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2. Die Götter im Olymp

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Wer kennt sie nicht, die griechischen Götter, die es sich vor langer Zeit im Olymp gut gehen ließen. Dass sie nie wirklich existiert haben, ist auch allgemein bekannt. Und deshalb ist es legitim, ihnen etwas anzudichten und niemanden damit zu beleidigen. Wir beschränken uns auf zwei griechische Götter, die per Zufallsgenerator ausgewählt wurden: Zeus und Poseidon. Nun gut, der Götterbote Hermes sollte auch noch dabei sein. Der ist wichtig, weil er den Göttern alles Wissenswerte von den Menschen berichtet. In diesem Fall von der Corona-Krise, in der die ganze Welt gerade feststeckte. „Corona, aha“, sagte Zeus. „Habe ich das den Menschen geschickt?“ Er war dafür bekannt, sich ab und zu in das Leben der Menschen einzumischen. Leider nicht immer mit Einfällen, die man als gut bezeichnen würde. Hermes schüttelte den Kopf. Nein, an Corona war Zeus nicht schuld. Und auch kein anderer Gott aus dem Olymp. Das hatten die Menschen ganz allein zu verantworten. Tja, wenn das so war, überlegte Zeus, dann war es wohl angebracht, den Menschen aus ihrem Schlamassel herauszuhelfen? Dafür waren Götter doch da, jedenfalls manchmal. Was hatte Poseidon dazu zu sagen? Poseidon wand sich ein bisschen. Er hatte es satt, immer wieder aufs Neue gegen die Dummheit der Menschen anzugehen. Und eine menschliche Dummheit war diese komische Krise da unten auf der Erde ganz bestimmt. Er kannte die Menschen einfach zu gut. Die Dummheiten, die sie sich im Laufe der Jahrhunderte geleistet hatten, gingen auf keine Kuhhaut. Zeus nickte. So richtige Lust hatte er auch nicht, den Menschen zum so und so vielten Mal aus der Patsche zu helfen. Vielleicht schafften sie es dieses Mal ja auch alleine, ohne Götterhilfe. Hermes sollte ihnen berichten, ob und was die Menschen gegen ihre Corona-Krise so unternahmen. Nach einigen Tagen kam Hermes zurück in den Olymp. Und? Zeus und Poseidon sahen ihm gespannt entgegen. Hermes setzte sich.

„Die Welt“, begann er, „ist total verändert, seit dieses Corona-Virus umherschwirrt. Die Straßen aller Städte und Dörfer sind leer, weil es überall Ausgangssperren gibt. Menschen über sechzig heißen jetzt Risikogruppen, die gemieden oder in Pflegeheimen eingesperrt werden. Freunde dürfen nicht mehr eingeladen werden. Spazierengehen ist nur noch zu zweit erlaubt. Wobei ein Abstand von fast zwei Metern vorgeschrieben ist. Theater, Kinos, Konzertsäle, Museen, Zoos, Tierparks und die meisten Geschäfte sind geschlossen. Im Supermarkt, in Bussen und Bahnen müssen alle Menschen Mundschutz tragen. Egal, ob sie damit Luft kriegen oder nicht. Handschuhe oder Händedesinfektion sind Pflicht, wenn man einen Einkaufswagen schiebt. Natürlich muss so ein Handschuh danach sofort weggeworfen werden. Das Reisen ist erheblich eingeschränkt. Überall sieht man Polizisten oder andere Ordnungshüter, die dafür sorgen, dass alle Maßnahmen eingehalten werden. Ach ja, ganz wichtig, die Schulen und Kindertagestätten sind schon seit vielen Wochen geschlossen. Die Eltern verzweifeln, weil sie zu Hause arbeiten müssen, was man Homeoffice nennt. Dazu müssen die Kinder beschäftigt werden. Hausaufgaben werden per Computer an die Kinder geschickt und müssen per Computer zurück an die Lehrer gesendet werden. Selbstverständlich sind die Eltern gezwungen, dabei zu helfen. Die Kinder verzweifeln, weil sie nicht mehr draußen spielen, geschweige denn andere Kinder treffen dürfen. Kirchen, Moscheen und Synagogen sind verschlossen, dürfen nicht betreten werden. Außerdem…“ „Hör auf!“, schrie Zeus und wischte sich die Lachtränen aus den Augen. „Du warst schon immer gut in der Kunst der Lüge, Hermes. Und oft sind wir auch drauf reingefallen. Aber dieses Mal nicht. Du hast zu dick aufgetragen, mein Freund. Ich muss einfach nur lachen, wenn ich mir vorstelle, es wäre wahr, was du uns da aufgetischt hast. “

