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Der Mann mit den zwei Gesichtern

New York, eine Woche früher

»Wir brauchen Beweise, mein Freund. B e w e i s e. Und genau die werden Sie mir beschaffen«. Der Mann hinter dem großen Mahagoni-Schreibtisch sah sein Gegenüber ernst an.

Benjamin Franklin Truman, seines Zeichens nicht mehr ganz frischgebackener Reporter, war umstandslos in das Büro des Chefredakteurs beim Daily New Yorker zitiert worden, nachdem der den Entwurf für seinen neuesten Artikel gelesen hatte.

Es war ein beeindruckendes Büro. Die Größe entsprach in etwa der von Bens gesamtem Apartment, neben dem raumfüllenden Mahagoni-Schreibtisch befand sich ein gemütlich aussehendes Ledersofa mit zwei dazu passenden Sesseln darin.

An der Wand neben dem Fenster stand einer dieser Globen, deren Inneres vor der Prohibition wohl Hochprozentiges enthalten hatte. Die Wände, waren über und über mit Bildern gefüllt, die den Chef der Zeitung, den berühmten Hutchinson Hatch mit unzähligen Prominenten auf allen fünf Kontinenten zeigten.

Malcolm O’Brian, Chefredakteur aus Leidenschaft, erhob sich und sah seinen Reporter an.

»Irgendwas ist faul an der Fluglinie, das sagen mir meine Knochen. Gilt auch für diesen Russel Barker, den Besitzer. Aber ohne was Handfestes können wir nichts drucken, das wissen Sie doch, Ben. Wir können im Daily New Yorker nicht einfach wilde Behauptungen auf­stellen, wir brauchen Fakten!«

»Aber ...«, mehr brachte Ben nicht heraus, dann übernahm schon wieder sein Chefredakteur.

»Kein ›aber‹ mein Lieber. Echte Knüller findet man nicht am Schreibtisch. Man geht an den Schauplatz des Verbrechens. Nehmen Sie sich den Chef zum Vorbild, junger Mann. Seine wahnsinnigsten Stories hat er höchstpersönlich recherchiert und dabei kein Risiko gescheut. Also raus mit Ihnen, sage ich. Finden Sie Beweise und bringen Sie mir eine echte Story!«

»Mister O’Brian, ich habe schon eine Idee, wie ich vielleicht ...«

Wieder wurde der Reporter mitten im Satz unterbrochen. »Gloria hat mir berichtet, was sie wollten. Aber ich habe eine bessere Idee.« Der Chefredakteur legte schwungvoll ein Ticket und einen braunen Briefumschlag auf den Tisch.

»Einmal erster Klasse San Francisco – Berlin. Bitte schön. Und etwas für die Spesen noch dazu. Bedanken Sie sich beim Schicksal für die Gästeliste auf diesem Flug. Oder besser noch bei Gloria, meiner Sekretärin. Schließlich hat sie mich überredet, Ihnen dieses Ticket zu geben.«

Ben sah ihn leicht verwirrt an. »Wie meinen Sie das, dem Schicksal für die Gästeliste danken?«

»Tja«, knurrte O’Brian misslaunig, »da sind ziemlich bekannte Leute drauf. Ein echter Volltreffer für jeden Journalisten an Bord. Nur, dass eigentlich keine zugelassen sind. Wegen der Privatsphäre der Gäste. Pah.«

Er holte eine Zigarette aus einem kleinen Silberkästchen auf seinem Schreibtisch und steckte sie in den Mundwinkel ohne sie anzuzünden. Dann hielt er Ben ein Stück Papier hin.

»Hat schon einen Spitznamen, dieser Flug, weil die einen ganzen Haufen übernatürlicher Promis an Bord haben.«

Ben warf einen Blick auf die Liste in seiner Hand. Tatsächlich, die Autoren von diesen wissenschaftlichen Büchern zur Geisterauffindung, die Cabes, standen darauf. Ein Medium. Ein Zauberer. Interessante Mischung, dachte Ben.

»Und was hat das jetzt mit meinem Verdacht zu tun, dass irgendwer an Bord krumme Geschäfte macht?«

»Nichts. Aber wenn es gut läuft, kommen Sie mit zwei Riesenknüllern nach Hause: dem Tatsachenbericht über die Fahrt auf dem Geisterzeppelin und einer Story über die Fluglinie. Und die Geistergeschichte ist der Grund, warum ich die Spesen durchgekriegt habe. Das hat Hatch besonders gut gefallen.«

O’Brian lehnte sich zurück und faltete die Hände über seiner gut ausgefüllten grauen Weste.

Der Reporter sah seinen Chefredakteur nachdenklich an. Das war wirklich die Chance seines Lebens. Und wenn der Chefredakteur sagte, dass da ein Knüller drinsteckt, dann hatte er in der Regel auch Recht. Der Mann war gut, das musste man ihm lassen. Er hatte so einige große Stories geschrieben zu seiner Zeit als Reporter. Na ja, dachte er, er hat ja auch beim Chef persönlich gelernt.

»Na los, Ben, gehen Sie an Bord, rütteln sie an ein paar festen Gewissheiten und bringen sie ein wenig Leben in die Bude.« O’Brian kaute an der Zigarette in seinem Mundwinkel herum.

Ben nickt. »Geht in Ordnung, Chef. Was ist denn offiziell mein Auftrag?«

»Kein Auftrag. Sie sind offiziell nicht für uns unterwegs, sondern Geschäftsmann. Am besten irgendwas Vages wie Einkauf oder so. Wir sollten es nicht unnötig kompliziert machen.« Das sonst so ernste Gesicht des Chefredakteurs erhellte sich mit einem jungenhaften Grinsen. »Die Buchhaltung wird das hassen.«

Irgendwann, dachte Ben, muss ich mich mal mit dem Alten unterhalten. Wenn ich zurück bin und die Story veröffentlicht ist, trinke ich einen Whisky mit ihm und frage ihn nach seinen eigenen Abenteuern.

O’Brian fuhr fort: »Egal was Sie machen, Ben, kommen Sie gefälligst mit einem Knüller zurück! Einem, den Sie auch beweisen können. Und jetzt legen Sie los. Ich bin mit Hatch zum Mittagessen verabredet. Kann es einfach nicht lassen, sich einzumischen.«

Mit diesen Worten erhob sich der Chefredakteur schwungvoll von seinem Stuhl und hielt Ben zum Abschied die Hand hin. »Viel Glück, Truman.«

»Glück brauche ich dafür nicht, Chef. Geben Sie Gloria ein Küsschen von mir.«

»Übertreiben Sie es nicht, Truman.«

Mord im Zeppelin

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