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Die Abenteurer

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Thunin warf der Elbe wieder einmal finstere Blicke zu, doch Ibis schien dies nicht zu bemerken. Leicht federnd und mit hoch erhobenem Haupt schritt die zierlich gebaute Elbe der Gruppe voran. Sie hatte langes, grünlich schimmerndes Haar, spitze Ohren und große, dunkelgrüne Augen, die sehr unschuldig dreinblicken konnten. Brummend stapfte der Zwerg hinter ihr her.

»Kein Respekt vor dem Alter«, maulte er. »Dieses unverschämte Spitzohr!«

Thunin zankte so oft mit der Elbe, dass keiner der Gefährten die Streitereien mehr ernst nahm. Vlaros legte dem stämmigen Zwerg, der ihm kaum bis zur Brust reichte, beschwichtigend die Hand auf die Schulter.

»Nimm ihre Sticheleien doch nicht so ernst. Sie ist noch ein halbes Kind und hat, soweit ich es weiß, keine gute Erziehung genossen.«

Thunin schnaubte nur durch die Nase. »Du hast ja Recht«, seufzte er und pickte sich ein paar alte Krümel aus seinem Bart, der ihm in einer braunen Krause bis auf die Brust hing. Das lange Haupthaar, in dem sich die ersten Silberfäden zeigten, hatte er sich zu zwei Zöpfen geflochten. Das dunkelbraune Haar des jungen Magiers dagegen war sauber gestutzt, Kinn und Wangen frisch rasiert. Vlaros trat einen Schritt zur Seite. Er fürchtete, der Zwerg könne sein weißes Gewand beschmutzen. Das ungepflegte Haardickicht war ihm ein wenig unheimlich, denn es sah aus, als würde sich das Ungeziefer förmlich darum reißen, darin seine Wohnstatt einzurichten. Wie um diese Vermutung zu bestätigen, kratzte sich Thunin ausgiebig am Kinn.

Mit etwas Abstand folgten ihnen Rolana und Cay. Rolana war eine junge, schlanke Frau von vierundzwanzig Jahren, mit üppigen schwarzen Locken und lebhaften, dunkelbraunen Augen. Die lange Reise hatte ihre vornehme Blässe in eine gesunde Sonnenbräune verwandelt. Zum ersten Mal seit vielen Jahren hatte sie die Klostermauern hinter sich gelassen, die seit ihrer Jugend ihre Heimat waren. Rolana hatte ihr Leben dem Mondgott Soma gewidmet und lebte mit seinen Priesterinnen im Kloster über dem Adasee, doch Solano, der heilige alte Mann hatte gemeint, nun sei es für sie an der Zeit, draußen in der Natur ihrem Gott und den Menschen zu dienen, und so hatte sie zwei ältere Mönche auf ihrer Reise vom Adasee nach Fenon begleitet. Auf ihrem Weg durch grüne Täler und über weite, ausgedehnte Steppen hatte sie viel Muße, die anderen Reisenden der Gruppe kennen zu lernen: die beiden Brüder ihres Ordens, den betagten Magier, der mit seinem Schüler Vlaros nach Fenon wollte, die vorlaute Elbe, die auch nach dem anstrengendsten Ritt durch eisigen Regen noch eine freche Bemerkung auf der Zunge hatte, und den brummigen Zwerg, der die Spuren des Weges zu lesen verstand und dem sie als Führer der Gruppe bald ihr Vertrauen geschenkt hatte. Ja, und dann war da noch Cay, ein junger Schwertkämpfer, kaum ein Jahr älter als sie, der sich zum Schutz der Reisenden hatte anheuern lassen.

Rolanas Blick schweifte über den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann an ihrer Seite, dessen gut trainierte Muskeln man unter seinem braunen Lederhemd erahnen konnte. Sein widerspenstiges Haar war von unscheinbar graubrauner Farbe, und da es sich offensichtlich dagegen sträubte, zu einer Frisur gebürstet zu werden, trug er es kurz geschnitten, so dass es ihm wild nach allen Seiten vom Kopf abstand. Cay hatte ein sanftes, offenes Lächeln und strahlend blaue Augen, mit denen er vertrauensvoll die Welt betrachtete. In diesem Moment jedoch sah er eher verwirrt drein, als er versuchte, Rolanas Ausführungen über Priester und die Magie zu folgen. Vom Feuer der Begeisterung getragen und heftig gestikulierend, sprach sie auf den jungen Mann ein.

»Es ist überaus wichtig, dass sich die Priester unseres Ordens mit den Akademien der Magie austauschen. Denke nur an die Krankenheilung. Jeder verfolgt seinen eigenen Weg, das Ziel jedoch ist das gleiche. Wie viel wirksamer kann man vorgehen, wenn man die göttlichen Kräfte mit den magischen vereint, Cay – Cay? Hörst du mir überhaupt zu?«

Mit träumerischem Blick ging der Kämpfer neben ihr her. Er sah ihr Haar sich im Wind wiegen, hörte ihre warme Stimme, die begeistert von Soma und der Magie sprach, doch wie konnte er sich auf solch komplizierte Themen konzentrieren, wenn diese wundervolle Frau mit der fast zerbrechlich wirkenden schmalen Taille neben ihm herging?