„Aber es ist wahr!“, rief Hermes beleidigt.

„Das kann doch gar nicht wahr sein“, mischte Poseidon sich bedächtig ein. „So bescheuert sind die Menschen nun wirklich nicht, Hermes.“ „Verflucht!“Hermes riss den Vorhang, der den Götterhimmel von der Menschenerde normalerweise abschirmte, wütend in zwei Teile. Und da sahen die beiden per Zufall ausgewählten griechischen Götter Zeus und Poseidon, dass ihr Bote nicht zu dick, sondern beinahe noch zu dünn mit seiner Beschreibung der gegenwärtigen Menschenwelt aufgetragen hatte. Sie schauten lange nach unten, Zeus und Poseidon. Irgendwann tat ihnen das Genick weh und sie schauten sich gegenseitig an. Bis sie in brüllendes Gelächter ausbrachen. Also so etwas hatten sie wirklich noch nie gesehen. Das war ja köstlicher als das köstlichste Saufgelage, was da unten auf der Erde los war. Wer hatte diese Posse geschrieben? Ein Halbgott mit Sinn für schwarzen Humor? Oder ein Teufel, falls es ein Trauerspiel und gar keine Posse war? Sie wurden wieder ernst, die beiden zufällig ausgewählten Götter im Olymp. „Vielleicht“, sagte Zeus, „vielleicht erwarten die Menschen Hilfe von uns? Schließlich sind wir ihre Götter.“

„Gut möglich“, erwiderte Poseidon. „Wenn wir nicht helfen, könnten sie sich enttäuscht von uns abwenden.“

„Das sollten wir nicht riskieren.“ Zeus nickte. „Das haben sie doch längst getan“, wandte Hermes ein, der als Götterbote besser auf der Erde Bescheid wusste als die Götter.

„Wie? Echt?“, fragten Zeus und Poseidon gleichermaßen erstaunt.

„Ja. Echt“, antwortete Hermes. „Sie haben schon lange ganz andere Götter als euch, die Menschen.“ Na, wenn das so war, dann war es ja gut. Dann konnte man weiter ganz gelassen das seltsame Treiben da unten beobachten. Ein Glück, dass die Menschen das Theater, in dem sie ihr Lust- oder Trauerspiel gerade aufführten, nicht wie alle anderen Theater schließen konnten. Dann hätten sie, die Götter im Olymp, nichts zu lachen gehabt. Lachen aber, eine Weisheit der Menschen, Lachen war gesund. Hermes zitierte einen Satz, den er auf der Erde aufgeschnappt hatte. Ein gewisser Wilhelm Busch, erinnerte er sich, hatte einmal gesagt: „Wer zusieht, sieht mehr, als wer mitspielt.“

Na also! Zeus und Poseidon nickten. Ein kluger Mann, dieser Wilhelm Busch. Und so sahen sie weiter zu, wie die Menschen die Corona-Posse oder das Corona-Trauerspiel oder was auch immer da unten aufführten. Dass sie dabei mehr sahen als die agierenden Menschen, nützte leider niemandem etwas. Und deshalb überlassen wir die Götter ihrem Schicksal und wenden uns wieder unserem menschlichen Schicksal zu.

Nur mit Maske

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