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Wenn ich an Altenheim denke…
ОглавлениеVorstellungen, Meinungen, Erfahrungen
Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an ein Altenheim denken? Welche Bilder tauchen in Ihnen auf?
Ich frage jüngere Menschen nach ihren Eindrücken und Vorstellungen:
Mit der Schulklasse waren wir schon einmal in einem Altenheim. Dort war alles ziemlich altmodisch, die Möbel und so. Da saßen die alten Leute herum. Ich glaube, die waren alle ein bisschen vergesslich. Und es hat gemüffelt.
Schüler, 13 Jahre
Altenheim, das ist Abschiebung, Siechtum, Verfall, Endstation, Hoffnungslosigkeit.
Ich kann mir nicht vorstellen, irgendwann einmal in einem Altenheim zu landen und als „großes Kind“ behandelt zu werden. Das entspricht nicht meiner Lebensphilosophie.
Künstler, 56 Jahre
Ich kenne ein Altenheim, das ist hervorragend ausgestattet. Da hat man einen Garten angelegt, in dem sich die alten Menschen frei bewegen können. Er ist abgeschlossen. Die Wege sind eben, also für Rollstuhlfahrer gut befahrbar. Überall sind Handläufe angebracht, so dass Gehbehinderte Halt finden. Es gibt viele Bänke und Sitzgruppen. Wirklich eine tolle Anlage. Auch der Innerbereich wirkt freundlich und hell. Ich denke, die Heimbewohner fühlen sich dort sehr wohl. Leider sind nicht alle Heime so gut ausgestattet, aber vielleicht mehr als wir glauben.
Lehrer, 62 Jahre
Für mich wäre das Altenheim die letzte Möglichkeit, wenn gar nichts mehr geht. Die Heime, die ich kennen gelernt habe, machen den Eindruck einer „Aufbewahrungsanstalt“ für alte Menschen. Da geht die Möglichkeit verloren, ein Individuum zu bleiben. Ich möchte nicht nur „sauber-satt“ sein. Der Mensch hat noch mehr Bedürfnisse.
Krankenschwester, 44 Jahre
Altenheim? Ne, kann ich mir für mich nicht vorstellen. Dann doch lieber gleich auf den Friedhof.
Rentnerin, 66 Jahre
Was fällt mir ein? Es ist der letzte Lebensabschnitt für die Heiminsassen. Ich frage mich nur, ob da ein menschenwürdiges Leben möglich ist.
Meine Tochter hat einmal in einer Pflegeeinrichtung gearbeitet. Der Stress war ihr zu groß. Sie hatte darunter gelitten, dass für die Betreuung der alten Menschen so wenig Zeit zur Verfügung stand. Manchmal wäre es so wichtig gewesen, sich ans Bett zu setzen, zuzuhören, über die Sorgen zu reden. Dann wäre aber die Arbeit nicht zu schaffen gewesen. Es ist schon traurig, dass heutzutage nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen, sondern der Profit im Mittelpunkt steht.
Angestellte, 52 Jahre
Mit dem Begriff „Altenheim“ werden heute überwiegend kritische Einschätzungen und Überzeugungen verbunden. Die Wahrnehmungen der Defizite, die den Pflegeeinrichtungen in zurückliegender Zeit anhafteten oder auch heute noch anhaften, sind für die Meinungsbildung prägend gewesen. Ein Altenheim ist kein Wohlfühlort. Da sind lange Gänge, unpersönliche und spärlich eingerichtete Zimmer, große Aufenthalträume, klebrige Stühle, unangenehme Gerüche, gestresstes Pflegepersonal, verwirrte alte Menschen auf der Suche nach dem eigenen Zimmer. Da fehlt es an Gemütlichkeit und Leichtigkeit. Da kommt es zu skurrilen Begegnungen. Da gibt es Langeweile, Verdrossenheit, Siechtum, Warten auf ein gnädiges Ende. Diese Eindrücke sind Teil einer Realität, die nicht schönzureden ist.
Aber es gibt noch einen anderen Blick auf die Heime, in denen alt gewordene Menschen ihren Lebensabend verbringen. Es sind Orte, wo hilfebedürftige Menschen aufgefangen werden, Bleibe finden, versorgt werden. Es sind Orte, wo Menschen unterschiedlichster Herkunft einander begegnen, soziale Kontakte gestalten, Mitgefühl füreinander entfalten, Leid miteinander teilen. Es sind Orte, in denen Menschlichkeit, Achtsamkeit und Wertschätzung geübt wird. Es sind Orte, in denen Menschen auch zufrieden und dankbar sein können.
Einen anderen Blick haben bedeutet vor allem, die Menschen zu sehen mit all ihren Prägungen, den Reichtum entdecken, den jedes Individuum in sich trägt, den Reichtum an Erfahrungen, Erinnerungen, Lebensweisheit. Die andere Sichtweise bedeutet, die menschliche Würde wahrzunehmen und die erfrischende Originalität jedes einzelnen, die auch durch Gebrechen und Demenz nicht verloren gehen.
So gesehen ist ein Altenheim ein Haus voller Vielfalt und Leben, in dem Menschen erzählen können, wie sie ihr Leben gemeistert und unter schwierigsten Bedingungen Glauben, Mut und Hoffnung nicht verloren haben, wie sie aller Beschwernisse des Alterns zum Trotz gelassen bleiben. Es ist ein Haus voller Erinnerungen.
In den folgenden Abschnitten will ich versuchen, die Schätze einer einzigartigen Kultur, die den Heimen mit den dort lebenden Menschen innewohnt, zu heben. Es sind Schätze, die unser aller Leben bereichern können, aus denen sich eine Kultur der Menschlichkeit, des einfühlsamen Verstehens und der gegenseitigen Wertschätzung erschließen lässt.