»Cay?«

Er errötete. »Ja, also den Schluss habe ich nicht mehr so ganz mitbekommen, aber du hast sicher Recht, und ich …« Unter ihrem vorwurfsvollen Blick brach er verlegen ab.

Schweigend gingen sie weiter. Cays schon etwas angerostetes Schwert klirrte bei jedem Schritt leise. Sanft fuhr er mit der Hand über den glatten kühlen Griff. Ein beruhigendes Gefühl ging von dem kalten Stahl aus. Er seufzte leise. Mit dem Schwert in der Hand zwischen einem Haufen Strauchdieben fühlte er sich sicherer als bei einem Gespräch mit Rolana. Doch hier in der Stadt würde er kaum eine Gelegenheit bekommen, sie mit seiner Fechtkunst zu beeindrucken. Er konnte es gar nicht glauben, dass erst drei Wochen vergangen waren, seit er sie zum ersten Mal erblickt hatte. Auch mit der flinken Elbe und dem knurrigen Zwerg hatte er schnell Freundschaft geschlossen. Er genoss es, nachdem sie die älteren Teilnehmer der Reisegruppe sicher an ihr Ziel geleitet hatten, an diesem herrlichen Morgen mit den Gefährten gemeinsam die kleine Hafenstadt Fenon zu erkunden.

Die Reisegruppe schlenderte über den Markt. Vlaros und Rolana blieben an den Ständen mit seltenen Kräutern und weit gereisten, seltsamen Pulvern stehen. Cay jedoch interessierte sich eher für die Metzgerstände mit ihren saftigen Würsten und geräucherten Schinken. Ibis stibitzte sich eine Hand voll Dörrpflaumen und kaute genüsslich vor sich ihn, während sie kritisch die verschiedenen Besucher des Markts musterte.

Nachdem schließlich einige Kräutersäckchen und Münzen in entgegengesetzten Richtungen über den Tisch gewandert waren, konnten sich Vlaros und Rolana von den Auslagen der Krämer losreißen und folgten den anderen zum Laden des weithin berühmten Waffenhändlers Terfu. Neugierig betraten sie die große Diele, in deren Halbdunkel der kalte Stahl von unterschiedlichen Klingen glänzte. Ibis’ Augen funkelten vor Begeisterung, und auch Cay und Thunin schlenderten interessiert an den Ständern mit Schwertern, Säbeln und Degen entlang und strichen prüfend über die eine oder andere Klinge. Hände reibend kam der ehemalige Schmied Terfu auf seine Kunden zu. Sein Lächeln fiel überschwänglich freundlich aus, denn er witterte ein gutes Geschäft. Er ging auf Cay zu, sah ihn einige Augenblicke mit zusammengekniffenen Augen an und eilte dann davon, um genau das richtige Schwert für ihn zu holen.

Terfu war ein breitschultriger Zwerg aus dem Silbergebirge, der sich im Schurz des Schmiedes wohler fühlte als in den Gewändern eines Händlers. So trug er das Hemd offen und hatte die schmutzigen Hosen hochgekrempelt. Seine haarigen Füße steckten in ausgetretenen Lederpantoffeln.

Terfu kam zurückgewuselt und reichte Cay ein prächtiges Schwert. Es lag fantastisch in der Hand, die Balance war perfekt, seine Klinge schimmerte makellos. Mit glänzenden Augen ließ Cay es durch die Luft zischen, gab es Terfu jedoch bedauernd zurück, als der den Preis für die herrliche Waffe nannte.

»Wir werden für den jungen Herrn schon das Richtige finden«, sagte er und bemühte sich, seine Enttäuschung zu verbergen. Behutsam nahm er das Schwert wieder in Empfang. Er führte Cay und Thunin zu einem Ständer mit einfachen, doch solide gearbeiteten Waffen. Ibis griff sich ein paar Wurfmesser und ließ sie quer durch den Laden wirbeln. Erschreckt zuckte Rolana zusammen, als die Dolche in den schwarzen Kreis in der Mitte einer hölzernen Scheibe fuhren, die kaum einen Schritt neben ihr an der Wand hing.

Eine Glocke erklang, als ein weiterer Kunde den Laden betrat. Vlaros, der gelangweilt inmitten des Kriegswerkzeugs stand, betrachtete den Fremden neugierig. Der Mann war etwa fünfzig Jahre alt, und der unter seinem langen Gewand sich wölbende Bauch zeigte deutlich, dass er keinen Hunger litt. Sein Umhang war aus edlem Barchent, und das graue Haar zierte ein Samtbarett mit einer langen Adlerfeder. Nicht nur seine Kleidung, auch die stolze Haltung zeugte von Ansehen und Wohlstand. Terfu ging ihm entgegen und zog ihn in eine düstere Ecke. Die beiden flüsterten miteinander und warfen den Freunden bedeutungsvolle Blicke zu. Als der Fremde Vlaros’ Blick auf sich ruhen spürte, verabschiedete er sich rasch und eilte hinaus.

