Читать книгу Das Ende ist immer nahe 2 - Urs Herzog - Страница 7

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Südamerika

Heiss brannte die Sonne auf die ausgedorrten Felder und der heisse Wind aus den Bergen verstärkte die Gluthitze noch. Es war wie in einem Hochofen.

Weit und breit war nichts das ihm hätte Schatten spenden können. Er blieb stehen und wischte sich den Schweiss aus dem Gesicht. Warum nur tat er sich das an, er hätte auch später fahren können, gegen Abend, wenn die Hitze nicht mehr so mörderisch war.

Doch nun stand er hier in dieser Einöde. Als er nach vorne blickte nahm er in der Ferne einen dunklen Fleck war.

Die Qual würde bald ein Ende haben. In einer halben Stunde konnte er das Dorf erreichen, würde dann bei Pepe an der Bar ein paar kühle Biere kippen und die Welt wäre wieder in Ordnung. Dann nach Hause und lange schlafen.

Seine Stimmung hatte sich merklich gebessert, seine Schritte wurden länger und sein Gang federnder.

Eine Staubwolke tauchte vor ihm auf und er trat an den Rand der Strasse. Nicht zu früh, denn der Land Rover fuhr mit unvermindertem Tempo an ihm vorbei und hüllte ihn ein in eine Staubwolke die ihm den Atem nahm. Den grauen Wagen hatte er schon früher bemerkt. Er gehörte einer Gruppe von Neuankömmlingen die am Fusse der nahen Berge ihr Lager errichtet hatten. Es seien Prospektoren, wurde erzählt.

Es war nicht das erste Mal, dass solche Leute in seinem Dorf auftauchten. Meist waren sie nach ein paar Tagen wieder verschwunden.

Sie würden nie lernen die Berge und Ebenen richtig zu deuten, nie lernen, wo man schürfen musste um die begehrten Rohdiamanten zu finden.

Natürlich hätten die Lagerstätten im grossen Stil ausgebeutet werden können, aber hier legte niemand Wert darauf. Die Einheimischen hatten lieber ihre Ruhe und ihr Auskommen genügte ihnen.

Niemand würde sie als reich bezeichnen, aber mehr als wohlhabend waren sie allemal, auch wenn sie es nicht zur Schau stellten.

Die Häuser wirkten von aussen eher armselig, der Luxus im Innern blieb den Fremden verborgen, ging auch niemanden etwas an. Es war ein besonderer Menschenschlag der hier lebte, mitten in dieser Einöde.

Er hätte sich doch einen neueren Wagen anschaffen sollen. Wieder war eine Aufhängung an seinem uralten Pickup gebrochen. Schon zum zweiten Mal in diesem Monat musste er zu Fuss nach Hause.

Es wurde Zeit, dass er sich nach einem anderen Kleinlaster umsah. „Hoffentlich kann Aldo die Aufhängung noch einmal reparieren“, dachte er, denn um einen neuen Pickup zu kaufen, musste er in die Provinzhauptstadt fahren und bis dorthin sollte die Aufhängung die Belastung der Schotterpisten aushalten.

****

Der Staub senkte sich und er sah in der Ferne schon die Konturen der Häuser.

Plötzlich griff er sich in den Nacken. Es war als hätte ihn ein Insekt gestochen. Er blieb stehen und rieb die Stelle an seinem Haaransatz bis der Schmerz verging. Trotz der Hitze fühlte es sich kalt an.

Erstaunt schüttelte er den Kopf und ging dann weiter auf das Dorf zu. Mit einem Mal wurde ihm schwarz vor Augen. Er stolperte, dann gaben seine Beine nach und er fiel aufs Gesicht. Noch einmal zuckten seine Gliedmassen, dann war er tot, lag am Rand der staubigen Strasse, lag in der heissen Sonne die den kühlen, nassen Fleck in seinem Nacken abtrocknete.

Der erste Tote von San Sebastian, einem kleinen, einsamen Dorf in einem Landstrich in dem mehrheitlich Kakteen und Dornenbüsche wuchsen. Ein einsames Leben in dieser Einöde.

