Читать книгу Hauptkommissar Langhoff - Ulrich Albaum Franz - Страница 4
Оглавление2 In einer Spelunke
Während die Kommissare auf den Weg nach Bernau waren, trafen sich einige Männer in einer alten, kaum besuchten Kneipe irgendwo in Berlin. Mehrere Motorräder standen davor, deren Fahrer es sich in der Kaschemme bequem machten. Ein Kellner brachte die gewünschten Speisen, aber auch bei dieser frühen Tageszeit, alkoholische Getränke.
Ein muskulöser Mann mit einem für dessen Statur viel zu kleinen Kopf, fragte sein Gegenüber der an einem Glas nippte: „Und, alles gestern klargegangen?“
„Keine Sorge Atze“, antwortete ein Mann mit langem ungepflegten Bart. „Alles so abgelaufen, wie du es uns aufgetragen hast. Wir haben da so viele Spuren aus allen Richtungen hingelegt, da weiß niemand mehr, welche wohin gehört.“
„Will ich doch hoffen, hab doch extra euch dafür ausgesucht. Dass ich da nicht selbst dabei sein konnte, versteht ihr doch Jungs? Habt ihr das Russenweib versenkt?“
„Hätten wir am liebsten“, meldete sich ein Anderer mit einer langen Narbe im Gesicht. „Gegen meine Ansicht uns so zu verraten, befolgten wir deinen Befehl, Atze. Ich sage dir ganz ehrlich, nur widerwillig. Aber du sagst Russin zu deiner Freundin, die war doch auch Deutsche und Amerikanerin …“
„Das geht dich nichts an, stell nie wieder solche privaten Fragen, verstanden!“, unterbrach ihn der mit Atze angesprochene gereizt. Am liebsten hätte der mit der Narbe darauf eine passende Antwort gegeben, doch verkniff der sich das jetzt mit geballten Fäusten.
„Aber warum musste Vera sterben“, fragte ein Blonder, „ihr ward doch ein tolles Paar?“
„Schon vergessen, Vera wollte aussteigen und uns ans Messer liefern! Die hat doch schon in Hamburg herumgezickt, schon vergessen?“
„Aber warum sollte ich ihr dann auch noch diesen blöden Brief unter den Kopf legen?“
„Streng doch mal deinen Kopf etwas an, oder versteht dein Spatzenhirn meinen Plan nicht?“ Doch da musste der Mann, der mit Atze angesprochen wurde sein Gegenüber unterschätzt haben. Der hielt plötzlich einen Colt in der Hand und drohte: „Nenn mich nie wieder Spatzenhirn, sonst blas ich dir …!“ Noch bevor der Mann ausgesprochen hatte, traf ihn eine Faust am Kinn und dessen Colt flog durch den spärlich beleuchteten Raum. Viel zu klein waren die zwei Fenster um den großen Raum auszuleuchten. Zwei von der Decke herab hängenden Lampen mit zu schwachen Birnen, gaben der Kneipe wohl ihren Spitznahmen, Kaschemme.
Etwas benommen versuchte der Blonde seine Waffe vom Boden aufzuheben. Doch der Fuß des Mannes mit dem langen Bart stand darauf und sah ihn herausfordernd an. Auch die anderen Gangmitglieder standen daneben und verstanden den Ausraster des Blonden Partners nicht.
„Äh, was ist, wir sind doch eine Klicke? Gib mir meine Waffe zurück!“ Ganz langsam nahm der Langbärtige den Fuß von dem Colt und meinte: „Solche Späße machst du aber nie wieder, nie!“
Den Colt einsteckend fragte der Blonde: „Was wollt ihr, hat nicht jeder von euch schon mal falsch reagiert? Tut mir leid, Sorry! Auch wenn ihr mich für blöd haltet, vergesst eines nicht, war ich nicht immer für euch da?“
„Deine Fehler häufen sich, mein Freund! Ist alles am See so abgelaufen, wie ich es euch sagte?“, fragte der Mann, der mit Atze angesprochen wurde misstrauisch nochmals.