Terfu wandte sich wieder Thunin und Cay zu.

»Nun, habt Ihr Euch entschieden?«, fragte er. Thunin hielt ihm ein Schwert mit langer Klinge und einem schmucklosen Griff entgegen.

»Eine gute Wahl«, meinte der Waffenhändler, »und für nur siebzehn Goldstücke ist es Eures.«

Mit betrübter Miene nahm Cay die Waffe, um sie in den Ständer zurückzustellen. Obwohl er das vergangene Jahr über sehr sparsam gelebt und für die Begleitung der Reisegruppe nach Fenon einige Münzen bekommen hatte, waren nicht mehr als ein Dutzend Goldstücke in seinem Beutel.

»Siebzehn?«, knurrte der Zwerg und hielt Cay am Arm fest. »Ihr seid heute wohl zu Scherzen aufgelegt, Meister Terfu? Ich bin weit herumgekommen, und ich sage Euch auf den Kopf zu, es ist nicht mehr als zehn Goldstücke wert.«

Der Händler machte ein beleidigtes Gesicht. »Es ist wunderbar ausgewogen und liegt leicht in der Hand. Mit dieser Klinge könnt Ihr ein Blatt Pergament spalten.« Er zögerte kurz. »Nun gut, fünfzehn, weil Ihr neu in der Stadt seid und wir Fremde hier gern willkommen heißen.«

Thunin schob das Schwert mit einer verächtlichen Miene in den Ständer zurück. »Dann sollten ich und meine Freunde heute und in Zukunft unsere Waffen wohl doch wieder in Ehniport besorgen.«

»Vierzehn, das ist ein wirklich guter Preis.«

Für zwölf Goldstücke wechselte das Schwert schließlich den Besitzer. Ibis erstand für eine Hand voll Silber zwei schlanke Wurfdolche, die sie sich in ihre Stiefel steckte. Den dritten, der auf wundersame Weise einen Weg in ihren Beutel gefunden hatte, nahm ihr Thunin mit finsterer Miene ab und legte ihn unbemerkt wieder an seinen Platz. Schmollend verschränkte Ibis die Arme vor der Brust.

»Wie wäre es denn mit diesem prächtigen Hammer für Euch?«, fragte Terfu und legte Thunin einen silberbeschlagenen Kriegshammer von beträchtlichem Gewicht in die Hände. Cay bewunderte ihn mit weit aufgerissenen Augen, doch Thunin gab ihn dem Händler zurück.

»Nein, nein, ich bin mit dem Mädchen an meiner Seite ganz zufrieden und würde es niemals gegen solch einen modischen Schnickschnack eintauschen.« Fast liebevoll strich er über den schartigen Griff seiner zweischneidigen Kriegsaxt, die immer an seinem Gürtel hing.

Endlich standen die Gefährten wieder auf dem Marktplatz. Es war schon weit nach Mittag, und da die Sonne heiß vom wolkenlosen Himmel schien und der Staub in den trockenen Kehlen brannte, beschlossen sie, sich im Grünen Drachen, in dem sie sich für die Nacht eingemietet hatten, ein kühles Bier zu genehmigen.

Sie waren noch nicht weit gekommen, als Ibis Cay in den Arm kniff.

»Wir werden verfolgt«, murmelte sie und warf unter ihren langen schwarzen Wimpern einen prüfenden Blick den Weg zurück, den sie gekommen waren.

»Bist du sicher?«, erwiderte Cay ungläubig. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich jemand für uns interessiert. Uns sieht man doch schon von weitem an, dass es da nichts zu holen gibt.«

»Wenn ich es dir doch sage!« Der Tonfall der Elbe war drängend.

Auch Thunin hatte ihre Worte vernommen und ließ sich nun unauffällig ein wenig zurückfallen.

»Wie viele sind es denn?«, raunte er.

Ibis hob den Zeigefinger.

»Gut«, sagte Thunin nickend. »Dann werden wir dem Kerl mal auf den Zahn fühlen.«

Er zweifelte nicht einen Augenblick an Ibis’ Worten. Obwohl er nur selten mit ihr einer Meinung war, wusste er doch, dass man sich auf ihre Augen und ihr scharfes Gehör verlassen konnte.

Als sie um die nächste Ecke bogen, gab der Zwerg Cay einen Wink. Die beiden drückten sich in die Schatten der schmalen Gasse, während die anderen scheinbar sorglos schwatzend weitergingen. Angewidert rümpfte Thunin seine große, meist leuchtend rote Nase, als ihm der scharfe Geruch von Fäulnis und Dung entgegenschlug. Durch einen beherzten Sprung zur Seite rettete er sich knapp vor dem Inhalt eines Nachttopfs, der aus einem Dachfenster des heruntergekommenen Gebäudes geleert wurde.

