versuchte er, sich zu verteidigen.

Der Arzt hob die Augenbrauen und meinte: „Ich habe wirklich Mühe, das zu glauben. Ich würde Ihnen vorschlagen, es ihr zu sagen, bevor sie sich von selber daran erinnert. Und dann kann sie immer noch entscheiden, ob sie wirklich nach Hause will.

Johannes nickte: „Ja das hab ich vor.“

„Haben Sie denn jemanden, der sich zu Hause um sie kümmert?“

„Ich bin da, ich arbeite momentan im Homeoffice. Ich halte nur nächsten Freitag eine Vorlesung an der Uni. Aber da werde ich schon jemanden finden, der so lange bei ihr bleibt.“

„Gut, auch wenn ich gewisse Bedenken habe, werde ich grünes Licht geben“, beendete der Arzt das Gespräch.

Johannes brachte Leni alleine zurück ins Zimmer und sie wollte wissen, was der Arzt mit ihm zu besprechen hatte.

„Na ja, er wollte halt wissen, wer dich versorgt, wenn du zu Hause bist“, wich Johannes aus.

Leni runzelte die Stirn. „Und warum muss er dich das unter vier Augen fragen?“

Johannes seufzte leicht: „Lass uns bitte darüber sprechen, wenn wir im Zimmer zurück sind.“

Leni saß auf ihrem Bett und drängte Johannes. „Jo, du wolltest mir was sagen.“

Johannes setzte sich ihr gegenüber auf das zweite Bett und sah sie ernst an, dann sah er auf den Boden. „Ich weiß echt nicht, wie ich dir das sagen soll“, begann er zögernd. „Also, ähm ich habe da was gemacht, was nicht okay. ist.“ Er atmete tief durch: „Du hast mich so wütend gemacht, da hab ich dich mit Gewalt genommen.“ Erleichtert atmete er aus.

„Du hast was?“ Leni verstand nicht, was er meinte.

„Lene, Schätz-chen, ich habe dich vergewaltigt.“

Er sah sie jetzt an und nahm sanft ihre Hände in seine. Leni schüttelte den Kopf, das konnte sie nicht begreifen. Ihr liebevoller, zärtlicher und rücksichtsvoller Mann sollte sie vergewaltigt haben?

„Das kann ich nicht glauben“, sagte sie leise.

„Es ist leider so. Wenn ich derart wütend bin, dann kann ich mich nicht mehr kontrollieren. Ich weiß, dass das nie wieder passieren darf und ich bin deswegen jetzt auch in Behandlung.“

Leni nickte stumm. Irgendwie konnte sie das Gesagte noch nicht so richtig einordnen.

„Aber warum warst du denn so wütend?“, wollte sie dann wissen.

Johannes atmete wieder tief durch. „Lene, du nimmst einfach keine Rücksicht auf deine Schwangerschaft und willst ständig richtigen Sex haben. Das geht doch nicht.“ „Natürlich nehm ich Rücksicht“, beharrte sie und entzog ihm ihre Hände.

„Hör zu, Lene, unsere Mütter liegen mir ständig in den Ohren, dass ich Rücksicht nehmen soll und wenn ich rücksichtsvoll bin, dann bist du unzufrieden. Und das kotzt mich so langsam an.“

Leni merkte, dass er anfing, sich aufzuregen, was sie an ihm sonst eigentlich gar nicht kannte. Normalerweise war er die Ruhe selbst und deshalb erwiderte sie nichts mehr.

„Da ist noch was, das ich dir beichten muss“, fuhr Johannes nach einer kurzen Pause fort. Leni sah ihn groß an. Was kommt denn jetzt noch, schlimmer kann es doch kaum noch werden, dachte sie und musste gleich darauf feststellen, dass sie sich getäuscht hatte.

Er sah wieder auf den Boden und versuchte, die richtigen Worte zu finden.

„Also, ähm, es ist so“, er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. „Als ich neulich morgens nach Hause kam, ist Sarah nackt ins Bad gehuscht und hat mich wieder mit diesem auffordernden Blick angesehen.“ Er schwieg für einen Moment und Leni atmete deutlich hörbar ein. Sie meinte zu ahnen, was jetzt kommen würde.

„Als ich ins Schlafzimmer kam, hab ich gesehen, dass sie in unserem Bett geschlafen hat. Diese Frechheit hat mich derart wütend gemacht, dass ich zu ihr ins Bad gegangen bin und versucht habe, sie brutal zu nehmen.“ Er schwieg betreten und Leni meinte, nicht richtig gehört zu haben.

„Was hast du gemacht?“, fragte sie schockiert.

„Ich hab versucht, sie mit Gewalt zu nehmen, aber sie hat mir in die Eier getreten und mich kalt abgeduscht, da bin ich wieder zur Besinnung gekommen“, gestand er kleinlaut.

Leni fand keine Worte mehr, das Gehörte war zu schrecklich. Sie war total schockiert und fing an zu zittern.

„Bitte verzeih mir, Lene. Ich liebe dich und will dich keinesfalls verlieren“, flehte er sie an und versuchte, ihr in die Augen zu sehen, aber sie sah zur Seite. Er setzte sich zu ihr aufs Bett und versuchte, sie in den Arm zu nehmen, doch sie wehrte ihn ab.

„Lass mich“, sagte sie leise und begann zu weinen.

Er kniete sich vor sie hin und bat: „Lene, Schätz-chen, ich hab das nicht mit Absicht getan. Ich würde dich nie im Leben betrügen.“ Er legte jetzt beide Hände auf ihre Oberarme und sah sie eindringlich an. „Bitte, bitte, verzeih mir.“ Als sie nicht reagierte, setzte er sich mit hängenden Schultern wieder auf das andere Bett und sie schwiegen beide. Leni legte ihre Hände auf ihren Bauch und weinte leise. Sie hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie waren doch so glücklich und jetzt das. Sie verstand die Welt nicht mehr.

Als das Mittagessen gebracht wurde, sah Johannes auf die Uhr. Er half dem Pfleger, Leni an den Tisch zu setzten und schnitt ihr Fleisch klein, damit sie einfacher essen konnte.

„Lene, ich lass dich wirklich nicht gerne alleine, aber ich muss jetzt zum Bahnhof fahren und Laura abholen.“

„Laura?“

„Ja, deine Freundin Laura aus der Pfalz kommt dich besuchen. Sie bleibt bis Sonntag da.“

Ein Lächeln huschte über Lenis Gesicht. Mit Laura hatte sie als Studentin zusammen in einer WG gewohnt und die beiden waren immer noch gute Freundinnen. Während des Essens dachte Leni nach und konnte immer noch nicht verstehen, was mit ihrem Mann los war. Nach dem Essen ließ sie sich wieder zum Bett bringen, sie legte sich auf die Seite und begann plötzlich, heftig zu weinen.

Frau Kaiser und der Dämon

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