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Du glaubst gar nicht, wie froh ich war, als ich endlich unten im Keller meines Essener Häuschens in der Dunkelkammer stand. Mein Zufluchtsort, wenn um mich rum die Luft brannte! Ich plätscherte mit der Fotoplatte in der Entwicklerlauge und war gespannt wie ’n Flitzebogen, was da wohl ans Tageslicht kommen würde. Irgendwann allerdings, ich hab keine Ahnung, wie lang ich schon gebannt auf die Platte in ihrer Brühe da starrte, irgendwann schlug die erholsame Ruhe in fiebrige Ungeduld um. Die übliche Zeitspanne war schon zweimal abgelaufen, die Entwicklung musste längst komplettamente vollzogen sein, aber nichts tat sich. »Himmel noch mal, komm schon!«, murmelte ich und gab der Platte noch mal einen Schubs, damit die Lauge von allen Seiten dagegenschwappen und ihre Arbeit endlich verrichten würde. Dann wartete ich noch mal eine halbe Ewigkeit. »Verdammt noch mal«, entfuhr es mir schließlich, »da ist nichts drauf! Kein Furz ist da drauf.« Ich kippte noch einen ordentlichen Schluck frischen Entwickler nach, ließ ihn die Platte noch mal umspülen, zigmal. Und noch mal.

Irgendwann dann packte ich mir mit der von der Entwicklertunke schwammig aufgedunsenen Hand an die Stirn. »Da ist nichts drauf. Schwarz, zum Deibel, ist das schwarz! Schwarz wie ’ne Fotoplatte nur sein kann. Und bleibt schwarz. Also hat sie doch Licht abbekommen, die Platte! Doch ’n Riss im Gehäuse beim Sturz, vielleicht. Oder das Dingen hat einfach zu lang in der Sonne gelegen auf dem elend langsamen Fischkutter. Jedenfalls der olle Krupp, wie er sich da mit seinen Capri-Jungs tummelt: nichts, absolut nichts von zu sehn.«

Ich ließ mich auf meinen Schemel plumpsen, oder besser gesagt: dahin, wo ich den Schemel vermutete. War aber kein Schemel zur Stelle. Also krachte ich rücklings mit lautem Kladderadatsch auf den Boden und rammte mit dem Steißbein gegen den Fünfzehn-Liter-Kübel mit Fixierbrühe. Egal. Schmerz spürte ich mit diesem Kreisel im Kopf sowieso nicht. Ich kauerte mich einfach auf die kalten Fliesen und sackte in mich zusammen. »Himmels willen, in’ Arsch gekniffen! Nichts da mit dem Foto, das ich der Krupp großkotzig angekündigt hab. Niente. Kein Bild, kein Beweis, kein Geld.«

Dann plötzlich, wie vom Blitz getroffen, sprang ich auf und hörte mich laut rufen: »Und die andern Platten?« Und ich zog eine weitere aus ihrem Holzschuber, legte sie in die Brühe und schaukelte sie hin und her, so gleichmäßig, wie’s mir in meiner Aufregung gegeben war. »Jau, da ist was drauf. Irgendso ’n Idiotenfoto. Klar, die Platte ist heil geblieben! Ausgelöst, als die Trottel über mich herfallen und mir die Kamera wegreißen wollen, völlig schiefe Perspekt... he, warte mal!«, schrie ich. Ich weiß, ich weiß, bisschen seltsam: Selbstgespräche. Zumal für so ’n jungen Kerl, wie ich damals war. Aber hier unten hörte mich ja keiner. »Warte mal! Dieser Gigolo, der kleine schwule Caprifischer, Giovanni oder wie der hieß – das ist ja genau der Augenblick, wo dem einer mit dem Messer ans Fell geht – da ist, das ist doch, kann man genau erkennen: wie dem wer und wer dem das Messer in die Brust ... – Verdammt und zugenäht!«

Kannst dir vorstellen: Ich war wie vor ’n Kopf gehauen! Blieb bloß noch die Frage, wann der günstigste Augenblick gekommen sein würde, um mit der Auflösung rauszurücken. Das Finale Furioso der Tragödie muss schließlich wohl gesetzt sein, wenn’s eine einigermaßen erbauliche kathartische Wirkung erzielen soll.

Krupps Katastrophe

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