»Ich hasse Städte«, knurrte er.

Von ihren Schritten aufgescheucht, huschte eine Ratte aus dem Unrathaufen vor ihnen, der noch von einer Unmenge Fliegen und weitaus lichtscheuerem Getier bewohnt wurde. Lautlos erhob sich ein riesiger, getigerter Kater von seinem Beobachtungsposten auf einem niederen Fensterbrett und nahm dann die Spur des Nagers auf.

Die beiden Freunde mussten nicht lange in ihrem ungemütlichen Versteck warten. Nur wenige Augenblicke später lugte eine Gestalt vorsichtig um die Ecke und nahm dann, dicht an die Hauswand gedrängt, wieder die Verfolgung auf. Doch da stand plötzlich Cay hinter ihm und legte dem Fremden seine Pranken um den Hals. Vor ihm tauchte Thunin auf, stellte sich mit grimmiger Miene breitbeinig mitten auf den Weg und wog abschätzend die Axt in seinen Händen. War das nicht der vornehme Kerl, den sie bei Terfu gesehen hatten? Erstaunt hob Thunin die Augenbrauen. Er sah die panische Angst in den Augen des Gefangenen. Das würde ihnen die Sache erleichtern, die Wahrheit aus ihm herauszuholen. Grob schleifte Cay den Mann hinter sich her, bis sie die anderen erreichten, die hinter einer verfallenen Scheune warteten. Jetzt erst ließ Cay sein Opfer los. Der Mann rappelte sich auf und rieb sich den schmerzenden Hals, auf dem recht deutlich die Abdrücke von Cays Händen zu sehen waren. Es dauerte eine ganze Weile, bis er wieder zu Atem kam. Thunin musterte ihn feindselig.

»Warum folgt Ihr uns?«, fragte er scharf und hielt schon wieder drohend die Axt in den Händen. »Ist das in dieser Stadt so üblich, friedlichen Reisenden hinterherzuspionieren? Feine Sitten habt Ihr hier.«

»Verzeiht«, sagte der Mann mit rauer Stimme und hustete. Mit gequälter Miene massierte er sich den schmerzenden Hals. »Ich sollte mich vorstellen. Mojewsky ist mein Name, Cewell Mojewsky.« Er deutete eine Verbeugung an, ohne die gefährliche Axt aus den Augen zu lassen. Dann straffte er den Rücken und fuhr mit kräftigerer Stimme fort. »Ich bin auf der Suche nach ein paar mutigen Abenteurern, die einen kleinen Auftrag für mich ausführen. Ihr seid mir bei Terfu gleich aufgefallen, und daher machte ich mich auf, Euer Domizil hier in der Stadt zu erfahren, um Euch mein Angebot zu unterbreiten.«

Mit jedem Wort wurde seine Stimme sicherer, seine Haltung stolzer. Offensichtlich hatte er sein inneres Gleichgewicht wieder gefunden. Rolana stemmte die Hände in die Hüften und trat einen Schritt näher. Misstrauisch ließ sie den Blick über den Vornehmen wandern.

»Worum geht es denn bei Eurem Angebot?«, fragte sie, denn sie konnte sich nicht denken, was dem Edlen an dem bunt zusammengewürfelten Haufen als Empfehlung für einen Auftrag aufgefallen sein konnte.

»Das besprechen wir am besten bei einem reichlichen Mahl auf meinem Gut vor der Stadt«, antwortete Cewell glatt und ließ den Blick wohlgefällig über die junge Frau gleiten.

Rolana schürzte unwillig die Lippen, doch Cay strich sich über seinen immer hungrigen Magen und nickte, und auch Ibis und Thunin schienen nichts gegen den Vorschlag einzuwenden zu haben. Ein Lächeln huschte über die sauber rasierten Wangen des Kaufmanns. Er strich sein Gewand glatt und winkte den Gefährten, ihm zu folgen.

Sie nahmen Mojewsky in ihre Mitte und schritten mit ihm zum Osttor, wo sie in einem Mietstall ihre Pferde untergestellt hatten. Auch das Tier des Kaufmanns stand hier in einer eigenen Box, ein feuriger Rappe, der sicher einen prallen Beutel Goldstücke wert war. Sobald sie die Katen und halb verfallenen Hütten der armen Bauern, die sich vor der Stadtmauer angesiedelt hatten, hinter sich gelassen hatten, gab Cewell seinem Pferd die Sporen. Wie ein Pfeil flog es davon, so dass nicht einmal Rolanas Fuchsstute mit ihm Schritt halten konnte. Auf der nächsten Anhöhe zügelte er den edlen Rappen, um auf die Gefährten zu warten und ihnen die Gelegenheit zu geben, einen bewundernden Blick auf sein Anwesen und die Ländereien zu werfen.