„Ja, wenn ich es dir doch sagte! Doch verstehe ich nicht den Brief, den ich der Toten unter dem Kopf legen sollte. Der verrät uns doch!“
„Sind wir Erpresser?“, fragte der zurück. „Wer auch die Tote findet, wird niemals an uns, einer harmlosen Motorradgang denken! Hoffe nur, dass keiner von euch da draußen Tintenspuren zurückgelassen hat. Die könnten uns dann doch verraten.“
„So ein Blödsinn!“, meinte der mit der Narbe. „Der Brief, den wir Vera unter den Kopf legen sollten, ist doch mit Tinte geschrieben, der kann uns verraten!“
„Hm …“, überlegte der Mann namens Atze, „hab da wohl doch einen Fehler gemacht. Da wir immer alles mit Tinte machen, hab ich da nicht weiter drüber nachgedacht, Sorry!“
„Ach, siehst du das jetzt auch ein? Ist jetzt wohl ein bisschen zuspät. Hätten wir die beschwert und in den See geworfen, müssten wir uns auch in der nächsten Zeit keine Sogen machen, entdeckt zu werden.“ Ein langes, betroffenes Schweigen herrschte in der ungemütlichen Gastlichkeit. Atze, der scheinbar der Anführer der Gang war, versuchte seine Komplizen zu beruhigen: „Na schön, hab da einen Fehler gemacht. Aber dafür hatte ich meine Gründe. Aber wenn ihr wirklich so viele Spuren gelegt habt wie ihr sagtet, hat keiner etwas zu befürchten.“
„Ich hab dir doch gleich gesagt, das mit dem Zettel ist ein Fehler! Was für ein Grund könnte es sein, uns alle damit ans Messer zu liefern?“, fragte der mit der Narbe dennoch nachdenklich.
„Keinen von euch liefere ich ans Messer, solange ihr meine Befehle befolgt! Auch wenn ich zugeben muss, das mit dem Zettel war falsch. Aber wenn ihr mir an den Wagen pissen wollt, möchte ich wissen, wer das blöde Schwein war, der heute Morgen einen Brief in das Polizeipräsidium warf. Nur einer von euch kann das gewesen sein!“
„Willst du sagen Atze, einer von uns will die Gang auffliegen lassen? Kann ich nicht glauben. Leute, macht das Maul auf und sagt, wer diesen Schwachsinn zu verantworten hat! Kann sich doch jeder denken, dass die Bullen es herausfinden wer den Brief geschickt hat. War der etwa explosiv?“
„Keine Sorge Jungs“, meldete sich der mit der Narbe, „ich hab den Brief durch das Fester des Reviers geworfen. Mit Kugelschreiber schrieb ich darauf, eine fremde Gang würde uns bedrohen.“
„Mann, du bist ja noch blöder als das blonde Spatzenhirn! Wir können nur hoffen, dass man dich nicht sah und keiner sich dein Nummernschild gemerkt hat!“
„Nee Atze, hab ein geklautes angeklebt. Auch kann keiner von den Bullen meine Fingerabdrücke darauf feststellen, hab Handschuhe an gehabt. Wollte doch nur die Bullen in die Irre führen, niemand sollte uns verdächtigen, Vera getötet zu haben.“
„Hoffe, dass es dir wirklich gelungen ist. Warum ich Vera töten musste, solltet ihr verstehen, die war eine Gefahr für uns alle!“
„Du musstest Vera töten?“, höhnte der mit dem ungepflegten Bart spöttisch. „Die Drecksarbeit mussten wir doch machen, während du mit deinem Italiener protzend durch die Gegend gefahren bist!“
„Red leiser, oder willst du das uns jemand hört!“, brummte Atze dem Bärtigen zu. „Und das ich nur so mit dem Wagen durch die Gegend gefahren bin, glaubst auch bloß du! Was meinst du wohl, woher die Knete kommt, von der ihr eure Karren bezahlt und gut leben könnt, … hm? Da bleibt euch das Maul offen stehen, … was!“
Für kurze Zeit wurde es ruhig in dem schummrig beleuchteten Raum. Atzes Worte schienen Wirkung zu zeigen, denn wortlos aß man weiter. Doch plötzlich fuhr das Narbengesicht den Inhaber der Kneipe an: „Dein Essen wird auch immer schlechter! Wenn das nicht bald besser wird, kommen wir nicht mehr zu dir.“
„Dann sag mir, wo ich das Geld für eine neue Küche hernehmen soll? Mit dem alten Zeug, kann ich euch nichts Besseres bieten!“
„Nur eine neue Küche? Ich glaub, hier sollte am Besten alles erneuert werden, wenn du Gäste anlocken willst!“
Für einen Moment wurde es wieder ruhig, nur der Mann, den jeder Atze nannte raunte dem Bärtigen mit ungepflegten Bart zu: „Was meinst du, sollten wir dem nicht das Geld dazu geben?“
„Und warum? Wir sind doch nicht von der Heilsarmee!“, war dessen Antwort. Dabei seinen Gefährten mit dem Finger zu sich winkend, steckten die ihre Köpfe zusammen. Leise raunte Atze seinen Männer zu: „Stellt euch doch nur einmal vor, die Kneipe läuft plötzlich. Was meint ihr, wäre dann da rauszuholen?“
„Und“, raunte ein Anderer zurück, „wir hätten ein Sicheres zuhause. Denn der Kneipier würde sich hüten uns zu verraten.“ Jeder in der Runde nickte zustimmend mit dem Kopf und der Plan war beschlossen. Ob man aber an den Einnahmen oder durch Schutzgeldzahlungen zu Geld kommen wollte, darüber wurde, obwohl es jeder wusste, nicht gesprochen.
