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Befriedigt und entspannt zündete sich Madou Dembele eine Marlboro an. Eigentlich konnte er sich diese Zigaretten nicht leisten, aber heute hatte er sich vier Stück seiner Lieblingssorte gekauft, weil er einen Touristen mit dem Taxi durch Bamako gefahren und so ein wenig Geld verdient hatte. Einen Amerikaner. Madou hatte seine Kindheit und Jugend in Sierra Leone verbracht und sprach Englisch. Darauf war er stolz und er freute sich über jede Gelegenheit, seine Sprachkenntnisse an den Mann bringen zu können.

„Rauch nicht so viel”, sagte seine Frau Fatu mitten in sein genussvolles Inhalieren hinein, was ihn sofort ärgerte. Frauen sollten ihren Männern nicht sagen, was sie zu tun oder zu lassen haben.

Es war heiß in diesem Zimmer. Das winzige Fenster war mit einem zerschlissenen Stück Stoff notdürftig verhängt, ein schmaler Lichtstreifen zwängte sich durch. An der Wand rechts neben dem Bett stand ein Turm gestapelter Blechkisten. Die Wände waren schon lange nicht mehr frisch gestrichen worden, überall war Farbe abgeblättert und unterhalb des Blechdachs, das ebenfalls den einen oder anderen Lichtstrahl durchließ, hingen Spinnweben. Gleich neben der Tür stand der Canari, ein bauchiges Tongefäß, das Trinkwasser enthielt.

Madous Gedanken schweiften zurück zu diesem Amerikaner. Ein freundlicher Typ. Sogar Trinkgeld hatte er ihm gegeben. Amerika! Da müsste man hin. Da könnte man Geld verdienen! Da hätte man ein besseres Leben und eine Zukunft, nicht wie hier in dieser elenden Großstadt. Jetzt übertrieb er ein wenig - tatsächlich hatte er es nicht so schlecht getroffen. Im vorderen Teil der Hütte, die er mit der schönen Fatu bewohnte, befand sich immerhin eine kleine Mechanikerwerkstatt, die ihnen, zusammen mit den gelegentlichen Taxifahrten, zumindest das tägliche Überleben sicherte.

„Was wirst du machen die drei Wochen ohne mich?“ Ließ sich Fatu vernehmen.

„Ich werde zurecht kommen. Und mit dem Geld, das du verdienst, können wir das Dach ausbessern. So eine Regenzeit wie die letzte möchte ich nicht noch einmal erleben.“

Während der vergangenen Regenperiode hatte es in die Hütte und sogar in das Ehebett geregnet. Es war kein Geld für Reparaturen da gewesen, Madou hatte mehr recht als schlecht versucht, die schlimmsten Löcher mit Blechresten, die er irgendwo aufgelesen hatte, zu stopfen.

„Bitte doch deine Mutter herzukommen. Sie könnte für dich kochen.“

„Vielleicht.“

„Du wirst dir doch keine Freundin nehmen?“ Das schien ihre größte Angst zu sein. Dabei hätte er das Recht, sich nicht nur Freundinnen zuzulegen, sondern auch noch drei weitere Ehefrauen, was bisher allerdings am Mangel an materiellen Mitteln gescheitert war, selbst wenn er es gewollt hätte. So einfach war das nämlich nicht. Heiraten, ja, das ginge gerade noch, aber dann: Eine Hütte für jede Frau, bekommt eine einen Stoff, müssen die anderen gleichermaßen beschenkt werden. Gut, man könnte mit vier Frauen Sex haben, aber wozu? Fatu war willig, sie hatte sich bisher noch kein einziges Mal verweigert.

Das war darauf zurückzuführen, dass Fatu gar nicht auf die Idee gekommen wäre, sich zu verweigern. Sex gehörte nun mal zum Eheleben und war eine Einrichtung, die hauptsächlich den Männern zugute kam, denn Fatu war beschnitten. Ihr und allen anderen Frauen aus ihrem Bekanntenkreis war im Alter von 6 Jahren die Klitoris entfernt worden, um sie zu richtigen Frauen zu machen.

Sie erinnerte sich noch gut an den Tag ihrer Beschneidung und an die Schmerzen. Noch jetzt, viele Jahre danach - wieviele? 13? - kroch die Panik in ihr hoch, so wie damals, als diese Frau auf sie zukam - nein, nicht dran denken! - es ist vorbei, Vergangenheit. Vor ihr lagen drei Wochen Zukunft: Sie hatte Arbeit gefunden, bei Tubabs, am anderen Ende der Stadt. Für Weiße zu arbeiten brachte Geld, Weiße waren reich und zahlten gut, das wusste sie von anderen, die diese Chance schon gehabt hatten.