Als Thunin sie endlich eingeholt hatte, ritten sie langsam den grasigen Hügel hinunter, der sanft bis zum Strand hin abfiel. Das Meer zu ihren Füßen war glatt und glänzte in der Junisonne. Nur die kleinen Boote der Fischer unterbrachen das schimmernde Blau. Bald erreichten sie den Eichenhain, in dem sich, um einen quadratischen Hof angeordnet, Haus und Lagerscheunen des reichen Kaufmanns erhoben.

Weit im Süden schien die gleiche Junisonne durch die bunten Scheiben der in Spitzbogen zulaufenden Fenster in einen großen Raum. Ein dürrer Mann mit einem scharfkantigen Gesicht, einer vorstehenden Adlernase und stechenden schwarzen Augen schritt unruhig über die roten Steinfliesen. Die weiten, mit goldenen Runen bestickten Gewänder schlotterten um seinen Körper. Die Lippen waren mürrisch zusammengepresst.

Unvermittelt blieb er vor einem Marmortisch mit geschwungenen, schmiedeeisernen Füßen stehen, auf dem ein samtschwarzes Kissen lag. Auf den weichen Stoff gebettet ruhte eine Kristallkugel, in der das Bild einer schönen schwarzhaarigen Frau erschien.

»Du hast versagt!«, schrie der Mann. »Durch dein Ungeschick hast du zwei Jahre sorgfältiger Planung verdorben!«

Er tobte in wilder Wut.

»Herr«, drang die Stimme der Frau deutlich aus der Kristallkugel. »Verzeiht mir, Meister, es war nicht meine Schuld. Ich habe mich streng an Eure Anweisungen gehalten, großer Astorin. Ich kann mir nicht erklären, wie das passieren konnte.«

Die demütige Furcht in ihrer Stimme besänftigte ihn ein wenig.

»Sein Gedächtnis war leer! Keine Bilder, keine Worte, keine Erinnerungen. Ich fürchte, es ist Euch jemand zuvorgekommen.«

Astorin knurrte wütend. »Er hat auf seiner Reise etwas herausgefunden, und nun ist es für immer verloren!«

»Nicht für immer, großer Meister«, schmeichelte die Frau und lächelte verführerisch. »Es wird nicht lange dauern, bis Ihr einen anderen Weg findet.«

Er war für Schmeicheleien durchaus empfänglich, doch heute loderte der Zorn so hoch, dass er nur unwillig knurrte. »Kümmere dich um diesen störrischen Hofmagier. Er war der Vertraute des Grafen und weiß vielleicht etwas, das mir weiterhilft. Und keine Fehler mehr!«

Astorin schlug mit der Faust auf den Tisch, so dass die wertvolle Kugel einige Zoll in die Höhe sprang und dann unsanft wieder landete. Sofort trübte sie sich ein, und das Bild der Frau verschwand im aufwirbelnden Nebel. Der Magier verzog sein Gesicht zu einer hässlichen Fratze. Die schwarzen Gewänder blähten sich auf, als er die weit geschwungene Treppe hinuntereilte. Er sah aus wie ein Adler, der seine Beute gesichtet hat, nun bereit, sich auf sie zu stürzen.

Der Magier Astorin eilte in die Bibliothek und zog ein paar vom Alter fleckig gewordene Bücher heraus. Behutsam wendete er die brüchigen Seiten, auf denen die feine, schnörkelige Schrift kaum mehr zu erkennen war. Ein unheilvolles Lächeln kräuselte seine dünnen Lippen. Er tauchte seine Feder ins Tintenfass, zog einen neuen Bogen Pergament heran und begann eilig zu schreiben.

Thunin lehnte sich in seinem Stuhl zurück und rieb sich den Bauch. Endlich war er satt. Das gute Essen hatte sein Misstrauen ein wenig besänftigt, und so zündete er sich eine Pfeife an, schmauchte gemütlich vor sich hin und paffte bläuliche Wolken in die hohe, von dunklen Balken getragene Halle.

Die Freunde saßen mit Cewell Mojewsky, seiner Frau Sarah, einer weißhaarigen, zierlichen Dame, und deren Tochter Lamina, der jungen Gräfin von Theron, um den mächtigen Eichentisch in der Halle. Thunin schenkte sich noch von dem dunklen, roten Wein nach, dann unterbrach er das höfliche Geplauder.

»Es wird Zeit, dass Ihr die Karten auf den Tisch legt. Sagt uns, was ist das für ein Auftrag, den wir für Euch erledigen sollen?«

»Und was seid Ihr bereit dafür zu bezahlen?«, ergänzte Ibis leise.

»Es ist keine große Sache«, wehrte der Kaufmann ab. »Ihr sollt nur ein paar Erkundigungen einziehen. Graf The-ron, der Gatte unserer Tochter, ist in letzter Zeit etwas zerstreut, und so ist er abgereist und hat vergessen, ihr Bescheid zu geben.« Der Kaufmann lachte gekünstelt. »Lamina ist ein wenig besorgt, daher dachte ich, es wäre eine gute Sache, wenn Ihr sie nach Theron begleiten würdet und dann nach dem Grafen sucht.«

Rolanas fragender Blick traf den des Zwergs.