Als die Frau des Opfers am folgenden Morgen ihre Nachbarn bat bei der Suche nach ihrem Mann zu helfen, war bald das ganze Dorf unterwegs. Als er am Strassenrand liegend gefunden wurde, rief Pepe der Wirt nach dem Arzt. Nach dem Gesetz musste dieser offiziell den Tod feststellen und den Totenschein ausfüllen.

Als der Arzt aus der Provinzhauptstadt Stunden später erschien und den Toten untersuchte, sagte er, dass die Todesursache ein Herzinfarkt gewesen sei und das schrieb er auch auf den Totenschein. Er vermutete, dass die Hitze den Infarkt ausgelöst hatte. Die Menschen wunderten sich. Der Mann lebte ruhig und bescheiden, ohne Stress, wie alle hier. Und sie alle waren sich die Hitze gewohnt. Wie konnte man da an einem Herzinfarkt sterben? Wegen der Hitze!

Aber wenn der Doktor das sagte. Der musste es doch wissen.

Am nächsten Tag wurde das Opfer in der harten, staubigen Erde begraben und das Dorf traf sich anschliessend bei dessen Familie zur Totenfeier, bei der Kaffee und Kuchen, Mezcal und Tortillas gereicht wurden.

Zwei Tage später fiel einer der Bauern tot um. Er hatte am Rand des Dorfes auf seinem kargen Feld gearbeitet, hatte seine Melonen mit Wasser versorgt. Herzversagen, so das Verdikt des Arztes.

Und wieder schüttelten die Menschen den Kopf, konnten sich den Tod nicht erklären.

****

Es folgten weitere Opfer und alle starben sie eines natürlichen Todes. Erst traf es Aldo den Schmid, dann den Barbier und die Frau des Bürgermeisters.

Früher starb in San Sebastian niemand so jung, die Menschen wurden alle Alt und Krankheiten waren hier eine Seltenheit. Die Meisten starben an Altersschwäche.

Und nun diese Todesfälle. Wie konnte das sein? Am Wasser konnte es nicht liegen, denn dieses war ausgezeichnet. Die Luft war sauber, der Mezcal hervorragend und Stress hatten sie alle nicht gehabt, nicht so wie die Menschen in der Stadt.

Der Arzt kam, blieb nur kurz, stellte einen Totenschein aus und verschwand wieder so schnell wie er gekommen war. Und immer lautete das Verdikt Herzversagen oder Herzinfarkt. Eine andere Ursache konnte er nicht finden.

Und dann traf es den Pfarrer.

Er war auf dem Weg von der Kirche zum Friedhof als er auf offener Strasse plötzlich umfiel als hätte ihn eine Axt gefällt.

Nun griff die Angst um sich.

Das Dorf versuchte ein gewisses Mass an Normalität zu bewahren, aber als ein Junge von zehn Jahren starb und dann auch noch das Trinkwasser immer schlechter wurde, glaubten sie der Teufel hätte seine Hand im Spiel, hätte ihr Dorf verflucht.

Einige versuchten ihr Land zu verkauften aber niemand wollte auf den Handel eingehen. Und so packten die Ersten ihre Sachen und zogen weg.

Als dann in einer stürmischen Nacht eines der Häuser zu brennen begann und der heisse Wüstenwind Glut und Flammen auf das nächste Haus trieb, dann auf ein Weiteres und auf noch Eines, konnten die Menschen nur noch versuchen ihre Habe vor den Flammen zu retten. Und dann standen sie vor dem Nichts, hatten ihren ganzen Besitz verloren.

Die Überlebenden verliessen das Dorf und zerstreuten sich in alle Winde.

Und niemand interessierte sich dafür. Für die Polizei waren die vielen Todesfälle eine zufällige Anhäufung von Schicksalsschlägen und der Brand ein normales Unglück. Das Ganze wurde zu den Akten gelegt und San Sebastian von der Landkarte getilgt.

Das Ende ist immer nahe 2

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