Den Kellner an den Tisch rufend, fragte der Anführer der Gang: „Wer ist denn hier bei euch der Chef? Auch wenn wir schon ein Weilchen deine Stammgäste sind, konnten wir das noch nicht herausfinden. Nur das dein Familienname Jacobs ist.“
„Ja, wieso fragst du mich das? Ich bin der Chef, wenn du dich beschweren willst, dann tu es!“, war die unerschrockene Antwort.
„Und warum sagst du das nicht gleich? Pass auf, wir haben die Absicht dir zu helfen. Du hast eben gesagt, du benötigst für bessere Speisen eine neue Küche, willst du nicht besser alles erneuern? Über- lege dir mal, wie viele Gäste du mehr haben könntest, wenn hier alles neu ist?“ Der Inhaber dieser fast verwahrlosten Kneipe sah sich um und musste dem Mann Recht geben. Irgendwie fand er dessen Idee mit der Erneuerung nicht schlecht.
„Und woher soll ich das Geld zum Renovieren und für die ganzen Geräte dafür nehmen?“, fragte der Kneipier daher: „Das Bisschen, was ich an euch verdiene, reicht doch eh schon hinten und vorne nicht. Davon können wir uns gerade mal das nötigste zum Leben leisten. Zum Sparen bleibt da nichts!“
„Ich geb dir zehn Minuten Zeit, dann sagst du uns, was das alles Kosten würde! Ab in dein Büro und rechne richtig!“
„Da muss ich nicht lange überlegen. Allein die Renovierung der Küche, die neu gefliest werden muss und neue, bessere Geräte würden mich mehr als zehntausend Euro kosten. Die Instandsetzung der Toiletten und des Gastraumes bestimmt nochmal so viel. Von den paar Kröten die ich verdiene, nicht zu bezahlen.“ Aber der anscheinende Chef der Gang ließ sich von Jacobs Worten nicht beeindrucken. „Also rund zwanzigtausend Euro, wie viel davon kannst du aufbringen?“
„Nicht viel, aber da muss ich erst mit meinem Kellner sprechen. Vielleicht will der mein Partner werden und legt da etwas drauf?“
„Ist der da?“ fragte der Anführer der Gang. Als der Angesprochene nickte, forderte er Jacobs auf: „Dann setzt dich mit dem zusammen und besprich dich mit ihm!“ Der Chef der Kaschemme ging in die Küche und besprach sich mit seinem Kellner.
Als der den Vorschlag hörte, war der begeistert. „Endlich wieder richtigen Gästeverkehr, wie oft habe ich mir das schon gewünscht! Aber wie willst du das alles finanzieren?“ Nach kurzem Zusammenrechnen, was man doch beisteuern könnte, kehrte Jacobs zu den wartenden Männern zurück.
„Wie wir es auch drehen“, meinte Jacobs enttäuscht, „mehr als fünftausend Euro bekommen wir beide nicht zusammen.“
„Na, das ist doch schon mal ein Anfang! Wenn jeder von euch einen Kredit von zweitausendfünfhundert Euro aufnimmt, geben wir den Rest dazu. Also zehntausend, dann habt ihr eure neue Kneipe!“
„Das hört sich alles sehr gut an, aber was ist der Preis für eure Hilfe?“, fragte Jacobs, wissend das die nicht umsonst hier ihr Geld reinstecken werden.