»Hm, zerstreut, einfach abgereist, ohne Bescheid zu sagen?« Cewell sah den Zwerg nicht an. »Wir wissen doch, wie überspannt junge Frauen manches Mal sind.«

Thunin öffnete gerade den Mund, doch da sprang die junge Gräfin auf und schlug mit der Faust auf den Tisch, dass Cay und Vlaros erschreckt zusammenzuckten.

»Nennst du zwei erschlagene Wachen und ein verschwundenes Hausmädchen auch überspannte Fantasie?«, rief die junge Frau empört, und ihre dunklen Augen funkelten. »Mein Gatte hat nicht einfach vergessen, mir Bescheid zu sagen! Er ist verschwunden! Wie vom Erdboden verschluckt. Keiner hat gesehen, wie er die Burg verließ.« Sie sah die Gäste ihres Vaters nacheinander ernst an. »Etwas Unerklärliches, etwas Schreckliches passiert in Theron, etwas, das ich spüre, das mir Angst macht, das ich aber nicht fassen und begreifen kann. Mein Gemahl ist plötzlich zu einem Fremden geworden, der Anblick der Schülerin unseres Hofmagiers lässt mich erschaudern.« Wieder sah sie einen nach dem anderen prüfend an.

»Glaubt mir, ich bin kein junges Mädchen, das sich vor einem Schatten erschreckt! Und sagt nicht, er habe mir seine Liebe entzogen, weil er seine Gunst nun einer anderen Frau schenkt, und was ich fühle, sei die Eifersucht der Betrogenen«, fuhr sie fort und warf ihrem Vater einen hasserfüllten Blick zu. »Meinem Gatten ist etwas zugestoßen! Ich bin überzeugt, etwas Ungeheuerliches trägt sich auf Theron zu!«

Rolana betrachtete die junge Gräfin nachdenklich. Nein, sie sah nicht so aus, als würde sie sich leicht einschüchtern lassen. Warum wischte ihr Vater ihre Ängste so gedankenlos beiseite?

»Warum habt Ihr nicht eine Patrouille angeheuert?«, fragte Thunin, der wusste, dass die Stadtwachen jede Gelegenheit gerne nutzten, sich ein paar Münzen dazuzuverdienen.

Lamina öffnete den Mund, doch Cewell platzte heraus: »Die Stadtwachen? Wisst Ihr, was das kostet?«

Der Zwerg nickte langsam. Daher wehte also der Wind. »Ach, und da dachtet Ihr, wir würden diese Arbeit für weniger Geld erledigen?«, fügte er sanft hinzu.

»Ja, nein, also«, stotterte Cewell Mojewsky verlegen.

»Wir werden in Ruhe darüber beraten«, fuhr der Zwerg fort. Die Gattin des Kaufmanns erhob sich und ging mit der jungen Gräfin hinaus. Cewell nickte.

»Ja, tut das. Ich lasse euch allein. Trinkt noch von dem guten Wein und kostet die herrlichen Früchte aus dem Süden.« Hände reibend verließ er die Halle.

»Lamina!«, hörten sie draußen seine scharfe Stimme. »Komm in mein Kontor, ich habe mit dir zu reden!«

Thunin sah nachdenklich auf die leere Türöffnung. »Ibis?«, sagte er leise. Die Elbe nickte, erhob sich und folgte Vater und Tochter unbemerkt. Sie blieb vor einer Biegung des Gangs stehen, hinter der die offene Tür zum Kontor war, in das Cewell seine Tochter zitiert hatte. Sie konnte das Gespräch deutlich mithören.

»Bete zu den Göttern, dass sie deinen Gatten lebend finden, denn sonst ist die Grafschaft für uns verloren.«

Die junge Gräfin fauchte gereizt. »Ja, ich bete für sein Leben, weil ich ihn liebe und nicht weil ich die Grafschaft für deine gierigen Klauen retten will!«

Ibis linste um die Ecke und durch die offene Tür.

Der Kaufmann machte eine wegwerfende Handbewegung. »Liebe, pah, was zählt, ist das Land, sind die Güter. Wenn du nicht so ungeschickt gewesen wärst, dann hättest du einen Erben, und wir müssten nicht um Theron bangen.«

Lamina war von ihrem Sitzkissen aufgesprungen. Ihr Gesicht war nun aschfahl, doch ihr Vater fuhr fort: »Hättest du dich meinem Willen unterworfen, wie es als Tochter deine Pflicht ist, dann wärst du nun mit dem reichsten Seidenhändler rund um das Thyrinnische Meer verheiratet, und ich bekäme die Stoffe zu Preisen, von denen ich nun nur noch träumen darf!« Er seufzte und verbarg den Kopf in den Händen.