Drei Wochen lang würde sie für viele Tubabs kochen. Nicht allein, das wäre gar nicht zu schaffen! Sie würden ein Küchenteam bilden, sie und ihre Freundinnen. Jetzt war sie froh, dass sie Maimona kannte, obwohl sie sie gar nicht so gerne mochte. Maimona war um einiges älter als Fatu und Fatus Empfinden nach eine Angeberin. Immer musste sie Recht haben, ließ keine andere Meinung zu und konnte mit ihrer lauten Stimme jede Erwiderung niederschreien. Da musste sie noch gar nicht brüllen, da reichte schon ihre normale Lautstärke. Weil Fatu eher schüchtern und harmoniebedürftig war, hatte sie sich von Maimona alles gefallen lassen, eine kluge Taktik, wie sich jetzt herausstellte. Falls man überhaupt von Taktik sprechen konnte, das würde ja eine Wahlmöglichkeit voraussetzen, und davon konnte bei Fatu keine Rede sein.

Lärm vor der Hütte. Madou sprang auf, zog sich schnell seine Hose an und riss die Tür weit auf, während Fatu hektisch das Leintuch über ihren nackten Körper zog. Sie dachte: Das macht er nur, damit alle Bescheid wissen. Dass er ein Mann ist und eine Frau zum Vögeln hat. Aber so sind die Männer nun mal. Vielleicht nicht alle. Aber alle, die sie kannte. Was sind das für Gedanken, Fatu? Es war nicht gut, so zu denken, das wusste sie wohl. Trotzdem.

Sie schob das Moskitonetz zur Seite und während sie aufstand, spürte sie, wie Madous Sperma aus ihr rausrann. Hoffentlich hat es diesmal geklappt. Seit einem Jahr war sie mit ihm verheiratet und noch immer nicht schwanger. Irgend etwas stimmte mit ihr nicht. Erst letzte Woche war sie bei der alten Fatim in Jikoroni gewesen, schon zum dritten Mal. Jedes Mal musste sie ihr ein schwarzes Huhn bringen, das die Alte dann unter Beschwörungen köpfte und danach selber aß. Der einzige Bauch, der dabei anschwoll, war der von Fatim. Fatu wickelte sich ein Tuch um ihren Körper und ging nach draußen in die brütende Hitze.

Madou und zwei ihr unbekannte Männer beugten sich über den Motorraum eines alten und ziemlich verrosteten Autos und fachsimpelten.

„Aw ni wula”, murmelte sie, „here klena”, antworteten die Männer. „Nse here tron”, antwortete Fatu, „mbah”, die Männer.

Madou ging in die spärlich ausgestattete Werkstatt und kam mit einigen Schraubenschlüsseln zurück, hantierte im Motorraum herum, nickte zufrieden, setzte sich hinter das Lenkrad und ließ den Motor an, der prompt zu brummen begann.

Fatu gähnte. Träge musterte sie die Szene.

In der Nähe pickten ein paar Hühner im verdorrten Gras herum auf der Suche nach Essbarem, einige Ziegen etwas weiter entfernt verfolgten das gleiche Ziel. Müll, soweit das Auge reichte. Die ganze flache Landschaft, in der kaum ein Baum Schatten spendete, war mit rosafarbenen, hellblauen oder weißen Plastiksäcken übersät. Die nächste Hütte war mindestens hundert Meter entfernt. Um in die Stadt zu kommen, musste man ein Duruduruni nehmen, in welches man sich gerade noch zwischen die auf einer mit seitlich angebrachten Sitzbänken versehenen Ladefläche eng aneinander gepressten Fahrgäste quetschen konnte, falls es überhaupt möglich war, über die in der Mitte angehäuften Hühner, Getreidesäcke und Riesenschüsseln mit Gemüse aller Art zu klettern.

Dasselbe Dilemma retour. Nicht nur einmal war es Fatu passiert, dass sie die Erste am Duruduruni gewesen war und trotzdem keinen Platz mehr bekommen hatte, weil Andere, im beinharten Konkurrenzkampf Geübtere, sie einfach vom Einstieg weggestoßen hatten.

