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Das Less-is-more-Prinzip

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Das hauen sich die neuen Food-Experten gerade um die Ohren. Less is more – weniger ist mehr. Alle tun so, als wär das jetzt das Neue. Dabei hat das noch nie so richtig funktioniert. Wird häufig falsch verstanden. Das sieht man schon bei den ganzen Promi-News. Da wärs auch schöner, man wüsste einfach nicht so viel über die Fettabsaugung und die missglückte Brust-OP, bei der es ein paar Gramm weniger auch getan hätten. Hat meine Oma schon gesagt: „Eine Handvoll ist fein, wer mehr hat, ist ein Schwein.“ Oder beim Make-up, da passt das auch immer. Alles eine Frage der Dosierung. Soll beim Kochen nicht unwichtig sein. Zuviel des Guten – immer schwierig. Wie beim Gurken-Raita, dem wunderbaren indischen Joghurt. Mischen Sie da einen Hauch zu viel vom Koriander rein, versaut der Mottenkugelgeschmack das ganze Dinner.

Reduzieren, verschlanken, vereinfachen also. Weniger, dafür von höherer Qualität. Besonders auf der Speisekarte. Wenn Fleisch, dann ab jetzt natürlich nur noch bio und nicht mehr so den Kiloprügel aufm Teller, sondern mehr Gemüse und das Fleisch als dezente Beilage.

Oder einfach nicht mehr so alles im Überfluss, sondern ausgesuchte Schmankerln. Was Besonderes zum Genießen. Nicht unter der sämigen Butter-soße ertränkt, sondern den kleinen Dip zum heimischen Saisonspargel. Und so weiter. Sie wissen, was ich meine.

Das heißt, was die Food-Experten meinen. Wo und wie schnell sich das genau durchsetzt, muss man beobachten. Erste Anzeichen gibt es schon. Die einen, die sonst immer den Friss-so-viel-du-kannst-Banner mit dem unlimitierten Buffet-Angebot obendrüber hängen hatten, verlangen jetzt eine Strafpauschale, lässt einer den halbgeleerten Teller stehen. Eine kleine Erziehungsmaßnahme für die gierige Gesellschaft. Rechnet sich auch bei der Kalkulation des Wirts und hilft gegen die Verschwendung. Optimal. Die Freunde der Hot-Dog-Wettessen und XXL-Schnitzelpartien gehen derweil woanders hin zum kollektiven Überdosisgelage.

Dieses Weniger ist mehr würde uns sowieso in jeder Hinsicht helfen und uns leichter durchs Leben ziehen lassen. Leichter vom Gewissen her und auch haptisch in echt. Es sind eh alle zu dick. Sie nicht, die anderen.

Das mag alles sehr verführerisch klingen, ist aber nur ein Fürzerl vom großen Ganzen. Die Massen haben das Less-is-more-Prinzip noch nicht wirklich für sich entdeckt. All-Inclusive-Urlaube sind so gut wie immer ausgebucht und nach wie vor extrem beliebt. Auch bestimmt deshalb, weils da reichlich alles Essbare mehrstöckig in Buffetform ohne Aufpreis rund um die Uhr gibt. Praktischerweise treffen die jeweiligen Anhänger der konträren Ernährungstrends meistens nur virtuell aufeinander und prügeln sich vorwiegend im Online-Kosmos. In einzelnen Fällen wird es vielleicht noch an der Supermarktkasse kritisch. Wenn sich auf dem Fließband XL-Packungen bunter Zuckermüslischachteln und ein offener Bund Möhren nur durch einen Warentrenner separiert gegenüberstehen, kann eine hochgezogene Augenbraue bereits eine Schlägerei auslösen.

Wie man vermutet, sind die von der Less-is-more-Bewegung nicht so sehr die klassischen Pauschaltouristen. Die sehnen sich nach dem Spartanischen, nach dem Ursprünglichen. Nach der Heimat, dem ganzen Echten und nach den Wurzeln. Oder nach was auch immer. Auf jeden Fall nicht nach dem Paradies der Völlerei. Wo sich dicke Putten-Engel mit speckigen Fingern in sämigen Mascarponecremes gehen lassen und das knusprig gebräunte Spanferkel lüstern dazu grinst. In dieser Welt der Urlaubs-Ultras gibt es keine übergewichtigen Asozialen, sondern nur wohlgenährte Enthusiasten. Auch auf Kreuzfahrtschiffen und im Clubhotel wird geschlemmt, als gäbs kein Morgen mehr.

Das Reisebüro sagt: Fressorgie – die Krankenkasse sagt: Detox-Kur.

Die Daheimgebliebenen bekommen Hilfe. Um dieses Less-is-more-Prinzip gut umsetzen zu können, unterstützen liebevoll zusätzlich noch so Healthy-Fitness-Typen und das ganze Light-Angebot im Supermarkt. Die helfen auch beim Übersetzen, falls was unverständlich deklariert ist. Light-Produkte zum Abnehmen, das war immer klassisch. Aber das gibt es so gar nicht mehr. Light ist noch nicht mal Achtziger, sondern eher total Neunziger und somit extrem out. Lebensmittelpackungen mit reduziertem Inhalt kann man aber nach wie vor kaufen, die heißen jetzt nur anders. Sportsalami zum Beispiel. Oder blabla-irgendwas mit soundso viel weniger. Weniger Fett, weniger Zucker, weniger Geschmack. Zero, null, halbfett, zuckerfrei. Das einzige Plus bei der ganzen Sache verzeichnen die Lebensmittelproduzenten und deren Werbeagenturen.

Wird auch immer wieder gern genommen:

Die Balance-Variante.

Das ist genauso wie in ungleichgewichtig normal, nur dass einfach weniger drin ist im Sackerl. Bei Würstchen sinds bei light sechs Stück statt in regulär unlight sieben. Da hat man das Reduzierte schon oft gesehen, wenn man genau nachzählt. Und bei Keksen tatsächlich auch, was wirklich echt das Allerletzte ist!

Gibt es keine Light-Variante Ihrer bevorzugten Lieblingspizza, lautet die allgemeine Dosierungsempfehlung: halbe Menge! Das ist bitter, aber von nichts kommt nichts. FdH – Friss die Hälfte – ist ein Klassiker und hat sich immer bewährt. Zumindest vorübergehend, wie bei allen Kurzfristdiäten. Ein paar Kniebeugen am offenen Fenster, vorm Schlafengehen keine Süßigkeiten mehr, fertig ist das Vintage-Therapieprojekt. Allerdings beeindruckt das niemanden. Zu wenig trashig, zu wenig glamourös, noch nicht retro genug. Und man kann nicht so arg viel drüber reden, was jetzt bei allen modernen Ernährungsphilosophien eigentlich das Wichtigste ist.

Nie wieder Low Carb!

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