»O ja, ein großzügiger Mann ist er, der alte Peroleres«, zischte die junge Gräfin. »Wie viele deiner Schulden hat er dir erlassen, als du ihm erlaubtest, schon vor der Hochzeit mein Schlafgemach aufzusuchen?«

»Es wäre ein gutes Geschäft geworden, wenn du nicht davongelaufen wärst, um dich diesem mittelmäßigen Landadligen an den Hals zu werfen«, fauchte Cewell zurück. Beide starrten sich hasserfüllt an, doch dann lehnte sich der Kaufmann in seinem Scherenstuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Wenn wir Glück haben und dieser ungehobelte Haufen dort draußen den Grafen lebend findet, dann sieh gefälligst zu, dass er dir endlich einen Sohn macht, der die Grafschaft erben kann!«

»Sei still«, ächzte sie, »sei endlich still! Ich hätte nicht hierher kommen sollen. Wie konnte ich mich von Geralds Advokaten überreden lassen, ausgerechnet dich um Hilfe zu bitten!« Sie baute sich vor ihm auf. »Falls die Götter mir gnädig sind und mir meinen Gatten zurückgeben und falls sie mir die Gnade erweisen, noch einen Sohn zu gebären, dann werde ich dafür sorgen, dass kein einziges seiner Goldstücke in deine Hände gelangt!«

Mojewsky lief rot an. »Gut, dann sieh zu, wie du diesen wilden Haufen bezahlst. Zieh doch allein mit deiner Zofe durch die Wälder zurück nach Theron und suche deinen pflichtvergessenen Gemahl.«

Sarah Mojewsky trat ein, um den Streit zwischen Vater und Tochter zu schlichten.

Geräuschlos zog sich die Elbe zurück, um den anderen zu berichten.

»Ich finde, wir sollten der Gräfin helfen«, sagte Cay mit vollem Mund und lief rot an, als er den spöttischen Blick der Elbe bemerkte.

Thunin wiegte den Kopf hin und her. »Dann stürzen wir uns in ein Abenteuer, ohne zu wissen, ob es sich hinterher auszahlt.«

Rolana sah ihn strafend an. »Ist es denn so wichtig, wie viele Münzen in deinem Beutel sind? Ich sehe es als meine Pflicht an, der bedauernswerten Frau zur Seite zu stehen. Ich habe so viel Leid in ihrem Blick gelesen.«

»Dann willst du mit uns kommen?«, wunderte sich Cay, und dieses Mal war es Rolana, deren Wangen sich färbten.

»Wenn ihr mich mitnehmt und ich euch nicht zur Last falle«, antwortete sie bescheiden.

»Könnte nichts schaden, eine Priesterin dabeizuhaben«, sagte der Zwerg. Ibis nickte.

»Und du, Vlaros? Wirst auch du uns bei dieser Mission begleiten?«, fragte Rolana und lächelte den Magier an.

Er schreckte hoch. »Oh, ich dachte, ich bleibe hier bei meinem Meister und fahre mit meinen Studien fort und …« Er brach ab und sah unsicher von einem zum anderen.

»Die beste Schule ist das Leben dort draußen«, brummte Thunin und goss sich noch einmal seinen Becher voll.

»Ja, wenn ihr meint«, sagte Vlaros und lächelte Rolana an.

Der Zwerg grinste über das ganze Gesicht und erhob seinen Becher. »Ja, dann ist unser wilder Haufen also komplett, und es bleibt mir nur noch zu sagen: Auf nach Theron!«

Lahryn saß in seinem unterirdischen Laboratorium und experimentierte an einem Unsichtbarkeitstrank. Bunte Fläschchen, Röhren, Pulver und Flüssigkeiten glänzten geheimnisvoll im flackernden Licht der Flamme, die das Gebräu erhitzte. Blauer Rauch hing in der Luft. Lahryns Erdhörnchen behagten die Dämpfe wohl gar nicht, denn es hatte sich in eine tiefe Spalte zwischen den großen Steinquadern, aus denen die Wände gemauert waren, zurückgezogen. Lahryn blickte konzentriert auf seine Apparatur und schenkte der Frau, die erregt auf und ab ging, keine Beachtung.

»Lahryn, ich rede mit Euch!«, kreischte sie, und ihr sonst so ebenmäßiges Antlitz verzog sich zu einer hässlichen Grimasse. Mit einer theatralischen Geste warf sie ihr langes schwarzes Haar in den Nacken. Der alte Magier seufzte.

»Mykina, falls es deiner Aufmerksamkeit entgangen ist: Ich versuche gerade ein schwieriges Experiment durchzuführen. Würdest du mich also bitte mit deiner Fragerei verschonen und mich endlich in Ruhe lassen. Wenn du Auskünfte über die Reise des Grafen wünschst, dann frage ihn doch selbst danach.«

Das gehässige Lachen veranlasste den Magier, sich umzudrehen. Er sah seine Schülerin scharf an.