„Gut, das du mich daran erinnerst, dass Wichtigste bei einem solchen Vertrag solltet ihr beide euch merken, Schnauze halten! Nichts von dem was wir uns hier besprechen, geht euch was an. Einfach nicht hinhören, ist dann schon die halbe Miete. Vielleicht, wenn alles gut läuft, ein geringes Endgeld für den Schutz deiner Gastwirtschaft!“ Jacobs erschrak, was das hieß, konnte er sich denken. Ohne Umschweif antwortete er: „Verzeiht, aber da muss ich mich erst mit meinem zukünftigen Partner beraten, denn der muss dann ja auch zustimmen!“
„Tu das“, antwortete der Bärtige. „Aber sage dem auch, wenn der nicht auf unseren Deal eingeht, kommen auch wir nicht mehr! Denk daran wie es war, bevor wir kamen. Ohne uns würdet ihr beide schon längst auf dem Arbeitsamt sitzen und um Hartz IV betteln!“
„Wie es auf dem Arbeitsmarkt aussieht, das muss ich dir ja nicht erst erzählen“, bestätigte Atze grinsend mit Nachdruck. Aber das musste ihm der Gangsterboss nicht erst unter die Nase reiben, jeder kannte die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Daher war es auch nicht verwunderlich, als Jacobs mit seinem Kellner zurückkam und den Plan, wenn auch widerwillig, annahm.
„Wenn wir das machen, möchte ich einen Vertrag haben, der die Höhe eurer Forderung festlegt. Sonst könnt ihr doch mit uns machen was ihr wollt und jedes Mal mehr verlangen!“
„Was willst du?“, lachte der vermutliche Gangsterboss. „Einen Vertrag, wie lange kennen wir uns schon?“ Seine Hand dem Besitzer der Kaschemme reichend, meinte der grinsend: „Schlag ein und der Deal ist perfekt!“ Jacobs zukünftiger Partner aber warnte: „Ohne Vertrag sind wir euch hilflos ausgeliefert, da mach ich nicht mit!“
Grölend warfen jetzt die Männer ihre Gläser in das einzig Wertvolle der Kneipe, dem Glasschrank. Der mit der Narbe im Gesicht packte den Kellner an der Gurgel und schrie den an: „Kein Problem mein Junge, wir bekommen auch so was wir wollen. Denk mal an die Tochter …“ weiter kam der Mann nicht, den ein Fausthieb beendete dessen Faseleien. „Noch ein Wort weiter und du landest auch da, wo du gestern warst!“
Jacobs und sein Kellner rannten in die Küche und überlegten die Polizei zu rufen. Genau so schnell war auch der Mann namens Atze bei ihnen und riss das Telefonkabel aus der Wand. „Womit haben wir das verdient?“, schrie der beide an. „Unser Streit sollte euch nicht berühren, das ist eine Sache zwischen mir und meinen Männern.“ Und sich an den Besitzer der Kneipe wendend: „Schlag auf meinen Vorschlag ein oder lass es bleiben. Meine Freunde und ich, sehen mit Freuden zu, wie gut ihr zwei von Hartz IV lebt.“
Einen Augenblick wartete der Gangsterboss noch. Doch da die Zwei sich unschlüssig ansahen, stand der Mann, den alle Atze nannten auf und ging zur Tür: „Kommt Jungs, das die hier keinen Fuß vor den andern kriegen, dafür werden wir sorgen.“ Damit verließ die Bande ohne bezahlt zu haben, die dunkle Gaststätte.
Kaum das die Ganoven auf der Straße standen, wollte der Kellner die zurückholen. Nur der Inhaber der Kneipe hielt ihn fest und hatte plötzlich Skrupel. „Sollen wir uns erpressen lassen, du weißt, wie das ausgehen kann!“
„Die machen uns kaputt, wenn wir nicht darauf eingehen! So ich richtig verstanden habe, redete einer der Banditen von deiner Tochter. Wir haben keine andere Wahl, schlag ein, auch ohne Vertrag! Wer weiß, was die sonst noch gegen uns planen?“
Da sich der Besitzer Herr Jacobs diese bange Frage jetzt auch stellte, willigte er ein. Vor die Tür laufend, wo die Gang schon ihre Motorräder angeworfen hatte, bat er die zum Abschluss des Vertrages noch einmal mit rein zukommen. Die aber blieben hart, sie wussten wie man jemand ins Wanken bringt.
„Keine Zeit, ein Handschlag und die Sache ist gegessen!“, dabei sah der Angesprochene grinsend seine Gefährten an. „Ach noch eins, das was wir euch heute schuldig geblieben sind, zieht uns vom Darlehen ab!“ Ohne weitere Worte verschwand die Bande und ließen den Kneipje mit seinem neuen Partner zurück.
Zurück in der Kneipe, überlegten beide was jetzt zu tun wäre. Aus Frust über die demolierten Sachen goss man sich einen Schnaps nach dem anderen ein. Beide begriffen worauf man sich eingelassen hatte und hofften, dass der Kleinköpfige seine Wort hielt und ihnen das Geld für die Renovierung auch geben wird.
Nur der Besitzer, Herr Jacobs fragte sich, was der Blonde mit seinen Worten ‚denk an die Tochter‘ meinte?