Die Männer zahlten, schüttelten Madou die Hand, stiegen in ihre klapprige Kiste, fuhren auf die Ausfallstraße Richtung Segu und ließen Madou und Fatu in eine Staubwolke gehüllt zurück.

Fatu betrachtete ihren Mann. Wieder einmal stellte sie fest, dass er ihr gefiel, trotz der wulstigen Narbe, die sich von der Mitte seiner Stirn bis unter das Jochbein zog - ein Arbeitsunfall, der ihn das linke Auge hätte kosten können, eine zufallende Motorhaube, ein Moment der Unaufmerksamkeit, noch einmal zumindest so gut ausgegangen, dass die Sehkraft erhalten blieb, wenngleich er das Auge nicht mehr ganz öffnen konnte. Sie mochte seinen muskulösen Körper, seine glänzende schwarze Haut, den warmen Geruch seiner Haare. Wenn er nur nicht so verschlossen wäre. Manchmal hatte sie das Gefühl, mit einem Fremden zusammen zu leben. Sie wusste, dass er schon einmal verheiratet gewesen und seine erste Frau gestorben war, aber er sprach nie darüber. Zaghafte Fragen ihrerseits wimmelte er unwirsch ab. Das ist Vergangenheit, sagte er.

„Wann musst du dort sein?“ Er setzte sich neben sie.

„Heute Abend.“

„Wirst du abgeholt?“

„Wir treffen uns alle bei Maimona, von dort holt uns ein Bus ab.“

Madou, der sich nicht für Fatus Freundinnen interessierte, kannte weder Maimona noch die anderen persönlich, nur aus Fatus Erzählungen, die ihm bei einem Ohr rein und beim anderen wieder raus gingen.

„Ah. Gut.“

Sie legte die Arme um ihn. „Du wirst mir fehlen....“

Geistesabwesend streichelte er ihren Rücken.

Zum wiederholten Mal fragte sie sich, welche Gefühle ihr dieser Mann entgegenbrachte. Er hat sie schließlich geheiratet, aber liebte er sie? Sie konnte die unsichtbare Mauer, die er um sich errichtet hatte, nicht durchdringen.

„Frag doch deine Mutter, ob sie zu dir zieht für die drei Wochen”, schlug sie noch einmal vor.

„Geh mir nicht auf die Nerven”, sagte er und stand auf. „Ich muss weg. Wahrscheinlich komme ich erst nachts nach Hause. Wir treffen uns in einer Woche auf dem Markt, dann kannst du mir das Geld geben. Wenn du schon früher bezahlt wirst, ruf mich an.“

Er hatte ihr für diesen Job ein altes Handy und eine Simkarte besorgt - beides wollte er danach wieder verkaufen.

Er streckte sich, ging zum Taxi, als dessen Besitzer er sich während der Fahrten fühlte, obwohl es ihm nicht gehörte. Es war alt und rostig, aber dank seiner Pflege zumindest sauber.

„Das Taxi ist ihm wichtiger als ich”, dachte Fatu traurig, als er wegfuhr.

Sie ging zurück in die Hütte, um ihre Sachen zu packen. Viel war es nicht, was sie aus der Metalltruhe im hinteren Zimmer nahm und auf ein ausgebreitetes Tuch legte: Drei T-Shirts, einige Tücher, die je nach Bedarf um die Hüften oder den Kopf gewickelt wurden, Unterwäsche, ein paar billige Armreifen, die wenigen Kosmetika, die sie besaß, ein Paar Sandalen mit Absätzen und - sie zögerte, war sich nicht sicher, ob sie ihren schönen türkisen Bubu aus Baumwolldamast, ihr einziges festliches Kleidungsstück, mitnehmen sollte, befürchtete, dass Madou damit nicht einverstanden wäre, möglicherweise würde er ihr vorwerfen, damit den weißen Männern gefallen zu wollen...... fast trotzig legte sie ihn dazu. Warum sollte sie sich nicht hübsch machen bei den Weißen? Und überhaupt - wer wusste denn schon, was Madou währenddessen trieb? Nicht einmal seine Mutter wollte er zu sich holen, obwohl die jeden Tag für ihn kochen würde.

Fatu wanderte mit ihrem Bündel zu der fast einen Kilometer weit entfernten Bushaltestelle, setzte sich dort in den Schatten des einzigen Baums weit und breit und wartete auf das Duruduruni.

Aus dem Rhythmus

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