»Was soll das bedeuten? Was ist mit dem Grafen? Weißt du etwas, das ich nicht weiß?«

»Ich habe gerade leider keine Zeit, Eure Fragen zu beantworten«, ahmte sie Lahryns Tonfall nach. Spöttisch lachend verließ sie das Labor.

Der alte Magier sah ihr beunruhigt nach. Was war mit ihr los? Sie benahm sich nicht so demütig, wie es eine Schülerin ihrem Meister gegenüber tun sollte, und wieder einmal stieg der Verdacht in ihm auf, dass sie nicht die Unwissende war, die sie zu sein vorgab. Was wollte sie, wenn nicht an seiner Erfahrung teilhaben und von ihm lernen? Warum interessierte sie sich für die Reise des Grafen? Das ungute Gefühl in ihm wuchs. Wo war Gerald von Theron? Der alte Magier versuchte sich daran zu erinnern, wann er zum letzten Mal mit dem Grafen gesprochen hatte. Schuldbewusst dachte er an den Besuch der Gräfin in seinem Labor. Sie war in tiefster Sorge gewesen und hatte sich in ihrer Not an ihren Hofmagier gewandt, doch der war mit seinen Gedanken wieder einmal nur bei seinen Experimenten gewesen. Er versuchte sich an Laminas Worte zu erinnern. Sagte sie nicht, Gerald sei verschwunden und sie habe Angst, ihm sei etwas passiert? War der Graf etwa immer noch nicht zurückgekehrt?

Besorgt trat Lahryn auf die Tür zu. Die Welt dort oben drehte sich, doch an ihm lief das Leben unbemerkt vorbei. Vielleicht wurde es Zeit, sich wieder einmal in den Lauf der Dinge einzumischen. In diesem Moment begann die grüne Flüssigkeit in einem großen Kristallkolben zu brodeln, und Lahryn eilte zum Tisch zurück, um das magische Feuer neu einzustellen. Darüber vergaß er den Grafen und die Gräfin und die ganze Welt dort draußen.

Bis tief in die Nacht saß er vor seiner Apparatur. Er spürte keinen Durst und keinen Hunger, doch irgendwann kroch die Erschöpfung leise an ihm hoch. Seine Augenlider wurden schwer, sein Kopf sank auf die Tischplatte. Bald war der Kerkerraum von leisem Schnarchen erfüllt.

In den frühen Morgenstunden näherte sich die schwarzhaarige Frau wieder den Räumen des Hofmagiers. Magie machte ihre Schritte unhörbar. Sie kam geräuschlos in das Laboratorium und betrachtete ihren schlafenden Meister. Sein Kopf ruhte auf den verschränkten Armen, sein Atem ging regelmäßig. Mykina trat hinter ihn. Selbst im Schlaf spürte er die Schwingungen der Magie und die Gefahr, die hinter ihm lauerte, doch die Erschöpfung forderte ihren Preis. Noch ehe die Worte des Zauberspruchs über seine Lippen kamen, traf ihn das Stilett in den Rücken, nicht tief und nicht tödlich, aber doch so, dass der Schmerz ihm kurz die Sinne raubte und ihr Spruch ihn mit voller Wucht traf. Mit mächtiger Magie drang Mykina in seine Gedanken ein. Der Strom aus Wissenskraft und Gefühlen erschlug sie fast, so dass ihre Kraft für einen Moment wankte. Verzweifelt versuchte sich Lahryn gegen den Angriff auf seinen Geist zu wehren und einen Schutzwall zu errichten. Voller Schmerz schrie Mykina auf. Der Kampf zehrte an den Kräften des verletzten Magiers, doch selbst als er stöhnend auf die Knie sank, gelang es Mykina nicht, an das gesuchte Wissen heranzukommen. Ihre Konzentration ließ nach, ihre Kräfte waren nahezu verbraucht. Die magischen Ströme kreuzten sich und ließen die Luft flimmern. Plötzlich entglitt Mykina die Kontrolle über ihren Spruch. Funken knisterten und regneten zu Boden, als der magische Strom in seiner zerstörerischen Kraft durch Lahryns Gedanken flutete und sie verschlang.

Der Magier fiel zu Boden und barg den Kopf zwischen den Händen. Er rollte sich auf den Steinfliesen hin und her und schrie, doch er konnte die Magie nicht mehr aufhalten, die immer tiefer in ihn eindrang und seinen Geist zerstörte. Es summte und zirpte um ihn her. Bücher und Pergamentbündel gingen in Flammen auf. Bald loderte das ganze Regal mit all den gesammelten Schätzen der Wissenschaft wie eine einzige Fackel auf. Entsetzt ergriff Mykina die Flucht. Flaschen und Gläser explodierten und färbten die Wände schwarz. Während die verkohlten Pergamentreste in sich zusammenfielen, lag Lahryn wimmernd am Boden. Sein Blick war leer.

Die Drachenkrone

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